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(1879—1951) In memoriam

Von Kael-Heinz Below, Mannheim

Das Jahr 1951 hat der Orientalistik, der deutschen Jurisprudenz und

damit der gesamten internationalen wissenschaftlichen Welt einen ihrer

hervorragendsten Vertreter genommen. Auf einer Vortragsreise in der

Schweiz ist in den frühen Morgenstunden des 1. Juni 1951 Dr. iuris

utriusque Paul Koschaker, emeritierter ordentlicher Professor der

Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen, in Basel infolge eines Herz¬

schlags in den ewigen Schlaf hinübergeglitten.

Der heimgegangene große Gelehrte war Doctor iuris honoris causa

der Universitäten Athen (1937) und Preiburg im Breisgau (1949), die

Universitäten von Leipzig (1927) und Graz (1929) veriiehen ihm die

Würde eines Doctor philosophiae honoris causa, von der Universität

Oxford erhielt er 1934 die seltene Auszeichnung eines hon. D(octor) (of )

C(ivil) L(aw). Die Akademien der Wissenschaften von Leipzig (1917),

Berlin (1937), München (1948 [seit 1932 war Paul Koschakeb bereits

korrespondierendes Mitglied]), Mainz (1950) zählten ihn zu ihren ordent¬

lichen Mitgliedern, als korrespondierendes Mitglied gehörte er den Aka¬

demien von Bologna (1926), Göttingen (1929), Wien (1931) an — die zu¬

letzt erwähnte Akademie ernannte ihn 1936 zu ihrem Ehrenmitglied —

schließlich Athen 1933. In den Reihen der vooraaziatisch-egjrptisch-

Gezelschaft Ex Oriente Lux (Leiden) findet sich sein Name in gleicher

Weise wie in denen des Riccobono Seminar of Roman Law der Ver¬

einigten Staaten von Nordamerika.

Auch wer dem wissenschaftlichen Leben ferner stände, würde aus

dieser Aufzählung ersehen, daß einer der bedeutendsten Juristen

unseres Landes, einer der führenden Repraesentanten deutschen Geistes¬

lebens, eine Persönlichkeit von höchstem internationalem Ansehen uns

verlassen hat.

In der Schweiz ist Paul Koschakeb mit sanfter Hand von dem Tod

hinweggeführt worden, und ebenso hat seine Wiege nicht in Deutschland

gestanden, sondern Paul Koschaker wurde am 19. April 1879 in Klagen¬

furt in Kärnten geboren, und in seinem ganzen Leben hat er nie die Ab¬

stammung aus der österreichischen Heimat verleugnet, die Herkunft

aus der alten kulturerfüllten Donaumonarchie stets erkennen lassen,

1 ZDMG 104/1

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obwohl oder gerade weil seine Verbundenheit mit der deutschen Wissen¬

schaft ihm niemals nur ein Lippenbekenntnis gewesen ist.

Der Besuch des Gymnasiums der Heimatstadt konnte Paul Koscha¬

keb die Grundlagen seiner umfassenden Bildung vermitteln, auf dem

Gebiet der Geisteswissenschaften, insbesondere Sprachen, wie in der

Mathematik und den Naturwissenschaften, dies sogar in einem solchen

Maße, daß der Abiturient sich, wie manche anderen bedeutenden Ju¬

risten, zunächst zum Studium der Mathematik entschloß, dann jedoch

zur Rechtswissenschaft überging, trotzdem aber der ursprünglich ge¬

wählten Disziplin immer eine gewisse Sympathie bewahrte. In der Art

seiner Forschung wird sich sogar eine Reminiscenz an mathematisches

Denken constatieren lassen, und dem Kenner begegnen einige ver¬

wandtschaftliche Züge zwischen beiden Wissenschaften.

Es ist sehr charakteristisch, daß von Anfang an Paul Koschaker dem

Studium des römischen Rechts das lebhafteste Interesse entgegenge¬

bracht hat, wobei neben der ansprechenden Gestalt seines Lehrers

Gustav Hanausek die Klarheit und strenge Systematik des römischen

Rechts der Neigung und Begabung des jungen Studenten für mathe¬

matische Probleme entgegengekommen sein mögen.

Die juristischen Studien von Paul Koschaker fanden im Jahre 1903

ihren Abschluß in der für Österreich üblichen Form der Prüfung zum

Doctor iuris utriusque. Im Hinblick darauf, daß der Kandidat seine

sämtlichen Examina mit der besten Note abgelegt hatte, erfolgte die

feierhehe Promotion sub auspiciis imperatoris, d. h., der Statthalter der

Steiermark überreichte in Anknüpfung an eine schöne österreichische

Sitte dem Promovenden im Auftrage von Kaiser Franz Joseph II.

einen kostbaren Ring.

Einer ebensolchen Tradition entsprach es, wenn Paul Koschakeb.

seine weitere Ausbildung an der damals berühmtesten juristischen

Fakultät Deutschlands, nämlich an der altehrwürdigen Universität zu

Leipzig, suchte. Die glanzvollsten Repraesentanten deutscher Rechts¬

wissenschaft am Beginn des 20. Jahrhunderts fanden sich dort zusam¬

men : der Strafrechtler Karl Binding, der Romanist Ludwig Mitteis,

der Germanist Rudolf Sohm, der Zivilist Emil Stbohal, der Zivil-

prozessualist Adolf Wach. Von ihnen übten Ludwig Mitteis und Emii>

Strohal den nachhaltigsten Einfluß auf den angehenden jungen Ge¬

lehrten aus, Strohal leistete er Dienste als Assistent und bekannte

stets die vielfache Anregung und Förderung, die ihm die zivilistische

Schulung durch Emil Strohal in reicher persönlicher Unterweisung

gebracht hat. Von entscheidender, geradezu richtunggebender Bedeu¬

tung war jedoch für den gesamten Lebensweg von Paul Koschakeb

die Begegnung mit Ludwig Mitteis. Zu dem Schülerkreis dieses aus-

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gezeichneten Mannes zählten die Namen hervorragendster Juristen,

insbesondere der Romanistik : Leopold Wenger, Josef Partsch, Hans

Peters, Ernst Rabel, Hans Lewald, Fritz Pringsheim, und es ist

daher fast selbstverständlich, daß auch Paul Koschaker dazu gehört.

Im Jahre 1891 hatte Ludwig Mitteis sein aufsehenerregendes Werk

Reichsrecht und Volksrecht publiziert und zum ersten Mal den Blick über

das engere Fachgebiet des römischen Rechts hinaus eröffnet auf die

neue Disziplin der juristischen Papyrologie und damit den griechisch-

hellenistischen Kulturkreis. Paul Koschaker indessen blieb es vor¬

behalten, den dadurch vorgezeichneten Rahmen zu sprengen und noch

weiter nach Osten vorzudringen, die orientahschen Rechte in den Bereich

der Forschung einzubeziehen, auf diese Weise verheißungsvolles Neuland

zu entdecken und zu erschließen.

Durch seine Habilitation an der Heimatuniversität Graz betrat Paul

Koschakeb 1905 die akademische Laufbahn, 1908 erhielt er einen Ruf

als Extraordinarius an die Universität Innsbruck, 1909 als Ordinarius

nach Prag. In fünf ruhigen Jahren ungestörter wissenschaftlicher Arbeit

legte Paul Koschakeb dort die Fundamente seiner weiteren wissen¬

schaftUchen Arbeit und folgte 1914 einer Berufung auf das Ordinariat

für römisches und bürgerliches Recht an der damals gegründeten Uni¬

versität zu Frankfurt am Main, um dort die glückhchste Zeit seines

Lebens zu verbringen, wie er jene Epoche in seiner Autobiographie be¬

zeichnet. Allerdings dauerte sie nicht lange, weil bereits im nächsten

Jahr Paul Koschakeb der Ruf an die juristische Fakultät der Uni¬

versität Leipzig erreichte, auf den Lehrstuhl für römisches und bürger¬

liches Recht als Nachfolger von Emil Stbohal und Kollegen seines

Lehrers Ludwig Mitteis.

Obwohl Frankfurt am Main, abgesehen von dem angenehmen Kreis

innerhalb der Fakultät und der Universität überhaupt, schon allein durch

das Stadtbild sowie die wundervolle Umgebung erheblich mehr bot als die

in dieser Beziehung ein wenig reizlose sächsische Landesuniversität,

zögerte Paul Koschakeb nicht, den zweifellos höchst ehrenvollen Ruf

anzunehmen. „Einen Ruf nach Leipzig lehnte man nicht ab", äußerte er

einmal später gesprächsweise, und in der Tat hat Paul Koschakeb die

ihm durch jene Berufung zuteil gewordene Ehre stets als ,, größte Aus¬

zeichnung" erachtet, wie er noch am 1. Juli 1937 bei seiner Antrittsrede

in der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin bekannte.

Andererseits hat es Paul Koschaker auch mit berechtigtem Stolz

empfunden, daß in den 21 Jahren seines Wirkens in Leipzig alle anderen

großen Universitäten ihn ebenfalls für sich zu gewinnen suchten, Wien

1925 und München 1926 vergeblich, Berlin gelang es schließhch im Jahre

1936, als die damahge Friedrich-Wilhelms-Universität ihm ein Ordi-

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nariat für römisches Recht und vergleichende Rechtsgeschichte anbot.

