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Theoretische Physik B MECHANIK

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(1)

Theoretische Physik B MECHANIK

Vorlesung SS 2003

P. W¨olfle

Institut f¨ur Theorie der Kondensierten Materie Fakult¨at f¨ur Physik

Universit¨at Karlsruhe

Homepage: http://www.tkm.uni-karlsruhe.de/lehre/

Textverarbeitung: D. Scherer

(2)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Lagrangeformalismus der Mechanik

2.1 Zwangsbedingungen und -kr¨afte: Lagrangegleichungen 1. Art 2.2 Lagrangegleichungen 2. Art

2.3 Erhaltungsgr¨oßen

3. Variationsprinzipien der Mechanik 3.1 Variationsrechnung

3.2 Prinzip der kleinsten Wirkung (Hamilton’sches Prinzip) 3.3 Symmetrien und Erhaltungsgr¨oßen, Noethertheorem 4. Bewegte Bezugssysteme

4.1 Inertialsysteme, Galileitransformation 4.2 Beschleunigte Bezugssysteme

5. Starrer K¨orper 5.1 Kinematik 5.2 Tr¨agheitstensor 5.3 Euler’sche Gleichungen 5.4 Lagrangefunktion 6. Hamiltonformalismus 6.1 Kanonische Gleichungen 6.2 Poisson’sche Klammern 6.3 Kanonische Transformationen 6.4 Phasenraum und Lionville’scher Satz 6.5 Hamilton-Jacobi’sche Differentialgleichung

(3)

Literatur:

T. Fließbach,Mechanik (BI Wissenschaftsverlag)

L.D. Landau und E.M. Lifschitz -Mechanik (Akademie-Verlag Berlin)

H. Goldstein -Klassische Mechanik (Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt)

J. Honerkamp und H. R¨omer -Grundlagen der klassischen Theoretischen Physik (Springer, Berlin) F. Scheck -Mechanik (Springer, Berlin)

R.P. Feynman, R.B. Leighton, M. Sands -The Feynman Lectures on Physics Vol. 1 (Add. Wesby)

Mathematische Erg¨ anzung:

Bronstein, Semendjajew, Musial, M¨uhlig - Taschenbuch der Mathematik (Harri Deutsch)

R. Shankar -Basic Training in Mathematics (A Fitness Program for Science Students) (Plenum Press, New York)

(4)

Kapitel 1

Einleitung

In dieser Vorlesung sollen die Grundbegriffe der analytischen Mechanik vermittelt werden. Die Mechanik wurde als erste physikalische Theorie schon ab dem 17. Jahrhundert (Newton) formuliert und im 18.

und 19. Jahrhundert insbesondere durch Lagrange und Hamilton zu dem Prototyp einer physikalischen Theorie entwickelt. Die Begriffsbildungen und Methoden der Mechanik dienten als Vorbild f¨ur die meisten anderen Gebiete der theoretischen Physik, wie die Elektrodynamik und die Quantenmechanik. So ist z.B.

das Konzept der Feldtheorie, d.h. der Kontinuumsbeschreibung von Ph¨anomenen durch Amplituden, die von Raum und Zeit abh¨angen und lokal verkn¨upft sind (z.B. durch Ableitungen), aus der Kontinuums- mechanik der Fl¨ussigkeiten und elastischen K¨orper entlehnt.

Die große Bedeutung von Symmetrien und Symmetrietransformationen f¨ur physikalische Systeme wurde zum ersten Mal in der Mechanik erkannt. Dieser Teil der Mechanik ist von ¨uberragender Bedeutung und wird deshalb hier ausf¨uhrlich behandelt.

Die analytische Mechanik ist auch heute noch Gegenstand intensiver Forschung. Dabei steht insbesondere das sogenannte chaotische Verhalten im Mittelpunkt des Interesses.

(5)

Kapitel 2

Lagrangeformalismus der Mechanik

Der Lagrangeformalismus gibt einen allgemeinen Rahmen f¨ur die Beschreibung der Dynamik (also der Bewegungsvorg¨ange) in einem physikalischen System. Wir wollen diesen Formalismus f¨ur die Mechanik vorstellen und zun¨achst eine Motivation daf¨ur geben. Wir wir in der vorangegangenen Vorlesung Theorie A sehen konnten, geben die Newton’schen Bewegungsgleichungen eine vollst¨andige Beschreibung eines Systems von Massenpunkten in d Dimensionen. In vielen F¨allen ist die Bewegung der K¨orper einge- schr¨ankt, z.B. durch feste Verbindungsstangen zwischen den K¨orpern. In diesem Fall ist die Ableitung der entsprechenden Newton’schen Bewegungsgleichungen u.U. nicht ohne weiteres m¨oglich. Man spricht dann vonZwangsbedingungen, denen das System ausgesetzt ist. Wir wollen zun¨achst betrachten, was man darunter versteht.

2.1 Zwangsbedingungen und Zwangskr¨ afte: Lagrange-Gleichungen 1. Art

Wir betrachten Systeme von N Massenpunkten mit Massenmi, i= 1,2, . . . , N. Wenn alle Massenpunkte in ihren dreidimensionalen Bewegungsm¨oglichkeiten uneingeschr¨ankt sind, hat das Systemf = 3N

”Frei- heitsgrade“. Wir wollen jetzt solche F¨alle voraussetzen, in denen die Massenpunktenicht uneingeschr¨ankt beweglich sind, sondern gewissen Zwangsbedingungen unterworfen sind, z.B.

a) alle Massenpunkte sind an eine Fl¨ache im Raum gebunden

b) die Abst¨ande der Massenpunkte sind paarweise konstant (starrer K¨orper).

Zwangsbedingungen lassen sich h¨aufig in der Form

Aµ(~r1, ~r2, . . . , ~rN, t) = 0 , µ= 1,2, . . . , NZ

schreiben. Man nennt sie dannholonom und weiterskleronom, falls ∂A∂tµ = 0 oderrheonom, falls ∂A∂tµ 6= 0.

Wenn die NZ Gleichungen Aµ = 0 unabh¨angig sind, betr¨agt die Anzahl f der Freiheitsgrade des Sy- stems

f = 3N−NZ

(6)

Beispiele:

a) allemi k¨onnen sich nur in einer Ebene bewegen:

~a·~ri−c= 0 , ~a, c=const.

hier istNZ =N und damitf = 2N

b) allemi sind an eine Ebene gebunden, die sich mit Geschwindigkeit~v0 bewegt:

~a·(~ri−~v0t)−c= 0 NZ =N , f = 2N

c) Die Abst¨ande dermi sind paarweise konstant:

|~ri−~rj|=rij =const.

die verbleibenden Freiheitsgrade im FallN≥3 sind durch die Bewegungsm¨oglichkeit der Translation des Schwerpunkts und der Rotation des Systems als starrer K¨orper um drei orthogonale Achsen gegeben und damit istf = 6. (F¨urN = 2 istf = 5)

Zwangsbedingungen, die von den Geschwindigkeiten abh¨angen, nennt mannicht holonom.

Der Einfluss der Zwangsbedingungen auf die Bewegung der Massenpunkte l¨asst sich durch sog.Zwangs- kr¨afte Z~i beschreiben, die zus¨atzlich zu den eigentlichen Kr¨aften F~i auf die mi wirken, so dass die Newton’schen Bewegungsgleichungen lauten:

mi~r¨i=F~i+Z~i , i= 1,2, . . . , N

Die Z~i werden im Allgemeinen von der Bewegung selbst abh¨angen und sind damit als Funktion von~ri

und ˙~ri zu verstehen.

