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Die Transformation von Planwirtschaften in Geldwirtschaften Ökonomische Kohärenz, Mindestschwelle der Transformation, außenwirtschaftliche Strategien

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FS 1 90 - 9

Die Transformation von Planwirtschaften in Geldwirtschaften

Ökonomische Kohärenz, Mindestschwelle der Transformation, außenwirtschaftliche Strategien

Hansjörg Herr und Andreas Westphal

Dezember 1990 ISSN Nr. 1011-9523

Forschungsschwerpunkt Arbeitsmarkt und Beschäftigung (FS I)

Research Area Labour Market and Employment (FS I)

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Reichpietschufer 50 1000 Berlin 30

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context money only plays a passive role as a means of transaction it cannot fulfill the store-of-value function because it is necessarily less scarce than commodities and resources. In monetary economies it is a stable money which establishes the coherence of the economy. During the transformation process the dynamics of a monetary economy can only be set in motion after the establishment of the key structural elements of monetary economies.

These structural elements are above all a monetary constitution which makes it possible to keep money scarce and enterprise autonomy coupled with a hard budget constraint. After the threshold of structural reforms allowing the unfolding of a monetary economy is reached a gradualist strategy or a shock therapy are possible. In respect to external conditions the former planned economies should create an undervaluation of their currencies to avoid the fate of many countries in the Third World which tried to create development by capital imports and deficits in the trade balance without success.

Zusammenfassung

In Planwirtschaften wird die ökonomische Kohärenz durch die quantitative Planung der Planungsbehörde unter der Bedingung der Vollauslastung von Ressourcen hergestellt. Geld spielt eine ausschließlich passive Rolle als Transaktionsmittel. Es kann in Planwirtschaften keine Wertaufbewahrungs- funktion übernehmen, da es weniger knapp als physische Ressourcen ist. In Geldwirtschaften stellt Geld die Kohärenz der Ökonomie her, wobei aus­

schließlich ein stabiles Geld diese Funktion übernehmen kann. Während des Transformationsprozesses kann die Dynamik einer Geldwirtschaft nur ent­

stehen, nachdem einige zentrale Strukturelemente einer Geldwirtschaft ein­

geführt worden sind. Dabei handelt es sich vor allem um eine Geldverfas­

sung, die die Knappheit des Geldes garantiert, und die Autonomie der Un­

ternehmen, die gleichzeitig einer harten Budgetrestriktion ausgesetzt sind.

Nachdem eine Mindestschwelle zur Erzeugung der Logik einer Geldwirt­

schaft eingeführt ist, kann der Transformationsprozeß einer gradualistischen Strategie oder einer Schocktherapie folgen. In Bezug auf außenwirtschaftli­

che Aspekte sollten die ehemaligen Planwirtschaften eine Unterbewertung ihrer Währungen anstreben, um dem Schicksal der Länder der Dritten Welt zu entgehen, die über Kapitalimporte und über Defizite in der Handelsbilanz einen Entwicklungsprozeß einleiten wollten.

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 4

2. Die Herstellung von Kohärenz in Plan- und

Geldwirtschaften 7

2.1. Die Herstellung von Kohärenz in 7 der Geldwirtschaft

2.2. Die Herstellung von Kohärenz in

der Planwirtschaft 10

3. Der Transformationsprozeß von

Plan- zu Geldwirtschaften 15

3.1. Die Mindestschwelle der Transformation 15 3.2. Das Sequencing der Transformation 23

4. Außenwirtschaftliche Aspekte des Transformationsprozesses 32

5. Literatur 41

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Nahezu alle osteuropäischen Länder haben sich bereits endgültig von planwirtschaftlichen Vorstellungen abgewandt und das Ziel einer Dominanz geldwirtschaftlicher Mechanismen akzeptiert. Transformationsprozesse werden im vorliegenden Aufsatz ausschließlich als Veränderung gesellschaftlicher Strukturen und nicht als Entwicklungsprozesse auf Grund­

lage gegebener Strukturen verstanden. Der Umbruch in den ehemaligen Planwirtschaften umfaßt die Totalität der gesellschaftlichen Verhältnisse.

Gegenstand ist im Folgenden jedoch ausschließlich die Transformation der ökonomisch wesentlichen gesellschaftlichen Strukturen.

Jede Gesellschaftsformation bildet eine Einheit von unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturen, die verschiedenen Produktionsweisen an­

gehören können. So können z.B. in einer Gesellschaftsformation Struktur­

elemente des Feudalismus, der Subsistenzwirtschaft und der Geldwirtschaft nebeneinander existieren. Entscheidend ist, daß diese nebeneinander existierenden Strukturelemente eine Hierarchie bilden, in der die Logik einer bestimmten Produktionsweise die Strukturelemente, die anderen Produkti­

onsweisen zugehörig sind, dominiert und dadurch eine gesellschaftliche Ko­

härenz herstellt. Die Dominanz der Logik der geldwirtschaftlichen Produk­

tionsweise kann mit verschiedenen, im Rahmen einer Geldwirtschaft mögli­

chen Regulationsmodi einhergehen. Mit dem Begriff des Regulationsmodus wird hier das jeweilige spezifische Ensemble institutioneller Formen in der ökonomischen, politischen, juristischen und kulturellen Sphäre bezeichnet, das die Aufgabe der Reproduktion der geldwirtschaftlichen Produktions­

weise zu erfüllen hat (vgl. Aglietta 1979).

Ein Transformationsprozeß impliziert einen Übergang der Dominanz einer Logik zur Dominanz einer anderen (vgl. Derrida 1967). Der Punkt, an dem dieser Wechsel der dominierenden Logik stattfindet, kann auch als Mindest­

schwelle bezeichnet werden. Diese ist durch ein Set von Strukturbrüchen gekennzeichnet, von deren Realisierung an die neue gesellschaftliche Logik erst ihre Dynamik entfalten kann. Der Begriff der Mindestschwelle darf nicht als quantitativer Begriff mißverstanden werden (z.B. im Sinne der

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Überschreitung eines bestimmten prozentualen Verhältnisses der im priva­

ten Sektor der Ökonomie Beschäftigten zu den Gesamtbeschäftigten). Ent­

scheidend ist die qualitative Dimension, daß vom Überschreiten der Mindestschwelle an die neue gesellschaftliche Logik die nach anderen Lo­

giken funktionierenden Strukturen beherrscht und so im weiteren Verlauf des Transformationsprozesses eine neue Kohärenz des gesellschaftlichen Gesamtsystems hergestellt wird.

Beim theoretischen Zugang zum Gegenstandsbereich der Transformation von Planwirtschaften in Geldwirtschaften muß unweigerlich die Frage auf­

geworfen werden, ob es überhaupt eine allgemeine Theorie dieses Trans­

formationsprozesses geben kann oder ob ausschließlich eine historische Be­

trachtungsweise der jeweiligen nationalspezifischen Transformationspro­

zesse möglich ist. Die Frage nach der Existenz einer allgemeinen Transformationstheorie stellt sich trotz der vollkommen unterschiedlichen gesellschaftsstrukturellen Ausgangsbedingungen auch in bezug auf die Ent­

wicklung der "Dritten Welt". Eine eindeutige Absage muß in bezug auf beide Transformationsprozesse allen Positionen erteilt werden, die einen sich aus ökonomischen Entwicklungsgesetzmäßigkeiten ableitenden Deter­

minismus der entsprechenden Strukturveränderungen postulieren. Hierunter fallen u.a. modemisierungstheoretische und konvergenztheoretische Positio­

nen sowie Theorien, die von einer wachsenden Unterlegenheit von Planwirt­

schaften in der Systemkonkurrenz ausgehen und daraus einen zwangsläufi­

gen Übergang planwirtschaftlicher Länder zur kapitalistischen Marktwirt­

schaft ableiten. Jede Theorie der Zwangsläufigkeit von Transfonna­

tionsprozessen muß behaupten, daß erstens bestimmte Entwicklungstenden­

zen einen Transformationsprozeß notwendig machen und daß zweitens die­

sen Notwendigkeiten im realen geschichtlichen Prozeß auch Rechnung ge­

tragen wird. Derartige theoretische Ansätze können daher auf zwei Ebenen der Kritik ausgesetzt werden: Zum einen können die Entwicklungstendenzen angezweifelt werden, die eine Transformation notwendig machen sollen und zum anderen kann postuliert werden, daß historische Konstellationen auf- treten, in denen zwar gesellschaftliche Entwicklungstendenzen zu einer fun­

damentalen Krise des herrschenden Gesellschaftsmodells führen, die aber - aus welchen Gründen auch immer - durch die agierenden historischen Sub­

jekte nicht im Sinne der Transformation in ein neues Gesellschaftsmodell überwunden wird.

