Wi e ka n n es wei terg eh en ? Kon krete Vorsch l ä g e u n d
n eu e An sä tze fü r di e pra kti sch e An a rch i e
Vo n der Strategie zu r p raktisch en U m setzu ng: W ie kann gelebte Anar - ch ie sch o n h eu te im Alltag, in der p o litisch en Au seinandersetzu ng u nd als Ko o p eratio n in einer ko m p lexen , ab er so ganz anders gep o lten G e - sellsch aft au sseh en ? Fraglo s: Ein vo llständige s B ild w ird sich h ier nicht entw erfen lassen , denn au s der Ide e vo n E m anzip atio n fo lgt j a, dass e s keine sch em atisch en Entwü rfe geb en kann , so ndern e s gerade das Kennzeich en h errsch aftskritisch er P raxis ist, im m er die ko nkrete Lage sow ie Wü nsch e u nd B e dü rfnisse der B eteiligten zu b e ob achten , ab zu - wägen u n d darau s die Ide en fü r p raktisch e s H an deln ab zuleiten . D em fo lgt eine ständige Reflexio n der W irku ngen , die das eigen e H an deln veru rsacht, u nd der neu gierige B lick au f alle s, was sich so nst no ch tut.
E s gilt, die ko nkreten Verh ältnisse so u m zu ge stalten , dass sich M en - sch en au s B evo rm u ndu ngen , Zwangsverh ältnissen u n d H ierarchien lö sen kö nnen , u m sich n ach ihrer Eigenart u nd in freier Ko o p eratio n selb st zu entfalten . D afü r reicht w e der der rein e P ro te st gegen die b e ste - h enden äu ß eren Zwänge u n d h errsch en den D isku rse n o ch der blo ß e Versu ch , irgendwo kleine In seln der Glü ckseligkeit zu sch affen in der Illu sio n , die se ließ en sich vo n den h errsch aftsfö rm igen Einflü ssen frei h alten , die vo n Au ß en u nd du rch die Zu richtu ng der B eteiligten in j e - den W inkel der Welt ge schlep p t w erden .
An arch i e fü r al l e: H errsch aftsfrei es Leben u n d Ü berl eben i m Al l tag
D er Alltag ist das u nm ittelb arste Leb ensu m feld aller M en sch en . G e - m eint ist dam it das, was im m er w ie der u nd o ft standardisiert die eigen e Leb ensp raxis darstellt. Fü r die einen fin det das vo rneh m lich in den ei - genen vier Wänden statt, andere sind in S chu le , Au sb ildu ng, B eru f o der au f der Straß e u nterw egs. H inzu ko m m en B e su ch e , Treffen m it Ver - wandten u nd B ekannten , G änge zu Äm tern , die Fahrt m it ö ffentlich en Verkehrsm itteln , das Su rfen o der C h atten im Internet, Aktivitäten in Vereinen , b eim Sp o rt o der anderen anderen O rten , die routinem äß ig au fge su cht w erden b zw. im m er w ie der kehren . Ü b erall do rt rep ro du - ziert sich die H errsch aftsfö rm igkeit der G e sellsch aft. G e setze u nd N o r - m en strahlen in die O rte , M en sch en tragen ihre so zialen Zu richtu ngen m it sich h eru m , P rivilegien u n d H ierarch ien w irken sich au s.
Waru m sollte m en sch fü r eine h errsch aftsfreie G e sellsch aft nu r dann käm p fen , w enn exp lizit dazu au fgeru fen w ird ? Also in einer seltsam en Einteilu ng vo n p o litisch em u nd so nstigen Leb en ? Zu m al das seh r u n - effizient wäre , denn die − du rch au s nützlich en u n d w ichtigen − o rgani - sierten Po litaktio nen b e deuten ein en w e sentlich h ö h eren Au fwand als
das H andeln im Alltag. Alltag ist o hneh in da. An - u nd Ab fahrtsw ege entfallen . Wer den Alltag zu r Aktio n sfläch e m acht, erw eitert die eige - nen H an dlu ngsm ö glichkeiten erh eblich . Zu dem ist der Alltag o ft deut - lich ko m m u nikativer als z .B . gro ß e D em o s o der Veranstaltu ngen , wo Ko m m u nikatio n eh er als fro ntaler Re de schwall h erüb erko m m t u n d o ft nu r die oh neh in Ü b erzeu gten erreicht.
D as H an deln im Alltag sch afft j e do ch b e so ndere H erau sfo rderu ngen . D enn h ier h errscht „N o rm “ alität. E s fehlt die kü nstlich ge sch affene Si - tu atio n p o litisch er Aktio n , in dem der S o n derstatu s b e so n dere Frei - h eitsre chte sch affen kann − sei e s üb er das Versam m lu ngsre cht o der üb er die Freih eit der Ku nst. Stärker erw eitert ist die H andlu ngsfreih eit in ko nkreten S itu atio nen , w enn eine Aktio n h eim lich u nd im illegalen , ab er nicht üb erwachten Rau m abläu ft. D o ch au f D au er w irkt das allein nicht.
Au s Meretz, Stefa n : „D en Ka m p fh u n d bä n digen“, in : F reita g, 1 8. 6. 2004 (S. 5)
Wil k, Mich a el (1 999): „Ma ch t, H errsch aft, E m a n zipa tion“, Trotzdem Verl a g in Grafen a u (S. 66)
Weil der Alltag das ständige Leb en su m feld der M ensch en b ildet, sind die H an dlu ngsm ö glichkeiten u n endlich vielfältig. Andererseits sind sie im - m er m it direkten Au sw irku ngen au f das eigene Leb en verbu nden , denn die se s findet u ntrennb ar im gleich en Alltagsge sch eh en statt, w elch e s au ch den H an dlu ngsrah m en sch afft. D as ist C h ance u nd gleichzeitig zu sätzlich e H ü rde . Wer p o litisch en P ro te st als Au snahm efall ins eigene Leb en fü gt, kann das so o rganisieren , dass sich so n st nichts ändert − j a,
0 Quel l e: Direct-Action-Kal ender 2006, aktual isiert
e s ist m ö glich , p o litisch e s Engagem ent im so nstigen Leb en vö llig zu verste cken o der so gar u nb ekannt zu lassen . O b B eziehu ng, Fam ilie , Au sb ildu ng, Arb eitsp latz, N achb arsch aft u nd m ehr: E s kann alle s vö llig getrennt sein vo n ein em in der Freizeit als H obby, Ab en dtreffen u nd sp o radisch en Wo ch enendau sflu g ge stalteten p o litisch en Engagem ent.
W iderstan d im Alltag h eiß t, sich do rt einzu m isch en , b ei B e darf entge - genzu stem m en o der Alternativen zu entw ickeln , wo das eigene Leb en ständig sp ielt. D am it h at j e de H andlu ng au ch Au sw irku ngen darau f, w ird zu m G e sp räch sth em a im Alltag, zu m S egm ent de s U m gangs m it an deren M en sch en . E s verlangt m ehr M ut, im Alltag aktiv zu sein als in den getrennten Sp h ären o rganisierter Po litevents, die als Einm al - In szenieru ng vo rüb ergeh en w ie ein U rlaub o der Th e aterb e su ch − allerdings au ch in ih rer W irku ng b egrenzt bleib en au f den sym b o li - sch en Au sdru ck . D ie Einm ischu ng in den eigenen Alltag o der au s ih m h erau s w irkt im m er direkt u nd kann verschie den e Facetten annehm en .
Aktion u n d direkte I n terven tion : D as stän dige E in m isch en
Ein e M ö glichkeit der Einm ischu ng ist der p o litisch e P ro te st, also alle Fo rm en vo n Aktio nen , die im Klein en w irken kö nn en . Fast alle s, was an Aktio n sm eth o den b ei o rganisierten P ro te sten au ß erh alb de s Alltag an - gew en det w erden kann , h at au ch h ier eine C h ance − w enn au ch in kleinerem Fo rm at: Verste ckte s Th e ater, Plakate , Sab o tage , Ko m m u ni - katio nsgu erilla, Flu gblätter, o ffen e B riefe u sw.