Entscheidend für die Annahme des Rufs war nicht die Erwägung, das

Ordinariat bekleiden zu können, das einst Friedeich Carl von S avion y

innegehabt hatte, die erste Lehrkanzel des römischen Rechts, sondern

der Gedanke leitete Paul Koschaker, hier vielleicht eine Gelegenheit

zu finden, um das damals in Deutschland auf das Schwerste in seiner

Existenz bedrohte römische Recht wirkungsvoll zu verteidigen. Jedoch

zeigte sich bald, wie wenig das Berlin der 30er und 40er Jahre der aus¬

gesprochenen Gelehrtennatur von Paul Koschaker zusagte. Es trug

nicht zu seinem Wohlbefinden bei, griff ihn vielmehr auch gesundheit¬

lich an, so daß er 1941 selbst den Wunsch äußerte, eine Professur für

römisches Recht an der Universität Tübingen zu übernehmen. In der

stillen, noch immer ruhig-beschaulichen Stadt, die seit Jahrhunderten

die Universität des Schwabenlandes in ihren Mauern sah, lebte Paul

Koschaker in gewohnter Zurückgezogenheit der Forschung und der

Lehre. Nach der von ihm im Jahre 1946 beantragten Emeritierung wirkte

der hochgeschätzte akademische Lehrer unverändert als Gastprofessor,

nämlich 1946/47 in München, im Sommer-Semester 1948 in Halle an

der Saale, von 1949 bis 1950 lehrte er mit größtem Erfolg römisches Recht

in Ankara, für Januar und Februar 1951 lud ihn die Bonner juristische

Fakultät zu Gastvorlesungen über Rechtsvergleichung ein, gleichzeitig

hielt er dort eine Pandektenexegese mit schriftlichen Arbeiten, den

Abschluß bildeten zwei Vorträge in Leiden. Die Veranstaltungen an

der holländischen Hochschule mußten j edoch zunächst verschoben werden ,

weil ein schwerer Herzanfall — das erste bedrohliche, wenn auch nicht

genügend beachtete Warnungszeichen, sich mehr Ruhe aufzuerlegen —

einen sofortigen Aufenthalt in der UniversitätsklinUc zu Leiden erforder¬

lich machte. Eine Woche später konnte aber Paul Koschaker als

erster deutscher Gelehrter seit Kriegsende vor holländischen Kollegen

und Studierenden das Wort zu viel beachteten und höchst beifällig auf¬

genommenen Ausführungen ergreifen. Die dann einsetzende Besserung

und scheinbare Wiederherstellung der Gesundheit veranlaßte ihn, seine

Zusage zu weiteren Vorträgen in Zürich, Basel und Wien zu geben. In¬

dessen war es Paul Koschaker nur noch vergönnt, an der Universität

Zürich zwei Vorlesungen zu halten, wenige Stunden nach der Ankunft

in Basel erlosch in üim die verzehrende Flamme der Erkenntnis. Das

Dasein eines ganz von dem Ethos der Wissenschaft erfüllten Gelehrten

hatte sich vollendet.

Nun, da der zeitliche Abstand inzwischen größer geworden ist und

wir nicht mehr unter dem unmittelbaren Eindruck dieses so überaus

schmerzlichen Verlustes stehen, vermag man eher die Freiheit und Un¬

befangenheit des Geistes zu haben, die allein eine umfassende Wür-

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digung des intensiven Lebenswerkes gestattet. Es zeichnet sich durch

eine seltene Universalität in der Behandlung wissenschaftlicher Pro¬

bleme aus, verknüpft mit Weitblick und Gedankentiefe, eminenter

Kombinationsgabe, einem nicht häufigen Gefühl für das Wesentliche

juristischer Erscheinungsformen und der beneidenswerten Fähigkeit,

die Ergebnisse der Forschung in die Gestalt einer kristallklaren Dar¬

stellung zu bringen. Ehrfurchtsvolle Bewunderung erfüllt den Betrachter

der vor ihm ausgebreiteten Lebensarbeit von Paul Koschaker, denn

sie zieht in den Kreis dieser Betätigung die orientalischen Rechte ebenso

wie die Papyrologie, behandelt mit der gleichen Souveränität Fragen

des römischen Rechts wie des griechischen und germanischen Rechts,

wendet sich in ebensolcher Selbstverständlichkeit, aus wertvollen histo¬

rischen Erkenntnissen schöpfend, dem modernen Recht vom Standpunkt

der Rechtsvergleichung zu.

Den Weg zur Orientalistik hat Paul Koschaker schon als Privat¬

dozent gefunden. Wohl waren bereits andere Juristen, namentlich

JosEF Köhler, vor ihm auf diesem Gebiet tätig gewesen, aber zum

Unterschied von ihnen war sich Paul Koschaker von Anfang an

darüber im Klaren, daß einmal ein Jurist nichts Zuverlässiges zur Er¬

kenntnis orientalischer Rechte beitragen kann, wenn er nicht über die

erforderlichen Sprachkenntnisse verfügt. Aus diesem Grunde hörte Paul

Koschakeb in Graz die Vorlesungen des Orientalisten Rhodokanakis

über das Assyrische, machte sich allmählich auch mit anderen orien¬

talischen Sprachen vertraut und fand in der Tübinger Zeit ein sicht¬

liches Vergnügen daran, unter der Anleitung von Enno Littmann

Arabisch zu treiben und damit die Fähigkeit zu erwerben, den Koran

im Urtext lesen zu können.

Sodann legte Paul Koschaker den größten Wert darauf, den Kon¬

takt mit den Vertretern der orientalischen Sprachwissenschaft niemals

zu verlieren. Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner umfassenden

Kenntnis auf diesem Gebiet war er einsichtig genug, zu bemerken, daß

der Jurist stets einer Beratung durch den Philologen bedarf, wenn er für

die orientalischen Rechte zu sicheren Ergebnissen gelangen will. In Ge¬

lehrten wie A. Ungnad, H. Zimmern, J. Friedrich standen ihm ver¬

ständnisvolle Helfer zur Seite, und die Zusammenarbeit mit B. Lands-

heeger hat Paul Koschakeb immer als ganz besonders ideal gerühmt,

wie überhaupt seine Erinnerung stets gern bei diesem wissenschaftlichen,

auch menschlich vertieften Kontakt im orientalischen Seminar der Leip¬

ziger Universität verweilte. Die vielfachen, unvergleichlichen Arbeits¬

möglichkeiten, die bezüglich der Orientalistik, namentlich im Vorder¬

asiatischen Museum, Berlin zu bieten hatte, waren ein Anreiz, Leipzig

mit Berlin zu vertauschen.

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Im Hinblick auf diese juristische und sprachliche Vorbildung darf man

in Paul Koschaker ohne Übertreibung den Begründer der modernen

orientalischen Rechtsgeschichte erbhcken. In der Kombination von

Philologie und Jurisprudenz einzigartig dastehend, hat er sich den höch¬

sten Ruhm eines Gelehrten erworben, nämlich ein völlig neues Gebiet

zu erschließen, die tragenden Fundamente für dessen Erkenntnis zu

legen und damit eine bisher in dieser Art noch nicht bestehende wissen¬

schaftliche Disziplin zu schaffen.

Ursprünglich geleitet von dem Gedanken, einen Überblick der wich¬

tigsten Institute des gesamten altbabylonischen Privatrechts zu geben,

hat sich Paul Koschaker zunächst eine erheblich bescheidener wirkende,

aus dem damaligen Stand der Quellen erklärliche, darum aber nicht

minder bedeutsame und in ihren Erträgen besonders reiche Aufgabe

gesetzt, die im Jahre 1911 publizierte Darstellung Babylonisch-assyri¬

sches Bürgschaftsrecht. Das Werk brachte den Verfasser unmittelbar in

die erste Reihe der Forscher. Es gibt unter Verwertung eines weitver¬

zweigten alt- und neubabylonischen Urkundenmaterials eine Darstellung

des Rechtsinstituts der babylonischen Bürgschaft, und zwar eine histo¬

rische wie auch dogmatische, insofern sie die Entwicklung dieses Insti¬

tuts durch die ganze babylonisch-assyrische Zeit begleitet.

Es ist eine Geschichte der persönlichen Haftung im babylonisch¬

assyrischen Recht, und ihr Autor tritt ebenbürtig zu den anderen Ge¬

lehrten wie Josef Bartsch mit seiner Untersuchung des griechischen

Bürgschaftsrechts und zu der hochentwickelten germanistischen For¬

schung, repraesentiert durch die Namen Otto von Gierke und Karl

VON Amira.

Die Rechtsvergleichung zwischen orientalischem, griechischem und

germanischem Recht benutzt der Verfasser bereits, um aus den altbaby¬

lonischen Rechtsquellen sichere Schlüsse für die Terminologie zu ziehen.

Er weist einem Formalakt, dem Handritus, besondere Bedeutung zu.

Indem der Bürge dem Gläubiger die Hand reicht, begibt er sich damit

symbolisch in die Gewalt des Gläubigers, jedoch nur in eventum, sofern

nämlich der Bürgschaftsfall eintritt.

Den neubabylonischen Quellen entnimmt Paul Koschaker, daß

bezüglich der Erfüllung der Schuld der Bürge dem Gläubiger persönhch,

mit seinem Körper haftet. Hierbei verspricht der Bürge jedoch primär

die Leistung eines Dritten, des Hauptschuldners, nicht eine eigene. Seine

Verpflichtung stellt sich also als Garantieversprechen dar, und zwar als

ein selbständiges, das nicht wie im römischen und heutigen Bürgschafts¬

recht dem Grundsatz der Accessorietät unterliegt. Sekundär, falls der

Schuldner nicht erfüllt, verspricht der Bürge persönliche Erfüllung, ent¬

weder in der Weise, daß der Schuldner den Erfüllungsort nicht verlassen

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und daher für den Gläubiger bereit sein wird, oder der Bürge sagt die

,, Gestellung" (Herbeiführung) des Schuldners zu, wird demnach selbst

handeln. Dies bildet einen interessanten Beitrag zur Frage des Verhält¬

nisses von Bürgschaft und Personalexekution. „Der Bürge ist also ge¬

wissermaßen Exekutionsorgan des Gläubigers" (pag. 68). Ebenso droht

dem Bürgen, sofern der BürgschaftsfaU akut wird, der Zugriff des Gläu¬

bigers, ,,oder vielleicht exakter: er ist nunmehr verpflichtet, sich selbst

als Ersatzobjekt für den Schuldner dem Gläubiger auszuliefern" (pag.