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schon alleine aufgrund der Resistenz von Institutionaliserungen des alten gesellschaftlichen Systems scheitern. Mit dieser Erkenntnis ist aber zwangsläufig jeder Theorie der Boden entzogen, die ein Scheitern oder Ge­

lingen eines Transformationsprozesses nur ökonomisch erkären will. Eine Theorie der Transformation von Planwirtschaften in Geldwirtschaften er­

scheint damit nur in dem Sinne möglich, daß theoretisch abgeleitet werden kann, welche notwendigen ökonomischen Bedingungen erfüllt sein müssen, wenn der Erfolg des Transformationsprozesses möglich sein soll. Ob er wirklich wird, hängt davon ab, ob bestimmte nichtökonomische Dimensio­

nen gesellschaftlicher Realität betreffende hinreichende Bedingungen erfüllt sind.

Für die Entwicklung einer Theorie des Transformationsprozesses von Planwirtschaften in Geldwirtschaften muß zunächst begriffen werden, durch welche ökonomischen Funktionsmechanismen in Planwirtschaften und in Geldwirtschaften jeweils die Kohärenz des ökonomischen Systems herge­

stellt wird. Darauf aufbauend können Inkohärenzen diskutiert werden, die aus der Koexistenz sich widersprechender Allokationsmechanismen resul­

tieren (Abschnitt 2.). Im nächsten Schritt wird das Bündel von Strukturre­

formen bestimmt, deren Realisierung mindestens notwendig ist, um eine geldwirtschaftliche Dynamik zu entfalten. In diesem Zusammenhang wer­

den die beiden extremen Sequencing-Varianten - gradualistische Strategie und Schocktherapie - diskutiert, die nach dem Überschreiten der Mindest­

schwelle möglich sind (Abschnitt 3.). Abschließend geht es um die au­

ßenwirtschaftliche Einbettung einer erfolgreichen Transformationsstrategie der osteuropäischen Länder (Abschnitt 4.) rf

1 Eine kürzere Fassung des 2. und 3. Abschnitts befindet sich in Herr/W estphal 1991. Zu weiterführenden Aspekte des 4. Abschnitts vgl. Herr/W estphal 1990a.

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Der Transformationsprozeß kann nur begriffen werden, wenn geklärt ist, welches in seinem Ausgangs- und in seinem Endstadium die Mechanismen sind, die die Kohärenz des jeweiligen ökonomischen Systems hersteilen.

Entscheidend ist dabei, daß der wesentliche Gegensatz nicht zwischen Plan- und Marktwirtschaft, sondern zwischen Plan- und Geldwirtschaft besteht (vgl. Riese 1990), da Märkte und Marktbeziehungen sowohl in einer plan­

wirtschaftlich als auch in einer geldwirtschaftlich funktionierenden Ökono­

mie existieren können.

2.1. Die Herstellung von Kohärenz in der Geldwirtschaft

Die Frage, wodurch die Kohärenz der Geldwirtschaft hergestellt wird, wird von den verschiedenen ökonomietheoretischen Paradigmen unterschiedlich beantwortet. Der Begriff der Kohärenz hat in jedem Paradigma zwei Dimen­

sionen: erstens die Bestimmung der konstitutiven Elemente des Modells, die für die Ableitung der Möglichkeit eines Gleichgewichtes notwendig sind, und zweitens die Bestimmung der Marktprozesse, die Kohärenz hersteilen.

Im Rahmen des neoklassischen Paradigmas haben der Arbeitsmarkt, der Gütermarkt und der Vermögensmarkt eine gleichberechtigte Stellung, da die Wirtschaftssubjekte simultan auf allen Märkten im Rahmen von Tauschak­

ten entsprechend ihrer Individualkalküle Gewinn und Nutzen maximieren.

Vermittelt über die Zeitpräferenztheorie und die Existenz von Zukunfts- märkten wird auch der Vermögensmarkt tauschtheoretisch erfaßt.^ Das neo­

klassische Paradigma konstituiert damit eine Verhandlungsökonomie gleichberechtigter Individuen. Ausdruck der tauschtheoretischen Fundierung der Neoklassik ist das Postulat der (zumindest langfristigen) Neutralität des Geldes. Der Marktprozeß zu einem Totalgleichgewicht wird in der walrasia- nischen Allgemeinen Gleichgewichtstheorie nicht thematisiert, sondern durch die Konstruktion des Auktionators ersetzt, der die temporalen und in­

tertemporalen relativen Preise zum Gleichgewicht führt (vgl. Walras 1874), nach dessen Realisierung erst getauscht wird.

2 Auch wenn anstelle von Zukunftsmärkten rationale Erwartungen unterstellt werden, bleibt der Sachverhalt bestehen, daß die Zukunft in der Neoklassik tauschtheoretisch in die Gegenwart verlagert wird (vgl. Hahn 1982).

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tertemporalen relativen Preise zum Gleichgewicht führt (vgl. Walras 1874), nach dessen Realisierung erst getauscht wird.

Entsprechend des andersartigen paradigmatischen Ansatzes hat die keynesianische Theorie eine andere Vorstellung von Kohärenz und ihrem Zustandekommen. Sie geht von der Nichtneutralität des Geldes und einer Hierarchie der verschiedenen Märkte aus, in der der Vermögensmarkt sowohl den Güter- als auch den Arbeitsmarkt dominiert. Dispositionen über Vermögen steuern über einen Investitions-Einkommens-Mechanismus die effektive Nachfrage und damit die Höhe von Produktion und Beschäftigung (vgl. Keynes 1930, 1936). Vollbeschäftigung gehört - im Unterschied zur Neoklasssik^ - nicht zu einem Kohärenzmerkmal einer Geldwirtschaft, da der Vermögensmarkt durchaus ein Produktionsvolumen determinieren kann, das Arbeitslosigkeit beinhaltet.^ Ein Struktunnerkmal des Vermögens­

marktes ist die Verarbeitung von Unsicherheit, da im Rahmen des keynesia- nischen Paradigmas ökonomische Agenten bei Unsicherheit, die nicht durch objektive Wahrscheinlichkeiten in Sicherheit überführbar ist (vgl. Knight 1940), wirtschaften müssen. Vermögenssicherung wird damit zu einem zen­

tralen Handlungsparameter auf Vermögensmärkten, was Keynes (1936) durch die Entwicklung der Liquiditätsprämie und die Betonung von unsiche­

ren Erwartungen bei der Abschätzung zukünftiger pekuniären Ertragsraten zum Ausdruck brachte. Die Liquiditätsprämie bestimmt bei der temporären Aufgabe von Liquidität die Zinsrate. Die Notwendigkeit der Rückzahlung von Krediten einschließlich der entsprechenden Zinsen erzwingt die Pro­

duktion von Profit und konstituiert damit eine Verpflichtungsökonomie. Die

3 Neuere Entwicklungen der Neoklassik leiten zwar über Effizienzlöhne etc. unfreiwil­

lige Arbeitslosigkeit ab, jedoch wird dadurch der Kern des Paradigmas nicht tangiert. Es handelt sich dabei methodisch um einen Schutzgürtel des neoklassischen Paradigmas (vgl. Lakatos 1974, 1974a).

4 Im Gegensatz zum hier verfolgten methodischen Ansatz vertritt Minsky (1980) die Auffassung, daß Geld in der realen W elt als Störfaktor wirkt und dadurch die Entstehung der Kohärenz verhindert, die das Modell des Allgemeinen Gleichge­

wichts aufweist. Methodisch impliziert Minsky's Ansatz, daß die Theorie des Allgemeinen Gleichgewichts dadurch kritisiert werden könnte, daß die reale Welt Phänomene aufweist, die Inkohärenz zum Ausdruck bringen. Eine weitere Differenz zu Minsky besteht in der Ablehnung seines Postulats, daß "any reasonable definition o f a 'coherent disposition o f economic resources' must hold that the existence and persistence o f large-scale unemployment is 'incoherent'" (Minsky 1980, 22).

Vielmehr kann die Herstellung der Kohärenz einer Geldwirtschaft gerade die Erzeugung von Arbeitslosigkeit erfordern, um die Vermögens Sicherungsfunktion des Geldes aufrechtzuerhalten.

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Kohärenz der Ökonomie stellt sich im keynesianischen Paradigma somit über den Vermögensmarkt her.

Aus dem marktendogenen Bedürfnis nach Vermögenssicherung ergibt sich unmittelbar, daß nur ein wertstabiles Geld Vermögenssicherungsfunktionen übernehmen kann und ein inflationierendes Geld durch ausländische Währungen, Warengelder etc. substituiert wird. Inflationierendes Geld ver­

liert die Fähigkeit, die Kohärenz auf dem Vermögensmarkt und damit auch in der Gesamtökonomie herzustellen.

