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Friedrich Schillers Tragödie Maria Stuart: Macht und Ohnmacht der Herrscherinnen - Ein historisches Drama untersuchen

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Academic year: 2022

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2von 44 Friedrich Schiller: „Maria Stuart“ Drama – Mittelalter bis Romantik • Beitrag 5 III/A

Die Wahl des Themas

Das Drama „Maria Stuart“ bildet einen Schwerpunkt des Deutsch-Abiturs in Schleswig-Holstein im Jahr 2017. Aber nicht nur dort, sondern auch in anderen Bundesländern sind Schillers Werke regelmäßig Thema der Abiturprüfungen. Seine Texte gehören zum Kanon der deutsch- sprachigen Literatur und sind aus dem gymnasialen Deutschunterricht nicht wegzudenken.

Schiller inszeniert Maria Stuarts Selbstbehauptung gegen einen überlegenen und illegitimen Staatsapparat als politisches Drama, in dem sich Macht und Recht in einem unlösbaren Konflikt befinden. Dieses zeitunabhängige Thema stellt Schiller als Triebkraft der Geschichte dar, wie er sie selbst während der Französischen Revolution erlebt hat. Eine besondere Pointe seines Köni- ginnendramas besteht darin, dass er genau durchschaut, dass in die Machtpolitik oft auch Irra- tionales hineinspielt: der Eros. Auch dieser Aspekt dürfte den Schülerinnen und Schülern aus dem politischen Geschehen der Gegenwart nicht unbekannt sein.

Die eindeutige Verteilung von Schwarz und Weiß, von „Elisabeth vs. Maria“, kommt Schülerin- nen und Schülern in einem Alter entgegen, in dem sie sich häufig noch in einem Stadium kon- ventioneller Moral befinden. Schiller unterlegt diese eindeutigen Gegensätze allerdings mit einem paradoxen Spiel zwischen Macht und Ohnmacht sowie Schein und Sein: Die Mächtige in der Politik (Elisabeth) ist zugleich die Ohnmächtige im Bereich der Menschlichkeit und der Moral. Maria, die eigentlich Schuldige, wandelt sich zu einer integren Instanz, die Elisabeth als moralisch Ohnmächtige schuldig werden lässt, obwohl sich diese durch die Jurisdiktion und Staatsraison legitimiert fühlt. Bei genauerer Betrachtung kann es den Schülerinnen und Schülern gelingen, die zunächst naheliegenden Pauschalurteile über Elisabeth zu differenzieren und die Zwänge einzuschätzen, die sie zu ihrem Handeln bewegen. Schiller zwingt dem Betrachter dabei seine Moral nicht auf, sondern fordert ihn zum selbstständigen moralischen Urteil auf.

Schließlich verpackt er seine humane Moral in eine auch handwerklich perfekt strukturierte Handlung, die heute noch als Vorlage für manch modernen Psycho-Thriller dienen könnte. Die Lernenden können also an seinem Drama ablesen, wie ein Schriftsteller Spannung erzeugt, einen Spannungsbogen konstruiert, Konflikte effektvoll arrangiert und Figuren entwirft.