Alltag ist ab er au ch der O rt, in dem D iskrim inieru ng, Au sb eu tu ng, M obb ing, U ngleichb ere chtigu ngen , P rivilegien u n d alle anderen Fo r - m en vo n U nterdrü cku ngsverh ältnissen einen u nm ittelb aren Au sdru ck erh alten . P raktisch ist das stän dig der Fall, denn H errsch aft du rchzieht die G e sellsch aft b is in den letzten W inkel. P atriarch ale Lo giken , Zw ei - ge schle chtlichkeit, Rassism u s, Erziehu ng, Kinderdiskrim inieru ng, re chte Ide o lo gien u nd P rivilegien p rägen den Alltag. Wer au fm erksam du rch den Tag wandelt, w ird viele Situ atio nen entde cken , die Einm i - schu ng nö tig m ach en , u m U nterdrü cku ngsverh ältnisse au fzu de cken , anzup rangern u n d − w enn ein e p assende H andlu ngside e ko m m t − an - zu greifen . Wer die U m gebu ng intensiv „ ab scannt“, d .h . b e ob achtet, hinterfragt u nd au f o ffen sichtlich e o der verste ckte H errsch aftsfö rm ig - keiten h in analysiert, b em erkt Tau sen de Stellen , an denen kleine Z ei - ch en gegen das gen o rm te D asein hinterlassen w erden kö nnen . D ie se gru ndsätzlich e Au fm erksam keit ist einer der w ichtigsten „Au srü s - tu ngsgegen stände “ fü r den W iderstand im Alltag. D azu ko m m t, sich ge - zielt Aktio nste ch niken anzu eignen , u m die se situ atio nsb ezo gen einset - zen zu kö nnen − zu m B eisp iel u m m ittels verste cktem Th e ater in Ko m - m u nikatio n eingreifen zu kö nnen . D aneb en lo h nt e s sich , im m er au ch so au sgerü stet zu sein , dass viele H an dlu ngsm ö glichkeiten o ffen steh en . Ein e Art „D ire ct Actio n - Tasch e “ o der im Ru cksack ein Fach fü r Aktio ns - m aterialien h elfen . E in p aar D inge , die dazu geh ö ren kö nnten :0
1 www. projektwerkstatt.de/m arstv
2 Sel bstorganisierungs-Seiten: www.al l tagsal ternative.de.vu Zu Sp u -
ren : I m m er sch l au agieren , u.a. a u f F in gera bdrü cke au f dem Kl ebe- ba n d a ch ten !
• D icker Filzstift o der Wach sm aler: U nverzichtb ar fü r sp o ntane Veränderu ngen au f Plakaten , To iletten , B eh ö rden u sw. Stifte au s Plastik w erden vo n M etalldetekto ren (o ft an Eingängen vo n Po li - zeistatio nen , G erichten . . .) nicht b em erkt.
• Ko nfetti: Auto ritätsp erso nen o der M ackerInn en kö nn en du rch Ko nfetti ein w enig „ deko n stru iert“ w erden .
• P arfü m : E s kratzt an Au to rität, w enn U nifo rm ierte n ach Ro sen - blü ten „ du ften “.
• Le ere Plakate o der Sto ffe : Sind in Ko m b in atio n m it dicken Stiften gu t, u m sp o ntan au f S itu atio nen re agieren zu kö nnen , z .B . u m b ei einer rassistisch en Ko ntro lle im B ah nh o f den B e am tInnen zu fo lgen m it geh ob enen Plakat „ H ier findet eine rassistisch e Ko n - tro lle statt“.
• M ars - TV1 Transp arent: Ein als Fern sehb ildschirm au sge schnitte - ne s Transp arent versch afft die M ö glichkeit, in j e der Situ atio n zu r M ars - TV Rep o rtage - Einh eit zu m u tieren u nd E reignisse au s der Sicht vo n We sen au fzu greifen , w elch e keine H errsch aft kenn en . D enkb are S itu atio nen : B ei Fahrkartenko ntro llen Fahrgäste u nd Ko ntro llettis interview en , was der S inn vo m B ezahlen ist, ob die Zü ge dadu rch sch neller fah ren , was der gigantisch e Ko ntrollau f - wand b ringt u sw.
• Au fkleb er: Im m er ein p aar Au fkleb er dab ei h ab en , u m sexisti - sch e M agazine zu ko m m entieren , P ro dukte zu entw erten („D ie - se s P ro du kt ist entw ertet − alle s fü r alle statt Eigentu m “) , Licht - sch alter („ . . . au ssch alten “) o der Klotasten („ . . . ru nterspü len “) als Fläch e fü r Slo gans nu tzen zu kö nnen . Le ere B riefetiketten in
Verb indu ng m it einem Stift sind fü r u nvo rh er - ge seh en e E reignisse gu t.
• Kleb er: S eku ndenkleb er kann S chlö sser u n - b rau chb ar m ach en , Tü ren ganz verschieß en (in Tü rrah m en schm ieren) o der An dere s sto p p en (Tasten , Kn öp fe . . . nix geht m ehr) . Kleb eb and dient zu m Plakatieren , ab er au ch z .B . u m B ew e - gu ngsm elder, Lichtschranken u sw. u nau ffällig
zu blo ckieren . Vo r Vide o kam eras kö n - nen lu stige B ildch en , Straß endre ck u .ä.
geh ängt w erden .
• Achter - Vierkantschlü ssel: D as Allrou nd - Werkzeu g, u m in Zü gen u nd B ah nh ö fen an Sp re ch anlagen zu gelangen , Tü ren zu ö ff - nen o der zu schließ en , Klap p en im Zu g zu ö ffnen (z .B . u m was zu verste cken) u sw. In - nen dreikant h ilft fü r viele Leb ensm ittelco n - tainer.2 P raktisch als M eh rfach - S chlü ssel (Innen - Vierkant, D reikant . . .) − s. Abb ildu ng.
• Einleger: Z ettel fü r Z eitu ngen o der Bü ch er, die sich kritisch m it Inh alten au sein ander setzen o der üb er M ö glichkeiten info rm ie - ren , o hn e G eld u nd Eigentu m zu leb en .
• Flu gblätter: D a B egegnu ng m it rassistisch en Ko ntro llen o der Erziehu ngsattacken gegenüb er Kindern alltäglich ist, m acht e s Sinn , im m er ein p aar Flu gblätter m it th em atisch en B ezu g m itzu - schlep p en .
• Kreide : O p tim al u m Wege u n d Straß en m it Sp rü ch en zu versch ö - nern o der au f H errsch aftsdu rch griffe in der Ö ffentlichkeit zu re agieren . S o kö nn en Po lizeifah rzeu ge ko m m entiert o der ein - zelne Po lizistInnen m it Sp ru chblasen au f dem B o den b e stü ckt w erden .
• Ereigniskarte „ Sie ko m m en au s dem G efängnis frei“ : H ilft zwar nicht, ist ab er lu stig.
• TV B G o ne : Klein , u nau ffällig u nd nu r fü r sp ezielle O rte einsetz - b ar ist der Infraro tstrahler am S chlü sselring. In ihm sin d viele Fre qu enzen der Ein - /Au ssch altim pu lse fü r Fern seh - u nd andere G eräte ge sp eich ert. Richtet m ensch nu n das G erät au f so lch e u nd drü ckt den einzigen Kno p f, den das G erät h at, so dau ert e s m eist ein p aar S eku nden − u nd dann ist der Fernseh er o der P ro j ekto r au s. O der an . D as b ietet intere ssante C h an cen , z .B . au f Wahlp ar - tys, im U nterricht o der wo au ch im m er das Au s de s G affens er - wü nscht sein kann . Wer sich au f der anderen S eite keinen B reit - b ild - Plasm a - B ildschirm leisten kann o der w ill, ab er do ch m al Intere sse an einem Film h at, kann sein S o fa vo r ein TV - G e sch äft sch ieb en u n d du rch die S ch eib e den sch ö n sten der do rtigen Fernseh er anvisieren . Info s u nter www.tvb go ne .co m . Verkau f in D eu tschland üb er Fo eB uD .3
• Kleidu ng: Ein T - Shirt m it einem gut verständlich en u nd eb enso le sb arem Sp ru ch kann b ereits au sreich en , u m in der U - B ah n o der an derswo in der Ö ffentlichkeit ange sp ro ch en zu w erden u nd in p o litisch e D eb atten einzu steigen
• Trillerp feife , Alarm stift u .ä. : Zu m Lärm m ach en üb erall. D ie Alarm stifte sind kleine , b atterieb etrieb en e , extrem schrill - lau te Sirenen . Sie so llen z .B . Angreifer in der N acht ab schre cken . Au s ih nen w ird ein Stift gezo gen o der eine Taste ge drü ckt u nd das D ing irgen dwo h ingewo rfen . E s kann nicht au sge sch altet w er - den . Wenn e s also b ei einer Veranstaltu ng irgendwo ob en au f ei - nem G erü st, in einem Gully o .ä. landet, wo niem and so schn ell h eranko m m t, ist e s vo rb ei m it dem Lab ern , Feiern ,
H eldenge denken o der was au ch im m er grad läu ft.