Die Kohärenz einer Ökonomie wird nicht durch das Wirken von Marktpro­

zessen allein hergestellt. Märkte können zwar - sieht man von externen Ef­

fekten ab - mikroökonomische Effizienz, Anreize zur Produktivkraftsteige­

rung, Verhinderung überhöhter Lagerhaltung etc. erzeugen, aber nicht ma­

kroökonomische Stabilität garantieren. Die Kohärenz einer Ökonomie kann durch Instabilitäten erodiert werden. Aufgrund der Notwendigkeit des Han­

delns unter Unsicherheit sind Geldwirtschaften inhärent instabil. Entschei­

dend ist jedoch, daß nicht jede Instabilität (wie z.B. zyklische Schwankun­

gen) die Kohärenz einer Ökonomie untergräbt. Dies ist nur der Fall, wenn die Instabilität kumulativen Charakter erhält und infolgedessen eine Repro­

duktion der wesentlichen Strukturen der Ökonomie infragegestellt ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn infolge eines Inflationsprozesses die Substituierung von Zentralbankgeld durch ausländische Währungen soweit fortgeschritten ist, daß die Zentralbank ihre Macht zur Regulierung des Preisniveaus und damit auch der Ökonomie eingebüßt hat.

Vor diesem Hintergrund enthält die Theorie der Kohärenz eine Schnittstelle zur Institutionentheorie. Institutionen haben vom ökonomischen Standpunkt die Funktion, Handeln unter Unsicherheit zu vereinfachen oder Unsicherheit zu reduzieren (vgl. Kregel 1980).^ Indem Institutionen aber - vermittelt über die Reduzierung von Unsicherheit - auch dazu beitragen, die Wahr­

scheinlichkeit einer kumulativen Instabilität der Ökonomie zu reduzieren, leisten sie ihren spezifischen Beitrag zur Sicherung der Kohärenz der Geld­

wirtschaft. Ein Beispiel in diesem Zusammenhang sind Institutionalisiemn-

5 Dabei leitet die Neoklassik Institutionen aus der Notwendigkeit von Ordnungspolitik ab. Im keynesianischen Paradigma ergeben sich Institutionalisierungen auch aus der Notwendigkeit von diskretionären Prozeßpolitiken.

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gen des Arbeitsmarktes. Da stabiles zukunftsorientiertes ökonomisches Handeln als Basis eines stabilen Preisniveaus bedarf und die um Produktivi­

tätsveränderungen bereingte Geldlohnentwicklung das Preisniveau über die Kosten mittelfristig bestimmt (vgl. Keynes 1930), werden Gewerkschaften, Tarifverhandlungssysteme etc. zu einem wichtigen Stabilitäsfaktor der Ökonomie. So haben Gewerkschaften die Aufgabe, bei Arbeitslosigkeit, eine Deflationsspirale zu verhindern, die die Kohärenz einer Geldwirtschaft erodiert (vgl. den 3. Abschnitt).

2.2. Die Herstellung von Kohärenz in der Planwirtschaft

Das theoretische Modell der Planwirtschaft beruht auf einer Mengenplanung der Zentrale bei gleichzeitiger Administrierung der Preise. Die Mengenpla­

nung ersetzt jenen Allokationsmechanismus, der in Geldwirtschaften durch die Preise ausgeübt wird. Bei der Administrierung der Preise in einer Plan­

wirtschaft bewirkt die Subventionierung eines Teils der Güter und eine steu­

erliche Belastung eines anderen Teils eine systematische Abweichung der Preise von den Kosten. Diese Abweichung erfolgt aus zwei verschiedenen Gründen: 1. erlaubt sie die Realisierung einer bestimmten Wohlfahrts­

funktion; 2. dient der Saldo der Summen von Kosten und Umsätzen als makroökonomisches Instrument zur Vermeidung eines Angebots- oder Nachfrageüberschusses auf dem Gütermarkt - in der Sprache der Planwirt­

schaft eines Ware-Geld-Ungleichgewichtes (vgl. Dembinski 1988, 288ff.).

Da die Mengenplanung der Zentrale auf der Vollbeschäftigung der Ressour­

cen basiert, ist es in der Planwirtschaft die Knappheit der Ressourcen, die der Expansion des ökonomischen Systems Grenzen setzt.

Die Kohärenz einer Planwirtschaft wird dadurch hergestellt, daß die Men­

genplanung von der zentralen Planbehörde durchgeführt wird und die ein­

zelnen Betriebe administrativ entsprechend ihrer Kapazitäten auf die zu pro­

duzierenden Produkte und Produktionsmengen festgelegt werden. In einem derartigen System spielt Geld innerhalb des Untemehmenssektors eine rein passive Rolle, was sich in der Organisation des Bankensystems nieder­

schlägt. Planwirtschaften weisen ein Bankensystem auf, das die Regulierung des Zentralbankgeldumlaufs und der Kreditgewährung institutionell nicht voneinander trennt (Monobank). Aufgabe der Monobank ist nicht die

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Knapphaltung des Geldes, sondern die Zurverfügungstellung einer Menge an Kredit- und Zahlungsmitteln, die die Erfüllung der Pläne möglich macht.

Die Verrechnung von Transaktionen zwischen Unternehmen erfolgt über Konten innerhalb des Bankensystems. Die staatlich festgesetzte Höhe der betrieblichen Lohnfonds bestimmt die Menge an Zentralbankgeld, die den Haushalten vermittelt über deren Einkommen zufließt und die vermittelt über deren Konsumausgaben wieder an den Untemehmenssektor zurück­

fließt.

Vom Standpunkt der neoklassischen Ökonomie läßt sich das System der Planwirtschaft als ineffizient kennzeichnen. Ineffizienz wird dabei als Ver­

letzung der Postulate der neoklassischen Allokationstheorie verstanden.

Ausdruck der Verletzung dieser Postulate ist die Abwesenheit von knapp­

heitsinduzierten relativen Preisen (einschließlich intertemporaler), die allein eine optimale Allokation bewirken könnten. Indem eine zentrale Planung von Produktionsmengen, Preisen und Investitionen das neoklassische Effizi­

enzpostulat verletzt, impliziert sie eine Reduzierung des Wohlfahrtsniveaus.

Es muß jedoch darauf verwiesen werden, daß die Einführung eines plan­

wirtschaftlichen Systems auf der bewußten politischen Entscheidung basie­

ren kann, die durch die Verletzung der neoklassischen Effizienzkriterien zu­

standekommenden Wohlfahrts Verluste inkaufzunehmen, um andere als übergeordnet betrachtete Ziele zu erreichen. Ungeachtet der Verletzung der neoklassischen Effizienzkriterien handelt es sich beim theoretischen Modell einer Planwirtschaft um ein kohärentes ökonomisches System, das jedoch permanent gegen die Entstehung konkurrierender Allokationsmechanismen z.B. in Form der Dualwirtschaft verteidigt werden muß (s.u.). hn Gegensatz zur Geldwirtschaft wird die Kohärenz in der Planwirtschaft nicht durch das anonyme Wirken der Gesetzmäßigkeiten des Vermögensmarktes, sondern durch die bewußten Prozesse der Preis- und Mengenplanung sowie anderer Makropolitiken hergestellt.

Das makroökonomisch wesentliche Charakteristikum der Planwirtschaft ist die Existenz von Mangelwirtschaft. Ihre Ursache liegt darin, daß die zentrale Planung unter der Bedingung der Vollauslastung der Ressourcen, insbeson­

dere auch des Arbeitskräftepotentials, operiert, während das Bankensystem den sich aus dieser Planung ergebenden Zahlungsmittelbedarf passiv befrie­

digt. Dadurch weisen in der Planwirtschaft Ressourcen einen größeren

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Knappheitsgrad auf als Geld, während in der Geldwirtschaft Geld im Ver­

hältnis zu den Ressourcen knappergehalten werden muß. Die notwendige Konsequenz dieses Zusammenhangs ist, daß in der Planwirtschaft die Funk­

tion der Vermögenshaltung bei Unternehmen vom Geld auf Güter übergeht.

Ein der Vermögenshaltung dienendes Aktivum muß zum einen wertstabil und zum anderen möglichst jederzeit in andere Vermögensgegenstände ein­

tauschbar sein. Diesen Anforderungen genügt das Geldvermögen in einer Planwirtschaft nicht, da es nicht über eine generelle Güteraneignungsfunk­

tion verfügt, d.h. nicht jederzeit in jedes beliebige Gut oder anderes Aktivum eintauschbar ist. Eine Vermögenshaltung in Form einer Güterhortung wird somit zur funktionalen Notwendigkeit in einer Planwirtschaft, als daß sie zum Schutz vor dem Ausfall der Lieferung von Inputs dient und damit eine Planerfüllung auch unter Bedingungen von Unsicherheit möglich macht (vgl. Lohmann 1985). Die Wertaufbewahrungsfunktion, die in einer Geldwirtschaft von Geldvermögen wahrgenommen wird, geht damit in einer Planwirtschaft auf Güter über (vgl. Riese 1990, 37).