Fachwissenschaftliche Orientierung

Inhalt des Dramas

Maria Stuart, die schottische Königin, befindet sich bereits zu Beginn des Dramas wegen einer angeblichen Verschwörung gegen Elisabeth I. von England in Gefangenschaft auf Schloss Fotheringhay. Im Verlauf des I. Aktes wird sie von einem Sondergericht des englischen Parla- ments zum Tode verurteilt. Sie protestiert gegen die Gewalt, die sie erleidet, demonstriert aber zugleich ihre Todesbereitschaft. Einen Befreiungsversuch durch den Neffen ihres Aufsehers, Mortimer, lehnt sie ab, macht sich aber Hoffnung auf ein rettendes Gespräch mit Elisabeth. Die englische Königin – auf dem Höhepunkt ihrer Macht – schwankt zwischen Hass und politischer Vernunft und lässt von drei hochrangigen Mitarbeitern im Kronrat erörtern, ob sie das Todesur- teil vollstrecken lassen soll. Ohne sich entscheiden zu können, stimmt sie einem Mordplan gegen die Rivalin zu, den Mortimer in einem Doppelspiel entwickelt. In einer großen „Show- Szene“ treffen die beiden Königinnen aufeinander. Sie taktieren zunächst, bis sie ihre Emotio- nen nicht mehr zügeln können und ihre wahren Gefühlen und Meinungen über die jeweilige Konkurrentin offenbaren. Damit ist das Todesurteil über Maria besiegelt und das Zögern Elisa - beths nur noch Taktik und Schein. Als nach dem gescheiterten Versöhnungsversuch auch Morti- mers Versuch einer gewaltsamen Befreiung scheitert, akzeptiert Maria ihr Los. Sie bekennt sich zu ihrer Schuld (allerdings nicht zu der, für die sie verurteilt wurde, sondern für ihren früheren Lebenswandel einschließlich des Mordes an ihrem Gatten), empfängt reuevoll die Kommunion und stirbt in Würde. Elisabeth hingegen wird von ihrem Berater Leicester verlassen und bleibt einsam zurück.

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Friedrich Schiller: „Maria Stuart“

Drama – Mittelalter bis Romantik • Beitrag 5 3von 44

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Aufbau und Konflikt des Dramas

Der Aufbau des Dramas ist der einer klassischen Tragödie. In der Exposition wird Maria als die Gefangene der Königin von England vorgestellt. Die Vorgeschichte, die zur Gefangennahme Marias führte, wird mit den Mitteln des analytischen Dramas in die Handlung einbezogen. Eli - sabeths Entscheidungszwiespalt und ihr Entschluss, Maria zu treffen, bilden die Steigerung der Handlung. Den Höhepunkt stellt das Treffen der Rivalinnen und Marias Triumph über Elisabeth dar, der Rachegelüste in der Gedemütigten auslöst (die schließlich zu Marias Hinrichtung führen). Mortimers gescheiterter Befreiungsversuch und das Attentat auf Elisabeth sind das retar- dierende Moment. Es kommt zur Katastrophe: Maria wird hingerichtet. Der tragische Konflikt des Dramas spielt sich auf drei Ebenen ab: einer persönlich-erotischen, einer öffentlich-politi- schen und einer ästhetisch-moralischen.

Der persönlich-erotische Konflikt

Die beiden Rivalinnen agieren mit allen Mitteln gegenseitiger Erniedrigung, unversöhnlicher Rivalität und Hass. Elisabeth hat ihre angeblich natürliche Bestimmung als Frau und Mutter ver- fehlt. Sie verdrängt und kompensiert diesen Mangel, indem sie ein quasi-erotisches Verhältnis zur Macht unterhält. Maria hingegen opfert ihre Weiblichkeit nicht der Politik. Sie hat ihre eroti- schen Wünsche ausgelebt und triumphiert in ihrer Weiblichkeit als anmutige und attraktive Frau.

Sie unterschreibt ihr Todesurteil selbst, als sie die Rache ihrer erotisch zu kurz gekommenen Kon- kurrentin provoziert. In einer Männergesellschaft imitiert Elisabeth als Politikerin männliche Ver- haltensweisen und handelt folglich in einem Zustand der Selbstentfremdung (womit sie im Sinne der Staatsraison das Richtige tut), während Maria auch als Politikerin in Übereinstimmung mit ihrer Weiblichkeit handelt, das heißt sich von ihren Gefühlen und Leidenschaften leiten lässt und infolge von Provokation zur Furie wird. Entfremdet sich die eine, indem sie starr an ihren politi- schen Prinzipien festhält, so tut es die andere ebenso, indem sie – in der Vorgeschichte des Dra- mas – Moral und Prinzipien ihren Trieben opferte. Würde Maria am Ende nicht zu sich selbst fin- den, sähe man sie allenfalls als Opfer eines Justizmordes statt als moralische Siegerin des Konfliktes.