Im einfachsten Fall eines einzigen Massenpunktsm, dessen Bewegung der Zwangsbedingung A(~r, t) = 0

unterliegt, findet die Bewegung offenbar auf der durch A = 0 definierten, u.U. zeitabh¨angigen Fl¨ache statt. Auf dieser Fl¨ache soll die Bewegung ohne Einschr¨ankung verlaufen, d.h. die Zwangskraft muss senkrecht zur Fl¨ache gerichtet sein:

Z(~~ r, t) =λ(t)·∇~A(~r, t)

Hierbei haben wir benutzt, dass∇~A in Richtung der Normalen auf diese Fl¨ache zeigt. Der Proportiona- lit¨atsfaktorλ(t) ist dabei noch zu bestimmen.

Erg¨anzung: Die Aussage, dass ∇~A stets senkrecht auf der durch A definierten Fl¨ache steht, l¨asst sich so zeigen: Wir betrachten zwei infinitesimal benachbarte Punkte~r und~r+d~rauf dieser Fl¨ache, so dass gilt:

A(~r, t) = 0 , A(~r+d~r, t) = 0 Die zweite Gleichung entwickeln wir nachd~r:

A(~r+d~r, t) =A(~r, t) +∇~A·d~r+O((d~r)2) = 0

(7)

Daraus folgt∇~A·d~r= 0, und dad~rein beliebiger (infinitesimaler) Vektor parallel zur Tangentenfl¨ache im Punkt~rist, muss damit∇~Asenkrecht auf der Fl¨ache stehen.

r r d r r

r d rr r

+

A Ñ

r

Die Bewegung des Massenpunkts wird also durch folgendes System von Gleichungen beschrieben:

m~r¨=F~ +λ·∇~A(~r, t) A(~r, t) = 0

Als Beispiel betrachten wir das mathematische Pendel in der x-z-Ebene.

m

l

z

x êz

mg F=- ×

r

A(~r, t) =x2+z2−l2= 0

∇~A= 2(x,0, z) Bewegungsgleichungen:

m¨x= 2λx m¨z=−mg+ 2λz x2+z2−l2= 0

Dieses Vorgehen l¨asst sich unmittelbar auf mehrere Teilchen und mehrere Zwangsbedingungen verall- gemeinern. Die 3N Bewegungsgleichungen undNZ Zwangsbedingungen ergeben Lagrangegleichungen 1.

Art:

mi~r¨i=F~i+

NZ

X

µ=1

λµ(t) ∂

∂~riAµ(~r1, ~r2, . . . , ~rN, t) ; i= 1, . . . , N

Aµ(~r1, . . . , ~rN, t) = 0 ; µ= 1, . . . , NZ

(8)

Die Zahl der Zwangsbedingungen ist durchNZ ≤3N−1 begrenzt, damit mindestens ein Freiheitsgrad vorhanden ist.

Energieaufnahme durch Zwangsbedingungen:

Um die Energiebilanz zu untersuchen, multiplizieren wir die Bewegungsgleichung f¨ur das i-te Teilchen mit ˙~ri und verwenden wie fr¨uher die Identit¨aten

~¨ri·~r˙i= 1 2

d dt~r˙i2 und −~r˙i·F~i= ˙~ri· ∂

∂~ri

U =dU dt Aus den Zwangsbedingungen folgt (konservative Kr¨afte vorausgesetzt)

Aµ({~ri, t}) = 0→ d

dtAµ= ˙~ri· ∂

∂~riAµ+ ∂

∂tAµ= 0

Damit ergibt sich die Energie¨anderung pro Zeit, die durch die Zwangsbedingungen verursacht wird als dE

dt =−

NZ

X

µ=1

λµ(t)∂

∂tAµ({~ri, t}) wobeiE=X

i

mi

2 ~r˙i2+U({~ri}) die Energie des Systems ist.

2.2 Lagrangegleichungen 2.Art

Die im letzten Abschnitt eingef¨uhrten Zwangsbedingungen Z~i sind Hilfsgr¨oßen, die i.A. nicht von physi- kalischer Bedeutung sind. Es ist deshalb anzustreben, sie von vorneherein zu vermeiden, z.B. indem man sie als ersten Schritt zur L¨osung der Lagrangegleichungen 1. Art eliminiert. Dieses Verfahren f¨uhrt jedoch u.U. auf unn¨otig komplizierte Formulierungen. Eine ¨okonomische Durchf¨uhrung dieser Idee wird durch die Verwendungverallgemeinerter Koordinaten erm¨oglicht, die so gew¨ahlt sind, dass sie genau den durch die (holonomen) Zwangsbedingungen definierten Unterraum parametrisieren.

Verallgemeinerte Koordinaten

Die Zahl der Freiheitsgrade eines Systems von N Teilchen im 3-dimensionalen Raum, dasNZ Zwangsbe- dingungen unterliegt, istf = 3N−NZ.

Von den urspr¨unglichen 3N Koordinaten sind damit nur f Koordinaten voneinander unabh¨angig. Wir bezeichnen jede Wahl dieser Koordinaten als verallgemeinerte oder generalisierte Koordinaten

q={q1, q2, . . . , qf}

Die Wahl der qi ist nicht eindeutig, und wird von Symmetriegesichtspunkten und m¨oglichst großer Ein- fachheit bestimmt.

(9)

Die Orte aller Teilchen sind durch die Wahl derqi festgelegt:

~

ri=~ri(q1, q2, . . . , qf;t) und die Zwangsbedingungen sind f¨ur beliebigeqi automatisch erf¨ullt

Aµ(~r1(q1, q2, . . . , qf;t), . . . , ~rN(q1, q2, . . . , qf;t)) = 0 , µ= 1,2, . . . , NZ

Beispiel: Ebenes Pendel mit variabler Fadenl¨angel(t)

Der einzige hier vorhandene Freiheitsgrad ist der Winkelϕ(t)

m

) (t l z

x

Fr

j

Mit der Darstellung der kartesischen Koordinaten des Massenpunkts x=l(t) sinϕ

z=−l(t) cosϕ y= 0

ist die Zwangsbedingungx2+z2=l2(t) automatisch erf¨ullt.

Lagrangefunktion

Wir multiplizieren die Bewegungsgleichung f¨urmi mit ∂q∂~rαi und summieren ¨uber i:

mi~¨ri−F~i− XZ

µ1

λµ(t)∂Aµ

∂~ri

= 0

·X

i

∂~ri

∂qα

(α= 1, . . . , f) und ben¨utzen, dass ausAµ({qα}, t)≡0 folgt

∂Aµ

∂qα = 0 und damit X

i

∂~ri

∂qα

∂Aµ

∂~ri = 0

Erg¨anzung:Aµ h¨angt von qα¨uber die kartesischen Koordinaten~ri({qα}, t) ab. Damit ist

∂Aµ

∂qα

= XN i=1

∂Aµ

∂~ri · ∂~ri

∂qα

(Kettenregel)

Die Zwangskr¨afte fallen damit aus obigen Gleichungen heraus:

X

i

mi~r¨i· ∂~ri

∂qα−F~i· ∂~ri

∂qα

= 0

(10)

Diesef Gleichungen lassen sich wie folgt umformen. Wir ben¨utzen zun¨achst, dass aus~ri=~ri(q, t) durch totale Ableitung nachtfolgt:

~˙ ri= ∂~ri

∂t +X

α

∂~ri

∂qα

˙

qα= ˙~ri({qα,q˙α}, t) und damit

∂~r˙i

∂q˙α = ∂~ri

∂qα

F¨ur den 1. Term der Bewegungsgleichungen ergibt sich somit unter Benutzung dieser Beziehung X

i

mi~r¨i· ∂~ri

∂qα =X

i

mi~r¨i· ∂~r˙i

∂q˙α = d dt

( ∂

∂q˙α X

i

1 2mi~r˙i2

)

− ∂

∂qα X

i

1

2mi~r˙2i = d dt

∂q˙αT

− ∂

∂qαT wobeiT = 12P

imi~r˙i2die kinetische Energie bezeichnet.

