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Physiotherapie bei Hüftgelenksarthrose nutzlos?

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STUDIE REFERIERT

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ARS MEDICI 19 2014

Bei Hüftarthrose wird meist Physio- therapie verordnet. In einer rando- misierten Studie waren jedoch sowohl eine multimodale Physio- therapie als auch eine Schein - behandlung mit einer deutlichen vergleichbaren Verbesserung der Schmerzen und der körperlichen Funktion verbunden. Somit könnte auch ein Plazeboeffekt für den Be- handlungserfolg eine Rolle spielen.

JAMA

Die Hüftarthrose ist eine häufige mus- kuloskeletale Erkrankung in der Haus- arztpraxis. In klinischen Richt linien wird ungeachtet der Schwere, des Schmerzgrades und des körper lichen Funktionsstatus eine nicht medikamen - töse physiotherapeutische Behandlung empfohlen. Die Evidenz zur Wirksam- keit dieser Massnahmen wurde bis anhin jedoch nicht schlüssig nachge- wiesen.

In älteren Studien spielte der Plazebo - effekt für den Erfolg von Hüftarthrose- behandlungen eine grosse Rolle. In einer randomisierten, gegenüber Pa- tienten und Datenauswertern verblin- deten Studie prüften Kim Bennell von der Universität Melbourne (Australien) und seine Arbeitsgruppe deshalb, ob

ein multimodales Physiotherapiepro- gramm im Vergleich zu einer Scheinbe- handlung bei Patienten mit symptoma- tischer Hüftarthrose zu einer besseren Schmerzlinderung und einer ausgepräg - teren Verbesserung des körperlichen Funktionszustands führt. Der Studien- zeitraum umfasste eine 12-wöchige Be- handlungsphase mit jeweils 10 Termi- nen beim Therapeuten und eine Nach- beobachtung über weitere 24 Wochen.

Methoden

An der Studie nahmen 102 ambulante Patienten teil, die unter Hüftschmerzen mit Punktwerten ab 40 auf einer visuell analogen Skala (VAS) von 100 mm und einer im Röntgenbild bestätigten Hüf- tarthrose litten. Die Teilnehmer wur- den randomisiert der Physiotherapie (49 Patienten) oder der Scheinbehand- lung (53 Patienten) zugeordnet.

Alle Teilnehmer der aktiv behandelten Gruppe erhielten manuelle Therapien wie eine Manipulation der Hüfte, eine Mobilisierung der Lendenwirbelsäule, Tiefengewebemassagen und Muskel- stretching. Ergänzend führten die Pa- tienten unter Anleitung des Physio the - rapeuten viermal pro Woche indi vi duell geeignete Übungen zur Kräftigung der Hüftabduktoren und des Musculus quadriceps, Übungen zur Erweiterung des Bewegungsradius oder Balance- und Gehübungen durch. Zur Schein - behandlung gehörten eine inaktive Ultraschallbehandlung und die Appli- kation eines inerten Gels auf die vor- dere und hintere Hüftregion durch den Therapeuten. In der Nachbeobach- tungszeit führten die physiotherapeu- tisch behandelten Teilnehmer eigen- ständig ihre Übungen dreimal pro Woche aus, und die scheinbehandelten Patienten trugen das Gel selbst im Hüftbereich auf.

Als primäre Endpunkte definierten die Forscher den durchschnittlichen Schmerz auf der VAS und die körperliche Funk- tionsfähigkeit entsprechend dem Wes- tern Ontario and McMaster University Osteoarthritis Index (WOMAC; 0 = keine

Beschwerden, 68 = extreme Schwierig- keiten) in Woche 13. Zu den sekundä- ren Endpunkten gehörten die jeweili- gen Skalenwerte in Woche 36.

Ergebnisse

Das durchschnittliche Alter (Standard Deviation [SD]) lag zu Baseline bei 64,5 (8,6) Jahren in der aktiv behandelten und bei 62,7 (6,4) Jahren in der schein- behandelten Gruppe. Die Evaluierung der Schmerzen und der körperlichen Funktionsfähigkeit konnte bei 96 Pa- tienten (94%) in Woche 13 und bei 83 Patienten (81%) in Woche 36 vor- genommen werden. Die Therapieadhä- renz war in beiden Gruppen gut.