Der öffentlich-politische Konflikt

Die Politik des Hofes ist durch Selbstsucht, Machtgier, Intrige, Lüge, Manipulation, Rechtsbeu- gung sowie Mord und Totschlag charakterisiert – eine Welt wie aus einem Shakespear’schen Königsdrama. Der Absolutismus bestimmt alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und das Individuum hat noch nicht zu seiner Selbstbestimmung gefunden. Es gibt nur zwei Möglichkei- ten: Teil der Intrige zu sein und sich den Gesetzen der Staatsraison und der Volksmeinung zu unterwerfen (Elisabeths Wahl) oder sich dem Intrigenspiel zu entziehen, auf politische Einfluss- nahme zu verzichten und so die persönliche Integrität zu gewinnen – diesen Weg geht Maria nach der Peripetie im III. Akt. Beide Königinnen befinden sich in einer Zwangslage, die ein Scheitern mit tragischer Notwendigkeit herbeiführen würde, wenn nicht Maria sich schließlich zu einem Akt der Freiheit entschlösse. Scheitert die eine im persönlichen Bereich, so die andere im politischen; nimmt die eine das vernichtende moralische Urteil hin, triumphiert im Tode die andere durch ihre moralische Überlegenheit. Indem Schiller Maria überhöht, schreibt er eine Gegengeschichte: Er rollt den Prozess um die schottische Königin Maria Stuart wieder auf und rehabilitiert sie vor dem Gerichtshof der Moral, während sie vom historischen Gerichtshof der politischen Nützlichkeit zum Tode verurteilt wurde.

Der ästhetisch-moralische Konflikt

Hier geht Maria eindeutig als Siegerin vom Platz. Schiller’sche Helden sind keine Helden von Beginn der Tragödie an; sie sind keine von vornherein „edlen“ Menschen, sondern „gemischte“

Charaktere. Erst durch einen Reflexions- und Selbstfindungsprozess innerhalb der Dramenhand- lung wandeln sie sich zu moralischen Figuren. Mit Idealmenschen, so die Meinung der zeitge-

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nössischen Dramentheoretiker seit Lessing, könne sich der Zuschauer nicht identifizieren und folglich nicht mit ihnen leiden. Er könne lediglich zu ihnen aufblicken, da sie zu hoch über ihm stehen würden. Die Vorgeschichte der Titelheldin – darin weicht Schiller nicht von den histori- schen Fakten ab – ist alles andere als moralisch einwandfrei: Sie war (jedenfalls in Schillers Dar- stellung) an der Ermordung ihres Mannes Darnley beteiligt und ehelichte dessen Mörder Both- well. Auch in der Konfrontation mit ihrer „Schwester“ Elisabeth entspricht sie – getrieben von ihren Leidenschaften, von erotischer Rivalität und Rachegelüsten – durchaus noch nicht dem Ideal einer vernunftgeleiteten Schiller’schen Heldin. Erst indem sie sich ihrer moralischen Schuld stellt, die Verantwortung für ihre Taten übernimmt und am Ende die Hinrichtung als Sühne für ihre Schuld akzeptiert (obwohl sie sie im juristischen Sinne als Fehlurteil ablehnt), wird sie zu einer tragischen Heldin, die eine autonome Gewissensentscheidung trifft. Das gelingt ihr aber erst im Angesicht des Todes, weshalb sie bis zu diesem Zeitpunkt so menschlich erscheint: wenig gefestigt und immer in Gefahr, ihren Leidenschaften nachzugeben.

Didaktisch-methodische Überlegungen

Die verwendete Textausgabe und die Organisation des Leseprozesses

Der Unterrichtsreihe liegt folgende Textausgabe zugrunde:

Schiller, Friedrich:Maria Stuart. Stuttgart: Reclam 2015. ISBN 978-3-15-000064-9. Preis:

2,80 Euro.