In einer Planwirtschaft besteht ständig die Gefahr eines Ware-Geld- Ungleichgewichts, da sowohl der Lohnfonds als auch die Preise und Men­

gen administrativ geplant sind und es dadurch nicht zu einer gleichgewichti­

gen Markträumung über den Preis kommen kann. Ein Ware-Geld-Ungleich- gewicht in der Form eines Nachfrageüberhangs nach Konsumgütem entsteht dann, wenn sich die Sparquote der Haushalte unerwartet vermindert, das aggregierte Konsumgüterangebot nicht der Planvorgabe entspricht oder die Struktur von Angebot und Nachfrage nicht übereinstimmt. Existiert aus den genannten Gründen ein Ungleichgewicht auf dem Konsumgütermarkt, kann die zentrale Planbehörde mit den folgenden drei Makropolitiken reagieren (vgl. Allen 1982): Sie kann das Preisniveau erhöhen und gegebenenfalls die Struktur der Planpreise anpassen, sie kann die mengenmäßige Struktur der vom staatlichen Sektor angebotenen Güter verändern oder sie kann den Lohnfonds reduzieren. Da die Planwirtschaft bei Vollauslastung der Res­

sourcen arbeitet, scheidet die mengenmäßige Anpassung des aggregierten Angebots zum Ausgleich eines Ware-Geld-Ungleichgewichtes als kurz­

fristiges Instrument aus, so daß nur politisch unpopuläre Preiserhöhungen und Nominallohnsenkungen als kurzfristige Instrumente zur Verfügung ste­

hen. Gelingt es nicht, mit einer oder mehreren dieser drei Politiken ein Ware-Geld-Gleichgewicht wiederherzustellen, entsteht das Phänomen des

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Geldüberhangs. Im Geldüberhang kommt eine unterdrückte Inflation zum Ausdruck (vgl. Nuti 1985, Dembinsky 1988): Infolge der Administrierung der Preise im staatlichen Sektor kommt es nicht zu einer offenen Inflation, aber zu einem zunehmendem Verlust der Güteraneignungsfunktion - der Warenkonvertibilität - des Geldes und einem daraus resultierenden Zwangs- sparen der Haushalte.

Obwohl ein kumulativer Geldüberhang kein zwangsläufiges Resultat einer Planwirtschaft darstellt, da er mit den genannten Makropolitiken bekämpft werden kann, gelingt durch die Bekämpfung des Geldüberhanges keine Be­

seitigung der Güterhortung der Haushalte. Diese kann zwar begrenzt, nicht aber gänzlich eliminiert werden. Sobald nämlich Nachfrageüberschüsse nach einzelnen Gütern entstehen, werden diese knapper als Geld. Die Ent­

stehung derartiger Verknappungen einzelner Güter ist transitorisch in einem ökonomischen System zwangsläufig, in dem eine zentrale Planbehörde in Ermangelung knappheitsinduzierter Preissignale Veränderungen der Präfe­

renzstruktur der Haushalte nicht richtig antizipieren kann. Das eigentlich Problem in diesem Zusammenhang besteht allerdings darin, daß infolge der Vollauslastung der Ressourcen die Angebotselastizität so gering ist, daß selbst im Falle der Kenntnis der Veränderung der Präferenzstruktur eine ent­

sprechende produktionsseitige Entknappung der betreffenden Güter kurzfri­

stig unmöglich ist. Die als Pendant der Mangelwirtschaft enstehende Güter­

hortung wird dadurch verstärkt, daß Geldvermögen sich in Planwirtschaften nur geringfügig verwerten und damit selbst bei Preisstabilität keine zum Abbau des Geldüberhangs hinreichende Nachfrage nach Geldvermögen ent­

steht. Geldvermögen stellt in Planwirtschaften ausschließlich einen Proudhonschen "Anspruchsschein" auf Waren dar. Knappe Waren haben es in Planwirtschaften somit leicht, zum "Hahn im Korb" (vgl. Keynes 1936, Kap. 17) bei der Vermögenshaltung zu werden, da sie sowohl eine höhere pekuniäre (z.B. in Form etwaiger Spekulationsgewinne) als auch nichtpeku­

niäre Verwertungsrate aufweisen als Geldvermögen.

Die Kohärenz einer Planwirtschaft droht permanent durch die Entstehung einer Dualwirtschaft untergraben zu werden. Der Begriff der Dualwirtschaft umfaßt hier - anders als im Fall der Geldwirtschaft - legale und illegale Formen marktmäßiger Produktion und Distribution außerhalb des staatlich geplanten Sektors der Ökonomie. Die Dualwirtschaft im Kontext einer

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Planwirtschaft basiert prinzipiell auf der Verletzung des law o f one price.

Liegt der Knappheitspreis einer Ware über dem Planpreis, ist es für Wirt­

schaftssubjekte unmittelbar möglich, durch Kauf der entsprechenden Güter im Planungssektor und Wiederverkauf Arbitragegewinne zu erzielen. Die Planökonomie kann dem Problem nur entgehen, wenn sie zu dem herr­

schenden Preis die Sättigungsmenge anbietet oder die Preise erhöht. Eine le­

gale dualwirtschaftliche Produktion ist für Wirtschaftssubjekte vorteilhaft, wenn für den Zeithorizont der Amortisation der notwendigen Investitionen der erwartete Knappheitspreis über den dualwirtschaftlichen Produktionsko­

sten liegt. Eine illegale dualwirtschaftliche Produktion ist dann rentabel, wenn die erwarteten Knappheitspreise zusätzlich die erwarteten Kosten der Bestrafung übersteigen. In beiden Fällen wird der geplante Sektor der Öko­

nomie durch den Kauf subventionierter Güter, die als Inputs der dualwirt­

schaftlichen Produktion dienen, ausgebeutet. Die Dualwirtschaft verwendet in zunehmendem Maße Ressourcen, die aus dem staatlichen Sektor stam­

men, und schwächt dadurch permanent den Plansektor der Ökonomie. Die Planwirtschaft muß die Dualwirtschaft systematisch bekämpfen, um solche Prozesse zu unterbinden.

Die Dualwirtschaft transformiert eine durch ein Ware-Geld-Un- gleichgewicht entstandene versteckte Inflation im staatlichen Sektor in eine offene Inflation in der Zweitökonomie. Die dualwirtschaftlichen Markt­

preise steigen, bis das Ware-Geld-Ungleichgewicht beseitigt ist. Ebensowe­

nig wie es bei Existenz einer Dualwirtschaft noch einen Geldüberhang ge­

ben kann, kann das Sparen der Haushalte noch Zwangsparen sein. Ware- Geld-Ungleichgewichte im staatlichen Sektor versetzen die Dualwirtschaft in die Lage, Quasirenten abzuschöpfen. Diese sind umso höher, je mehr in­

stitutionelle und technologische Rigiditäten verhindern, daß es zu einer schnellen Anpassung der im staatlichen oder im dualwirtschaftlichen Sektor angebotenen Mengen kommen kann (vgl. Krueger 1974).

Planökonomie und Dualwirtschaft basieren auf widersprüchlichen Allokationsmechanismen. Einheitliche Preise beider Sektoren, die ein Gleichgewicht herstellen, können nur entstehen, wenn entweder die Dual­

wirtschaft die angebotene Menge des jeweiligen Gutes soweit erhöhen kann, daß Plan- und Marktpreis identisch sind oder die Planbehörde mit erfolgrei­

chen Makropolitiken das Ware-Geld-Ungleichgewicht im staatlichen Sektor

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beseitigt. Im ersten Fall wird die Planwirtschaft zunehmend von der Dualwirtschaft unterhöhlt, im zweiten Fall wird die Austrocknung der Dualwirtschaft herbeigeführt. Beide Fälle zusammen machen deutlich, daß es keine friedliche Koexistenz beider Allokationsmechanismen geben kann.

Es gehört zu den Grundproblemen einer Planwirtschaft, daß sie in dem Maße, in dem sie nicht in der Lage ist, das Ware-Geld-Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, eine Dualwirtschaft hervorbringt, die sie dann notwendig bekämpfen muß, um ihre eigene Erosion zu verhindern. In diesem Zusam­

menhang ist es mehr als fraglich, ob das Konzept der bisherigen Perestroika (vgl. Aganbegjan 1989, Saslawskaja 1989), das eine Koexistenz verschiede­

ner Allokationsmechanismen für wünschenswert hält, eine kohärente Öko­

nomie hersteilen kann.

3. Der Transformationsprozeß von Plan- zu Geldwirtschaften

Der Transformationsprozeß umfaßt zwingend den Abbau der alten ökonomi­

schen Strukturen und den parallel dazu verlaufenden Aufbau von neuen Strukturen. Dies impliziert die Schaffung von institutioneilen und juristi­

schen Voraussetzungen, die den Ordnungsrahmen einer Planwirtschaft durch den Ordnungsrahmen einer Geldwirtschaft ersetzen. Dazu bedarf es der Herausbildung einer Konstellation gesellschaftlich-politischer Kräfte, die den Transformationsprozeß von Stufe zu Stufe vorantreibt und gleich­

zeitig ein - sich ständig verschiebendes - Gleichgewicht im gesell­

schaftlichen Gefüge wahrt. Jenseits dieses hier nicht näher betrachteten gesellschaftspolitischen Prozesses stellt sich das ökonomisch zentrale Pro­

blem, während der Transformationsphase einen Zusammenbruch der Öko­

nomie zu verhindern.