In beiden Gruppen war eine signi - fikante Reduzierung der Schmerzen zu beobachten. Die Unterschiede zwi- schen den Gruppen waren jedoch nicht signifikant. In der aktiv behandelten Gruppe betrug der durchschnittliche Wert (SD) auf der VAS zu Studien - beginn 58,8 mm (13,3). In Woche 13 lag er bei 40,1 mm (24, 6). In der schein- behandelten Gruppe betrug der Base- line-Score 58,0 mm (11,6) auf der VAS, und in Woche 13 lag er bei 35,2 mm (21,4). Daraus ergab sich eine durch- schnittliche Differenz von 6,9 mm (95%-Konfidenzintervall [KI]: -3,9–17,7) zugunsten der Scheinbehandlung.

Auch die körperliche Funktion verbes- serte sich in beiden Gruppen deutlich ohne signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Der Score für die körper- liche Funktionsfähigkeit betrug bei Stu- dienbeginn in der aktiv behandelten Gruppe 32,3 (9,2) Punkte auf der WOMAC-Skala, und in Woche 13 lag er bei 27,5 (12,9). In der schein behan - delten Gruppe betrugen die Werte zu Stu - dienbeginn 32,4 (8,4) und 26,4 (11,3) in Woche 13. Somit zeigte sich eine Diffe- renz von 1,4 Einheiten (95%-KI: -3,8–

6,5) zugunsten der Scheinbehandlung.

Auch im Hinblick auf die sekundären Endpunkte wurden keine Unterschiede zwischen den Gruppen beobachtet.

Über leichte Nebenwirkungen klagten in der aktiv behandelten Gruppe 19 von 46 Patienten (41%) und in der scheinbehandelten Gruppe 7 von 49 (14%) Patienten (p = 0,003). Dabei handelte es sich meist um eine vorüber- gehende Zunahme der Hüftschmerzen oder -steifheit sowie um Schmerzen im Rücken oder in anderen Regionen des Körpers.

Physiotherapie bei Hüftgelenksarthrose nutzlos?

Merksätze

Mit Physiotherapie oder einer Scheinbehand- lung konnten eine vergleichbare Schmerzlin- derung und eine vergleichbare Verbesserung der körperlichen Funktion erreicht werden.

Die Bedeutung der Physiotherapie sollte daher überdacht werden.

Für den Behandlungserfolg scheint auch die Qualität der Beziehung zwischen Patient und Therapeut eine wichtige Rolle zu spielen.

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STUDIE REFERIERT

Diskussion

Unbehandelte Patienten mit Hüft - arthrose verspüren meist keine Verbes- serung über die Zeit. Dass die Schein- behandlung in dieser Studie mit einer deutlichen subjektiven Verbesserung verbunden war, weist nach Ansicht der Autoren darauf hin, dass eine glaub- würdige Scheinbehandlung ausgewählt wurde.

Der Nutzen der Scheinbehandlung ent- sprechend der Patientenselbstauskunft stimmt mit den Ergebnissen einer Meta - analyse überein, in der ein signifikanter Plazeboeffekt im Zusammenhang mit der Behandlung von Hüftarthrosen be- obachtet wurde. Die Grössenordnung der Verbesserung ist zudem vergleich- bar mit Studien, in denen die Hüft - arthrose mit Übungen und Analgetika behandelt wurde.

Die Scheinintervention beinhaltete 10 individuelle Termine mit einem emotional zugewandten Therapeuten und einer Behandlung mit Hautkon- takt. Diese Komponenten tragen be- kanntermassen – ebenso wie das Ver- trauen des Patienten in die Wirksam- keit der Behandlung – zu einem effektiven Ansprechen auf Plazebo bei.

Zudem zeigt die Evidenz, dass die Qua- lität der Beziehung zwischen Therapeut und Patient das Ergebnis im Hinblick auf die Schmerzen und die körperliche Funktion beeinflusst und dass ein pa- tientenfokussierter Kommunikations- stil mit Zuhören und Ermutigung die Entwicklung dieser Beziehung fördert.

Möglicherweise waren emotionale Zuwendung und Berührung wichtige Elemente für den Erfolg der Schein - behandlung, während im Rahmen der

aktiven Behandlung für die patienten- zentrierte Kommunikation möglicher- weise weniger Zeit vorhanden war.

Somit könnten Scheinbehandlung und Physiotherapie verschiedene therapeu- tische Elemente aufweisen, die unter dem Strich in einer ähnlichen klini- schen Verbesserung resultieren. Petra Stölting

Bennell KM et al.: Effect of physical therapy on pain and function in patients with hip osteoarthritis. JAMA 2014;

311(19): 1987–1997.

Interessenkonflikte: Die Studie wurde vom National Health and Medical Research Council finanziert.

ARS MEDICI 19 2014

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