Die erste Unterrichtsstunde dient dazu, das Interesse der Lernenden am Drama zu wecken und sie für die historischen Hintergründe der Dramenhandlung zu sensibilisieren. Das Drama wird sukzessive zu Hause gelesen und sollte den Schülerinnen und Schülern gegen Ende der 1. Stunde dieser Einheit ausgeteilt werden. Mögliche Leseabschnitte für eine sukzessive Lektüre in Abstimmung auf die Unterrichtsstunden der Reihe sind:

1. Stunde: Diese stimmt die Schülerinnen und Schüler auf das Lesen des Dramas ein.

2. Stunde: Bis zu dieser Stunde haben die Lernenden Akt I gelesen.

3./4.Stunde: Bis zu diesen Stunden haben sie Akt II gelesen.

5./6. Stunde: Bis zu diesen Stunden haben die Schülerinnen und Schüler Akt III gelesen.

9.–14. Stunde: Bis zu diesen Stunde haben sie Akt IV und V gelesen.

Aufbau der Unterrichtsreihe und methodische Schwerpunkte

Die Unterrichtseinheit konzentriert sich auf die Figuren als Beispiele menschlichen Verhaltens.

Hierbei liegt der Fokus der Betrachtung auf den Antagonistinnen Maria und Elisabeth.

Als Einstieg in die Einheit beschreiben die Schülerinnen und Schüler einen Kupferstich, auf dem die Hinrichtung Marias abgebildet ist. Sie verschaffen sich einen Überblick über die Figu- ren und den möglichen Handlungsablauf des Dramas und untersuchen die Gründe für Marias Gefangenschaft (Stunden 1 und 2). Der Kern der Reihe stellt die beiden Hauptfiguren, ihre Psychologie, den Antagonismus in ihren Persönlichkeitsprofilen und ihr Machtspiel in den Fokus (Stunden 3–8). Der methodische Schwerpunkt liegt dabei auf handlungs- und produktionsorien- tierten Verfahren wie dem Entwerfen von Figurinen, einem Rollenspiel zum Prozess gegen Maria, dem Skizzieren eines Storyboards und dem Verfassen von Subtexten. Die untergeord- nete Rolle der Männerim Machtkampf der Frauen verstellt zunächst den Blick auf ihre wich- tige Funktion als Kommentatoren und Motoren der Handlung. Diesem Aspekt widmen sich die Lernenden in den Stunden 9–11, indem sie eine Rollenbiografie für Shrewsbury und Burleigh schreiben, die Figurenkonstellation grafisch darstellen und Mortimers Verhalten analysieren. In

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Materialübersicht

M 1 (Bd) Die Hinrichtung einer Königin – könnte daraus ein Film entstehen?

M 2 (Ab) Warum sitzt Maria im Kerker? – Die zentralen Konflikte des Dramas M 3 (Ab) Maria und Elisabeth – Figurinen entwerfen

M 4 (Ab) Wer sind Maria und Elisabeth? – Persönlichkeitsprofile erstellen M 5 (Ab) Ist Maria schuldig? – Der Prozess gegen die Königin von Schottland M 6 (Ab) Die Konfrontation in III, 4 – ein Storyboard entwerfen

M 7 (Ab) Zwischen den Zeilen lesen – der Subtext des Dialogs

M 8 (Ab) Wer sind Burleigh und Shrewsbury? – Rollenbiografien schreiben M 9 (Ab) Leicester – vom Lebensretter zum Todesboten

M 10 (Ab) Mortimer – sein Fehlverhalten unter der Lupe

M 11 (Fo) Marias letzter Wille – Sakramente auf der Theaterbühne M 11 (Ab) Marias letzter Wille – Sakramente auf der Theaterbühne M 12 (Ab) Wie schreibt man ein spannendes Drama? – Der Aufbau von

„Maria Stuart“

M 13 (Ab) „Sind Klassiker antiquiert?“ – Eine Podiumsdiskussion

Lernerfolgskontrolle

LEK (Tx) Friedrich Schiller: „Würde der Frauen“ – Geschlechterrollen untersuchen

Abkürzungen:Ab = Arbeitsblatt; Bd = Bild, Foto; Fo = Folie; Tx = Text

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Die Hinrichtung einer Königin – könnte daraus ein Film entstehen?