3.1. Die Mindestschwelle der Transformation

Mit der Entscheidung eines Übergangs von der Plan- zur Geldwirtschaft ist noch nicht der konkrete Regulationsmodus festgelegt, der innerhalb einer Geldwirtschaft angestrebt wird. Geldwirtschaften können hinsichtlich ihrer wohlfahrtsstaatlichen Ausgestaltung, der Größe ihres öffentlichen Sektors

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oder des Umfangs von Mitbestimmungsrechten der Beschäftigten diffe­

rieren. Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, daß es ein Kontinuum unterschiedlicher Mischungsverhältnisse zwischen Plan- und Geldwirtschaft gibt, innerhalb dessen die unterschiedliche Intensität von Staatseingriffen den jeweiligen Platz eines Landes bestimmt (vgl. Komai 1988). Vielmehr erzwingen die im vorherigen Abschnitt entwickelten Widersprüche zwi­

schen planwirtschaftlichen und geldwirtschaftlichen Alloka­

tionsmechanismen eine Dominanz eines Allokationsmechanismus über den anderen. Diese Erkenntnis entzieht auch konvergenztheoretischen Auffas­

sungen den Boden. Vor dem Hintergrund der Vielfalt an möglichen Regula­

tionsmodi innerhalb einer Geldwirtschaft stellt sich jedoch die Frage, wel­

ches die Strukturelemente sind, die allen Geldwirtschaften notwendig ge­

mein sind. Nur die weitgehende Herstellung der zentralen Strukturelemente einer Geldwirtschaft in einer relativ kurzen Phase am Anfang des Transfor­

mationsprozesses kann eine geldwirtschaftliche Dynamik entfalten. Diese Strukturelemente sind eine Geldverfassung, die die Knapphaltung des Geldes ermöglicht, die Autonomie der Betriebe mit einer harten mikroöko­

nomischen Budgetrestriktion und freie Außenhandels- und Devisentransak­

tionen.

Diese Strukturreformen können als Mindestschwelle des Trans­

formationsprozesses zur Geldwirtschaft begriffen werden. Es muß jedoch beachtet werden, daß der Übergang zur geldwirtschaftlichen Produktions­

weise notwendig auch die Entscheidung über einen bestimmten Regulati­

onsmodus impliziert. Ein Regulationsmodus, der auf einem weitgehenden Verzicht auf die Regulierung von Märkten, insbesondere des Arbeitsmark­

tes, basiert - vergleichbar der Konstellation im England des 19. Jahrhunderts - entspricht nicht dem ökonomischen Entwicklungsstand der osteuropäi­

schen Übergangsgesellschaften. Trotz aller Unterschiede beispielsweise zwischen dem us-amerikanischen und dem bundesdeutschen Regulations­

modus weisen die Regulationsmodi aller entwickelten Geldwirtschaften mindestens zwei Gemeinsamkeiten auf. Dabei handelt es sich um eine diskretionäre fiskalpolitische Steuerung, der die Aufgabe der Stabilisierung des Einkommensbildungsprozesses zufällt, und die Herstellung von Ar­

beitsmarktinstitutionen, die eine notwendige Bedingung für die Stabili­

sierung des Preisniveaus und der Ökonomie bei Arbeitslosigkeit darstellen.

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Geldverfassung und Knapphaltung des Geldes

Das Bankensystem in Planwirtschaften hatte die Aufgabe, den Zahlungs­

mittelbedarf der Betriebe zu befriedigen - es setzte keine Restriktion für die ökonomische Expansion, sondern kam passiv den Anforderungen nach, die ihm vom Plan gesetzt wurden. Die neue Geldverfassung impliziert die Ein­

führung eines zweistufigen Bankensystems. Dazu bedarf es der Errichtung einer relativ unabhängigen Zentralbank. In Geldwirtschaften obliegt die Be­

reitstellung und Knapphaltung von Zentralbankgeld der Zentralbank, wäh­

rend die Kreditvergabe durch das private Geschäftsbankensystem besorgt wird (vgl. Riese 1986). Die endogene Instabilität von Geldwirtschaften er­

zwingt die Unterwerfung der Politik der Zentralbank unter zwei Prinzipien:

Knapphaltung und Diskretion. Die Verteidigung der Vermögenssi­

cherungsqualität des Geldes kann nur durch die Knapphaltung des Geldan­

gebotes realisiert werden. Gleichzeitig ist die Zentralbank permanent zu dis­

kretionärer Politik gezwungen, um internen und externen Instabilitäten ent- gegenzusteuem oder diese in ihrer Wirkung abzuschwächen. Dabei darf al­

lerdings die diskretionäre Politik nicht das Gebot der Knapphaltung des Geldes verletzen. Soll Geld die Funktion der Herstellung der Kohärenz einer Ökonomie übernehmen, muß es stabil sein, da hohe und/oder steigende In­

flationsraten ein Geldsystem unweigerlich untergraben. Eine vordringliche Aufgabe der osteuropäischen Übergangsgesellschaften besteht somit in der Einführung eines wertstabilen Geldes, das bei den ökonomischen Agenten genügend Vertrauen genießt, um freiwillig gehalten zu werden.

Mit der Einführung einer nicht-planwirtschaftlichen Geldverfassung stellt sich unmittelbar auch das Problem, inwieweit in den ehemaligen Planwirt­

schaften eine Politik der Bindung existierender Geldbestände ausreichend ist, um Vertrauen in das Geldsystem zu schaffen, oder inwieweit eine Währungsreform mit der Vernichtung von Geldbeständen zur Herstellung von Vertrauen in die eigene Währung und die Schaffung der monetären Grundlagen des Akkumulationsprozesses notwendig ist (vgl. Riese 1990).

Die Geldvermögensbestände, die sich unter der Planwirtschaft aufgebaut haben, können für die Etablierung einer harten Budgetrestriktion hinderlich sein. So ist eine Freigabe der Preisbildung bei existierenden Geldbeständen in den meisten ehemaligen Planökonomien nicht möglich, da dies sofort - wie in der Dualwirtschaft - zu einem inflationären Schub auch in der offi-

(19)

zielten Ökonomie mit der Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale, weiterer Zerrüt­

tung des Vertrauens in das nationale Geld und verstärkter Flucht in wertsi­

chere Vermögensobjekte führen würde. Die Herstellung eines gleichge­

wichtigen Preisniveaus über eine Inflation ist somit ein äußerst riskanter Weg zur Etablierung eines funktionsfähigen Geldes.

Noch bedeutsamer ist die Tatsache, daß den Geldvermögensbeständen der Haushalte Verbindlichkeiten der Unternehmen und des Staates gegenüber­

stehen. Die Vernichtung der Schulden der Unternehmen und damit des Schuldendienstes kann - wie die Währungsreform der Bundesrepublik 1948 - einen Akkumulationsprozeß über Selbstfinanzierung entscheidend stimu­

lieren. Insbesondere wenn die Zentralbank zur Stabilisierung des Preisnive­

aus restriktive Geldpolitik betreiben muß, sind bei hohem ererbtem Schul­

denbestand erhebliche Liquiditätsengpässe der Unternehmen zu befürchten (vgl. Fisher 1933, Minsky 1975, Tobin 1980). Ebenso wird der fiskalpoliti­

sche Handlungsspielraum durch den steigenden Anteil der Zinszahlungen am Gesamthaushalt eingeschränkt.

Vom Standpunkt optimaler Startbedingungen einer Transformation hat eine Währungsreform zur Vernichtung von Geldvermögen sicherlich Vorteile, da sie einerseits gute Voraussetzungen für ein hohes Vertrauen in die neue Währung schafft, andererseits die Verbindlichkeiten der Unternehmen und damit auch deren Zinsbelastung beseitigt, was akkumulationsfördemd wirkt.

Als Alternative zur Währungsreform bietet sich der Verkauf von Staatsei­

gentum - Wohnungen, Produktivvermögen in der Form von Aktien etc. - an.

Das Problem dabei ist, daß die Geldvermögensvemichtung über diese Me­

thode nur über eine längere Zeitperiode verwirklicht werden kann und daß es - vor allem bei Produktivvermögen - vor der Etablierung einer funktionie­

renden Marktwirtschaft keine befriedigenden Bewertungsmaßstäbe für Ver­

mögenswerte gibt.