76). Indem der Bürge jedoch ein subsidiäres Erfüllungsversprechen ab¬

gibt, trägt die Bürgschaft des babylonischen Rechts bereits den Keim

einer Entwicklung in sich, bei der die Obhgation des Bürgen ,,zu einer

der Verpflichtung des Schuldners gleichartigen Schuld" wird.

Die Studie heißt im Untertitel: Ein Beitrag zur Lehre von Schuld und

Haftung. In der Tat gibt sie unter dem Gesichtspunkt der orientalischen

Rechte dem viel erörterten Thema emen wesentlichen Impuls.

Aus dem Schuldversprechen erwächst ursprünglich nur die Schuld,

der Schuldner soll etwas leisten, der Gläubiger es bekommen, die dem

modernen Juristen selbstverständliche Haftung ist darin nicht enthalten.

Zu ihrer Begründung muß der Schuldner vielmehr einen Bürgen stellen

oder sich selbst für die Schuld verbürgen. Im erstgenannten Falle haftet

der Bürge, im zweiten der Schuldner, und zwar als Bürge für sich selbst,

nicht in seiner Eigenschaft als Schuldner.

Auch zu dem Problem der Eviktionsgarantie und dem Gewährenzug

nimmt der Autor Stellung, hier wie immer unter sorgsamster Verwendung

der sich in den griechischen und germanischen Rechtsquellen darbieten¬

den Analogien.

Das bedeutsamste babylonische Rechtsdenkmal, der Codex Hammu¬

rabi, gab 1917 Paul Koschaker Veranlassung, mit einer Arbeit Rechts¬

vergleichende Studien zur Gesetzgebung Hammurapis, Königs von Babylon

vor die Öffentlichkeit zu treten. Wiederum ist an Stelle des ursprüng¬

lichen, hochgesteckten Zieles einer zusammenfassenden Untersuchung des

altbabylonischen Privat- und Prozeßrechtes im Hinblick auf das in

reichem Umfang vermehrte Quellenmaterial nur ein Ausschnitt pubh-

ziert worden. Jedoch hat sich diese Zurückhaltung in höchstem Maße

bewährt, insofern die Abhandlung sich auf ein wesentlich breiteres Fun¬

dament stützen konnte, außerdem eine sonst nicht mögliche Vertiefung

erfuhr.

Das Leitmotiv, das die ganze Studie durchzieht, ist auf die Entste¬

hungsgeschichte des Codex Hammurabi abgestimmt und befaßt sich mit

dem exakten Nachweis, daß der babylonische König bei seiner Codification

sumerische Vorlagen benutzt hat. Zum ersten Mal widmet sich der Ver¬

fasser erfolgreich der Erkenntnis des sumerischen Rechts. Dem Autor

(10)

gelingt in glänzender Form der Nachweis von Interpolationsannahmen —

Textverfälschungen, die äußerlich nicht kennthch gemacht sind — in¬

nerhalb des Codex Hammurabi, genau wie in der Wissenschaft vom rö¬

mischen Recht, vor allem bezüglich des Corpus iuris civilis Kaiser lusti-

nians. Paul Koschaker zeigt mit Evidenz, daß der Codex Hammurabi

die benutzten sumerischen Gesetze einerseits in ihrer früheren Formu¬

lierung aufnimmt, sie andererseits aber auch ändert, insbesondere den

Erfordernissen der damaligen Gegenwart anpaßt. Für seine Beweis¬

führung hat Paul Koschaker zwei Probleme ausgewählt, Depositum

und Eigentumsverfolgung (mit dem Ausdruck des germanischen Rechts

als ,,Anefang" bezeichnet) und Fragen des Eherechts.

Durch verschiedene Incongruenzen, wiederum unter Heranziehung

rechtsvergleichenden Materials, weist der Verfasser nach, daß manche

Paragraphen ihre Entstehung dem Machtwort des Gesetzgebers ver¬

danken, wie etwa §§ 122, 123, wo der treulose Depositar ohne jede Strafe

leugnen kann, falls der Deponent nicht Zeugen und Urkunden vorweist,

während § 124 dem Verwahrer die Strafe des Duplum zudiktiert, selbst

wenn der Kläger nur Zeugen zur Verfügung hatte. Daß diese letztge¬

nannte Regelung auf einen alten Rechtszustand zurückgeht, belegt der

Autor mit Parallelen aus dem römischen, griechischen, graeko-ägyp-

tischen, byzantinischen und indischen Recht.

Sehr fein ist die Beobachtung (pag. 25), daß bei derartigen Überarbei¬

tungen alle Paragraphen, die als Einleitung in eine gesetzlich geregelte

Materie dienen, spätere Zusätze sind, weil ein Gesetzgeber unter Ver¬

zicht auf strenge Systematik seine Schöpfung für besonders bedeutsam

ansieht und deshalb an die Spitze stellt.

An Hand zahlreicher Beispiele, insbesondere der Haftung des Ver¬

wahrers, führt Paul Koschaker in tief eindringenden Analysen sach¬

liche Unstimmigkeiten der Texte vor und bringt die Interpolationen an

das Tageslicht, stets von dem Bemühen geleitet, ,,mit Hilfe der Rechts¬

vergleichung noch weiter in das Dunkel der Vergangenheit zu dringen"

(pag. 55).

Zum Eherecht erörtert der Verfasser mit Scharfsinn und bewunderns¬

werter Kombinationsgabe die Schriftlichkeit des Ehevertrags und seine

Terminologie, betrachtet die Kontrahenten, ferner die sogenannte ,, Ver¬

lobung" und unterscheidet (pag. 181) im Babylonien des dritten Jahr¬

tausends zwei Rechtsgebiete, im Norden äas semitische, im Süden das

sumerische. „Die Ehe des sumerischen Rechts ist keine Kaufehe mehr,

der Kaufpreis ist bereits umgewandelt zur Eheschenkung" ,Die

semitische Ehe ist Kaufehe" (pag. 197). Zutreffend spricht aber Paul

Koschaker eine Warnung gegenüber einem voreiligen Schluß aus. Die

Kaufehe darf nicht mit dem Kauf einer Sklavin oder eines Stückes Vieh

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auf die gleiche Stufe gestellt werden, weil die ursprünglich einheitliche

Gewalt des Hausherrn bereits Differenzierungen angenommen hat, näm¬

lich in der juristischen Kategorie des Eigentums über Sachen, wozu auch

Sklaven und Vieh gehören, und der eheherrlichen Gewalt über die Ehefrau.

Den Fragen des Eherechts hat Paul Koschaker überhaupt gern und

wiederholt Interesse entgegengebracht, jenes Gebiet im Laufe seines

arbeitsreichen Lebens unter mannigfaltigen Gesichtspunkten durch¬

forscht.

Erinnert sei an den Aufsatz Über einige Probleme des Eherechts im

Lichte der vergleichenden Rechtsgeschichte (1939). Unter kritischer Wer¬

tung des einheitlichen Eheinstituts im deutschen bürgerlichen Recht

wirft der Verfasser die Frage auf, ob der soziale Inhalt die notwendige

Berücksichtigung gefunden hat, die Verschiedenartigkeit der sozialen

Erscheinungsformen, die soziale Gliederung der Bevölkerung beachtet

worden ist.

Innerhalb der deutschen Landesreferate zum II. Internationalen Kon¬

greß für Rechtsvergleichung im Haag 1937 findet sich eine Arbeit von

Paul Koschaker über Die Eheformen bei den Indogermanen. Hier zeigt

der Autor, daß die Eheschließung zwar den Regeln des Kaufrechts folgt,

aber Charakter und Struktur des durch Kauf erworbenen Eigentums an

der Frau dürfen niemals dem Eigentum an einer Sklavin oder sonstigen

Sache gleichgestellt werden.

Noch die letzte Arbeit des verewigten Gelehrten, die kurz vor seinem

Heimgang in der Festschrift für Hrozny 1951 erschienen ist, : Eheschlies¬

sung und Kauf nmh alten Rechten, mit besonderer Berücksichtigung der

älteren Keilschriftrechte kommt wiederum auf die früher berührte Pro¬

blematik zurück, zuweilen unter Modifizierung des einstmals eingenom¬

menen Standpunkts. Gelegentlich eines Vortrags auf dem internationalen

Kongreß für Rechtsvergleichung im August 1950 in London hatte üb¬

rigens Paul Koschaker die neuen Grundgedanken bereits skizziert.

Er legt sich das Problem vor: ,,Stimmen Kaufund Eheschließung nach

ihrer juristischen Struktur überein oder nicht?" (Hrozny-Festschrift

S. 212). Unter „Kauf" möchte Paul Kosch.4Ker nicht den allgemeinen

Begriff moderner Schuldrechte verstanden wissen, sondern will ihn auf

den Kauf von Großgütern begrenzt sehen: Sklaven, Großvieh, Grund¬

stücke, namentlich die Ackerflur.

Die international herrschende Lehre, wonach der Ursprung des Kaufs

im Barkauf zu suchen sei, weist Paul Koschaker energisch zurück. Der

älteste sumerische Grundstückskauf zerfällt in zwei getrennte Akte, die

Preiszahlung und die einseitige Besitzergreifung durch den Käufer, be¬

gleitet vom Verzicht des Verkäufers. Genau das Gleiche lehrt der Autor

für die Brautpreiszahlung und die Heimführung der Braut, das uxorem

(12)

ducere des römischen Rechts. FaUs aber „die juristische Struktur der

Eheschließung im Wesenthchen diejenige des Kaufs von Großgütern

war" (pag. 215), ist offenbar für beide die gleiche Entwicklung anzuneh¬

men, und wenn ,,die zeitliche Trennung von Brautpreiszahlung und

Besitzerwerb an der Ehefrau bei der Eheschließung seit jeher existierte, so

ergibt sich das Entsprechende mit großer Wahrscheinlichkeit auch für den

Kauf. Damit allein schon wäre die Barkauftheorie erledigt." (pag. 215).