• N am enssch ild : An H em dtasch e o der anderswo b efe stigt, gibt so ein tran sp arenter Visitenkartenh alter sch nell ein fö rm lich e s Au s - seh en . Am b e sten gleich m it vielen Karten fü llen u nd im m er die p assen de nach vo rne h o len − j e nach Lage : Sich erh eitsdienst, P re sse , U m so nstfah ren (w enn m ensch e s o ffen sichtlich m acht, ist e s keine Straftat !) , Ko ntro lletti . . . o der was m ensch m al ku rz sein w ill.
Im Alltag kö nn en einem M ensch en b egegnen , die einem b ekannt sind u n d au ch w eiterh in zu m eigen en so zialen U m feld geh ö ren − in der N achb arInnensch aft, am Arb eitsp latz, in Verein en u nd G rup p en . D as
3 https: //sh op. foebud.org/kategorie/gadgets/
tv-aussch al ter-tv-b-gone-4-keyring. htm l
erfo rdert ein b e so n dere s Vo rgeh en , u m nicht dau erh aft Ko m m u nika - tio nsm ö glichkeiten zu b e schneiden . Eh er das G egenteil wäre anzu stre - b en : N eu e G e sp räch sth em en erö ffnen , direkten Ko ntakt su ch en . Alltag sind ab er au ch die an o nym en Verh ältnisse im Sup erm arkt, in der U - B ah n o der im Bu s, an der Fu ß gängerInnenam p el u sw. E s sind o ft h o chko m m u nikative Räu m e , in denen Aktio nsfo rm en p assend sind , die direkte An sp rach e u n d D isku ssio n erzeu gen . S o lch e M eth o den sind b e so nders w ertvo ll, da Ko m m u nikatio n der entsch eiden de Zu gang zu D isku rsen u n d allem ist, was an N o rm ieru ngen , Wertu ngen u n d Vo r - u rteilen in den Kö p fen schw irrt. M it den gro ß en Po litaktio nen am Wo ch enen de lässt sich das regelm äß ig nicht erreich en . D ie se w irken eh er üb er M e dien u nd au f die rep räsentative Po litik − ab er w eniger au f die vielen M en sch en üb erall. D e sh alb ist e s eine S chwäch e p olitisch er B ew egu ng, au f so lch e zentralen Events p lu s b egleitender Ap p elle an die H errsch enden zu setzen . Em anzip ato risch e Veränderu ng m u ss ein er - seits die M acht au s P arlam enten u nd Ko nzernen zu den M ensch en zie - h en , andererseits ab er au ch den Alltag u nd die direkte Ko m m u nikatio n als H an d - lu ngseb ene erob ern . S o n st bleibt alle s B e - gleitfo lklo re zu m w eiteren D u rchm arsch institutio neller u nd disku rsiver H err - sch aftsverh ältnisse u nd - b eziehu ngen .
Rau s au s den Zwä n gen : Sel bstbefreiu n g im Al l ta g
D ie relative B eliebth eit vo n au ß erh alb der eigenen Alltagsb eziehu ngen liegen den Po litevents gegenüb er der Einm ischu ng im Alltag w ird zu - sätzlich ge steigert dadu rch , dass du rch Aktio nen an fernen O rten u nd innerh alb gro ß er Grup p en die eigenen Ü b erleb ensb ezü ge u nd - qu ellen nicht gefäh rdet w erden . Wer H ändch enh alten au f dem Elb deich sp ielt, riskiert keinen Verlu st de s Arb eitsp latze s. Wer vo rgefertigte Em ails an den digitalen P ap ierko rb der Bu nde skanzlerin sch icken lässt, m u ss sich dafü r wohl kau m in der N achb arInnensch aft re chtfertigen .
An ders sieht das b ei Aktio nen im eigen en Alltag u nd direkter Interven - tio n au s. Wer gegen einen sexu ellen Ü b ergriff au f einer P arty vo rgeht, läu ft G efahr, zu m inde st kritisch e B licke vieler in ihrer Feierlau n e ge - stö rten P artygäste zu ernten . D as kann , w er eine U nterschrift gegen G enitalverstü m m elu ng in einem fern en Land leistet, nicht p assieren (h ö ch sten s die standardm äß ige eigene B elästigu ng du rch die Sp enden - einw erb e abteilu ngen der u ntersch riftensam m elnden O rganisatio n en) . Einm ischu ng im Alltag ge schieht im m er als ko nkrete Perso n u nd o ft in nicht - ano nym en u nd dau erh aften B ezü gen . S ch o n allein das Ziel, p o - litisch e H andlu ngsfähigkeit zu erreich en , ist ein G ru nd , üb er die eigene Einb indu ng in Zwänge nachzu denken . Z entraler ab er ist der Wert u n - abh ängiger Entsch eidu ngsfäh igkeit (Auto no m ie) no ch fü r das Leb en selb st. D enn w enn S elb stentfaltu ng ein w ichtige s Ziel de s Leb ens ist, b e deu tet die B efreiu ng vo n allen no rm ierenden u nd b e stim m te s Ver - h alten erzw ingenden Einflü ssen eine w ichtige , b efreiende Vo rau s -
B rosch ü re „Wi- derstan d im Al l ta g“: www.
p rojektwerksta tt.
de/da /down l oad/
A5a l l tag. pdf
setzu ng, die se au ch W irklichkeit w erden zu lassen . D er eigene Alltag ist also do p p elt w ichtig.
• Abb au vo n H ierarchien : Je de Einb indu ng in H ierarch ien sch afft H andlu ngszwänge , da das eigene Verh alten du rch andere b e - stim m t w erden kann . O b Fam ilie ,
Wo hngem einsch aft, Firm a, Verein o der was au ch im m er: Fo rm ale Gleichb ere ch - tigu ng ist nicht alle s, ab er eine w ichtige Vo rau ssetzu ng fü r die S elb stentfaltu ng aller B eteiligten . E s wäre S ach e anar - chistisch er Aktivität, üb erall Vo rschläge fü r D o m inanzabb au u nd gleichb ere ch - tigte s M iteinander einzub ringen , M eth o - den zu entw ickeln u n d vo rzu schlagen . • Ö ko no m isch e U nabh ängigkeit u nd
S elb sto rganisieru ng: Im Kap italism u s sch afft der Zwang zu m Ver - kau f der eigen en Arb eitskraft ständig Abh ängigkeitsverh ältnisse . E s b e steht, zu m inde st fü r N ichteigentü m erInn en an P ro duktio ns - m itteln , ab er au ch fü r die m eisten derer, die so lch e b e sitzen , der Zwang, zw e cks eigen en Ü b erleb ens fü r etwas zu schu ften , was au - ß erh alb de s eigenen W illens liegt. E s w ird entw e der du rch den so - genannten „Arb eitgeb er “ o der, b ei S elb ständigen u nd Freib eru fle - rInn en , du rch die Verkau fb arkeit der eigenen Tätigkeiten o der Fä - h igkeiten diktiert. D a der M ensch nicht au f ein e gew isse m aterielle Rep ro duktio n verzichten kann u nd zu sätzlich zu r S elb stentfaltu ng sein er M ö glichkeiten u n d Wü n sch e m aterielle Re ssou rcen b enö - tigt, ko m m t er nicht u m h in , fü r deren B e sch affu ng tätig zu w er - den . Vo n B e deu tu ng ist, ob die Art au f freiem W illen u nd freien Vereinb aru ngen aller B eteiligten b eru ht o der die Ko o p eratio n er - zwu ngen ist.
Eine w e sentlich e Vo rau ssetzu ng ist die Fäh igkeit zu r S elb sto rgani - sieru ng. Wenn M ensch en zu m Verkau f ih rer Arb eitskraft keine Alternative h ab en , also nu r m it dem dab ei verdienten G eld ih r Ü b erleb en sich ern kö nn en , w erden sie dazu neigen , Arb eitsp lätze zu su ch en u nd sich au sb eu ten zu lassen . E s ist dah er w ichtig, die se Abh ängigkeiten ab zub au en − sei e s du rch ein b e dingu ngslo se s Gru n deinko m m en , du rch S elb sth ilfegrup p en , U mverteilu ng u nd/o der effiziente Nutzu ng ge sellsch aftlich er Verso rgu ngsni - sch en . S ie alle sind nicht m eh r als Zw isch ensch ritte zu einer G e - sellsch aft, in der alle s allen zu gänglich ist. Ab er als Etap p en kö n - nen sich du rch p artielle B efreiu ngen den K am p f fü r m eh r b eflü - geln . An arch istInnen kö nnen u nd so llten neb en entsp re ch enden p o litisch en Fo rderu ngen S elb sto rganisieru ngs - N etzw erke fü r das Ü b erleb en im Alltag initiieren . D ie se kö nnen au ch üb er den b e - sch rieb enen Rahm en h inau sgeh en u nd zu selb stverwalteten , b e - dü rfnis - statt m arkto rientierten B etrieb en o der Wo hnh äu sern füh ren .