Autonomie der Betriebe und harte mikroökonomische Budgetrestriktion Auf mikroökonomischer Ebene müssen zumindest in einem relevanten Teil der Ökonomie die Autonomie der Betriebe und Eigentumsrechte an Produk­

tionsmitteln gesichert sein. Insbesondere ist die Anweisungsbefugnis der

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Planungsbürokratie gegenüber den Unternehmen abzuschaffen. Wie die Ei­

gentumsfrage konkret geregelt ist - ausschließlich individuelles Privatei­

gentum, Genossenschaftseigentum, Mitbestimmungsregelungen etc. - ist da­

bei nachgeordnet. Entscheidend ist, daß die Mikroeinheiten einer "harten Budgetrestriktion" (Komai 1979, 1980) unterliegen, d.h. Zugang zu Kredi­

ten nur unter marktmäßigen Bedingungen erhalten und gegebenenfalls im Konkurrenzprozeß untergehen können. Allein eine harte Budgetrestriktion ist in der Lage, die Marktorientierung der Unternehmen zu erzwingen und die Profitmaximierung zum entscheidenden Kriterium der Untemeh- mensführung zu machen. Wird eine Preis Strukturreform oder eine Preisbil­

dungsreform nicht durch die Einführung einer harten Budgetrestriktion (vgl.

Gomulka 1985) begleitet, kann das Phänomen der Mangelwirtschaft nicht beseitigt werden, da unter diesen Umständen weiterhin Güter und nicht Geld den höchsten Grad an Knappheit aufweisen. Zur Herstellung einer harten Budgetrestrikion ist die Schaffung eines Kreditmarktes notwendig. Der Zinssatz übernimmt dabei die Aufgabe, den Mikroeinheiten einen Maßstab zu geben, der es ihnen ermöglicht, die Effizienz der eigenen Investitionen zu überprüfen, da die Kosten der Produktion (einschließlich Zinsen) über die Preise verdient werden müssen (vgl. u.a. Nuti 1988).

Gelingt es nicht, eine harte mikroökonomische Budgetrestriktion zu etablie­

ren, sind Knappheit und hohe Vermögenssicherungsqualität des nationalen Geldes nicht zu erreichen. Eine weiche Budgetrestriktion kommt zustande, wenn die Planungsbehörde noch nicht alle Weisungsbefugnisse gegenüber den Unternehmen verloren hat. In diesem Fall bleibt der Bargaining-Prozeß zwischen den Betrieben und der Planbürokratie bestehen. Die Betriebe sind dann weiterhin in der Lage, sich bei LiquiditätsSchwierigkeiten über Sub­

ventionen der Planungsbürokratie zu finanzieren. Dies liegt nicht nur daran, daß in diesem Fall die informellen und personellen Beziehungen zwischen Planbürokratie und Betrieben bestehen bleiben, sondern insbesondere daran, daß das Erfolgskriterium der Betriebe weiterhin nicht im Markterfolg be­

steht. Die Planbürokratie benutzt ihrerseits Subventionen als Mittel zur ei­

genen Machterhaltung.

Eine weiche Budgetrestriktion kann selbst bei Eliminierung der Planbüro­

kratie Zustandekommen, wenn an deren Stelle der öffentliche Haushalt tritt.

Ist es für Unternehmen - insbesondere für die zunächst in allen wesentlichen

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Branchen als Erbe der Planwirtschaft existierenden Großunternehmen - re­

lativ einfach, bei ökonomischen Problemen finanzielle Unterstützung durch die öffentlichen Haushalte zu bekommen, wird auch das Ziel der überzykli­

schen Kontrolle der Budgetdefizite schwer realisierbar. Eine derartige Praxis kann (wie in der Planökonomie) nur durch Notenbankkredite realisiert wer­

den. Eine weiche mikroökonomische Budgetrestriktion verletzt damit das für den Transformationsprozeß wichtige Element der Knappheit des Geldan­

gebots.

Ein zentrales Element der Autonomie der Betriebe ist die freie Verfügung über die erwirtschafteten Profite. Eine freie Profitverfügung ermöglicht in der Anfangsphase eine hohe Selbstfinanzierungsquote der Unternehmen.

Insbesondere bei dem in den Übergangssgesellschaften zunächst notwendig unterentwickelten Kreditsystem kann die Akkumulationsdynamik durch eine hohe Selbstfinanzierungsmöglichkeit der Unternehmen angeregt werden.

Die Autonomie der Betriebe umfaßt auch das Recht der Einstellung und Entlassung von Arbeitskräften sowie der Aushandlung der Löhne. Ein­

schränkungen der freien Lohnbildung auf mikroökonomischer Ebene sollten grundsätzlich nur in der Form von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder ähnlichen juristischen Regulierungen möglich sein.

Abschaffung des staatlichen Außenhandels- und Devisenmonopols

Den Unternehmen in den ehemaligen Planökonomien muß mit der Zuwei­

sung von Autonomie grundsätzlich auch das Recht zugestanden werden, Waren ihrer Wahl zu exportieren und zu importieren. Allerdings sollte der Staat durch selektiven Protektionismus die inländischen Branchen, die (noch) nicht international wettbewerbsfähig sind, schützen. Der Außenhan­

del würde damit grundsätzlich nur noch über indirekte Instrumente ge­

steuert. Da mit der Auflösung der Planwirtschaft zunächst Monopolunter­

nehmen entstehen, ist die grundsätzliche Einführung freien Handels im Rahmen der staatlichen Zollstruktur auch ein Mittel, um gezielt die Konkur­

renz in monopolisierten Branchen zu verstärken. Die Abgabe von erwirt­

schafteten Devisen an staatliche Stellen ist nicht geeignet, die Exportan­

strengungen der Unternehmen anzuregen. Den Unternehmen sollte die voll­

ständige Verfügungsfreiheit über im Ausland erwirtschaftete Devisen gege-

(22)

ben w erden.D er Zugang der privaten Haushalte zum Devisenmarkt und ein unregulierter Kapitalverkehr sind von den obigen Überlegungen zu trennen.

Falls ein Land die Stabilität des Wechselkurses nicht oder nur mit hohen Kapitalimporten verteidigen kann, sind Beschränkungen der Devisentransaktionen der Haushalte und auch eine Beschränkung des Kapi­

talexportes von inländischen Unternehmen transitorisch unumgänglich.

Fiskalpolitische Steuerung

In Planungsökonomien ist der Staatshaushalt über Subventionen, Lohnfonds etc. ein integraler Teil des Planes. Im Rahmen einer entwickelten Geldwirt­

schaft muß der Staat spezifische fiskalpolitische Instrumente (Steuer- und Transfersystem etc.) herausbilden, die in der Lage sind, ökonomische Pro­

zesse indirekt zu steuern. Aufgrund der endogenen Instabilität von Geldwirt­

schaften sollte die Fiskalpolitik - wie die Geldpolitik - diskretionär und sta­

bilisierend ausgerichtet seinJ Die Notwendigkeit der Knapphaltung des Geldes bedingt auch, daß die Zentralbank nicht beliebige Budgetdefizite fi­

nanzieren darf. Der Staat muß somit prinzipiell durch die Notwendigkeit der Steuer- oder privaten Kreditfinanzierung (wie Private) einer Restriktion un­

terworfen werden. Wird während des Transformationsprozesses dieses Ziel verfehlt und greift der Staat auf Notenbankkredite zurück, ist ein kumulati­

ver Inflationsprozeß vorprogrammiert. Dieses Szenario wäre mit der Situa­

tion vieler südamerikanischer Länder vergleichbar, die durch die Unmög­

lichkeit der Reduzierung zentralbankfinanzierter Budgetdefizite aufgrund eines unausgebauten Steuersystems und umfangreicher Transferleistungen des Staates an seine Klientel, weitgehende Indexierung der Geldlöhne, Exi­

stenz einer Lohn-Preis-Spirale trotz erheblichem arbeitslosem Arbeits-

6 Es ist folglich sofort ein Devisenmarkt einzuführen. In einigen ehemaligen Planöko­

nomien wurde der Weg beschritten, den größten Teil der von den Unternehmen erwirtschafteten Devisen zwangsweise in inländische W ährung umzuwandeln, um danach über Auktionen Teile der Devisen wieder an Unternehmen zu versteigern.

Da solche Auktionsmärkte diskontinuierlich und dadurch speziell spe­

kulationsanfällig sind und nach wie vor die zentrale Planbehörde entscheidet, welcher Teil der Devisen wieder unter den Unternehmen versteigert werden soll, ist das System der Devisenauktion einer freien Devisenverwendung der Unternehmen bzw. einem regulären Devisenmarkt unterlegen.

7 Spezifische distributive und allokative Politiken lassen sich hingegen nicht de­

terministisch aus den allgemeinen Funktionsanforderungen einer Geldwirtschaft ableiten.

(23)

kräftepotential sowie permanente nominelle Abwertungen gekennzeichnet sind. Für die ehemaligen Planwirtschaften stellt sich insbesondere das Problem, ein leistungsfähiges Steuersystem sowie eine andere Struktur der Staatsausgaben zu etablieren.