Die Zahlung des Brautpreises hat eine Bindung der Braut zur Folge,

entfaltet eine sachenrechtliche, eine dinghche Wirkung. Der Bräutigam

ist zur direkten Vollstreckung berechtigt, kann auf die Braut greifen,

nicht auf den Brautvater, weil dies eine aus einem Verlöbnis erwach¬

sende persönliche Haftung voraussetzen müßte.

Die weitgehende Berücksichtigung der nordischen Rechte, aber auch

des römischen und anglo-amerikanischen Rechts (sale of land) zeigt, daß

der Käufer auf Grund der Preiszahlung das Recht erwirbt, einseitig

durch Ergreifen des Besitzes der Sache den Kauf zu vollenden. Hier¬

durch liefert die schöne Arbeit einen interessanten Beitrag zur Denk¬

form des funktional beschränkten, des geteilten Eigentums und damit

zur Lehre vom ius ad rem.

Was die juristische Natur des durch die Zahlung des Brautpreises

geschaffenen Rechtsverhältnisses angeht, so durchläuft der Rechtser¬

werb, bevor er zu einem Vollrecht gefestigt wird, die Stadien eines un¬

vollkommenen Eigentums. Demnach muß man sich das Wachsen des

Eigentums stufenförmig vorstellen, bis es sich zu einem Vollrecht wan¬

delt. Die Preiszahlung bei Kauf und Eheschließung verschafft dem Käu¬

fer zunächst nur ein inhaltlich beschränktes Eigentum, das sich erst

infolge des Besitzerwerbs zum Volleigentum entwickelt. Der Verfasser

charakterisiert das erste Stadium als Vorehe bezw. Voreigentum.

Abschließend wendet sich Paul Koschakeb den di-til-la Urkunden,

zu, den berühmten Texten aus Lagas zur Zeit der 3. Dynastie von Ur.

Dort wird nichts von Brautpreiszahlung oder Surrogaten erwähnt, wohl

aber begegnet das Verlöbnis in Form eines eidlichen Versprechens, die

Frau zu geben wie zu nehmen. Mit diesen Urkunden ist der Gedanke

der symbolischen Tradition verknüpft, die Eheurkunde vermag den

effektiven Besitzerwerb an der Frau zu ersetzen, niemals allerdings die

Zahlung des Brautpreises. Das Bargeschäft bildet nach der Lehre von

Paul Koschakeb den Abschluß der Entwicklung, nicht aber ihren An¬

fang, wie es der herrschenden Auffassung entspricht.

Wohl ist die Terminologie der Eheschließung in alten Rechten von der

des Kaufs verschieden, aber in der juristischen Struktur besteht Über¬

einstimmung.

Auch in dieser Studie nehmen die Anmerkungen wiederholt das Aus-

(13)

maß kleiner Abhandlungen über Spezialprobleme an, und der Leser

schöpft wie immer reichste Belehrung, wenn der Verfasser auf winzigem

Raum seine Ansichten präzisiert wie etwa zu der ,, Rolle des Kleids im

Recht" (pag. 253 n. 47), dem legatum sinendi modo aus dem römischen

Vermächtnisrecht (pag. 253 n. [252 n. 46]) oder der Entwicklung der

römischen mancipatio (pag. 288 n. 97).

Postum ist schließlich noch 1951 in dem Journal of Cuneiform

Studies ein Aufsatz über Probleme der Ehescheidung erschienen: Zur

Interpretation des Art. 59 des Codex Bilalama.

In den letzten Dezennien hat das der orientalischen Rechtsgeschichte

zur Verfügung stehende Quellenmaterial ungeahnte Erweiterungen er¬

fahren, sowohl in der Tiefe, da zu dem bisher Vorhandenen wertvolle

Ergänzungen hinzukamen, wie auch in der Breite, insofern die For¬

schung sich nicht mehr auf Babylonien und Assyrien angewiesen sah.

Vielmehr erhielt sie neuen Zuwachs durch den Fund von Fragmenten

einer sumerischen Gesetzessammlung, es folgten Teile eines sogenannten

„mittelassyrischen Rechtsbuches" und schließlich die ,, hethitischen Ge¬

setze", ferner Entdeckungen, die nach ihren Fundorten als kappadokische

Urkunden von der Ruinenstätte Kültepe sowie als Texte von Assur und

Susa bezeichnet werden.

Die Berücksichtigung, Verarbeitung, geistige Durchdringung aUer

dieser Tafeln und Urkunden erforderte schon in philologischer Hinsicht

auch für den orientalistisch vorgebildeten Juristen ein gewaltiges Maß

an Mühe und Concentration, denn die genannten Texte verlangten die

Beschäftigung mit besonderen assyrischen Dialekten, und das Hethiti¬

sche gehört ohnehin zur indogermanischen Sprachfamilie.

In den Mitteilungen aus der Vorderasiatischen Abteilung der Staat¬

lichen Museen zu Berlin erschien 1922 Ein altassyrisches Rechtsbuch,

übersetzt von Hans Eheholf. Es war von Paul Koschakeb mit einer

rechtsgeschichtlichen Einleitung versehen worden. Handelte es sich hier¬

bei zunächst nur um ,,eine gemeinverständliche Einführung in den Text"

(pag. 3), so hat Paul Koschaker die dort gewonnenen Ergebnisse noch¬

mals aufgegriffen in einer detailierten Arbeit: Quellenkritische Unter¬

suchungen zu den altassyrischen Gesetzen (1921).

Bei Forschungen der deutschen Orientgesellschaft waren in Assur

mehrere Tontafeln gefunden worden, die sich für die Beobachtung der

vorderasiatischen Rechtsgeschichte von großer Bedeutung erwiesen.

Die durch Paul Koschakeb untersuchten Texte ergeben das interes¬

sante Resultat, daß sie von Einheitlichkeit weit entfernt sind, vielmehr

das geistige Produkt verschiedener Zeiten darstellen. Mehrere Para¬

graphen beruhen vollständig auf späterer Zutat, andere wurden durch

Zusätze nachträglich erweitert.

(14)

Der Verfasser spürt überall im Text diese „Glossen" auf und weist

nach, daß sie für die Textgestaltung charakteristisch sind. Sehr zutref¬

fend bemerkt der Autor, daß gesetzgeberische Werke vergangener Jahr¬

tausende, wie der Codex Hammurabi in Babylon oder etwa auch die

XII Tafeln in Rom, durch Sparsamkeit in der Diktion, Knappheit des

StUs, lapidare Form des Ausdrucks gekennzeichnet sind, während die

vorliegenden Tafeln infolge ihrer Umständlichkeit und Schwerfälligkeit wenig Geschick verraten.

Mit feinem Einfühlungsvermögen trennt der Gelehrte verschiedene

Gruppen derartiger ,, Glossen". Er unterscheidet die ,,paraphrasierende

Glosse", die der Umschreibung und damit der Erläuterung des Tatbe¬

standes dient, sowie die „exegetische Glosse", die sich der Erklärung

irgendwelcher Rechtsfolgen widmet, ,, durch Ausmalung von Einzel¬

heiten den überlieferten Rechtssatz näher zu begrenzen und verständ¬

lich zu machen sucht" (pag. 26). Daneben finden sich ,, verweisende Glossen", die ,, auf verwandte Rechtsfälle oder Rechtssätze" Bezug neh¬

men, ,, ergänzende", bei denen „der ursprüngliche Tatbestand durch

Hereinziehung neuer Tatbestandsmomente erweitert und ergänzt wird."

Schließlich weist Paul Koschaker auf Glossen hin, in denen eine be¬

reits existierende Rechtsregel fortgebildet wird, und solche, die den über¬

lieferten Rechtssatz abändern.

Wie der Verfasser annahm, erweist sich die Fassung der Texte in der Jk

vorliegenden Gestalt als ,,eine Kompilation aus sehr verschiedenartigen. I

Quellen" (pag. 11). I

Die in Kirkuk entdeckten Urkunden stammen nicht von einer assy- I

rischen Bevölkerung, nicht einmal von einem semitischen Volk, sondern. ■

gehören zu einer als ,, subaräisch" oder ,,hurritisch" bezeichneten Gruppe. I

Zur Interpretation dieser Texte hat Paul Koschaker einen ganz ent- ^

scheidenden Beitrag geliefert in der Abhandlung: Neue keilschriftliche

Rechtsurkunden aus der El-Amarna-Zeit (1928).

Schematisch betrachtet ist im Gebiet der orientalischen Rechte jeder ^

Kauf ein Barkauf. Er hat sich aber von dieser Denkform schon insoweit ■

entfernt, als bei der Errichtung der Kaufurkunde weder die Übergabe«

der Sache notwendig ist, noch auch die Preiszahlung (sogenannter Kre- ■

ditkauf). Demgegenüber läßt sich andererseits in den altorientalischen»

Rechten der Satz nachweisen, daß mit der Zahlung des Kaufpreises das

Eigentum am Kaufgegenstand auf den Käufer übergeht. Wenn nun der

Käufer vom Verkäufer die traditio verlangt, liegt nicht ein obligations¬

rechtlicher Anspruch vor, sondern der Anspruch beruht auf dem Eigen- A

tum des Käufers. Allerdings ist dieses Eigentum nur ein relatives, esM

entfaltet Wirkungen ledighch inter partes. Soll es mit absolutem Charak- ■

ter ausgestattet sein, so bedarf es der Wahrung der Pubhzitätsform, z. B. ■

(15)

des öffentlichen Aufgebotes. Andere wichtige Untersuchungen, z. B.

zur Verkaufsadoption, einer Species der nachgeformten Rechtsge¬

schäfte, schließen sich an. Bei ihr liegt weder die übliche Adoption inter

vivos, noch mortis causa vor, sondern die Verteilung des Nachlasses

unter Gewalt unterworfene. Begrifflich ist dazu die Existenz eines Ge¬

waltrechts Voraussetzung, und da dieses zunächst nur bei Kindern und

der Ehefrau gegeben ist, muß es in allen übrigen Fällen erst im Wege der

Adoption geschaffen werden.