• Ko m m u nikatio n u nd freie Ko o p eratio n : Eine h errsch aftsfreie Welt m u ss eine ko m m u nikative Welt sein . D enn die direkte so ziale
E in e Sa m m l u n g sch on besteh en der u n d a n -
wen dba rer I deen fin - det sich u n - ter www. h ierarch n ie.
de.vu oder im H ier- arch N I E ! -Reader.
Interaktio n m it vielen , o ft ko m p lexen Ab sp rach evo rgängen ersetzt die h ierarchisch e Ko m m ando struktu r, die h eute eine G e sellsch aft o rganisiert, zu sam m enh ält u nd au ch au fre cht erh ält. S o lch e Ko m - m u nikatio n kann eb enso w ie die Anb ah nu ng vo n Ko o p eratio n au ch h eute sch o n gefö rdert w erden du rch direkte B egegnu ng, Wandzeitu ngen , lo kale Radio s, eigene M itteilu ngsblätter u sw. − sowo hl in B etrieb en w ie au ch in G rup p en , H äu serblo cks, Woh n - vierteln u nd D ö rfern , an kultu rellen Treffpu nkten o der in Sp o rt - stätten . Kein O rt m u ss au sge sp art bleib en . Wer Anarchie w ill, kann lo slegen u nd so lch e Ko m m u nikatio n sstränge verw irklich en .
• Gleich er Zu gang zu allen Re ssou rcen : Reichtu m su nterschie de sch affen P rivilegien . D ah er ist der gleichb ere chtigte Zu gang zu den vo rh an denen Re ssou rcen eine w ichtige Fo rderu ng u n d eine H and - lu ngsm ö glichkeit fü r die P raxis. In der U to p ie w ird das m it dem Ende de s Eigentu m s verbu nden sin d . Im H ier & Jetzt kö nnen kleine P ro j ekte u nd Exp erim ente das gro ß e Ziel im Kleinen teil - verw irk - lich en u nd b ew erb en . B ereits b e steh ende B eisp iele sind U m so nst - läden , Nu tzerInnengem ein sch aften4 (G eräte , Bü ch er u sw. w erden gem einsam genu tzt) , o ffene Räu m e ,5 Aktio nsp lattfo rm en (z .B . P ro j ektw erkstätten) ,6 S elb sth ilfew erkstätten u nd ähnlich e Einrich - tu ngen , H äu ser u nd Fläch en , die oh ne H au sre cht fü r alle o ffen sin d , eb en so au ch P ro du ktio nsstätten , die nicht nu r Sach e klein er Eigentü m erInnenkreise sind , so ndern vo n vielen , au ch Inter - e ssierten u nd B etro ffen en der U m gebu ng, genutzt w erden . Anarch istInnen kö nnten hier viel m eh r Initiativen starten u nd das ko nkrete P ro j ekt m it der B en ennu ng vo n w eiterreich enden U to p ien verb inden , z .B . üb er Au sstellu ngen , G e sp räch e , Info rm a - tio nsschriften , Veran staltu ngen u nd Aktio nen .
An arch ie zeigen : Ü berzeu gen du rch Tu n ?
Je de H andlu ng, j e de Aktio n u nd j e de s P ro j ekt kann zu m eh r w erden , w enn e s dafü r genutzt w ird , w eitergeh ende U to p ien zu verm itteln . Zu - dem kann e s die W irku ng de s Ko nkreten verb e ssern , w enn die dahin - tersteh en de u nd üb er das kleine Exp erim ent h inau sgeh ende Ide e sicht - b ar w ird . Zwar m ag das zu näch st au ch einige M en sch en ab sch re cken (w er ist ange sichts der h eutigen H etze sch o n gern an arch isch ?) , ab er da m ü ssen em anzip ato risch e Ide en u nd Ide engeb erInnen du rch . H err - sch aftsfreih eit, u nter w elch em der vielen B egriffe au ch im m er b en annt o der u m schrieb en , m u ss au s den du nklen E cken ge sellsch aftlich er Subkultu ren , tem p o rärer P ro te stp h asen de s Leb ens o der bü rgerlich er H etze zu einer gegenku ltu rellen O ffensive , zu einem erstreb ensw erten Ide al u n d zu r hinter den Aktio nen der B efreiu ng u nd S elb sto rganisie - ru ng sichtb aren H o ffnu ng erw e ckt w erden .
4 www.coforum .de/?3242
5 www. projektwerkstatt.de/h oppetosse/em anzipat/offen. htm l 6 www. projektwerkstatt.de/h oppetosse/h ierarch N I E /prowe. htm l
Sie ist kein e Ide e fü r wo hlige S o nntagsre den klein - u nd b ildu ngsbü r - gerlich er Kreise , die m it verklärtem B lick die b e ssere Welt einfo rdern , u m in ih rem so nstigen Leb en zu denen zu zählen , die au s teil - p rivile - gierter Stellu ng h erau s genau das G egenteil m it ab zu sich ern h elfen .
„Anarch ie ist m achb ar, H err N achb ar “ (nu r zw e cks b e sseren Reim en s in m ännlich em Sp rach stil) lau tet ein b eliebter Sp ru ch , den An arch is - tInnen ab er lieb er vo r sich hinb rabb eln , w enn sie u nter sich sin d , o der klam m h eim lich den N achb arInnen au f die H au swan d sp rü h en , u m au ch die letzte C h ance zu r D eb atte u m H errsch aftsfreih eit zu zertrü m - m ern .
Au s Gordon , U ri (201 0): „H ier u n d jetzt“, N a u til u s in H am bu rg (S. 64 f. )
Wenn sch o n Em anzip atio n u nd ihre radikalste Fo rm , die Anarch ie , als G egenkultu r verstanden w erden , liegt e s nah e , au ch den ganzen B e - reich , der o riginär als Ku ltu r verstanden w ird , ins B lickfeld zu nehm en . S ch rift, B ild , To n , Inszenieru ng u nd viele s m eh r verm itteln ge sell - sch aftlich e Au ffassu ngen . Sie sind regelm äß ig u to p isch er u nd m utiger als re alp o litisch e Fo rderu ngen o der die Verzagth eit p raktisch er Alltags - ge staltu ng. Andererseits ist au ch Kultu r in vielen Zwängen gefangen , u n d ih re B efreiu ng au s die sen hin zu einer selb stb e stim m ten u nd selb sto rganisierten Fo rm wäre vo n B e deutu ng.
D er Anteil vo n M u sikgrup p en , M alerInn en , S chriftstellerInnen u nd m eh r ist h o ch , die sich − o ft träu m erisch − seh r p o sitiv au f Ide en der H errsch aftsfreih eit u n d Gleichb ere chtigu ng b ezieh en , wäh rend die Re alität in einem Ko rsett vo n Zwängen u nd H ierarch ien versinkt − ein - schließ lich der Fo rm kü nstlerisch er P räsentatio n , die o ft den in ihr ver - m ittelten Inh alten w idersp richt. E s gibt p raktisch keine u m anarch isti - sch e o der w enigstens em anzip ato risch e Inh alte käm p fende u nd so lch e Ide ale p raktizierende Kü nstlerInn enszene , au ch w enn die Inh alte ihrer Ku n st das o ft h erb eiseh nen o der fo rdern .
Au s Gordon , U ri (201 0): „H ier u n d jetzt“, a.a.O. (S. 67)
Kein e E in ta gsfl iege: Sel bstorga n isiertes Leben
Anarchie im Alltag ist also dreierlei:
• D irekte Aktio n als Einm ischu ng, Veränderu ng o der Sab otage b e - steh ender Verh ältnisse o der u nterdrü ckender H andlu ngen .
• Au fb au b zw. Steigeru ng u nabh ängiger Leb en sverh ältnisse , d .h . der B efreiu ng au s m ateriellen u n d so nstigen Zwängen , Au fb au gleichb ere chtigter Fo rm en de s Zu sam m enleb en s, u nabh ängiger u nd freier Ko m m u nikatio n u nd Ko o p eratio n .
• Werb en fü r die ko nkreten P ro j ekte u n d Versu ch e , ab er au ch im - m er, am b e sten dam it verbu nden , fü r die visio näre Ide e ein er h errsch aftsfreien Welt.