Beweis:

d dt

( ∂

∂q˙α

X

i

1 2mi~r˙i2

)

= d dt

( X

i

mi~r˙i· ∂~r˙i

∂q˙α

)

=X

i

mi~r¨i· ∂~r˙i

∂qα

+X

i

mi~r˙i· ∂~r˙i

∂qα

wobei d dt

∂~ri

∂qα

= ∂

∂qα

d~ri dt = ∂~r˙i

∂qα

benutzt wurde.

F¨ur die Kraftterme gilt ¨ahnlich:

X

i

F~i· ∂~ri

∂qα

=X

i

−∂U

∂~ri

· ∂~ri

∂qα

=− ∂

∂qα

U(q, t)

wobei U(q, t) = U(~r1(q, t), ~r2(q, t), . . . , ~rN(q, t)) die potentielle Energie des Systems, ausgedr¨uckt durch die verallgemeinerten Koordinaten, ist.

Die Bewegungsgleichungen lassen sich mit Hilfe obiger Umformungen kompakt schreiben als d

dt ∂L

∂q˙α

= ∂L

∂qα

mitα= 1,2, . . . , f, wobeiLdieLagrangefunktiondarstellt, definiert als L(q,q, t) =˙ T(q,q, t)˙ −U(q, t)

Diese alsLagrangegleichungen 2. Art bekannten Bewegungsgleichungen eines Systems von Massenpunk- ten stellen den wichtigsten Ausgangspunkt zur L¨osung von Problemen in der Mechanik dar. Dabei ist ein System eindeutig charakterisiert durch seine LagrangefunktionL, i.A. gegeben als Differenz von kineti- scher EnergieT und potentieller Energie U. Diese ist eine Funktion der verallgemeinerten Koordinaten qund Geschwindigkeiten ˙q, sowie der Zeitt.

(11)

Die Aufstellung von Bewegungsgleichungen f¨ur Systeme mit Zwangsbedingungen erfolgt also in drei Schritten:

1) Wahl einer geeigneten Parametrisierung desf-dimensionalen Unterraums des 3N-dimensionalen Kon- figurationsraums→q={q1, q2, . . . , qf}

2) Bestimmung vonT undU →L 3) Aufstellung der Lagrangegleichungen

2.3 Erhaltungsgr¨ oßen

Wie bereits in Theorie A diskutiert, spielen Erhaltungss¨atze eine wichtige Rolle f¨ur das qualitative Ver- halten eines Systems. Auch f¨ur die L¨osung der Bewegungsgleichungen sind sie von großem Nutzen. Im Lagrangeformalismus sind Erhaltungsgr¨oßen dadurch charakterisiert, dass die LagrangefunktionL(q,q, t)˙ von einem oder mehreren ihrer Argumentenicht abh¨angt.

a) Energieerhaltung

Wir betrachten zuerst den Fall, dassLnicht explizit von der Zeit abh¨angt.

∂L

∂t = 0 Die totale zeitliche Ableitung vonLergibt dann

d dtL=

Xf α=1

∂L

∂qα

˙ qα+ ∂L

∂q˙α

¨ qα

=X

α

d dt

∂L

∂q˙α

˙ qα+ ∂L

∂q˙α

¨ qα

= d dt

( X

α

∂L

∂q˙α

˙ qα

)

(Produktregel) wobei im 2. Schritt die Lagrangegleichung benutzt wurde. Wenn wir den Term auf der rechten Seite der Gleichung auf die linke Seite schreiben, ergibt sich ein Erhaltungssatz:

d dtH = 0 wobei die Erhaltungsgr¨oßeH definiert wurde:

H = X

α

∂L

∂q˙α

˙ qα

!

−L H heißt Hamiltonfunktion.

Falls die Zwangsbedingungen nicht explizit von der Zeit abh¨angen, ist die kinetische Energie quadra- tisch in den ˙qα

T =X

α,β

aαβαβ

mit Koeffizientenaαβ (verallgemeinerter Massentensor). Wenn zus¨atzlichU nicht von den Geschwindig- keiten ˙qαabh¨angt, ist

X

α

∂L

∂q˙α

˙

qα=X

α,β

2aαβαβ= 2T

(12)

und damit ist

H= 2T−L=T+U =E Die Hamiltonfunktion ist dann gleich der Energie des Systems.

b) Zyklische Koordinaten

Im Falle, dassLvon einer der verallgemeinerten Koordinatenqβ nicht explizit abh¨angt, d.h.

∂L

∂qβ = 0 nennt manqβ eine zyklische Koordinate.

Aus der Bewegungsgleichung

d dt

∂L

∂q˙β = ∂L

∂qβ = 0 folgt dann, dass der zugeh¨orige verallgemeinerte Impulspβ:

pβ = ∂L

∂q˙β

zeitlich erhalten ist, d.h.pβ=const.

1. Beispiel: Freies Teilchen,L= m2~r˙2

⇒~p=∂L

∂~r˙ =m~r˙=const. Impulserhaltung

2. Beispiel: Massenpunkt auf einem Kreis in der x-y-Ebene, L= m2l2ϕ˙2 , q=lϕ

l

j m

JZ =1 l

∂L

∂ϕ˙ =mlϕ˙ =const. Drehimpulserhaltung

Nichtkonservative Kr¨afte

Im Falle von Kr¨aften, die sich nicht als Gradient eines Potentials schreiben lassen, sind die Lagran- gegleichungen 2. Art zu erweitern. Wir gehen aus von den jeweiligen Krafttermen und leiten geeignete Zusatzterme ab.

(13)

a) Elektromagnetische Kr¨afte

Ein elektrisches Feld E~ und ein Magnetfeld B~ ¨uben auf eine Ladung Q die sogenannte Lorentz-Kraft aus

K~ =Q·

E(~~ r, t) + ˙~r×B(~~ r, t)

Der magnetische Anteil dieser Kraft ist von der Geschwindigkeit ˙~rabh¨angig und damit nicht konservativ.

Wir versuchen eine Verallgemeinerung der Formulierung f¨ur konservative Systeme, indem wir im Potential U auch von ˙~r abh¨angige Terme zulassen. Bei unver¨anderter Anwendung der Lagrange-Gleichung (mit (q1, q2, q3) = (x1, x2, x3), den kartesischen Koordinaten)

d dt

∂L

∂q˙α

= d dt

∂T

∂q˙α− ∂U

∂q˙α

= ∂L

∂qα

ergibt sich also ein Zusatzterm zur Kraft

K~nk= d dt

∂U

∂q˙α

Frage: Gibt es eine FunktionUnk, aus der nach Differentiation bez¨uglich ˙~rund Zeitableitung die Lorentz- kraft folgt?

Antwort: Ja, aber diese Funktion l¨asst sich nur durch das VektorpotentialA~ des Magnetfeldes ausdr¨ucken (zun¨achst ohne Zwangsbedingungen)

Unk=−Q~r˙·A(~~ r, t)

Die elektromagnetischen Potentiale Φ(~r, t) undA(~~ r, t) sind definiert durch die Gleichungen E~ =−∇~Φ−∂ ~A

∂t B~ =∇ ×~ A~ Das gesamte Potential ist gegeben durch

U(~r,~r, t) =˙ Q·Φ(~r, t)−Q~r˙·A(~~ r, t)

Wir setzen in die Lagrangegleichung ein und erhalten folgenden Ausdruck f¨ur die Kraft K~ =−∇~U + d

dt

∂U

∂~r˙

=−Q~∇Φ +Q X3 j=1

˙

xj∇~Aj(~r, t)−Qd dtA(~~ r, t)

=Q ~E+Q∂ ~A

∂t −Q∂ ~A

∂t +Q X3 j=1

˙

xj∇~Aj(~r, t)− ∂ ~A

∂xj

˙ xj

!