Auch zum Problem des Haftungsrechts, zu Darlehen und Pfandrecht

nimmt der Verfasser Stellung, wobei ihm die Papyrusurkunden des

hellenistischen Ägypten wie das mittelalterliche deutsche Recht will¬

kommene Unterstützung gewähren.

In zwei Aufsätzen hat Patjl Koschaker grundsätzliche Probleme der

orientalischen Rechtsgeschichte in vollendeter Weise skizziert und nach

Art einer programmatischen Übersicht eüier generellen Klärung zuge¬

führt, einmal 1929: Forschungen und Ergebnisse in den heilschriftlichen

Rechtsquellen (S. Z. 49, 188 sq.), noch umfassender 1935 in der Abhand¬

lung Keilschriftrecht (ZDMG 89).

Schon im Jahre 1913 hatte zwar Paul Koschaker gelegenthch eines

Vortrags auf dem Londoner internationalen Historikerkongreß: The

scope and methods of a history of assyrio-babylonian law mit Rücksicht auf

die damals vorhandenen Quellen Plan und Ziel einer babylonisch-assy¬

rischen Rechtsgeschichte entwickelt. Nachdem nunmehr Ausgrabungen

an den verschiedensten Stellen des alten Orients eine Fülle neuen Mate¬

rials gebracht und den Horizont der Erkenntnis in vorher nie geahnter

Weise ausgedehnt hatten, erwies sich eine Besinnung, eine Neuorientie¬

rung als dringend geboten.

In der Abhandlung von 1935 gibt der Verfasser eine kurze Rückschau

auf die Geschichte der Erforschung des keUschriftlichen Rechtsdenkens,

sodann eine vorzüglich informierende Liste der Ausgrabungen und zieht

daraus die Consequenz, daß der frühere Standpunkt nicht mehr haltbar,

der Begriff einer babylonisch-assyrischen Rechtsgeschichte überholt er¬

scheint.

Es kommt keineswegs mehr allein die Rechtsgeschichte des Mutter¬

landes in Betracht, sondern ein Komplex von Rechten, der sich räumlich

auf ganz Vorderasien, Babylonien, Assyrien, Mesopotamien, Kleinasien,

Syrien erstreckt, zeitlich ungefähr drei Jahrtausende umfaßt, sachlich

die Rechte der Babylonier, Assyrier, Sumerer, Hethiter, Subaraeer und

Elamer zum Forschungsobjekt hat, wobei es sich — was sprachlich eben¬

falls von größter Wichtigkeit ist — entweder um semitische oder indo¬

germanische Völker, teilweise auch um Gruppen unbekannter Herkunft

handelt.

(16)

Bei dieser fast verwirrenden Fülle der Erscheinungsformen findet Paul Koschaker dennoch ein einheitliches Kriterium in der , .Keilschrift" , in der

die Rechtsdenkmäler aller dieser Rechte der Nachwelt überliefert sind. Er;

spricht deshalb von einem „Keilschriftrecht" oder noch exakter von einer

„Rechtsgeschichte im Bereiche der keilschriftlichen Rechtsquellen."

Allerdings liegt nicht eine politische Einheit vor, wenn man von der

letzten Epoche während der Perserherrschaft absieht, sondern diese

Einheit ist eine kulturelle. Insofern handelt es sich um eine Geschichte

der babylonischen Kultur, und diese äußert sich in Form einer Assimi¬

lierung derjenigen Völker, die auf einer geringeren Stufe der Civilisation

stehen oder noch Barbaren sind, andererseits ist jene Kultur durch eine

Expansion gekennzeichnet.

In der Entwicklung ihrer Rechte bleiben diese Völker jedoch autonom.

Babylon gibt ihnen nur Sprache, Schrift, Urkunde, nicht der Inhalt des

Rechts, sondern seine Form ist von entscheidender Bedeutung. Daraus

folgt, daß dieser insbesondere rechtsgeschichtlich begrenzbare Kultur¬

kreis seine historische Eigenexistenz führt und seine selbständige Pro¬

blematik hat, dementsprechend auch in der wissenschaftlichen Erkennt¬

nis für die Forschung sein Eigenleben beanspruchen kann.

Von diesem Standpunkt aus lehnt es Paul Koschaker vor allem

ab, das ,, Keilschriftrecht" in Beziehung zu setzen zur Frage der Orientali¬

sierung des spätrömischen Rechts. Außerdem ist die zeitliche Distanz

eine viel zu große, denn die babylonische Rechtskultur kommt gegen

Ende des 2. Jahrhunderts a. Chr. n. zum Erlöschen, ist also um Jahr¬

hunderte vom ausgehenden römischen Recht getrennt.

Schon allein durch das Verdienst, der Begründer einer neuen Wissen¬

schaft geworden zu sein, würde sich Paul Koschaker ein monumentum

aere perennius geschaffen haben. In der Forschung ist er jedoch nicht

von der Orientalistik ausgegangen, sondern von dem Gebiet, das er auch

als akademischer Lehrer mehr als vier Jahrzehnte an verschiedenen Uni¬

versitäten mit größtem Erfolg vertreten hat, dem römischen Recht, und

stets hat er eine Art Arbeitsteilung vorgenommen, indem er bei seinen

weitgespannten Untersuchungen zwischen dieser Disziplin und der ori¬

entalischen Reohtsgeschichte abwechselte. Allerdings darf man nicht

vergessen, daß sich bei allen Abhandlungen von Paul Koschaker eine

scharfe Trennung dieser Gebiete garnicht vornehmen läßt, weil er, seiner

wissenschaftlichen Eigenart folgend, nie eine Rechtsordnung isoliert

betrachtete, sondern immer die rechtsvergleichende Methode anwendete

und auf diese Weise überall der Erkenntnis mehrerer Rechte vergleichend zu dienen vermochte.

Die erste Studie Translatio iudicii ist dem römischen Zivilprozeß ge¬

widmet. Unter Berücksichtigung und Verwertung der von dem Alt-

(17)

meister des römischen Zivilprozeßrechts, MoEiz Wlassak, gewonnenen

Grundlagen nimmt der Verfasser bereits in selbständiger Kritik und

zuweilen in Abweichung von Moeiz Wlassak zu dem Problem Stellung,

inwieweit der materiellrechthche Begriff der Succession für die Prozeß-

obhgation verwertbar erscheint. Paul Koschakee verneint die Frage,

ob bei der Prozeßnachfolge, dem Eintritt eines Prozeßsubjektes in den

Rechtsstreit, eine neue litis contestatio stattfindet.

Auf dem zweiten deutschen Historikertag in Göttingen, im Mai 1929,

hat Paul Koschakee nochmals ein prozessuales Problem untersucht,

nämlich das des zweigeteilten Verfahrens im römischen Zivilprozeß. In

Übereinstimmung mit Moeiz Wlassak deutet er das älteste römische

Zivilverfahren als „formalisierte Selbsthilfe", der sich ein Schiedsvertrag

anschließt, wobei der Staat einen solchen Vertrag obhgatorisch macht,

sich aber im übrigen eine Selbstbegrenzung in der Gestalt der Vermitt¬

lung und Kontrolle auferlegt.

Mit der Erkenntnis des Urkunden- und Archivwesens im römischen

Ägypten befaßt sich ein Aufsatz Der Archidikastes (S. Z. 28, 254 sq.;

29, 1 sq.). Während in der Zeit der Ptolemäer der Erzrichter nur die

Funktionen eines ,,stadtalexandrinischen Beamten" ausübt, erweitert

sich unter der Herrschaft der Römer diese Kompetenz. In sorgfältiger

Beachtung der Entwicklungshnien gibt Paul Koschaker eine Übersicht

der Inhaber dieses Amtes, des Aufgabenkreises im allgemeinen sowie der

Beziehungen zur städtischen Verwaltung im besonderen.

Bei der Darstellung der staatlichen Kompetenzen, die nicht der strei¬

tigen Gerichtsbarkeit, sondern der iurisdictio voluntaria angehören,

werden zwei Ämter gründlich behandelt, die SiaXoy /], in der Kaiserzeit

Zentralbehörde in Alexandria, und das Archivamt des Archidikastes für

das xaTaXoYeiov, die Errichtung von Geschäftsurkunden. Das gesamte

Urkundenwesen, namentlich bezüglich der Unterscheidung in öffenthche

und private Homologien, erhält eingehende kritische Würdigung, die

in der Behauptung des notariellen Ursprungs sämtlicher Homologien

gipfelt. Betrachtungen über den Archidikastes als Richter und im Exe¬

kutionsverfahren schließen die tief eindringende Arbeit ab.

Neben verschiedenen, zuweilen in anderen Studien eingestreuten Be¬

merkungen hat sich Paul Koschakee nochmals 1931 ex professo der

Papyrologie zugewendet in einer Abhandlung Über einige griechische

Rechtsurkunden aus den östlichen Randgebieten des Hellenismus. In sou¬

veräner Beherrschung von QueUen und Literatur, unter Heranziehung

der orientalischen Rechte, des griechischen, römischen und germanischen Rechts behandelt Paul Koschakee zunächst kurz das Intestaterbrechts-

gesetz von Dura Europos und erörtert danach eine Darlehensurkunde

aus Dura (P. Dura 10), wobei er die Gelegenheit ergreift, das Verhältnis

(18)

des griechisch-hellenistischen Rechts zum Orient einer grundsätzlichen Betrachtung zu unterziehen.

„Nicht darum handelt es sich, ivie man ein Rechtsinstitut eines Volkes

von der Begriffswelt des römischen Rechts aus konstruieren könnte, sondern wie es sich das betreffende Volk selbst juristisch vorgestellt hat." (pag. 39).