Institutionen des Arbeitsmarktes

Die (um Produktivitätsveränderungen bereinigten) Geldlöhne bilden den Wertstandard einer Geldökonomie und bestimmen im Gleichgewicht das Preisniveau (vgl. Keynes 1930, Davidson 1978, Riese 1986). Dies impli­

ziert, daß die Geldpolitik letztlich nur über die Beeinflussung der Geldlöhne das Preisniveau steuern kann und zur Aufrechterhaltung von Preisstabilität gegebenenfalls Arbeitslosigkeit erzeugen muß. Auf makroökonomischer Ebene rückt in einer Geldwirtschaft in diesem Zusammenhang die Interak­

tion von Geld- und Lohnpolitik ins Zentrum der Analyse. Theoretisch exi­

stiert zwar immer eine Arbeitslosenquote, die Preisstabilität garantiert, poli­

tisch kann es jedoch unmöglich sein, diese Rate zu erreichen. Je günstiger die institutioneilen Bedingungen eines Landes für die Stabilisierung des Geldlohnniveaus bzw. die Praktizierung von Einkommenspolitik sind, desto weitgehender kann Lohnpolitik als Substitut für Geldpolitik zur Stabilisie­

rung des Preisniveaus benutzt werden (vgl. Soskice 1988). Institutionalisie­

rungen des Arbeitsmarktes sind Ausdruck eines spezifischen nationalen Konsenses und bilden eine Schnittstelle mit den sozioökonomischen, politi­

schen und ideologischen Prozessen in einem Land.

Besitzt ein Land keine oder untaugliche Institutionalisierungen des Arbeits- marktes, ist es gegenüber heftigen Deflations- und Inflationswellen anfälli­

ger. Entsteht aufgrund der Zersplitterung der Gewerkschaften, Machtstel­

lungen bestimmter Interessengruppen etc. eine Lohn-Preis-Spirale, die bei segmentierten Arbeitsmärkten auch bei hoher Arbeitslosigkeit auftreten kann, sind die Verantwortlichen der Geldpolitik vor die Aufgabe gestellt, zwischen einer Stabilisierungskrise mit unter Umständen hoher Arbeitslo­

sigkeit und akkommodierender Geldpolitik zu entscheiden. Ist es der Zen­

tralbank aus politischen und sozialen Gründen unmöglich, eine ausreichend lange und tiefe Stabilisierungskrise durchzusetzen, kann die Erzeugung ei­

nes stabilen kohärenzstiftenden nationalen Geldes scheitern und somit einen

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erfolgreichen Transformationsprozeß verhindern. Wenn in einem Land, das zur Reduzierung der Inflation eine harte und langandauemde Stabilisie­

rungskrise mit entsprechender Massenarbeitslosigkeit erzeugt hat, die Gewerkschaften ein kontinuierliches Sinken des Geldlohnniveaus nicht ver­

hindern können, ist die Gefahr einer Deflations spirale mit der damit verbun­

denen Erhöhung der Realschulden und der "Flucht" ins Geld gegeben. Ent­

sprechend muß in den ehemaligen Planökonomien relativ schnell ein auf der Tarifautonomie unabhängiger Gewerkschaften und Untemehmerverbände basierender kollektiver Lohnbildungsmechanismus zur Steuerung und Stabiliserung des Geldlohnniveaus etabliert werden.

Da ein gewisses Ausmaß von Arbeitslosigkeit ein Systemmerkmal von Geldwirtschaften ist und insbesondere während der Transformationsphase von Planwirtschaften zu Geldwirtschaften mit Arbeitslosigkeit gerechnet werden muß, ist die Einführung einer Arbeitslosenversicherung und anderer sozialpolitischer Maßnahmen eine notwendige Bedingung für die Durchfüh­

rung und Akzeptanz der gesellschaftlichen Umstrukturierung.

3.2. Das Sequencing der Transformation

Die Strategie der Schocktherapie und die gradualistische Strategie sind die beiden Extrempole der strategisch möglichen Varianten nach dem Über­

schreiten der Mindestschwelle. Es kann nicht abgeleitet werden, daß eine der beiden Strategien prinzipiell überlegen ist, da Effizienz und Anwendbarkeit beider Strategien von den historisch spezifischen Bedingungen in den betrachteten Ländern abhängen.

Die gradualistische Strategie

Aufbauend auf den oben aufgeführten institutioneilen Reformen, die inner­

halb einer kurzen Phase am Anfang des Transformationsprozesses einge­

führt werden müssen, sind verschiedene Schrittfolgen im Rahmen einer gra- dualistischen Strategie beim Übergang zu einer Geldwirtschaft möglich. Wir entwickeln in diesem Abschnitt Hypothesen zum Szenario der gradualisti-

(25)

sehen Strategie. Gleiches geschieht im nächsten Abschnitt für das Szenario der Schocktherapie.

Die gradualistische Strategie akzeptiert, daß - wenn auch in abnehmendem Maße - während des gesamten Transformationsprozesses eine Koexistenz von alten und neuen Regulationsformen besteht. Das Ziel dabei ist, tiefe und anhaltende Rezessionen und sozial wie politisch unnötige oder undurchsetz­

bare Wohlfahrtseinbußen zu verhindern. Kernpunkte der gradualistischen Strategie sind die schrittweise Reform des Preissystems und der Preisbil­

dung, die stufenweise Öffnung der Ökonomie gegenüber dem Weltmarkt und die Auflösung der ehemaligen staatlichen Monopoluntemehmen ein­

schließlich der Regelung der Eigentumsfrage. Das entscheidende analytische Problem der gradualistischen Strategie besteht darin, nach den oben be­

schriebenen Reformen am Beginn der Transformation die richtige Reihen­

folge und Verzahnung der weiteren Reformschritte zu entwickeln.

Ein zentrales Element der gradualistischen Strategie ist die schrittweise Re­

form der Preisstruktur und des Preisbildungsmechanismus. Der Verzicht auf eine sofortige Freigabe der Preisbildung, verbunden mit einem sofortigen Wegfall der Subventionen, basiert auf der Erkenntnis, daß dadurch mit Si­

cherheit ein erheblicher Teil der dann marktmäßig unrentablen Produktionen brachliegen würde, ohne daß aber die Preiselastizität des Angebotes in den Branchen mit steigenden Preisen so groß wäre, daß dadurch auch nur ansatz­

weise ein akzeptables Niveau der Produktion und Einkommensbildung in dem betreffenden Land aufrechterhalten werden könnte. Selbst bei schnellstmöglicher Umstrukturierung der Ökonomie aufgrund einer verän­

derten Struktur der relativen Preise müßte ein solcher Prozeß etliche Jahre beanspruchen. Sich herausbildende partielle oder allgemeine Über­

schußnachfragen oder Überschußangebote würden zu heftigen Preisreaktio­

nen und "überschießenden" Preisen führen und dadurch zu einer erheblichen Instabilitätsquelle der Ökonomie werden. Wirtschaften ist eine Aktivität in der Zeit und bedarf in einer Geldwirtschaft einigermaßen stabiler Zu- kunftserwartungen (vgl. Kregel 1980). Es ist zu befürchten, daß eine so­

fortige marktmäßige Preisbestimmung mit den damit verbundenen Turbu­

lenzen und Unsicherheiten gerade die Investitionstätigkeit, die zentral von längerfristigen Erwartungen über die Zukunft gesteuert wird, stagnieren ließe. Desweiteren wären mit einer sofortigen Freigabe der Preisbildung

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erhebliche ungerechtfertigte Umverteilungen von Einkommen und Vermö­

gen verbunden.

Die gradualistische Strategie setzt auf die stufenweise Anpassung an ko­

stendeckende Preise. Erst danach soll generell zur marktmäßigen Preisbil­

dung übergegangen werden, wobei allerdings für verschiedene Untemeh- mensgruppen spezifische Regelungen Anwendung finden können. Als Maß­

stab einer anzustrebenden kostenmäßigen Preisstruktur können vor allem Weltmarktpreise herangezogen werden. Inländische Schwarzmarktpreise sind zwar ebenfalls Marktpreise, jedoch sind sie als Orientierungsgröße we­

niger geeignet, da sie durch spezifische Knappheiten und die Begrenztheit des Marktes in der Regel verzerrt sind und nicht die Produktionskosten widerspiegeln. Die Preisstrukturreform impliziert in den ehemaligen Plan­

ökonomien insbesondere den Abbau der Preissubventionen auf Güter des täglichen Gebrauchs und gleichzeitig die Reduzierung der Steuerbelastung auf höherwertige Konsumgüter. Aus sozialpolitischen Gründen ist es wahr­

scheinlich, daß geringe Einkommen im Verlaufe der Preisstrukturreform durch staatliche Transfers erhöht werden müssen.

Bei der Preisstrukturreform spielt die Außenwirtschaft eine wichtige Rolle.