Der letzte Term l¨asst sich umformen:

X3 j=1

˙

xj ∇~Aj− ∂ ~A

∂xj

!

= ˙~r×(∇ ×~ A)~

(14)

womit gezeigt ist, dass K~ die Lorentzkraft ist.

Die Lagrangefunktion hat also die Form L(~r,~r, t) =˙ m

2~r˙2−QΦ(~r, t) +Q~r˙·A(~~ r, t) Falls Zwangsbedingungen vorliegen, ist~r=~r({qα}) zu setzen.

b) Reibungskr¨afte

Eine realistische Beschreibung mechanischer Systeme aus makroskopischen K¨orpern erfordert die Ber¨uck- sichtigung von Reibungs- oder D¨ampfungseffekten. Die entsprechenden Kr¨afte treten nur f¨ur bewegte Teilchen auf, d.h. bei endlicher Geschwindigkeit. F¨ur kleine Geschwindigkeiten ist oft ein linearer Zusam- menhang gegeben.

K~diss,i=−γi~r˙i ; i-tes Teilchen

Derartige Kr¨afte f¨uhren in der Lagrangegleichung f¨ur dieα-te Koordinate zu Zusatztermen XN

i=1

K~diss,i∂~ri

∂qα

Diese Zusatzterme lassen sich nicht durch einen ˙~r-abh¨angigen Zusatz zu Lerfassen. Es ist aber m¨oglich und sinnvoll, eine weitere skalare FunktionF (nebenL) zu definieren als

F( ˙~r) = XN i=1

1

i~r˙i2 → F(q,q, t) =˙ XN i=1

1

i~r˙i2(q,q, t)˙ F¨ur die verallgemeinerte Dissipationskraft gilt dann

XN i=1

K~diss,i∂~ri

∂qα =− XN i=1

∂F

∂~r˙ · ∂~ri

∂qα

=− XN i=1

∂F

∂~r˙ · ∂~r˙i

∂q˙α

=−∂F

∂q˙α

Die modifizierten Lagrangegleichungen lauten d dt

∂L

∂q˙α

− ∂L

∂qα+ ∂F

∂q˙α = 0

F ist dieRayleigh’sche Dissipationsfunktion. Sie ist gleich der halben vom System gegen Reibung abge- gebenen Leistung.

(15)

Kapitel 3

Variationsprinzipien der Mechanik

3.1 Variationsrechnung

Die Variationsrechnung behandelt die L¨osung von Problemen, bei denen der extremale (minimale oder maximale) Wert einer Gr¨oße zu finden ist, die als Integral ¨uber einen Funktionalausdruck darzustellen ist. Wir betrachten ein erstes Beispiel:

Gesucht ist die Funktiony(x), mit Randwerteny(x1

2) =y1

2 , die das Funktional J =J[y] =

Z x2

x1

dx F(y, y0, x) zum Minimum macht.

L¨osungsstrategie:

y0(x) sei die gesuchte Funktion. Dann muss f¨ur jede infinitesimal davon abweichende Funktion y(x) = y0(x) +δy(x) =y0(x) +η(x) mit infinitesimal undη(x1) =η(x2) = 0 gelten.

J[y0+η(x)]> J[y0] , ∀η(x) Hieraus folgt

d

dJ[y0+η(x)]|=0= 0

in Analogie zur Bedingung f¨ur ein Extremum einer Funktion f(x):f0(x) = 0 beix=x0. Aus der Bedingung dJd = 0 l¨asst sich eine Differentialgleichung f¨urη(x) ableiten:

d

dJ[y0(x) +η(x)]

=0

= Z x2

x1

dx ∂F

∂yη(x) +∂F

∂y0η0(x) !

= 0 Nach partieller Integration des zweiten Terms

Z x2

x1

dx ∂F

∂y0η0(x) = dF

dy0η(x) x2

x1

| {z }

=0

− Z x2

x1

dx η(x) d dx

∂F

∂y0

folgt

d

dJ[y0(x) +η(x)]

=0

= Z x2

x1

dx ∂F

∂y − d dx

∂F

∂y0

η(x)= 0!

(16)

Das Integral soll f¨ur beliebigesη(x) verschwinden, was nur m¨oglich ist, wenn der Ausdruck in den Klam- mern Null ist.

⇒ Eulergleichung d dx

∂F(y, y0, x)

∂y0

= ∂F(y, y0, x)

∂y

Die L¨osungeny(x) dieser DGL 2. Ordnung ergebenstation¨are Punkte vonJ[y]. Falls mehrere L¨osungen existieren, ist die zum Minimum geh¨orige zu finden.

Folgende Kurznotation ist ¨ublich:

δJ =J[y+δy]−J[y] = Z

dx ∂F

∂yδy+∂F

∂y0δy0

= Z

dx ∂F

∂y − d dx

∂F

∂y0

δy= 0

”Funktionalableitung“ δJ δy = ∂F

∂y − d dx

∂F

∂y0 = 0

Variationsprobleme mit Nebenbedingung

Wenn die aus einem Extremalprinzip zu bestimmende Funktion y(x) weiteren Bedingungen gen¨ugen muss, spricht man von einem Variationsproblem mit Nebenbedingungen.

Beispiel: Eine Kette mit konstanter Massendichte ρ und L¨ange L werde im Schwerefeld der Erde auf- geh¨angt.

Frage: Welche Kurvenform nimmt die Kette an? x

y y1

y2

x1 x2

P1

P2

Der Gleichgewichtszustand wird durch den minimalen Wert der potentiellen Energie bestimmt:

J =Upot= Z 2

1

gρy ds=gρ Z x2

x1

dx yp

1 +y02=min.

Element der Bogenl¨ange:ds=p

1 +y02 dx

Die Nebenbedingung besteht darin, dass die L¨ange der Kette gegeben ist:

K[y] = Z x2

x1

dx p

1 +y02=L

(17)

Nebenbedingungen der FormK[y] =C heißen isoperimetrisch.

Nebenbedingungen lassen sich mit Hilfe derMethode der Lagrangemultiplikatorenin ein verallgemeinertes Extremalprinzip aufnehmen: StattJ[y] =min.undK[y] =C kann man setzen

J[y, λ] =J[y]−λ(K[y]−C) =min.

Die Extremalbedingungen sind dann:

∂J

∂λ = 0 =K[y]−C und δJ

δy = 0 = δJ

δy −λδK δy oder ausgeschrieben, mit

J[y] = Z x2

x1

dx F(y, y0, x) und K[y] =

Z x2

x1

dx G(y, y0, x) =C :

δJ δy =−d

dx ∂F

∂y0 −λ∂G

∂y0

+∂F

∂y −λ∂G

∂y = 0

Beweis:

Wir nehmen any=y0(x) sei die L¨osung und betrachten kleine Abweichungen y=y0(x) +1η1(x) +2η2(x)

wobeiη1(x) undη2(x) linear unabh¨angig sind. Dann wird durch K[y] =K(1, 2) =C

eine Kurve in der1-2-Ebene festgelegt, die durch den Nullpunkt geht. F¨ur Werte von (1, 2) auf dieser Kurve ist

J[y] =J(1, 2) =min.

am Punkt1=2= 0.