Im Mittelpunkt der Untersuchung erhebt sich die Frage der General¬

hypothek sowie der Dienstantichrese, d. h., statt der Zinsen steht dem

Gläubiger die Arbeitskraft seines Schuldners zur Verfügung, wobei der

Verfasser auch die antichretische Verpfändung von Gewaltunterwor¬

fenen — Ehefrau, Kinder, Sklaven — heranzieht. Das altbabylonische

Quellenmaterial zeigt eine Selbstverpfändung sowie die Verpfändung von

Kindern, bezw. Selbstverkauf und Verkauf von Kindern. Den mittel-

und neuassyrischen Urkunden entnimmt Paul Koschaker für die ge¬

nannten Rechtsbeziehungen eine personen- bezw. familienrechtliche Ab¬

hängigkeit, die Dienstleistung der Pfandperson wurzelt nicht allein in

einer obligatorischen, sondern in einer stärkeren Beziehung. Die neu¬

babylonischen Urkunden sowie die graeko-aegyptischen Papyrusurkun¬

den bewahren hinsichtlich dieses Gewaltverhältnisses des Gläubigers die

einzelnen Klauseln noch in beinahe wörtlicher Ubereinstimmung.

Wenn sich ferner bei einer Freilassung der bisherige Herr zu seinen

Gunsten und für seine Lebenszeit Dienste des Freigelassenen vorbehält,

so hat diese Verpflichtung zur Arbeitsleistung ebenfalls nicht bloß ob¬

ligatorischen, sondern personenrechtlichen Charakter, beruht auf einem

Verhältnis persönlicher Gebundenheit. Es handelt sich um den Vorbehalt

einiger Eigentumsbefugnisse seitens des manumissor, und dieser Gedanke

gibt Paul Koschaker Veranlassung, die Frage nach dem geteilten

Eigentum, der Aufteilung des Eigentumsinhaltes nach Befugnissen, in

extenso aufzuwerfen. Für diese juristische Kategorie zieht der Verfasser

das griechische, germanische, islamische Recht ebenso heran wie die

Judikatur der Equity- Gerichte des englischen Rechts und glaubt, die

Denkform des ius in re aliena bei der Konstruktion des Pfandrechts für

den griechischen und orientalischen Rechtskreis verneinen zu müssen,

zugunsten des Gedankens des geteilten Eigentums. In Mesopotamien

begegnet sich dieses Institut des griechischen Rechtskreises mit dem in

gleicher Weise im Orient entwickelten. Eine Rezeption liegt weder in

Griechenland noch im Orient vor, aber auch die Idee einer unabhängigen

Parallelerscheinung lehnt Paul Koschakeb in diesem Zusammenhang

ab, meint vielmehr, daß hier ein tertium gegeben ist, insofern das grie¬

chisch-hellenistische Recht das vom Orient parallel entwickelte Rechts¬

institut in sich aufnimmt und ihm eine eigentümliche Struktur gibt.

„Man kann das Assimilation nennen, die durch die weitgehende Über,

einstimmung natürlich erleichtert wurde", in dieser Fassung formulierte

(19)

Paul Koschakee das Phaenomen bereits auf dem XVIII'' Congrfes inter¬

national des orientalistes im September 1931 in Leiden, als er über Die

rechtsgeschichtliche Bedeutung der griechischen Pergamentsurkunden aus

Dura sprach.

Das römische Eherecht hat der Gelehrte ebenfalls in den Kreis seiner

Betrachtungen gezogen. Ein erster Aufsatz in S. Z. 33, 383 sq. Zur Ge¬

schichte der arrha sponsalicia weist nach, daß im Orient das Verlöbnis als

Formalvertrag angesehen wird, gerichtet auf Hingabe des Brautpreises,

später irgendeiner anderen Scheinleistung an seiner Stelle. Dem römi¬

schen Recht ist ein solcher Gedanke fremd, er hat als juristisches Ideen¬

gut des Orients in das syrisch-römische Rechtsbuch Aufnahme gefunden.

Der Beitrag Unterhalt der Ehefrau und Früchte der dos (1930) bildet

die Ehrung für den großen italienischen Romanisten Pietro Bonfante.

Da die Erträgnisse der dos vor allem dazu bestimmt sind, den Unterhalt

der Ehefrau zu sichern, gibt es nicht einen erzwingbaren Unterhalts¬

anspruch der Frau gegenüber dem Mann. Während jedoch Salvatore

Riccobono aus diesem Grunde für das klassische römische Recht das

Eigentum des Mannes an der dos ledighch als formales ansieht, nimmt

Paul Koschaker nur eine soziale, nicht eine rechtliche Alimentations¬

pflicht des Mannes an, obwohl auch er nicht bestreitet, daß die Idee der

res uxoria bereits in der Zeit der Klassiker das Vollrecht des Mannes zu

verdrängen sucht.

Als ein kleines Kabinettstück romanistischer Interpretationskunst

darf man den Aufsatz Die Verteilung der Gefahr beim sogenannten con¬

tractus mohatrae in der Festschrift für Josef Schey (1923) bezeichnen.

Paul Koschakeb sucht den Nachweis zu erbringen, daß aus der Idee

des Christentums heraus, das bereits staatlichen Schutz genießt, der

Gedanke der Caritas auch im Rechtsleben stärkere Beachtung findet.

Wer daher Armen ein unverzinsliches Darlehen in der Form gewährt,

daß er diesen Notleidenden eine wertvolle Sache zum Verkauf, den Er¬

lös also als Darlehen überläßt, soll davon befreit sein, die Gefahr des

zufälligen Untergangs, der zufälligen Verschlechterung zu tragen. Immer¬

hin muß zweifelhaft bleiben, ob in diesem Zusammenhang wirklich Ein¬

flüsse des Christentums vorliegen. Vielmehr könnte auch eine vom Autor

zutreffend hervorgehobene, rein juristische Argumentation allein aus¬

schlaggebend sein, nämlich die Berücksichtigung der typischen Interes¬

senlage unter Loslösung von dem rein formalen Gedanken des casum

sentit dominus. Alle diese Probleme werden mit gewohntem Scharfsinn

und der Freude an logischer Deduktion behandelt.

In der seinem Grazer Lehrer Gustav Hanausek gewidmeten Fest¬

schrift erörtert Paul Koschaker eine damals wiederholt untersuchte

Frage: Bedingte Novation und Pactum im römischen Recht (1925). Bei det

2 ZDMG 104/1

(20)

Auseinandersetzung mit Filippo Vassalli, Erich-Hans Kaden, An¬

drea GuARNERi Citati und MorislawBoh' "'ek glaubt der Verfasser,

nicht mehr „als eine kritische Nachlese" bieten zu können, aber trotz dieser bescheidenen Selbsteinschätzung muß die Studie als grundlegender

Beitrag zu dem genannten Problemkreis bezeichnet werden.

Die bedingte Novation wirft gewissermaßen ihren Schatten voraus,,

sie entfaltet bereits pendente condicione Wirkungen. Die Novationssti-

pulation bei der bedingten Novation weist nach dem Parteiwillen ein.

pactum de non petendo auf, mindestens kann sie es enthalten. Während

im praetorischen Recht der klassischen Zeit ein solches pactum nur zu

einer exceptio führt, läßt das Recht Kaiser Justinians ipso-iure Wirkung

eintreten, da der Gegensatz zwischen ius civile und ius honorarium nicht

mehr existiert. Wenn die Quellen behaupten, daß jedem pactum die

exceptio doli innewohne, so muß dieser Rechtssatz als interpoliert an¬

gesehen werden, wie übrigens die Theorie des pactum tacitum den By¬

zantinern angehört.

Ein Beitrag zu den Studi Riccobono (1936) hat die ,,adoptio in fratrem'*

zum Gegenstand. Nur ein einziges Fragment innerhalb des ganzen Corpus

iuris civilis befaßt sich mit diesem Problem, nämhch das rescriptuni

C. 6, 24, 7 (Diocletian, et Maximian. 3. 12. 285). Paul Koschaker zeigt,

daß in der Adoption des Bruders zugleich die rechtsgeschäftliche Erb-

einsetzung des Adoptierten inbegriffen ist. Dieser Nachweis geschieht

unter rechtsvergleichender Heranziehung von Texten aus Susa, die der

Wende vom 3. zum 2. Jahrtausend angehören und einen Einblick in das

Ringen der fratriarchahschen Organisation mit dem schließlich sieg¬

reichen Patriarchat gewähren. Durch die ,,adoptio in fratrem mortis cau¬

sa" erhält der gewillkürte Erbe jedoch nur einen Teil, ist also nicht mehr

in der Lage, die Söhne des Erblassers völhg auszuschließen. Im 3. Jahr¬

hundert p. Chr. n. begegnet den genannten römischen Kaisern in ihrer

Praxis ein solcher, für die damahge Epoche vereinzelter Fall der ,,adop-

tio in fratrem", und Paul Koschaker zeigt, daß es sich hier um die

Rechtsauffassung eines der zum römischen Reich zählenden Balkan¬

rechte handelt.

Im Jahre 1939 hielt Paul Koschaker auf einer Tagung in Pavia in

itahenischer Sprache, die er vollständig beherrschte, einen Vortrag über

die Alienazione della cosa legata, der sich dann vor der Drucklegung zu

einer umfassenden, mit zahlreichen Anmerkungen versehenen Studie

auswuchs. Die Arbeit ist in jeder Hinsicht als vorbildlich und muster¬

gültig anzusehen. Auch der Verfasser pflegte selbst auf diese Abhandlung

hinzuweisen in dem Wunsche, daß sie in Themenstellung sowie Art der

Durchführung Nachfolge finden möchte. In der Tat wird man in der

modernen romanistischen Literatur der letzten Jahre kaum eine Mono-

(21)

graphie mit einem solchen Reichtum der Ideen und einer derartigen

Fülle verschwenderisch ausgebreiteter, gedankentiefer Anmerkungen

finden, wo die Noten fast in sich wiederum kleine Abhandlungen bilden.