Klein e u nd gro ß e S chritte , gern e au ch m al − w enn e s die Situ atio n zu - lässt − ein gro ß er Wu rf, w enn z .B . eine Fab rik üb ern o m m en , ein D o rf o der Wo h nviertel selb stverwaltet o der p er p raktisch er Aktio n die U nterdrü cku ngsm aschin erie ge sto p p t w erden kann , sind im m er gut.
D am it sich die Veränderu ngen au ch zu einer G egenkultu r entw ickeln kö nnen , b e darf e s ab er m eh r als Stro h feu er. S o lange P ro te st u nd S elb sto rganisieru ng nu r die N eb enro lle in einem an so nsten vo n Abh ängigkeiten u nd Zwängen du rchzo genen Alltag sind , w erden sie ir - gen dwann ge strich en w erden au s dem Tage sp lan der vo n den frem d - b e stim m ten Anfo rderu ngen üb erfo rderten M ensch en . E s m u ss dah er gelingen , den selb sto rganisierten Alltag, sei e s die m aterielle Rep ro du k - tio n , die Ko m m u nikatio n u nd Ko o p eratio n m it dem U m feld o der die Einm ischu ng in Fo rm vo n Interventio n u nd Aktio n , zu ein em Ko ntinu - u m zu m ach en . D as m eint nicht starre Fo rm en , so ndern dass e s m eh r w ird als die vereinzelten Au snah m en im an so nsten abh ängigen Leb en .
Au s Wil k, Mich a el , a .a .O. (S. 61 )
An arch i e fü r Gru ppen :
Organ i si eru n g oh n e H i erarch i en
D ie Frage nach dem Abb au vo n H ierarchien , der Fö rderu ng vo n Kre ati - vität, S elb stentfaltu ng u nd gleichb ere chtigtem Zu gang zu allen ge - m einsam en Re ssou rcen u n d H andlu ngsm ö glichkeiten gilt fü r alle : B e - trieb e , Grup p en , Teilneh m ende b ei Aktio nen , P roj ekte u nd Exp erim en - te . D ie B innenstruktu r ist selb st ge sellsch aftlich er Sub rau m u nd dam it p o tentieller O rt der Verw irklichu ng an arch istisch er Ide e . G enau de s - h alb , w eil E m anzip atio n kein Versp re ch en nu r fü r b egrenzte Teile de s Leb en s darstellt, ist e s w ichtig, au ch in j e der B innenstruktu r u m die Ide e freier M ensch en in freien Vereinb aru ngen zu ringen .
N icht das D o gm a, dass die M ittel dem Zw e ck entsp re ch en m ü ssen , b il - det den ide ellen Kern em anzip ato risch er O rganisieru ng, so ndern die Ü b erzeu gu ng, dass die ge sam te G e sellsch aft einschließ lich ih rer Sub räu m e Tätigkeitsfeld vo n B efreiu ng u nd S elb stentfaltu ng sein so l - len . Waru m so llen au sgere ch net die eigenen Struktu ren , in den en die
Veränderu ngsm ö glichkeit u nd dam it die C h ance zu r Verän deru ng so nah e liegt, vo n die sem Ziel au sgen o m m en w erden ?
Dynam isch , o ffen u nd die B eteiligten nicht in frem db e stim m te Iden - titäten drängen d − so m u ss O rganisieru ngskultu r au sseh en , w ill sie em anzip ato risch e Ziele verfo lgen . D o ch was h eiß t das p raktisch ? D ie o ft vo rh andene Skep sis, dass ange sichts der tief verankerten , so zialen Zu - richtu ngen (m ensch denke nu r an die o ft intensiv in D enken u nd Ver - h alten eingeb rannten Ro llen p atriarch aler Verh ältnisse zw isch en M än - nern u nd Frau en) u nd fehlender Ü bu ng in freier Ko o p eratio n , h o ri - zo ntaler Ko m m u nikatio n u n d Ko nfliktau stragu ng in ko ntro llfreien Räu m en ein üble s Fau stre cht au sb re ch en kö nnte , ist b ere chtigt. D as reine Weglassen fo rm aler Zwänge , vo n Regeln u nd Ko ntro lle sow ie der Ap p ell, do ch gut zu einan der zu sein , w ird nicht reich en . E s b e darf der aktiven Fö rderu ng vo n gleichb ere chtigter Ko m m u nikatio n , Transp a - renz u n d Zu gang zu Re ssou rcen , freier Ko o p eratio n u nd p ro duktivem Streit.
Au f der Su ch e n ach H al t
Au s Wa rd, Col in : „An a rch ism u s a l s Organ isation sth eorie“7
Kein G o tt, kein Staat, keine h ö h ere M o ral, kein e G e setze u nd keine Re - geln − in einer so lch en Welt wäre der M ensch au f sich u nd die vo n ih m selb st o rganisierten o der m itgetragenen Vereinb aru ngen angew ie sen . E s gäb e keinen kü nstlich en , äu ß eren H alt m ehr. D er M en sch wäre h in - au sgewo rfen in die Welt, stände au f sich u nd au f die vo n ih m aktiv (m it) o rganisierten u nd au fgeb auten Ko o p eratio nen , O rte der Ko m m u - nikatio n u nd der so zialen Interaktio n . D ie h eutige Welt ist davo n w eit entfernt. D ie K anäle de s Leb ens sind vo rgegeb en , Ko o p eratio n entsteht nicht au f freier Vereinb aru ng, so ndern innerh alb fe stge setzter Regeln u n d Rahm enb e dingu ngen fü r B egegnu ng in so zialen Klassen u nd S eil - sch aften .
Anarchie b eginnt m it der Akzep tanz de s Lo sgelö stsein .8 M ensch en sind hin au sgewo rfen in die Welt. Sie o rdn en sich nicht vo n N atu r au s in sp e - zifisch e Grup p enstruktu ren w ie b eisp ielsw eise H erden o der S chwärm e ein . Vielm ehr lö sen sie sich Zu g u nd Zu g au s den am Leb ensanfang in - tensiven B in du ngen u nd o rganisieren sich dann ih r so ziale s U m feld selb st − w enn m en sch sie lässt. Ko o p eratio n u n d S elb stentfaltu ng sind dab ei ein - u n d derselb e P ro ze ss, w eil j e de freie Zu sam m enarb eit u nd
7 Quel l e: Graswurzel revol ution N r. 21 6, Februar 1 997 ( www.anarch ism us.at/txt4/col inward. htm )
8 www. projektwerkstatt.de/h oppetosse/em anzipat/m ensch . htm l #l os
Vereinb aru ng au f dem W illen b asiert, sich selb st im Leb en zu entw i - ckeln u nd die H andlu ngsm ö glichkeiten au szu deh nen .
An arch istisch e O rganisieru ng darf keine E rsatz - G eb o rgenh eit b ieten , also die M en sch en nicht in frem de O rientieru ngen , Identifikatio ns - co de s o der fe ste M o ralvo rstellu ngen füh ren . S o nst w ird sie zu m Teil der M aschinerie vo n Ein so rtieru ng in vo rgegeb ene S ch ablo nen , die u nsere G e sellsch aft zu r Z eit w eitgeh end p rägt. Täte sie das, wü rde sie nicht b efreien , so ndern B evo rm u ndu ng u nd U nselb ständigkeit erträglich er ge stalten − also genau das P ro gram m b ieten , was in den m o dernen G e - sellsch aften abläu ft: Freih eit als S ch ein u nter einem B erg vo n Abh än - gigkeiten u nd Entzu g der Fäh igkeit zu r S elb stentfaltu ng.
I m m er zeitl ich besch rän kt
N ichts ist S elb stzw e ck . Nu r die M ensch en selb st u n d ihre freien Zu sam - m enschlü sse sind die Akteu rInnen in einer anarchistisch en Welt. D ah er kann e s au ch nichts geb en au ß er den M ensch en . N ichts existiert o h ne die stets n eu e Legitim atio n du rch den W illen der B eteiligten . O rganisa - to risch er Ü b erb au erle digt sich , w enn der W ille der M ensch en , die ihn ge sch affen h ab en , erlah m t o der der Zw e ck erfüllt ist. Kein Zu sam m en - schlu ss existiert als S elb stzw e ck . Wann er b eginnt u nd wann er endet, b e stim m en die B eteiligten . Ein j e der Zu sam m enschlu ss ist b e endet, w enn niem an d m ehr da ist, der ihn au fre chterh ält.
D a kein Zu sam m enschlu ss als eigene Persö nlichkeit au ftritt (so w ie h eute Vereine , Firm en , P arteien , Staaten u sw.) , lebt alle s au s der B etei - ligu ng der M ensch en − u n d ist zu ende , w enn e s die se nicht m eh r gibt.