Es sind also die Gleichungen zu l¨osen:

K(1, 2) =C → ∂K

1

d1+∂K

2

d2= 0 → d2

d1

=−

∂K

1

∂K

2

∂J

1

+ ∂J

2

d2

d1

= 0 = ∂J

1− ∂J

2

∂K

1

∂K

2

(18)

Diese Gleichung ergibt sich aber aus der BedingungJ−λK=min.

∂J

1 −λ∂K

1 = 0

∂J

2 −λ∂K

2 = 0

∂J

1 − ∂J

2·

∂K

1

∂K

2

= 0 q.e.d.

3.2 Prinzip der kleinsten Wirkung (Hamilton’sches Prinzip)

Frage: Lassen sich die Lagrangegleichungen als Eulergleichung eines Variationsprinzips auffassen?

Die Form der Lagrangegleichungen

d dt

∂L

∂q˙α

= ∂L

∂qα legt nahe, sie als Eulergleichungen f¨ur das Stationarit¨atsprinzip

S= Z t2

t1

dt L(q,q, t˙ ) = station¨ar

aufzufassen.S ist dieWirkung, bzw. dasWirkungsfunktional. Dabei sind die Randbedingungen qα(t1) =q , qα(t2) =q gegeben.

Meist wirdS minimal. Man spricht deshalb vomPrinzip der kleinsten Wirkung.

Die Bestimmung des Bewegungsablaufs eines mechanischen Systems l¨asst sich also so formulieren:

1. Man finde die LagrangefunktionL, meist gegeben durchL=T−U, und damit die Wirkung S.

2. Man betrachte alle Wegeq(t) ={qα(t)}, die von den Anfangspunktenqzur Zeitt1zu den Endpunk- tenq zur Zeitt2 f¨uhren und finde die Wegeqα(t), die das Minimum (oder Extremum) von S ergeben.

Falls ¯q(t) der gesuchte Weg ist, gilt

S[q(t)]≥S[¯q(t)]

f¨ur alle q(t).

x y

y1

y2

x1 x2

P1

P2

3. Aus der Stationarit¨atsbedingung δSδq = 0 folgen die Lagrangegleichungen.

(19)

Die Lagrangegleichungen 1. Art lassen sich ebenso aus der Stationarit¨atsbedingung f¨ur die Wirkung, aber nun mit den Nebenbedingungen

Aµ(x, t) = 0 , µ= 1,2, . . . , z

ableiten. Man kann die Nebenbedingungen mit Hilfe von Lagrangeparameternλµ(t) ber¨ucksichtigen, was zu dem Variationsproblem

δS[x, λ, t] = 0 f¨uhrt, mit S[x, λ, t] =

Z t2

t1

dt

"

L(x,x, t) +˙ Xz µ=1

λµ(t)Aµ(x, t)

# . Hier ist die Variation sowohl nachx(t) ={xi(t)}, als auch nachλµ(t) vorzunehmen.

Das Prinzip der kleinsten Wirkung stellt die allgemeinste und kompakteste Formulierung der Mecha- nik dar. Sie ist vollkommen unabh¨angig von der ”Darstellung“, d.h. von der Wahl der Koordinaten (Kartesisch, Winkel, etc.). Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Form der Lagrangefunktion durch Sym- metriebedingungen stark einschr¨anken l¨asst.

F¨ur die Lagrangefkt.eines freien Teilchens muss gelten:

1.Lkann nicht explizit vontabh¨angen (Homogenit¨at der Zeit) 2.Lkann nicht explizit von~rabh¨angen (Homogenit¨at des Raums) 3.Lmuss isotrop sein.

Damit kannLnur eine Funktion von ˙~r2 sein. Die einfachste M¨oglichkeit ist L=const.~r˙2

Mitconst.= m2 ist das die bekannte Form.

Unbestimmtheit der Lagrangefunktion:

Zu L kann ein beliebiger Term hinzugef¨ugt werden, der eine totale Zeitableitung einer Funktion von q undt(aber nicht ˙q) darstellt:

L(q,q, t) =˙ L(q,q, t) +˙ d dtf(q, t) Dieser Zusatzterm f¨uhrt zu einer additiven Konstanten inS:

∆S = Z t2

t1

dt d

dtf(q, t) =f(q2, t2)−f(q1, t1) =const.

Beispiele:

(i) Galileitransformation:

Mit ˙~r→~r˙+m~v folgt:

L → L+m~r~v˙ +m

2~v2=L+ d

dt(m~r·~v+m 2~v2t)

(20)

(ii) Eichtransformation in der Elektrodynamik:

Die Definition der elektromagnetischen Potentiale Φ, ~Adurch E~ =−1

c

∂ ~A

∂t −∇~Φ , B~ =∇ ×~ A~

legtA~ und Φ nur bis aufEichtransformationen fest. Offenbar sindE~ undB~ unter einer Transformation A~→A~+∇~Λ , Φ→Φ−1

c

∂Λ

∂t mit beliebigem Λ(~r, t)invariant.

L¨andert sich dabei wieh

L= m2~r˙2−qΦ +qc~r˙·A~i : L→L+q

c

dΛ(~r, t) dt .

Damit folgt die Invarianz der Bewegungsgleichungen ohne weitere Rechnung.

3.3 Symmetrien und Erhaltungsgr¨ oßen. Noethertheorem

Das Prinzip der kleinsten Wirkung stellt den besten Ausgangspunkt f¨ur die Beschreibung allgemeiner Zusammenh¨ange in der Mechanik dar. Das wichtigste Beispiel daf¨ur ist die Ableitung eines allgemeinen Zusammenhangs zwischen bestimmten Symmetrien des betrachteten Systems und daraus folgenden Er- haltungss¨atzen.

Wir betrachten das Verhalten der Wirkung S, bzw. der Lagrangefunktion L(x,x, t) unter einer belie-˙ bigen infinitesimalen Transformation

xi→xi =xi+·ψi(x,x, t)˙ t→t=t+·ϕ(x,x, t)˙

mitinfinitesimal, wobei ψi(x,x, t) und˙ ϕ(x,x, t) beliebige Funktionen sind.˙ Beispiele:

(i) Zeittranslation t=t+ , xi(t) =xi(t) (ii) R¨aumliche Translation xi =xi+ , t=t (iii) Drehung ~r=~r+ωˆ×~r , t=t

(iv) Galileitransformation ~r=~r+vtˆ , t=t

Wir vergleichen die transformierte Wirkung S=

Z t2 t1

dtL(x,x˙, t) mit den transformierten Randbedingungen

xi(t1

2) =xi(t1

2) +ψi x(t1

2),x(t˙ 1

2), t1

2

(21)

mit der urspr¨unglichen WirkungS.

FallsS=S, ist die Wirkunginvariant unter der betrachteten Transformation und es gilt

∂S

∂ = 0

Hieraus l¨asst sich ein Erhaltungssatz f¨ur eine Gr¨oßeQ(x,x, t) ableiten:˙ d

dtQ(x,x, t) = 0˙ , wobei Q=X

i

∂L

∂x˙iψi+ L−X

i

∂L

∂x˙ii

! ϕ.

Beweis:

S= Z t2

t1

dtL(x,dx dt, t) =

Z t2

t1

dt L(x,dx

dt, t)dt dt =

Z t2

t1

dt L(x,dx dt, t)+

d d

L(x,dx dt, t)dt

dt

=0

+O(2) DamitS=S muss gelten

d d

L(x,dx dt, t)dt

dt

=0

= 0 Zun¨achst folgt aust=t+ϕ

dt

dt = 1 +dϕ dt und ausxi =xii

dxi dt = dxi

dt dt dt =

dxi

dt +dψi

dt 1−dϕ dt

= ˙xi+dψi

dt −x˙i

dt +O(2).