Die gerade für das Legatsrecht fundamentale Frage des Verhältnisses

von verba und voluntas, übrigens auch ein Problem allgemeinerer Be¬

deutung, erfährt eindringhche Behandlung. Unter lückenloser Verwer¬

tung des gesamten Quellenmaterials hebt Paul Koschaker hervor, daß

die klassischen römischen Juristen zwar die voluntas testatoris bei der

Auslegung als maßgebend erachten, indessen ist dieser Wille ein typi¬

scher, kein individueller, im Gegensatz zum nachklassischen Recht, das

den animus adimendi betont. Der Autor ist jedoch bei diesem Ergebnis

nicht stehen gebheben, sondern verfolgt das Problem auch unter rechts¬

vergleichendem Aspekt im modernen französischen, italienischen und

enghschen Zivilrecht, besonders aber im deutschen bürgerlichen Recht,

dem nachgewiesen wird, daß es bei jener Auslegungsfrage dem Pandek¬

tenrecht folgt, das seinerseits wiederum in den Bahnen lustinians wandelt.

Seit einigen Dezennien steht die Wissenschaft des römischen Rechts

im Banne der Interpolationenforschung, der Textkritik gegenüber den

vor allem im Corpus iuris civilis Kaiser lustinians überlieferten Frag¬

menten der römischen Klassiker. Frei von jeder radikalen Tendenz und

gerade deshalb ein Meister in der vorsichtigen, besonnenen Abwägung

des Für und Wider, genau wie in der Orientalistik wohl vertraut mit dem

sprachlichen Rüstzeug, der lateinischen und griechischen Philologie, hat

Paul Koschaker sich als ein scharfsinniger Interpolationenforscher namentlich an einigen Miszellen legitimiert.

Die Interpretation von D. 39, 6, 42 pr. (S. Z. 37, 325 sq.) erbringt den

Beweis für eine voriustinianische Interpolation und liefert damit einen

Beitrag zu der inzwischen Allgemeingut gewordenen Überzeugung, daß

keineswegs alle Textveränderungen innerhalb des Corpus iuris civilis auf

lustinian und seine Mitarbeiter zurückgehen, sondern daß den Kom¬

pilatoren offenbar schon bearbeitete Texte vorgelegen haben müssen.

In S. Z. 49, 263 sq. erörtert Paul Koschaker Fragen des Eviktions-

interesses, D. 21, 2, 31 (Paul. 16 quaest.) und der Zuständigkeit der actio de dolo, D. 46, 3, 95, 1 (Pap. 26 quaest.).

Ein Aufsatz in den Scritti in onore die Contardo Ferrini (1948) behan¬

delt mit gewohnter Umsicht im Anschluß an D. 20, 4, 9, 3 (African. 8

quaest.) Fragen des Nachpfandrechts und des bedingten Rechtsge¬

schäfts.

Die letzte romanistische Studie, ein Vortrag auf dem internationalen

Kongress in Verona im September 1948, trägt den Titel: La convalida

nel diritto romano e moderno (1951). Sie gibt dem Gelehrten die Möglich¬

keit, ausgehend vom modernen Begriff der Verfügung, insbesondere

2*

(22)

eines Nichtberechtigten, die Probleme der Verfügung, Nichtigkeit, Un¬

wirksamkeit, Convalescenz auf ihre Ansatzpunkte im römischen Recht

zu prüfen, wo vor allem die exceptio rei venditae et traditae und auch die

exceptio doli geeignete Mittel waren, unbefriedigende Ereignisse zu ver¬

meiden. Der Idee des venire contra factum proprium, d. h., niemand darf

sich mit seinem eigenen, früher beobachteten Verhalten in Widerspruch

setzen, entspricht im anglo-amerikanischen Recht der estoppel- Gedanke.

Ebenso wie in der Orientalistik hat Paul Koschakee auch für das

Gebiet des römischen Rechts in zwei grundsätzlichen Arbeiten allge¬

meine, fundamentale Fragen dieser Disziplin behandelt.

Während einer Zeit, in der das römische Recht schwersten Angriffen

ausgesetzt war, ihm in einer seltsamen, für jeden Einsichtigen unbegreif¬

lich anmutenden Verblendung der Geister die Existenzberechtigung an

den deutschen Hochschulen und damit in dem Studiengang der jungen

Juristen abgesprochen wurde, griff Paul Koschakee aus tiefstem Ver¬

antwortungsbewußtsein in den Kampf ein. Zwar hat er selbst es abge¬

lehnt, wegen dieser Auseinandersetzung das Attribut „mutig" entgegen¬

zunehmen. Wer jedoch verurteilt war, diese Jahre aus eigener Anschau¬

ung mitzuerleben, weiß, daß, wenn der Professor, wie die Bezeichnung

sagt, ein Bekenner sein soll, hier diesem Namen wirklich einmal Ehre

gemacht worden ist.

Mit Leidenschaftlichkeit und überzeugender Eindringlichkeit ent¬

wickelte Paul Koschakee seine Gedanken zunächst in der Gestalt

eines Vortrags. Allen, die das Glück hatten, in einer Abendstunde in

Berlin dem Redner zuhören zu dürfen, prägte sich dieses Erlebnis un¬

auslöschlich ihrer Erinnerung ein. Später wählte Paul Koschakee die

Form eines mit vielen Zusätzen versehenen Buches Die Krise des römi¬

schen Rechts und die romanistische Rechtswissenschaft (1938) und führte

darin aus, welcher unerreichbare Wert dem römischen Recht zukommt .

Diese Rechtsordnung von grandioser Einmaligkeit, Schöpfung eines

eminent juristisch begabten Volkes ist und bleibt auch heute noch das

unentbehrliche Fundament jeder wirklichen juristischen Ausbildung.

Aber es hieße, die Bedeutung des römischen Rechts verkennen, wollte

man es nur als ein sehr brauchbares paedagogisches Instrument ansehen.

Es ist vielmehr zugleich, wie jedes Recht überhaupt, ein Kulturphae-

nomen und unter diesem Aspekt einer der tragenden Pfeiler des gesamt¬

europäischen Kulturbewußtseins. Schon ein Jahrzehnt früher als seine

Umwelt hat Paul Koschakee die intensive Besinnung auf die gemein¬

samen Grundlagen unserer abendländischen Kultur von dem Blickfeld

seines Faches aus vorweggenommen.

1947 hat der Autor zum zweiten Mal das Thema angeschlagen in

einem Buch, das wegen seiner Bedeutung weit über die engeren Fach-

(23)

kreise des römischen Rechts, sogar der Jurisprudenz hinaus Aufsehen

erregte: Europa und das römische Recht.

Mögen auch manche Gedanken der Krisenschrift mitverwertet sein,

so bildet das neue Werk dennoch in der umfassenden Behandlung eines

äußerst aktuellen Problems ein Novum. Nur ein Verfasser von dieser

hohen Gelehrsamkeit und universellen Bildung, ein Jurist und Historiker

von der Größe Paul Koschakees vermochte ein solches Werk zu schrei¬

ben. Die grandiose Behandlung der Probleme weckt ebensolche Bewun¬

derung wie die souveräne Verwendung der Quellen und der von einem

einzelnen fast schon nicht mehr zu überblickenden Literatm. Lediglich

andeutungsweise kann der Reichtum dieses Buches hier skizziert werden.

Der Autor gibt einen meisterhaften Abriß der Geschichte Europas,

wenn er zunächst von der Entstehung des Begriffs ,, Europa" ausgeht

und ihn bis zur Rezeption des römischen Rechts verfolgt. Hierbei unter¬

scheidet er eine politische und eine kulturelle Romidee, beiden wird eine

umfassende Würdigung zuteil, denn sie sind für die Jahrhunderte des

Mittelalters von fundamentaler Bedeutung, insofern entweder der poli¬

tische Gedanke des Imperium Romanum überwiegt oder das kulturelle

Moment wie in Frankreich, Spanien, England als maßgebender Faktor

erscheint.

Zu dem Problem der Rezeption des römischen Rechts liefert der Ver¬

fasser einen aufschlußreichen Beitrag, weil er dieser unendlich oft be¬

handelten Frage neue Gesichtspunkte abzugewinnen versteht, denn er

beschränkt die Untersuchung nicht allein auf Deutschland, sondern dehnt

sie auf Gesamteuropa, sogar auf die außereuropäischen Staaten aus. Zu¬

gleich enthält das Buch von Paul Koschakee eine Geschichte des Stu¬

diums des römischen Rechts in Europa und den übrigen Teilen der Welt.

Den Juristen fesselt namentlich die von den Glossatoren über die

Postglossatoren, Humanisten, den mos italicus, mos gallicus, das Natur¬

recht, die historische Rechtsschule, das Pandektenrecht des 19. Jahr¬

hunderts bis zur Gegenwart gezeichnete Linie.

In vöUiger Beherrschung der Einzelheiten unterscheidet der Verfasser

drei Kategorien: Volksrecht, Juristenrecht, Professorenrecht, wobei die

zweitgenannte, der die Vorliebe und das spezielle Interesse des Autors

gilt, im klassischen römischen Recht, im englischen Recht und im fran¬

zösischen des ancien regime begegnet. Demgegenüber fällt das nachklas¬

sische, insbesondere der Rechtsschule von Beryt erwachsene byzanti¬

nische Recht, das in Deutschland entwickelte Naturrecht des 18. Jahr¬

hunderts, das Recht der deutschen historischen Schule sowie der Pan¬

dektenwissenschaft in die Gruppe des Professorenrechts. Das Werk bietet

damit zum ersten Mal irmerhalb der deutschen Jurisprudenz eine „So¬

ziologie des Juristenrechts."