Au s Col in Wa rd, a.a.O.
Au s D iefen ba ch er, H an s (H rsg. , 1 996): „An a rch ism u s“, P rim u s Verl a g in D arm stadt (S. 91 )
Offen e System e
An arch ie ist U nb e stim m th eit: Ich geh e in ein en so zialen Rau m u nd h a - b e keine Sich erh eit. Ich w eiß das. E s ist anders als in den h eu te do m i - nierenden (b asis - )dem o kratisch en System en , wo Po lizei o der Ko nsen - se eine G eb o rgenh eit vo rgaukeln u n d ein e O rientieru ng vero rdnen . Ich w eiß nicht, was ge sch ieht, ab er ich b in vo rb ereitet − u nd viele andere au ch . Statt sich au f kollektive Entsch eidu ngen o der G e sam th eiten zu verlassen , sind die M ensch en selb st die Akteu rInnen , die au s der Situ a -
tio n h erau s entsch eiden u nd agieren . Ich b in au fm erksam , die anderen au ch . Weil die G ew iß h eit fehlt u nd das au ch klar ist.
E s gibt keine Sich erh eit vo r S existInnen o der RassistInn en , vo r G ewalt o der U nterw erfu ng anderer Art. D ie gibt e s nie . In ein em anarchisch en Rau m w eiß ich das. Antiterro rge setze o der Plenu m sb e schlü sse kö nn en au ch nicht vo r Ü b ergriffen schützen − nu r o ft glaub en das viele . D as sch afft die M ö glichkeit, sich hinter ih nen zu verste cken u nd dann als Akteu rIn zu verschw inden . D as m acht sie gefäh rlich , denn üb ergriffs - freie Räu m e entsteh en w e der du rch Ko ntro lle no ch du rch anschlie - ß ende S anktio n , so ndern du rch die Au fm erksam keit u nd Interven - tio n sb ereitsch aft der Vielen .
Au s Wil k, Mich a el , a .a .O. (S. 50)
D ie O rganisieru ng o ffener Räu m e u nd System e ist ansp ru ch svo ll − eb en w eil S ch ein - Klarh eiten fehlen . E s gibt also keine verm eintlich ein deu - tigen Lö su ngen , so n dern alle s ist ein ständiger P ro ze ss. D as ist eh rli - ch er, w eil S ich erh eit u n d Klarh eit nicht su ggeriert w ird , e s ist ab er au ch em anzip ato risch er, w eil nu n die M ensch en
den ge sam ten Ablau f, alle B eziehu ngen u nd Verh ältnisse der B innenstru ktu r p rägen . H au sre cht, H au so rdnu ngen u nd viele s m eh r geh ö ren au f den M ü llh au fen , den Em anzip a - tio n u n d Anarchie h inter sich lassen m ü ssen , w enn sie den M ensch en in den M ittelpu nkt stellen wo llen .
Kein e P rivil egien , dafü r h o- rizon tal e Kom m u n ika tion
H errsch aftsfrei wäre nu r, w enn alle M ensch en au f gleich er Eb ene zu - einander steh en . Je de s P rivileg wü rde die Ko m m u nikatio n in ein e S ch ieflage b ringen . Wenn sich zw ei M ensch en b egegnen , ab er nu r ein e Ko ntro llre chte o der Zu gang zu b e stim m ten H an dlu ngsm ö glichkeiten h at, die P asswö rter kennt, den S chlü ssel verwaltet o der In siderw issen h o rtet, ko m m en schn ell Ro llenverteilu ngen zw isch en B ittstellerInn en u n d G ö nnerIn au f − zu m inde st u nb ewu sst als stän dige D ro hku lisse au ch hinter so lch er Ko m m u nikatio n , die au f den ersten B lick frei u nd gleichb ere chtigt w irkt.
D ie M ensch en in einem Planu ngsp ro ze ss, einer D isku ssio n , im Vo rfeld einer Vereinb aru ng, Ko op eratio n o der gar Ab stim m u ng m ü ssen also h o rizo ntal zu ein ander steh en . E s darf kein e entsch eidu ngsfäh igen Räte9 o der so nst p rivilegierten Grem ien im H intergru n d geb en , deren Vo tu m w ichtiger ist, in dem ab er nu r einige der Vielen m itw irken o der
9 www. projektwerkstatt.de/h oppetosse/em anzipat/raetesystem . htm l
Meh r zu „Offen em Rau m“ in der Text- sam m l u n g
„F reie Men - sch en in freien Ver-
ein ba ru n gen“: www.
projektwerkstatt.de/
h op p etosse/
em a n zip at/offen . h tm l
u nterschie dlich gu te Ko ntakte do rth in b e steh en . N o ch schlim m er wä - ren Pyram iden vo n Grem ien , deren Sp itze nicht m eh r erreichb ar er - sch eint.
Zu dem darf e s kein e Stellvertretu ng u nd Vereinnahm u ngsm ö glichkei - ten geb en . Wären in einer gro ß en Ru nde M en sch en einige p rivilegiert, das E rgeb nis sp äter nach drau ß en zu tragen , so gäb e ih nen das m eh r M acht. Sie definieren du rch B ekanntgab e de s Ergeb nisse s sp äter, was h erau sgeko m m en ist. D enn j e de Vereinb aru ng u n d Ab stim m u ng ist interp retierb ar. Wer die o ffizielle Interp retatio n vo rn eh m en darf, h at gegenüb er den an deren einen Vo rsp ru ng.
Statt irgendw elch er G rem ien m it b e so nderen B efu gnissen b e darf e s au ch au f ko o rdinieren den Eb enen , z .B . b ei üb erregio naler Ko o p eratio n , der Vereinb aru ngso rte u nd aktiven Ko o p eratio nsanb ahnu ng. Ko nkrete Vo rschläge finden sich in der Textsam m lu ng „ Freie M ensch en in Freien Vereinb aru ngen “1 0 u nd im Bu ch „Auto no m ie & Ko o p eratio n “.1 1
Ein b e ste ch ende s B eisp iel, w ie ko nse qu ente H o rizo ntalität ge staltet w erden kann , b ietet das Lo sen . Wenn − tro tz intensiver Versu ch in h o - rizo ntaler Ko m m u nikatio n − keine Einigu ng m ö glich ist, ab er eine all - gem eine Entsch eidu ng h er m u ss (z .B . in w elch er Farb e eine Wand ge - strich en o der ob das einzig vo rh an dene M egafo n vo rne o der hinter in der D em o nstratio n einge setzt w ird) , em p fiehlt sich das Lo sen . E s fegt alle P rivilegien vo m Tisch , niem and ist h interh er S chuld u nd sch o n das W issen daru m , dass b ei N icht - Einigu ng gelo st w ird , kö nnte die N ei - gu ng zu einer gleichb ere chtigten D isku ssio nskultu r fö rdern . D enn was so llen M achtsp iele b is Fo rm en der B e ste chu ng („w enn D u dafü r stim m st, m ach e ich . . .“) dann n o ch b ringen ?
Äh nlich e s gilt fü r Pö stch en : Wenn sie sich nicht verm eiden lassen , ab er eine E inigu ng nicht gelingt (z .B . w er j etzt eine Verh andlu ng füh rt o der etwas üb ergibt) , dann : Lo sen . D as ist im Ü b rigen gar nicht so ab su rd , w ie e s in die ser wahlgeilen G e sellsch aft ersch eint: In der attisch en D em o kratie de s früh eren G rie ch enlands,1 2 die als Vo rb ild h eutiger Staatsfo rm en so h o chgelobt w ird , wu rden Äm ter regelm äß ig p er Lo s vergeb en . D as w ird im G e sch ichtsu nterricht n atü rlich ko n se qu ent ver - schw iegen . . .