Dann ist

d d

L

xii , x˙i+dψi

dt −x˙i

dt , t+ϕ 1 +dϕ dt

=0

=X

i

∂L

∂xi

ψi+X

i

∂L

∂x˙i

i

dt −x˙i

dϕ dt

+∂L

∂tϕ+Ldϕ dt

= d dt

X

i

∂L

∂x˙iψi

!

+ L−X

i

∂L

∂x˙ii

!dϕ dt +ϕ∂L

∂t = 0 wobei ∂L

∂xi = d dt

∂L

∂x˙i benutzt wurde.

Unter Verwendung von

d

dtL= ∂L

∂t +X

i

∂L

∂xii+X

i

∂L

∂x˙ii

= ∂L

∂t +X

i

d dt

∂L

∂x˙i

˙ xi+X

i

∂L

∂x˙ii

= ∂L

∂t + d dt

X

i

∂L

∂x˙ii

!

(22)

ergibt sich

d

dtQ(x,x, t) = 0˙ mit der Erhaltungsgr¨oße

Q=X

i

∂L

∂x˙i

ψi+ L−X

i

∂L

∂x˙i

˙ xi

!

ϕ=const.

Es gilt also folgender allgemeiner Zusammenhang, der alsNoethertheorem bezeichnet wird:

Eine Symmetrie des Systems, die in der Invarianz der Wirkung gegen¨uber einer einparametrigen Raum-Zeit-Transformation besteht (festgelegt durch die Funktionen ψi undϕ) ist verkn¨upft mit der Existenz einer Erhaltungsgr¨oße Q.

Symmetrie S → Erhaltungsgr¨oße

S=S Q=Q(x,x, t) =˙ const.

Dieser tiefliegende Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Systems unter Symmetrietransforma- tionen und der beobachtbaren Konsequenz der Existenz von Erhaltungsgr¨oßen ist von grundlegender Bedeutung f¨ur die gesamte Physik.

Beispiele:

1. Homogenit¨at der Zeit:L h¨angt nicht explizit von der Zeit ab:

xi =xi → ψi= 0 t=t+ → ϕ= 1

⇒Q=L−X

i

∂L

∂x˙ii Falls L=T−U =X

i

mi

2 x˙2i −U(x) ist Q=T−U−2T =−(U+T) =−E

→Energieerhaltung

2. Homogenit¨at des Raums: L ist invariant gegen zeitunabh¨angige r¨aumliche Verschiebungen, z.B. in x-Richtung

~

rn=~rn+ˆx → ψnx= 1 , ψnynz = 0 t=t → ϕ= 0

Q=X

n

∂L

∂x˙n

=X

n

pnx=Px=const.

wobei ~pn= ∂L

∂~r˙n

der Impuls desn-ten Teilchens ist undP~ derGesamtimpulsdes Systems ist.

(23)

3. Isotropie des Raums: Invarianz vonLgegen Rotationen um eine beliebig gerichtete Achse durch einen Bezugspunkt (der als Ursprung gew¨ahlt wird), z.B. Drehungen um Achse ˆω f¨ur einen Massenpunkt

~

r=~r+(ˆω×~r) xi =xi+X

kl

iklωkxl → ψi=X

kl

iklωˆkxl , ψ= ˆω×~r

Q=X

i

∂L

∂x˙i

ψi=X

piiklωˆkxl=~p·(ˆω×~r) = ˆω·~L DrehimpulsL~ =~r×~p.

Q ist dieDrehimpulskomponente in Richtung der Drehachse.

Erweitertes Noethertheorem

Die Invarianzbedingung S = S ist st¨arker als die eigentlich einzig wesentliche Bedingung, dass die Bewegungsgleichungen invariant unter der betrachteten Transformation sind. Dies ist ¨aquivalent zu

δS=δS

Da δS nur bis auf totale Zeitableitungsterme bestimmt ist, k¨onnen auch solche Transformationen als Invarianzprobleme zugelassen werden, die die Lagrangefunktion um eine totale Zeitableitung ¨andern, d.h. die Invarianzbedingung lautet:

d d

L(x,dx dt, t)dt

dt

=0

= d dtf(x, t) und damit ergibt sich als Erhaltungsgr¨oße

Q=X

i

∂L

∂x˙iψi+ L−X

i

∂L

∂x˙ii

!

ϕ−f(x, t) =const.

Beispiel: Galileiinvarianz

~

rn=~rn+tˆu , ψ~n=tˆu , t=t

L= 1 2

XN n=1

mn~r˙2n− XN

n,m n<m

Unm(|~rn−~rm|) d

d

L·dt dt

=0

=X

n

mn~r˙n·uˆ= d

dt(M ~R·u) =ˆ df dt d.h. es gilt nichtS=S, sondern nurδS=δS!

Q=X

n

∂L

∂~r˙n

ψ~n−f(x, t) =M(Rt~˙ −R)~ ·uˆ=const.

(24)

Da dies f¨ur beliebige Richtung ˆugilt, ist also

Rt−R~ =const. → R(t) =~ ~v0t+R~0

Dies folgt aber bereits bei Translationsinvarianz aus der Impulserhaltung: MR~˙ =const.

Erg¨anzung:

Das sogenannte Noether-Theorem wurde von der Mathematikerin Emmy Noether in einer grundlegenden Untersuchung zur modernen Algebra formuliert. Sie hat mit ihren Arbeiten nicht nur die theoretische Physik, sondern auch die Mathematik des 20. Jahrhunderts entscheidend beeinflusst.

1882 als Tochter des Mathematikprofessors Max Noether geboren, wirkte sie nach dem Studium der Mathematik ab 1919 als Dozentin in G¨ottingen. Nach dem Entzug der Lehrberechtigung 1933 durch die Nationalsozialisten emigrierte sie in die USA, wo sie 1935 in Princeton starb.

(25)

Kapitel 4

Bewegte Bezugssysteme

Transformationen von einem festen Bezugssystem in ein bewegtes sind sowohl von praktischem Inter- esse, z.B. wenn sich Massenpunkte unter dem Einfluss von zeitlich ver¨anderlichen Zwangsbedingungen bewegen, als auch von grunds¨atzlichem Interesse, wenn es z.B. um die Frage geht, in welchem Bezugssy- stem die physikalischen Gesetze die einfachste Form annehmen. Im Folgenden betrachten wir nurlineare Transformationen.

4.1 Bewegte Inertialsysteme. Galileitransformation

Wir gehen aus von einem Inertialsystem IS mit kartesischen Koordinaten (x, y, z) ≡ (x1, x2, x3) und betrachten ein weiteres kartesisches KoordinatensystemKS0 mit (x0y0z0) = (x01, x02, x03).

Frage: Wie darf sichKS0 relativ zuISbewegen, so dass die Newton’schen Axiome in KS0 gelten?

1. Fall: Die Achsen vonIS undKS0 seienparallel, wobei der Ursprung vonKS0 mit dem Ursprung vonIS durch den Vektord(t) verbunden sei.~

Es gilt also~r(t) =~r0(t) +d(t).~

IS

KS`

x

y z

x’

y’

z’

) (t d r

FallsKS0 ein Inertialsystem sein soll, muss mit (1. Axiom)

m~r¨= 0 auch gelten m~r¨0= 0 Daraus ergibt sich die Bedingungd~¨= 0. Integration liefert

d(t) =~ ~vt+~a

(26)

wobei~v die Relativgeschwindigkeit der beiden Koordinatensysteme ist. IS0 darf sich also gegen¨uber IS mit konstanter Geschwindigkeit bewegen. Zus¨atzlich ist auch eine konstante Verschiebung erlaubt.