Es wird selbst nach genereller marktwirtschaftlicher Preisbildung im Inland auf längere Zeit ein Schutz einheimischer Industrien durch selektiven Protektionismus nötig sein. Zölle und andere Importrestriktionen werden somit während einer längeren Übergangsphase die inländische Preisstruktur im Vergleich zu den Weltmarktpreisen "verzerrt" lassen. Selbstverständlich sollten auch umweltpolitisch motivierte selektive Steuern möglich sein.

Verschiedene Untemehmensgruppen müssen unterschiedlich behandelt wer­

den. In der ersten Gruppe von Unternehmen, zu dem alle alten und neuen privaten sowie die mit vollständiger Autonomie versehenen staatlichen Be­

triebe gehören insofern sie unter Konkurrenzbedingungen wettbewerbsfähig sind, kann unmittelbar die Preisbildungsreform inkrafttreten und können alle Subventionen entfallen. Insbesondere im Dienstleistungsbereich oder beim Kleinhandwerk dürfte eine sofortige Freigabe der Preise in Frage kommen.

In der zweiten Gruppe von Unternehmen erfolgt zunächst eine Preis Struktur­

reform mit weiterhin administrierten Preisen. In dem Maße, in dem sich die Preise den Produktionskosten der entsprechenden Waren annähem, werden

(27)

die Subventionen reduziert. Den Unternehmen sollte ein feststehender und prinzipiell nicht mehr verhandelbarer Zeithorizont genannt werden, in dem die Subventionen bis auf Null reduziert sein werden. Zu diesem Zeitpunkt tritt dann ebenfalls die Preisbildungsreform für die entsprechende Branche inkraft. Die zweite Gruppe von Unternehmen ist damit in sich sehr stark differenziert: Auf der einen Seite wird es Unternehmen geben, die sehr schnell ohne Subventionen auskommen können, auf der anderen Seite wird sich der Prozeß der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bei verschie­

denen Unternehmen noch über viele Jahre hinziehen müssen. Entscheidend ist, daß der Zeitplan für den sukzessiven Abbau und die Streichung der Sub­

ventionen eingehalten wird, weil sonst die fundamentale Anforderung der harten Budgetrestriktion der Betriebe verletzt werden würde. In dem Maße, in dem Zeitplan und Höhe der Subventionen verhandelbar sind, wird die Macht der hinter den alten Finanzierungsstrukturen stehenden Bürokratie aufrechterhalten und die Steuerungskompetenz des Bankensystems einge­

schränkt.

Eine dritte Gruppe von Unternehmen bilden die in der Planwirtschaft ent­

standenen Monopole, die sich nicht in kurzer Zeit ohne Willkürlichkeiten aufspalten lassen oder bei denen eine Aufspaltung gesamtwirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint. Das Ziel der Herstellung einer Produktion unter Konkurrenzbedingungen muß auf sich einander ergänzenden Wegen ange­

strebt werden: Erstens der Aufspaltung der Monopole in verschiedene Untemehmensbereiche. Da die Aufspaltung der Monopole nur innerhalb ei­

ner gewissen Zeitspanne erfolgen kann und auch unmittelbar mit der endgültigen Klärung der Eigentumsfrage verbunden ist, wird der Staat noch über eine längere Zeitperiode die administrative Preisfestsetzung und spezi­

fische Subventionen aufrechterhalten müssen. Zweitens kann durch die kon­

trollierte Öffnung des internationalen Handels die Konkurrenz auch gegen­

über diesen Monopolen angeregt werden. Zur dritten Gruppe von Unter­

nehmen gehören auch Unternehmen, die auch in Geldwirtschaften Mono­

polcharakter haben. Neben den traditionellen Beispielen von Bahn und Post sind in vielen westlichen Geldwirtschaften auch andere für die gesamtwirt­

schaftliche Entwicklung zentrale Branchen national monopolistisch struktu­

riert und/oder in öffentlicher Hand. Die Behandlung der dritten Untemeh- mensgruppe hängt somit unmittelbar von der Entscheidung über die Größe

(28)

des öffentlichen Untemehmenssektors, den Aufbau staatlich gestützter in­

ternational wettbewerbsfähiger Großunternehmen etc. ab.

Zusammenfassend gilt somit, daß nach den Einschnitten am Beginn des Transformationsprozesses die Preisstrukturreform, Subventionsabbau und Preisbildungsreform die erste Entwicklungsebene der weiteren Reformen bilden. Parahel dazu verläuft der schrittweise Abbau des Protektionismus.

Soweit dieser durch die noch aus der Planökonomie herstammenden Abwei­

chungen von Preisen und Kosten bedingt ist, kann er relativ schnell abge­

baut werden und ist mit der Preisstrukturreform unmittelbar verzahnt. So­

weit er entwicklungsstrategisch motiviert ist, kann er längerfristigen Cha­

rakter erhalten. Der dritte parallele Strang der gradualistischen Strategie ist die Auflösung der Monopole zusammen mit der generehen Entscheidung über die Größe und Art des öffentlichen Sektors und der gesellschaftlichen Eigentumsrechte.

Die endgültige Reform der Eigentumsrechte steht bei den obigen Hypothe­

sen einer gradualistischen Strategie an einem relativ späten Zeitpunkt des Transformationsprozesses. Dies ergibt sich, wie schon betont, daraus, daß erst nach einer bestimmtem Periode die marktmäßige Leistungsfähigkeit von Betrieben erfaßt werden kann. Allerdings tritt bei der relativ späten Lösung der Eigentumsfrage die Problematik von Anreizsystemen auf, die eine Marktorientierung der Unternehmen garantiert. Die gradualistische Strategie ist somit im Gegensatz zur Schocktherapie gezwungen, vor der letztlichen Lösung der Eigentumsfrage effektive Anreizsysteme bzw.

Betreibsverfassungen zu entwickeln. Gelingt dies nicht, so bleibt die mikroökonomisch harte Budgetrestriktion stumpf, eine geldwirtschaftliche Dynamik wird behindert und es besteht die Gefahr, daß die alten Verknüp­

fungen zwischen Unternehmen und Bürokratie (zumindest informell) beste­

henbleiben.

Die späte Klärung der Eigentumsfrage beinhaltet auch das Problem, daß für Gläubiger von Unternehmen die Sicherheitsbasis ihrer Kredite, die in west­

lichen Geldwirtschaften durch Hypotheken etc. gesträrkt wird, relativ schwach ist. Während der Transformationsphase sind somit auch in diesem Bereich spezifische Institutionalisierungen notwendig.

(29)

Weitere längerfristige Reformschritte wären die Ausdifferenzierung des Kreditsystems mit einer Vielzahl unterschiedlicher Finanzintermediäre, der Börse, der Privatisierung des Bankensystems etc. Ähnliches gilt für die Dif­

ferenzierung des Steuer- und staatlichen Transfersystems. Schließlich ist die Einführung der vollständigen Konvertibilität der Währung für alle Transak­

tionen und Personengruppen ein weiteres längerfristiges Ziel.

Die Schocktherapie

Die Strategie der Schocktherapie basiert auf der Auffassung, daß die Risiken der gradualistischen Strategie so groß sind, daß sie den Erfolg des Transfor­

mationsprozesses verhindern. Als zentrale Gefahr wird gesehen, daß durch die nur langsame gesellschaftliche Verallgemeinerung der Preisbil­

dungsreform und des vollständigen Subventionsabbaus über lange Zeit die Macht der alten Wirtschaftsbürokratie aufrechterhalten wird. Dadurch be­

steht eine Grundlage für einen Bargaining-Prozeß zwischen den Betrieben und dieser Bürokratie bezüglich der Höhe und der Dauer der Subventionen, der immer wieder die Durchsetzung einer harten Budgetrestriktion und da­

mit auch der Knapphaltung des Geldangebots verhindert. Die Strategie der Schocktherapie setzt daher neben den oben ausgeführten Startbedingungen des Transformationsprozesses in erster Linie auf die sofortige und allge­

meine Durchführung der Preisbildungsreform und das Abschneiden sämtli­

cher Subventionen an die Betriebe. Für diese wäre somit auf einen Schlag der Zugang zu Zahlungsmitteln nur noch über die Kreditvergabe des Bankensystems möglich. Ein weiteres Element der Schocktherapie ist die schnelle Einführung geldwirtschaftlicher Eigentumsformen - faktisch die so­

fortige Übernahme der juristischen Formen der westlichen Geldwirtschaften.

Bei einer extremen Variante der Schocktherapie wird gleichzeitig die voll­

ständige Konvertibilität der nationalen Währung, freier Handel mit geringer Protektion inländischer Produzenten und schnellstmögliche Übergabe des Staatseigentums in Privateigentum gefordert.

Ziel der Schocktherapie ist die schnelle Herstellung von markträumenden Preisen, die in kurzen Zeiträumen zu einer Ausweitung des Güterangebotes an bisher knappen Gütern führen sollen. Nach einer kurzen turbulenten Phase der Umorientierung der Wirtschaftssubjekte würde, so die Argumen­

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