(24)

Die moderne Romanistik bezeichnet Paul Koschaker als eine neu¬

humanistische Richtung, der die Beziehung zur Rechtswissenschaft der

Gegenwart, insbesondere der Praxis, fehlt. Aus diesem Grunde wünscht

der Autor eine Verbindung zwischen historischer und dogmatischer Be¬

trachtungsweise mit dem Bhck auf das geltende Recht. Die Schaffung

eines ,, relativen" — und zwar europäischen — ,, Naturrechts", das die

Methoden und Ergebnisse der neuhumanistischen Betrachtung des rö¬

mischen Rechts benutzt und sich aus der vergleichenden Betrachtung

der führenden europäischen Privatrechtsordnungen entfaltet, ist das

wesentliche Anliegen des Verfassers. In der Erfüllung einer solchen Auf¬

gabe würde sich das römische Recht erneut als das, was es stets gewesen

ist, bewähren, nämlich als einer der maßgebendsten Faktoren der euro¬

päischen Kultur.

Die tiefeindringende Abhandlung, in einem formvollendeten, reiz¬

vollen Stil geprägt, läßt die unendliche Weite des Wissens seines gelehrten

Verfassers ahnen, seinen genialen Bhck für historische Zusammenhänge

und deren geschichtliche Deutung. Die kritische Wertung und sinnge¬

mäße Einordnung der Vorgänge sowie die ausgezeichnete Synthese der

Resultate machen das Werk zu einem Vermächtnis von Paul Koschaker

nicht nur an die Romanisten oder alle Juristen, vielmehr hat er es jedem

nachdenklichen Wissenschaftler überhaupt zurückgelassen.

Vielfache Anregung und Förderung verdankt die Forschung auch den

zahllosen Rezensionen, die Paul Koschakeb in verschiedenen Zeit¬

schriften veröffentlicht hat, auf dem Gebiet der orientalischen Philologie

beinahe immer in der Orientalistischen Literatur-Zeitung, während die

romanistischen Kritiken neben der Deutschen Literaturzeitung fast aus¬

nahmslos in der Savigny-Zeitschrift erschienen sind. Diesem führenden

Organ des römischen Rechts war Paul Koschaker auch von 1936

bis 1944 als Mitherausgeber verbunden — der 66. Band ist ihm zum

19. April 1949 gewidmet worden —, wie er ebenso einige Jahre ge¬

meinsam mit Wolfram von Soden die Zeitschrift für Assyriologie re¬

digiert hat.

Alle Kritiken legen Zeugnis ab von dem tiefen Ernst, Pflichtbewußtsein

und Verantwortungsgefühl des Rezensenten. Mit einer nicht mehr zu

überbietenden Gründlichkeit hat Paul Koschaker stets diese keines-

wegs immer verlockende Aufgabe erfüllt. Wenn seine Kritik zuweilen

streng anmutet, ist sie dennoch in solchen Fällen immer berechtigt, und

die vornehme Art, in der der Rezensent seine Ablehnung äußert, hat

etwas Gewinnendes an sich, zumal die Verneinung sich niemals destruk¬

tiv im Negativen erschöpft, vielmehr in überzeugender Weise Korrek¬

turen anbringt, in rein sachlicher Form, der jede persönhch verletzende

Note fernbleibt, die Gegenargumente vorträgt. Vielfach wird der Leser

(25)

solcher Rezensionen mehr Vorteil haben, als ihm die Lektüre mancher

der besprochenen Werke einbringen könnte.

Geradezu vorbildlich ist beispielsweise seine Kritilc in S. Z. 37, 348

sq. Hans Steiner, datio in solutum (1914), die auf fast 21 Seiten eine

Vorstellung von der Aufgabe eines Rezensenten liefert und hier stell¬

vertretend für andere Kritiken genannt sei. Koschaker behandelt dort

für das römische Recht das Problem „Schuld und Haftung", untersucht die Begriffe ,,debitum" und ,, obligatio", wobei er debere nicht als ,,das

haftungslose Leistensollen, also die Schuld im germanistischen Sinne"

(pa2. 351), sondern als ,,die Schuldpflicht, d. h. das mit Haftung aus¬

gestattete Leistensollen" (1. c.) deutet. Die Rezension enthält feinsinnige

Beobachtungen zur solutio, ihrer Veränderung von der Drittlösung,

Drittzahlung zur Selbstlösung des Schuldners, ferner eine Erklärung der

condemnatio pecuniaria, nämhch im Sinne der Vereinbarung einer

Lösungssumme, um dem Schuldner die Schuldknechtschaft zu ersparen.

Man vermutet nicht ohne weiteres, in der Besprechung eines Buches eine

über das rezensierte Werk erhebhch hinausgreifende Analyse von Rechts¬

instituten anzutreffen. Derselbe Gedankenreichtum tritt immer wieder

auch in den sonstigen geistvollen Rezensionen hervor. Äußerst originell ist

eine Kritik (Deutsche Rechtswissenschaft, 5. Band pag. 110 sq.), denn sie

urteilt über eine der dem Rezensenten bei VoUendung des 60. Lebens¬

jahres dargebrachten Festschriften und dürfte in dieser Art einmalig sein.

Wenn man es zusammenfassend wagt, die Bedeutung von Paül Ko¬

schakee für die Orientahstik und die Disziphn des römischen Rechts,

weitergehend aber für die Jurisprudenz und die deutsche, schheßhch die

internationale Wissenschaft überhaupt ermessen zu wollen, dann dürfte

hinsichtlich der orientalischen Rechtsgeschichte Einigkeit darüber be¬

stehen, daß Paul Koschaker unbestritten als ihr Begründer angesehen

werden muß. Durch die Verknüpfung von Rechtswissenschaft und Phi¬

lologie, die meisterhafte Beherrschung beider Gebiete, war es ihm mög¬

lich, in exakter Weise den Grundstein jener neuen Forschung zu legen,

und er hat nie aufgehört, diese Verbindung als unerläßliche Vorausset¬

zung zu erachten, wenn nicht die Erkenntnis der orientalischen Rechte

der Gefahr des Dilettantismus ausgesetzt sein soll. Mit solcher Forderung hat er der orientalischen Philologie, auf deren Hilfe er niemals verzichten

wollte und konnte, einen ebenso großen Dienst erwiesen wie seiner Fach¬

wissenschaft, der Jurisprudenz.

Die FüUe der Abhandlungen, die der orientahschen Rechtsgeschichte

gewidmet sind, wird in dem Reichtum der gesicherten Resultate, in der

Vorbildlichkeit der Methode, nicht minder in der Anregung zu kommender

Forschungsarbeit den Ausgangspunkt späterer Untersuchungen auf die¬

sem Gebiet bilden.

(26)

Genau das Gleiche läßt sich von den romanistischen Arbeiten des

großen Gelehrten sagen. Es ist nicht zutreffend, wenn Paul Koschakeb

im Hinblick auf Moriz Wlassak erklärt: „Aber meine erste Arbeit ge¬

hörte seinem engeren Forschungsgebiete an, und damals wie auch später

war mir seine exakte Forschungsmethode, die in liebevoller Versenkung in¬

die Quellen ihnen das Höchste abzugewinnen versteht, ein Vorbild, dem ich

nachstrebte und das ich nie erreichte." (Antrittsrede in der Preußischen

Akademie der Wissenschaften zu Berhn am 1. Juli 1937).

Im Gegenteil hat Paul Koschaker in seiner ganzen Lebensarbeit

bewiesen, daß diese Forschertugenden ihm ebenfalls eigen waren. Auch

die Vertreter des römischen Rechts können ihn darum mit Stolz und

Dankbarkeit unter den führenden Repraesentanten ihrer Wissenschaft

nennen, er zählt ohne Zweifel zu den ersten Romanisten.

Seine Studien zeichnen sich durch lückenlose Verwertung aller erreich¬

baren Quellen und umfassende Berücksichtigung der gesamten Literatur,

durch höchste Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit aus. Mit größter

Sorgfalt prüfte Paul Koschaker seine Ergebnisse und war selbst der

strengste Kritiker gegenüber den Resultaten seiner Forschung, eine

Eigenschaft, die in den letzten Jahren immer stärker hervortrat.

Seine Forschungsmethode beruht darauf, von Einzelproblemen aus¬

zugehen, die Details genau zu beobachten und von ihrer Synthese aus

zugleich den Blick zu öffnen auf Phaenomene allgemeinen Charakters,

wobei oft überraschende Ausblicke zu Tage treten.

Zwar rechnet der Gelehrte zu den Rechtshistorikern, aber während

seines ganzen, reicherfüllten Lebens ist er stets Jurist gewesen und hat

diesen Wesenszug immer bewahrt, nicht zuletzt auch als Orientalist.

In den orientalischen Rechten, dem griechischen, römischen und ger¬

manischen Recht ist er genau so heimisch wie in den modernen Rechts¬

ordnungen. Er untersucht sie nicht vom Standpunkt des Historikers

aus, sondern mit dem wissenschaftlichen Interesse des Juristen, der bei

seinen Forschungen die sogenannte komparative Methode verwendet.

Wiederholt hat Paul Koschaker seine Auffassung zu dieser methodo¬

logischen Frage formuliert, erstmalig schon 1911 im Vorwort zu seinem

Buch Babylonisch-assyrisches Bürgschaftsrecht pag. VIII, dann in S. Z. 49,

188 sq., insbesondere 191 sq., 1936 in der Festschrift für Hermann Hirt

I, 145 sq. sowie in den fitudes en l'honneur d'Eldouard Lambert I, 274 sq.

Paul Koschakee geht von einer Erfahrung in der Ethnologie aus,

wonach sich trotz räumlicher Entfernung und zeithchen Abstandes bei

den verschiedensten Völkern dieselben Kulturerscheinungen und -ein-

richtungen herausbilden.

Ein Universalrecht, wie es noch Josef Köhler vorgeschwebt hat,,

lehnt Paul Koschakee ab. Jeder kulturelle Verlauf ist etwas Singu-

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