Tran sparen z u n d gl eich er Zu gan g zu Wissen
Info rm atio nen u nd W issen m ü ssen frei zu gänglich sein . D as gilt vo r al - lem p raktisch u n d reicht vo n der Frage , dass alle au ch tatsächlich an die Info rm atio n h eranko m m en (also Ro llstuhlfah rerInn en au ch an die Bü ch er im 5 . Sto ck u nd Internetu serInnen o h ne P asswo rt an D ateien u nd N etz) . Im m er geh ö rt au ch die Info rm atio n , wo was zu finden ist, zu den w ichtigen Vo rau ssetzu ngen de s gleichb ere chtigten Zu gangs zu In - fo rm atio nen . Wer sich das im glob alen M aß stab üb erlegt, w ird schn ell erkennen , w elch eine gewaltige Au fgab e u nd U m schichtu ng vo n Re s -
1 0 www. projektwerkstatt.de/h oppetosse/em anzipat/praxis. htm l 1 1 www. projektwerkstatt.de/m aterial ien/utop_utopie. htm 1 2 www. projektwerkstatt.de/dem okratie/gesch ichte. htm l
sou rcen no tw endig ist, u m üb erall au f der Welt die se s Ziel zu erreich en . E s wäre so gar zu m Vo rteil der b ereits P rivilegierten , denn b ei W issen einschließlich te ch nisch er E rfin du ngen ist e s so , dass sich die se s u m so schneller u nd b e sser verm ehrt, j e m eh r M ensch en au f das W issen zu - greifen , e s anw enden u nd w eiterentw ickeln kö nnen . E s ist die Perversi - tät der b ish erigen G e sch ichte verschie den er H errsch aftsep o ch en b is zu m aktu ell p rägenden K ap italism u s, dass in viele Z o nen der Welt Te ch nik u nd W issen nu r ko m m t, w enn e s zu r Au sb eutu ng vo n Arb eits - kraft u nd Roh sto ffen dient − nicht ab er w eil e s den M ensch en dient.
Au ch in den reich en Ländern der Welt w erden z .B . B iblio th eken ge - schlo ssen u nd dam it M ensch en vo m Zu gang zu W issen ab geklem m t.
D ie ser Trend m u ss u m ge dreht w erden . P atente , Lizenzen u nd C opy - right blo ckieren die o ffene Flu ktu atio n de s W issens eb enfalls. Ständig sterb en M illio n en au f der Welt, no ch m ehr darb en in N o t, w eil irgend - w elch e Leu te ih r W issen zu G eld m ach en wo llen − angetrieb en du rch ein System , in dem kü nstlich er M angel der Vielen zu Reichtu m vo n We - nigen w ird .
Viel W issen existiert in den Kö p fen vo n M ensch en − vo r allem die Er - fahru ngen fü r den Alltag u nd das ko nkrete Leb en . H an dw erklich e s Knowh ow, Sp rach en , kultu r - u n d natu rw issen sch aftlich e Anw endu n - gen schlu m m ern im D enken der M ensch en u nd w erden , w enn üb er - h aup t, nu r ganz w enigen anderen , z .B . Verwan dten zu gänglich . D o ch die se s W issen ist w ertvo ller, fü r S elb stentfaltu ng u nd O rganisieru ng im Leb en m itu nter deutlich w ichtiger als das starre Leh rbu chw issen der S chulen u nd U niversitäten .
E s m ü ssen Fo rm en gefu nden w erden , w ie W issen b e sser w eitergegeb en w erden kann . D ie Welt b rau cht − üb erall verteilt − Lerno rte , in den en N eu gierige au f W issende sto ß en , u m sich zu r Weitergab e de s W issen s frei zu vereinb aren . N icht Stu n den - u nd Lehrp läne dü rfen die Welt de s Lernen s do m inieren , so n dern N eu gierde u nd freie Lerngrup p en . Je de Kü ch e , j e de s Kinderzim m er, j e de Werkstatt u n d j e der P C die ser Welt kö nnen zu m Lab o r de s Lernen s w erden , w enn die M ensch en ein ander su ch en u n d nicht nu r dem Staat o der der au f P ro fite sch ielenden In du strie üb erlassen , was sie wann lernen . O ft genu g ist das Ergeb nis die se s erzwu ngenen Lern ens oh neh in , dass j e de Lu st au f W issens - an eignu ng versiegt u nd dam it der S elb stentfaltu ng ein e w ichtige B asis entzo gen w ird . Je der Versu ch der B efreiu ng käm p ft m it den Fo lgen . Viele ko nkrete P roj ekte h adern dam it, dass M en sch en nicht m eh r ler - nen wo llen , so n dern au ch in anarchistisch en P ro j ekten nach Instant - lö su ngen fü r die verm eintlich e B efreiu ng su ch en .
Gl eich er Zu gan g zu a l l en Ressou rcen
N icht nu r W issen ist ein e Re ssou rce , so n dern au ch alle Sachw erte . Wenn M ensch en u nterschie dlich e H andlu ngsm ö glichkeiten au fgru nd ihrer m ateriellen Au sstattu ng h ab en , gibt e s zw isch en ih nen kein e Gleichb ere chtigu ng. Wer etwas N o tw endige s kau fen kann , ist in einer an derer Lage als ein e Perso n , der das dazu nö tige G eld fehlt. Letztere
m u ss anders verh andeln , ist au f Ko op eratio n angew ie sen − erstere nicht o der zu m inde st nicht so sehr. D ie ser U nterschie d m u ss ver - schw inden , sollen Ko o p eratio n en u n d Ko m m u nikatio n gleichb ere ch - tigt sein .
Vo n b e so nderer B e deu tu ng sind alle P ro duktio nsm ittel, also so lch e G e - räte , ab er au ch Fläch en , Räu m e , Plän e u sw., in u nd m it denen etwas p ro du ziert w erden kann . Ihr B e sitz ist nicht nu r P rivileg als so lch e s, so n dern vervielfacht sich du rch die Fähigkeit, m it dem P ro duktio ns - m ittel im m er w ie der Sachw erte h erstellen zu kö nnen , die dann den - j enigen zu sätzlich en B e sitz sch affen , die üb er die P ro du ktio nsm ittel verfü gen . Zu gänge u n d M eth o den m ü ssen vo n allen gleich erm aß en du rch sch aub ar, h interfragb ar u n d veränderb ar sein . Ei - n e Ü b ertragu ng der P rinzip ien vo n O p en S ou rce in die nicht - digitale Welt ist nö tig: Alle m ü ssen alle s nutzen , etwas h inzu fü gen , au stau sch en u n d w eiter - entw ickeln kö nnen .
Kom m u n ika tion s- u n d Koop eration sa n ba h n u n g
S elb stentfaltu ng u nd freie Vereinb aru ng leb en vo n Ko m m u nikatio n u nd Ko o p eratio n . D o ch die entsteh en nicht im m er vo n selb st. M en - sch en sin d u nterschie dlich o ffen , re dselig, ko ntaktfreu dig o der streit - b ar. E s b ringt dah er gro ß e Vo rteile , w enn im so zialen M itein ander vo n M en sch en O rte entsteh en , die Au stau sch u n d M iteinan der fö rdern . S ch o n h eute steh en dafü r Grup p enm eth o den b ereit w ie O p en Sp ace u nd an dere . E s w ird ab er viele M ö glichkeiten m eh r geb en . Wo Em anzi - p atio n zu m Ziel w ird , entw ickeln M ensch en die dafü r fö rderlich en Te chniken . Innovatio n en fü r so ziale P ro ze sse dü rften zu den w ichtigs - ten N eu eru ngsfeldern in h errsch aftsfreien G e sellsch aften o der Sub räu - m en geh ö ren .
Au s Wil k, Mich a el , a .a .O. (S. 59) Zu h orizon ta l er
Gesel l sch a ft gibt es ein Ka pitel im B u ch „Au ton om ie &
Koop era tion“: www.
p rojektwerksta tt.de/
h efte/down l oa d/
au tokoop _h orizon tal . pdf
Kein Rech t, kein e Regel n u n d kein e San ktion sgewal t
Zu alle dem p assen keine fe sten Regeln u nd G rem ien , die entsch eiden , ko ntro llieren o der sanktio nieren . D enn wo Ko m m u nikatio n u nd Ko op eratio n ständig u nd intensiv fließ en , wü rden alle fo rm alen Ab stu - fu ngen nu r stö ren . S ie sch affen ein erseits eine stän dige Alternative zu r h o rizo ntalen G e staltu ng so zialer Interaktio n ein schließlich der Au stra - gu ng vo n Ko nflikten . Wer sich ih rer b e dient, kann au f die direkte Ko m - m u nikatio n verzichten . Zu m anderen stellen sie im m er P rivilegien dar.
D enn w er einem Grem iu m m it Sanktio nsgewalt angeh ö rt, steht in einer anderen Stellu ng als die Perso n o h ne ein so lch e s Am t. D aran än dern Wahlen nichts, denn au ch eine m it M eh rh eit o der so gar im Ko nsens b e stim m te Perso n ist in der p rivilegierten Stellu ng − zu m al in Ko nflikten , die b ei der Wahl die ser Perso n no ch gar nicht ab sehb ar wa - ren .