In seinem Drama „Maria Stuart“ greift Friedrich Schiller (1759–1805) auf den historischen Konflikt zwischen der englischen Königin Elisabeth I. und der schottischen Königin Maria Stuart zurück. Das Drama wurde 1800 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt.

Aufgaben

1. Beschreiben und erläutern Sie die Darstellung der Exekution Marias auf dem Kupferstich.

2. Erklären Sie, was die Hinrichtung einer Königin, also einer von Gottes Gnaden regie- renden Herrscherin, für ihre Zeitgenossen bedeutet hat.

3. Lesen Sie das Personenverzeichnis von „Maria Stuart“. Erstellen Sie daraus zu zweit eine Skizze für eine Filmhandlung, in der die Hauptfiguren und der zentrale Konflikt in den 72 Stunden vor der Hinrichtung beschrieben werden. Bestimmen Sie auch das Film-Genre.

4. Lesen Sie Akt I und überlegen Sie, wie die Figuren auf der Bühne sprechen. Markieren Sie während des Lesens Wörter oder Textpassagen, die Sie in einem Vortrag des Textes betonen würden. Kennzeichnen Sie auch Stellen, an denen Sie eine Pause machen wür- den, und markieren Sie die Höhepunkte des Aktes.

5. Recherchieren Sie im Internet, welcher König zu Friedrich Schillers Lebzeiten hingerich- tet wurde und wie Schiller auf dieses Ereignis reagierte.

Die folgenden Internet-Adressen können Ihnen bei der Recherche helfen:

www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/haltung-goethes-und-schil- lers-zur-franzoesischen-revolution

publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/files/3631/seite_36_46.pdf www.schiller-institut.de/seiten/schill.htm

Friedrich Schiller: „Maria Stuart“

Drama – Mittelalter bis Romantik • Beitrag 5 11von 44

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Hinrichtung Maria Stuarts am 8. Februar 1587 in Schloss Fotheringhay

© akg-images

Die Enthauptung Maria Stuarts ist eines der grausigsten Ereig- nisse in der Geschichte Groß- britanniens. Aus der als feier- licher Staatsakt geplanten Hinrichtung wird eine gräss - liche Schlächterei: Der Henker spaltet mit seinem ersten Axt- hieb nur den Hinterkopf der Königin. Der zweite Schlag geht auf den Nacken nieder.

Aber erst der dritte trennt den Kopf der Königin vom Rumpf.

Als der Henker diesen den Zuschauern zeigen will, hält er nur eine Perücke in der Hand, während der Kopf mit dumpf - em Schlag auf den Boden fällt.

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Warum sitzt Maria im Kerker? – Die zentralen Konflikte des Dramas

Eine Königin lässt eine mit ihr verwandte Königin hinrichten – ein unglaubliches Ereignis, das in der christlich-abendländischen Geschichte zuvor ohne Beispiel war. Aber wie kam es dazu? Die Antwort finden Sie im ersten Akt von Schillers „Maria Stuart“.

Aufgaben

1. Nehmen Sie in einem Sitzkreis Platz und lesen Sie I, 1 mit verteilten Rollen. Lesen Sie reihum jeweils einen Redebeitrag einer Figur. Die Zuhörer achten während des Vortrags darauf, welche Informationen sie über die Vorgeschichte der Gefangennahme erhalten.