2. Fall: Die Achsen vonIS undKS0 seien gegeneinander verdreht; den Ursprung w¨ahlen wir der Einfachheit halber gleich.

Es gilt also

x0i = X3 j=1

αijxj wobeiαij die Elemente einerorthogonalen Matrix (

”Drehmatrix“) sind, f¨ur die gelten muss X

l

αilαTljij

d.h. die transponierte MatrixαTijji ist die Inverse der Matrixα:

α−1T

(folgt aus der Forderung (~r0)2=~r2, d.h. Abst¨ande bleiben bei der Drehung unver¨andert) Das 1. Axiom lautet inKS0

m¨x0i=m X3 j=1

(¨αijj+ 2 ˙αijj) wobei ¨xj= 0, g¨ultig inIS, benutzt wurde.

Man sieht, dass nur eine zeitunabh¨angige Drehung, d.h. ¨αij = ˙αij = 0 zul¨assig ist, wenn KS0 ein Inertialsystem sein soll.

Damit lautet die allgemeinste Transformation, die Inertialsysteme ineinander transformiert:

x0i= X3 j=1

αijxj+vit+ai

t0=t−t0









˙ x0i=X

j

αijj+vi

wobei noch eine Verschiebung der Zeitvariablen als einzige m¨ogliche Transformation vont hinzugenom- men wurde. Derartige Transformationen nennt manGalileitransformationen (GT).

Die allgemeine Galileitransformation ist durch 10 Parameter charakterisiert: 3 Drehwinkel, 3 Geschwindig- keitskomponentenv1, v2, v3, drei r¨aumliche Verschiebungena1, a2, a3und eine Zeitverschiebung t0. Zwei hintereinander ausgef¨uhrte GT lassen sich durch eine einzige GT bewirken. Zu jeder GT gibt es eine In- verse, die durch die negativen Werte der 10 Parameter charakterisiert ist. Die GT bilden also eineGruppe.

Die Newton’schen Bewegungsgleichungen transformieren sich offenbar wie mii=Ki → mi0i=

X3 j=1

αijKj ≡Ki0

(27)

wobeiKi0 i.A. ungleichKi ist. Die Bewegungsgleichung ist alsoforminvariant oderkovariant, aber nicht invariant.

F¨ur ein abgeschlossenes System von N Massenpunkten gilt, wie fr¨uher gezeigt K~ν=− ∂

∂~rν

U({|~rν−~rµ|})

f¨ur dasν-te Teilchen. Da derAbstand |~rν−~rµ|unter GT invariant ist, gilt hier (Kν0)i=X

j

αij(Kν)j =X

j

αij − ∂

∂xνj

!

U({|~rν−~rµ|}) =− ∂

∂xνi0U({|~rν0−~rµ0|})

also der gleiche Ausdruck in den neuen Koordinaten wie in den alten Koordinaten. Dabei wurde benutzt X

j

αij

∂xj

=X

j

αijX

l

∂x0l

∂xj

∂x0l =X

j,l

αijαlj

∂x0l = ∂

∂x0i

Damit sind die Newton’schen Bewegungsgleichungen f¨urabgeschlossene Systemeinvariant unter GT.

Grenzen der Galileiinvarianz

Die Maxwellgleichungen der Elektrodynamik sind nicht kovariant unter GT. Sie beschreiben die Ausbrei- tung von Wellenfronten mit der Geschwindigkeitc (Lichtgeschwindigkeit). Bei GT mit Geschwindigkeit v w¨urde also ˙x=cin ˙x0 =c+v ubergehen. Experimentell wird aber ˙¨ x0=cbeobachtet.

Falls man experimentell ausschließen kann, dass es ein bevorzugtes IS gibt (definiert durch ein Medium

”Ather“, das die Lichtwelle tr¨agt), bleibt nur die M¨oglichkeitm das Transformationsgesetz zwischen IS¨ zu ¨andern. Dies wird im Rahmen der speziellen Relativit¨atstheorie durch die Lorentztransformation LT erreicht. Die GT ergibt sich dann als Grenzfall der LT f¨ur Geschwindigkeitenvc.

4.2 Beschleunigte Bezugssysteme

In beschleunigten Bezugssystemen gelten die Newton’schen Axiome nicht. Wir geben im Folgenden die Zusatzterme in den Bewegungsgleichungen f¨ur linear beschleunigte und f¨ur rotierende Bezugssysteme an.

i) Lineare Beschleunigung

Das vorher definierte BezugssystemKS0 sei relativ zuIS konstant beschleunigt, d.h. f¨ur den Abstands- vektord, der die Koordinatenurspr¨~ unge verbindet, gilt

d(t) =~ 1

2~bt2 und damit: ~r(t) =~r0(t) +1 2~bt2 Vorausgesetzt dasst0=t, transformiert sich das 1. Axiom

m~r(t) = 0 ;¨ IS → m~¨r0(t) =−m~b; KS0 Es wirkt also inKS0 eine konstante Kraft, die alsScheinkraft bezeichnet wird.

(28)

Beispiel: In einem frei im Schwerefeld der Erde fallenden Laborraum wird die Schwerkraft exakt durch die Scheinkraft der gleichm¨aßig beschleunigten Fallbewegung kompensiert.

ii) Rotierendes Bezugssystem

Wir betrachten ein Koordinatensystem KS0, das relativ zum RuhesystemIS um eine Drehachse ˆω um den Winkelϕ(t) gedreht wird. Wir definieren dieWinkelgeschwindigkeit ω= dϕ

dt und den Vektor~ω=ωωˆ

x

y

x’

y’

z’

j

w r

j d

Gr Q

Grot

d r

Ein VektorG, der im System~ KS0 zeitunabh¨angig ist, wird vom SystemIS aus betrachtet zeitabh¨angig.

Die ¨Anderung von G~ im infinitesimalen Zeitintervalldt ist

d ~Grot=dϕ(ˆω×G) = (~~ ω×G)dt~

denn ˆω×G~ ist ein Vektor senkrecht zu ˆω undG~ mit Betrag G· |sinθ|= Abstand zur Drehachse F¨ur einen zeitabh¨angigen VektorG(t) gilt analog~

d ~GIS=d ~GKS’+ [~ω×G(t)]dt~ und damit gilt f¨ur die Zeitableitung vonG~

d ~G dt

!

IS

= d ~G dt

!

KS’

+~ω×G(t)~ Anwendung auf die Bewegungsgleichung eines Massenpunkts ergibt i) f¨ur die Geschwindigkeit (~r:IS , ~r0:KS0)

~r˙= ˙~r0+~ω×~r0 ii) f¨ur die Beschleunigung

r= ¨~r0+~ω×~r˙0+~ω×( ˙~r0+~ω×~r0) + ˙~ω×~r0 iii) f¨ur das 1. Axiom

m~r¨= 0 m~r¨0=−2m ~ω×~r˙0

| {z }

Corioliskraft

−m~ω×(~ω×~r0)

| {z }

Zentrifugalkraft

−m~ω˙ ×~r0

| {z }

Tr¨agheitskraft

Die Tr¨agheitskraft ensteht durch dieWinkelbeschleunigung.