Au s Steh n , Ja n : „An a rch ism u s u n d Rech t“1 3
Regel m eint h ier im üb rigen etwas anders als Vereinb aru ng. D enn im - m er w ie der w erden sich G rup p en , u m h andlu ngsfähigkeit zu sein , au f b e stim m te Vo rgeh ensw eisen einigen m ü ssen . D ie se gelten dann , so lan - ge die Grup p e zu m die Vereinb aru ngen b etreffen den Pu nkt agiert − o der b is eine Perso n zu r Ü b erzeu gu ng ko m m t, dass die Vereinb aru ng keinen S inn m eh r m acht, ih r ein Irrtu m zu gru nde lag u n d die se s an - sp richt.
Ein Zwang, sich zu einigen , kann h o rizo ntale Ko m m u nikatio n blo ckie - ren . E s ist dah er sinnvo ll, Grup p enstruktu ren im m er so zu o rganisie -
1 3 www.anarch ism us.at/txt2/recht. htm
ren , dass U ntersch ie dlichkeit in ih nen m ö glich ist, also z .B . eine Perso n m it abw eich ender M einu ng au ch p h asenw eise einfach b eiseite steh en kann .
Kon fl iktku l tu r: Streit ist ein e P rodu ktivkraft
Streit als das Au feinanderp rallen u nterschie dlich er Au ffassu ngen o der Intere ssen b ei b egrenzten Re ssou rcen o der au f andere Art h ervo rgeru - fener U nfähigkeit, Vielfalt u nd U ntersch ie dlichkeit einfach zu zu lassen , w ird in allen G e sellsch aftsfo rm en vo rko m m en . E s ko m m t au f die Frage de s U m gangs an . H o rizo ntale Ko nfliktau stragu ng b e deu tet, dass Streit o hn e P rivilegien gefü hrt w ird , d .h . nicht eine o der w enige Streitp artei - en üb er b e ssere M ö glichkeiten der D u rch setzu ng, der B e einflu ssu ng D ritter o der de s Zu gangs zu H intergru ndinfo rm atio nen verfü gen . Statt - de ssen so llte Streit au fde cken , au f w elch e − m ö glich erw eise u nter - sch ie dlich en − Info rm atio nen sich w elch e Au ffassu ngen stü tzen , w er u m was fü rchtet u sw.
P rägen d fü r so lch en Streit ist der Verzicht au f ein e Entsch eidu ng. Eine D isku ssio n , b ei der am E nde z .B . ab ge stim m t w ird , fo lgt ganz anderen G e setzm äß igkeiten als eine , b ei der klar ist, dass h interh er alle w eiter - h in ihre eigene Au ffassu ng b eh alten u n d u m setzen kö nnen . Ersch eint e s im Lau fe der D eb atte au snah m sw eise nicht m ö glich , die se O ffenh eit b eizub eh alten (z .B . w eil sich zw ei u nterschie dlich e Lö su ngsw ege au s - schließ en) , so fö rdert die Au ssicht, b ei N ichteinigu ng zu lo sen , die gleichb ere chtigte D eb atte . D enn e s ist in die sem Fall nicht m ehr ge - w innb ringen d , M ensch en au f seine S eite zu zieh en o der, b ei Ko n sens - verfahren , m ö glich e Veto s du rch frü hzeitige s M obb en o der Au sgrenzen der vetoverdächtigen Perso n(en) zu verh indern .
E s gibt fü r Streitdeb atten zw isch en M ensch en , die sich direkt b egegnen (kö nnen) , b ereits einige erp robte M eth o den , z .B . die Fish B owl14 als Alternative zu r eh er au f S ieg u n d N ie derlage o rientierten Po diu m s - disku ssio n . E s ist b em erkensw ert, w ie selten solch e H ilfsm ittel au ch in anarchistisch en Kreisen angewandt w erden . Viel so ziale Inn ovatio n ist nö tig, denn Ko nflikte fü hren fast im m er zu r Re o rganisieru ng h err - sch aftsfö rm iger Struktu ren o der, falls die se im H intergru nd sch o n vo r - h anden sin d , zu deren Nutzu ng. Intere ssant w ird die E ntw icklu ng Streitm eth o den in M e dien u nd Internet sein . S chließlich stellen sie ei - nen im m er grö ß eren Teil der D eb attenkultu r dar.
D ie H errsch a ftsbril l e au fgesetzt: Verh äl tn isse u n d B ezieh u n gen du rch l eu ch ten
Im m er u nd üb erall gilt: Skep tisch sein . Kein e M eth o de ist so gut, dass sie den au fm erksam en u nd analytisch en B lick au f das G e sch eh en er - setzt. Wo sind die verste ckten H ierarch ien ? Wo b e steht keine Gleich - b ere chtigu ng in der Au sgangsp o sitio n o der im Zu gang zu H an dlu ngs - m ö glichkeiten u nd W issen ? Wo schleich en sich Ro llenzu schreibu ngen ,
1 4 www. projektwerkstatt.de/h oppetosse/h ierarch N I E /fish bowl . htm l
ko llektive Identitäten o der Stellvertretu ng ein ? Keine Gru p p e , kein B e - trieb u nd kein e Ko o p eratio n ist davo r gru ndsätzlich gefeit. E s b e darf im m er de s gen au en H inseh ens u n d der
Reflexio n de s eigenen H an delns − allein u n d zu sam m en m it anderen .
D as zu üb en , m acht au ch de sh alb Sinn , w eil kein H errsch aftssystem so verschlei - erb ar ist, dass e s m it einem skep tisch en B lick nicht enttarnb ar wäre . Wer h err - sch aftsfö rm ige Verh ältnisse u nd B ezie - hu ngen üb erw inden w ill, m u ss sie ent - de cken . D er geübte B lick h ilft dah er au f dem Weg der B efreiu ng.
(Kein e) E n tsch eidu n gsfin - du n g in der P raxis
D ie m eisten Entsch eidu ngsp ro ze sse w ei - sen m ehrere P roblem e au f:
• S ie erzw ingen , sow eit nicht oh neh in vo rh anden , sp äte stens zu m Z eitpu nkt der Ab stim m u ng eine klare G renzziehu ng zw isch en Stim m b ere chtigten u n d Stim m lo sen , also ein Inn en u nd Au ß en . D am it sch affen o der stab ilisieren sie den „ dem o s“ als G ru ndm u ster vo n D em o kratie u n d Fo rm u ng einer Einh eit m it G em einw illen statt der Vielfalt au s U ntersch ie dlich en .
• Sie füh ren o ft zu m Ende eine s D isku ssio n sp ro ze sse s u nd verh än - gen ein en fo rm alen Statu s Q u o , der ein e erh eblich e W iderstands - kraft gegenüb er Weiterentw icklu ng u nd Verän deru ng entw ickeln kann . Ein B e schlu ss h at regelm äß ig ko nservative W irku ng, w eil er eine Au genblicksm einu ng in eine u nb ekannte Zu ku nft au sstrahlen lässt.
• Im G egensatz zu freien Vereinb aru ngen , die zw isch en Intere ssier - ten , B eteiligten u n d/o der B etro ffen en entsteh en , deren Verb ind - lichkeit au f der Einigu ng u nd Ü b erzeu gu ngskraft de s Ab ge sp ro - ch enen b eruht u nd au s den en n eu e Ide en entw ickelt w erden , w enn j em and etwas N eu e s dazu einfällt, fin den Ab stim m u ngen fü r eine definierte M enge M ensch en statt (z .B . ein Verein , ein e N atio n , eine G em einde o der ein B etrieb) . Sie gelten dam it fü r das Ko llektiv u nd nicht fü r die ko nkreten M en sch en , d .h . au ch fü r Perso n en , die zu fällig fehlten o der erst am Tag danach h inzu sto ß en . Andererseits sind M en sch en ab stim m u ngsb ere chtigt, die sich vielleicht gar nicht fü r die Frage stellu ng intere ssieren u nd dann gleichgültig ab stim m en o der sich vo n vo rgetragen en M einu ngen m itreiß en lassen .
• Zu dem m ach en B e schlü sse nu r Sinn , w enn sie au ch fo rm ale B e - standskraft h ab en . Im Zw eifel b en ö tigen sie der D u rch setzu ng, d .h . einer Exeku tive b zw., deutlich er au sge drü ckt, einer Art Po lizei. Wo die se M acht ange sie delt ist, kann sehr u nterschie dlich sein , ab er
Text von „Sch ön er l eben“
ü ber „H errsch a ft a u sm a - ch en“ (im B u ch
„Au ton om ie&
Koop era tion“):
www.
projektwerkstatt.
de/h efte/down l oa d/
au tokoop _bestie. pdf Kap itel zu m B l ick du rch die H errsch a ftsbril l e im P rojekt „H iera rch N I E ! “:
www. projektwerkstatt.
de/h op p etosse/
h ierarch N I E /reader/
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