2. Erschließen Sie in Partnerarbeit die Gründe, die zur Gefangensetzung Marias geführt haben. Konzentrieren Sie sich dabei auf die drei Problemkomplexe, die später den Kon- fliktstoff des Dramas ausmachen werden:

Zusatzaufgabe

Verfassen Sie einen inneren Monolog aus der Perspektive Maria Stuarts, in dem Sie auf ihr Leben am „üppgen Hof der Mediceerin“ (V. 48, vgl. V. 1388–1397), also ihre glück- liche Kindheit und Jugend in Frankreich, zurückblicken. Nutzen Sie dazu auch Informa- tionen aus dem Internet und beziehen Sie das Porträt Marias oben mit ein.

Die folgenden Internet-Adressen können Ihnen bei der Recherche helfen:

www.dieterwunderlich.de/Maria_Stuart.htm

www.kleio.org/de/geschichte/renaissance/frauen/m_stuart de.wikipedia.org/wiki/Maria_Stuart

© Thinkstock/iStock

juristischer und dynastischer Konflikt

(außen)politischer Konflikt

persönlich-erotischer Konflikt

alle Fragen, die die briti- sche Thronfolge und die Ver- schwörung Maria Stuarts betreffen

machtpolitische Strategien, mit denen sich England im Kräftefeld der europäischen Mächte behaupten will

emotionale Beziehungen der beiden Königinnen, ihre erotischen Affären, ihre per- sönlichen Rivalitäten etc.

Maria Stuart als Königin von Frankreich

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Wer sind Maria und Elisabeth? – Persönlichkeitsprofile erstellen

Hatten Sie recht mit Ihrer ersten Einschätzung der beiden Königinnen? Finden Sie es heraus!

Aufgaben

1. Lesen Sie I, 2 und I, 4 mit verteilten Rollen. Die Zuhörer achten während des Vortrags darauf, welche Informationen sie über die Persönlichkeit Marias erhalten.

2. Fassen Sie die Informationen in Partnerarbeit zusammen, indem Sie ein tabellarisches Persönlichkeitsprofil Marias erstellen.

Berücksichtigen Sie dabei die in der Tabelle angeführten Aspekte.

3. Lesen Sie II, 2 und II, 5. Fassen Sie die Informationen über Eli - sabeths Persönlichkeit zusammen, indem Sie in Partnerarbeit ein tabellarisches Persönlichkeitsprofil Elisabeths erstellen.

4. Vergleichen Sie die beiden Persönlichkeitsprofile.

5. Betrachten Sie noch einmal Ihre Figurinen: Entsprechen Ihre Ent- würfe Ihrer Analyse oder müssen Sie sie anpassen?

6. Fassen Sie eines der beiden Persönlichkeitsprofile in einem Fließ- text zusammen.

© akg-images

Persönlichkeitsprofil Lebensum-

stände

Verhalten (Handlungs- weisen, Sprechweise) Beziehungen

psychische Situation (Gefühle, Ein- stellungen) moralische und religiöse Hal- tung

Maria Stuart

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Zwischen den Zeilen lesen – der Subtext des Dialogs

Was die Königinnen in der Streitszene sagen, ist das eine; was sie beim Sprechen denken und fühlen, etwas anderes …

Maria

„Regiert in Frieden!

Jedwedem Anspruch auf dies Reich entsag ich.

Ach, meines Geistes Schwingen sind gelähmt, Nicht Größe lockt mich mehr – Ihr habt’s erreicht, Ich bin nur noch der Schatten der Maria.

(V. 2379–2382)

„Ein Wort macht alles ungeschehn. Ich warte Darauf. O lasst mich’s nicht zu lang erharren!

Weh Euch, wenn Ihr mit diesem Wort nicht endet!“

(V. 2395–2397)

Elisabeth

„Das also sind die Reizungen, Lord Leicester, Die ungestraft kein Mann erblickt, daneben Kein andres Weib sich wagen darf zu stellen!