(29)

Im rotierenden System treten also Scheinkr¨afte auf mit folgenden Eigenschaften:

a) Zentrifugalkraft:

”Fliehkraft“

- Richtung: ~ω×(~ω×~r0) =~ω(~ω·~r0)−~r0ω2 radial nach außen,⊥~ω - Betrag: ω2r0sinθ

b) Corioliskraft:

- Richtung: ⊥~ω und⊥~r˙0

- Betrag: ωv·sinχ , χ=](~ω, ~v)

Beispiel:

(1) Windbewegung auf der rotierenden Erdkugel w

r

(2) Foucault’sches Pendel

Andere Ableitung der Beschleunigung im rotierenden System:

Vektoren im IS:G~ und im rotierenden KS:G~0 sind durch Drehmatrix verkn¨upft (z-Achse||ω~ o.B.d.A) G(t) =~ D(t)G~0(t) =

X3 j=1

Dij(t)G0j(t) , D=

cosϕ sinϕ 0

−sinϕ cosϕ 0

0 0 1

G=D(t)G~˙0+ ˙D ~G0

Vergleich mit G~˙

IS =G~˙

KS0+~ω×G~KS0

liefert ˙D=D·~ω×. . .

(30)

oder ˙Dij =X

lk

Dillkjωk=

sinϕ −cosϕ 0 cosϕ sinϕ 0

0 0 0

ϕ˙ Anwendung auf~r:

r=D·( ˙~r0+~ω×~r0) Anwendung auf ˙~r:

r=D~r¨0+ 2 ˙D~r˙0+ ¨D·~r0

D¨ = ˙D·~ω× · · ·+D·~ω˙ × · · ·=D·(~ω×~ω× · · ·+ ˙~ω×. . .)

~r¨=D·h

~¨r0+ 2~ω×~r˙0+~ω×(~ω×~r0) + ˙~ω×~r0i

(31)

Kapitel 5

Starrer K¨ orper

5.1 Kinematik

Die Bewegung eines starren K¨orpers ist wesentlich reichhaltiger als die eines Massenpunkts. Wir be- trachten zun¨achst die grundlegende Beschreibung der Bewegung, d.h. die Zahl und die Definition der Freiheitsgrade sowie der Bewegungsgr¨oßen.

Ein starrer K¨orper besteht aus einer beliebigen Anzahl von Massenpunkten, die starr miteinander ver- bunden sind und daher feste Abst¨ande besitzen:

1)N Massenpunktemn in Positionen~rn,n= 1, . . . , N 2)|~rn−~rm|=rnm=const. , n, m= 1, . . . , N

Diese 12N(N −1) Zwangsbedingungen sind jedoch nicht unabh¨angig. F¨ur N = 3 ergeben sich drei Zwangsbedingungen. Falls f¨ur N Massenpunkte RN Zwangsbedingungen existieren, sind es f¨ur N + 1 Massenpunkte RN+1 = RN + 3, denn die Angabe von 3 Abst¨anden legt die Position des (N+ 1)-ten Teilchens fest. Daraus folgt:RN = 3(N−2)

Die Zahl der Freiheitsgrade ist damit

f = 3N−RN = 6 unabh¨angig vonN.

Die 6 Freiheitsgrade ergeben sich unmittelbar, wenn man zun¨achst die 3 Schwerpunktskoordinaten abspal- tet. Die verbleibenden Freiheitsgrade im Schwerpunktssystem (R~ = 0) sind Drehungen um alle m¨oglichen Achsen durch den Schwerpunkt, von denen es in 3 Dimensionen 3 unabh¨angige, z.B. die Drehungen um drei kartesische Achsen, gibt.

Auch wenn irgendein anderer Punkt des K¨orpers festgehalten wird, bleiben nur die 3 Drehfreiheitsgrade

¨ubrig. Diese Systeme nennt manKreisel.

Winkelgeschwindigkeit

Wir definieren 2 Koordinatensysteme, eink¨orperfestes KS:x1, x2, x3 mit Achsen ˆe1,eˆ2,eˆ3

und einraumfestes IS:x, y, zmit Achsen ˆex,eˆy,eˆz.

Die Basisvektoren ˆei(t) sind i.A. zeitabh¨angig, d.h. KS ist kein Inertialsystem.

Der Ursprung des k¨orperfesten KS habe im IS den Ortsvektor~r0(t), seine Geschwindigkeit sei~v0(t).

(32)

Das k¨orperfeste KS drehe sich mit der Winkelgeschwindigkeit

~ω(t) = ˆω(t)·ω(t) , ω=dt

relativ zu IS, wobei dϕ der Drehwinkel im Zeitelement dt zur Zeit t um die momentane Achse ˆω ist.

Sowohl ˆωals auchω sind i.A. zeitabh¨angig.

Ein beliebiger PunktP des starren K¨orpers habe den Ortsvektor~rP,IS im IS.

x z

y x1

x2

x3

P

w r

rr0 IS

rP,

r rrP

Der Vektor vom Ursprung 0 von KS zum Punkt P ist

~rP =~rP,IS−~r0

und die Geschwindigkeit des PunktesP im IS ist

~vIS=~v0+d~rP

dt Da der PunktP in KS ruht, also

d~rP

dt

KS

= 0 gilt also d~rP

dt

IS

=~v0+~ω×~rP auch wenn~ω=~ω(t).

Wir wollen nun untersuchen, ob diese Gleichung von der Wahl des Ursprungs von KS abh¨angt. Wir nehmen an, dass bei Wahl des Ursprungs 00 mit~r00 =~r0−~adie Winkelgeschwindigkeit von KS durch

~

ω0 gegeben sei. Damit gilt f¨ur den PunktP

~vP,IS=~v00+~ω0×~rP0 w¨ahrend vorher

~vP,IS =~v0+~ω×~rP war.

Wegen ~rP0=~rP+~a muss also

~v00+~ω0×~rP0 =~v0+~ω0×(~rP +~a)=! ~v0+~ω×~rP

gelten.

Da diese Gleichung f¨ur alle~rP gelten muss, folgt

~ ω=~ω0

(33)

und ~v0=~v00+~ω×~a

Die Winkelgeschwindigkeit ~ω h¨angt also nicht von der Wahl von KS ab, sondern charakterisiert den Rotationszustand des K¨orpers in eindeutiger Weise.

Euler’sche Winkel

Da aufeinanderfolgende Drehungen des KS nicht miteinander vertauschen, wenn sie nicht um die gleiche Achse stattfinden, ist die Definition verallgemeinerter Koordinaten f¨ur eine allgemeine Drehung nicht trivial. Die von dem deutsch-russischen Mathematiker Euler angegebene Parametrisierung ist am ge- br¨auchlichsten:

x

3

x

1

x

2

x

y

z

f y K

q

Wir definieren zun¨achst eine”Knotenlinie“Kals Schnittgerade derx-y-Ebene mit derx1-x2-Ebene. Der Einheitsvektor ˆeK bildet mit derx-Achse den Winkelφ, mit derx1-Achse den Winkelψ. Als dritte Va- riableθw¨ahlt man den Winkel zwischenz-Achse undx3-Achse.

Man kann sich die

”schiefe“ Lage eines K¨orpers mit Eulerwinkeln (ψ, θ, φ) vorstellen als entstanden aus drei aufeinanderfolgenden Drehungen:

1. Drehung um diez-Achse mit Winkelφ 2. Drehung um diex-Achse mit Winkelθ 3. Drehung um diez-Achse mit Winkelψ

Wir definieren Winkelgeschwindigkeiten f¨ur jede dieser drei Drehungen:

~

ωψ= ˙ψ ˆe3

~

ωθ= ˙θeˆK

~

ωφ= ˙φeˆz

wobei die Richtungen ˆeK und ˆez im KS so gegeben sind:

ˆ

eK = cosψeˆ1−sinψeˆ2= cosφeˆx+ sinφˆey ˆ

ez= sinθsinψˆe1+ sinθcosψeˆ2+ cosθeˆ3

Referenzen

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