Fürwahr! DerRuhm war wohlfeil zu erlangen:

Es kostet nichts, die allgemeineSchönheit Zu sein, als die gemeinesein für alle!“

(V. 2413–2418)

Maria

„Der Thron von England ist durch einen Bastard Entweiht, der Briten edelherzig Volk

Durch eine list’ge Gauklerin betrogen.

– Regierte Recht, so läget Ihrvor mir Im Staube jetzt, denn ichbin Euer König.“

(V. 2447–2451)

Erläuterung:Bastard= ein uneheliches Kind, das ein Adliger mit einer nicht standesgemäßen Frau zeugt und als sein Kind anerkennt. Elisabeth I. war die Tochter Heinrichs VIII. und dessen zweiter Frau. Da der Papst sich weigerte, Heinrich von sei- ner ersten Ehefrau zu scheiden, galt diese zweite Ehe als ungültig und Elisabeth damit als illegitim/unehelich. Maria Stuart hatte deshalb in der Thronfolge den Vorrang.

Aufgaben

1. Was denken Maria und Elisabeth? Verfassen Sie in Partnerarbeit Gedankenblasen zu den vorgegebenen Dialogausschnitten, die diese Bedeutungsebene, den „Subtext“, zu erfassen versuchen.

2. Erklären Sie zusammenfassend, warum der Dialog der Königinnen scheitert und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

3. Diskutieren Sie, ob Brecht mit seiner Einschätzung, die Auseinandersetzung zwischen Maria und Elisabeth sei wie die zwischen zwei konkurrierenden Fischweibern auf dem Markt,recht hat.

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Marias letzter Wille – Sakramente auf der Theaterbühne

Schiller bringt im V. Akt zwei katholische Sakramente – die Beichte und die Eucharistie – auf die Bühne. Sein oberster Dienstherr, der Herzog von Sachsen-Weimar, hielt dies für eine

„göttliche Unverschämtheit“ (an Goethe, 10.6.1800). Untersuchen Sie Marias frommen Abschied vom Leben und beurteilen Sie selbst, ob es sich dabei um „poetische Auswüchse“

(so der Weimarer Herzog) handelt.

Aufgaben

1. Stellen Sie sich vor, Sie sind Maria Stuart und Ihre Hinrichtung steht im Laufe des nächsten Tages bevor: Wie reagieren Sie? Wie verhalten Sie sich? Welche Wünsche erfüllen Sie sich?

2. Beschreiben und interpretieren Sie das Bild. Berücksichtigen Sie dabei insbesondere die Anordnung der abgebildeten Personen, Maria Stuarts Kleidung und ihre Gestik und Mimik.

3. Vergleichen Sie Ihre eigenen Überlegungen mit Maria Stuarts Haltung im Angesicht ihrer rechtwidrigen und unverschuldeten Hinrichtung und beurteilen Sie diese.

4. Erklären Sie, warum Maria die Sakramente „Beichte“ und „Eucharistie“ unbedingt vor ihrem Tode empfangen möchte.

5. In der Tragödie gibt es die Möglichkeit, Dinge, die man nicht auf der Bühne darstellen will oder kann, durch einen Botenbericht oder eine Mauerschau zu vermitteln (s. Kasten unten).

Erklären Sie, warum Schiller nicht zu diesen Mitteln greift, sondern das heilige Sakrament in den Raum des Theaters, in eine Stätte der Unterhaltung und des Vergnügens, verlagert.

Botenbericht

Ein Bote eilt auf die Bühne und berichtet außerszenische Vorgänge, die im traditionellen Theater u. U. nicht darstellbar sind (wie z. B. Blendung oder Hinrichtung einer Figur).

Mauerschau

Ein Beobachter berichtet von erhöhter Warte simultan zu den Vorgängen auf der Bühne über hinterszenische Abläufe, die auf der Bühne nicht darstellbar waren (wie z. B.

Schlachten, Katastrophen etc.).

© akg-images

Maria auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung in Schloß Fotheringhay. Lithographie nach einem Gemälde von Volkhart, um 1840.

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Referenzen

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