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Archiv "Patente auf embryonale Stammzellen: „Präzedenzfall für Deutschland“" (21.09.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 38⏐⏐21. September 2007 A2545

P O L I T I K

E

ine Kontroverse um embryo- nale Stammzellen wurde im letzten Jahr durch eine Entschei- dung des Bundespatentgerichts aus- gelöst. Das Gericht hatte ein Stammzellpatent des Bonner Neu- rowissenschaftlers Prof. Dr. med.

Oliver Brüstle teilweise für nichtig erklärt. Dr. Ingrid Schneider vom Forschungsschwerpunkt Biotech- nologie, Gesellschaft und Umwelt der Universität Hamburg bezeich- nete die Entscheidung über das Brüstle-Patent als einen „Präze- denzfall für Deutschland“, und nach wie vor beschäftigen sich un- ter anderem Patentrechtler mit die- ser Thematik.

Zur Vorgeschichte: Das Bundes- patentgericht in München hatte am 5. Dezember 2006 das umstrittene Patent teilweise für nichtig erklärt,

„soweit dieses Zellen und die Her- stellung von Zellen umfasst, die aus embryonalen Stammzellen von menschlichen Embryonen gewon- nen werden“ (Az.: 3 Ni 42/04). Es folgte damit zum Teil einem An- trag der Organisation Greenpeace.

Greenpeace sei, wie Dr. med. vet.

Christoph Then, Gentechnik- und Patentexperte der Umweltschutzor- ganisation, auf einem Symposium Ende Mai in Berlin erläuterte, „aus ethischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen gegen Patente auf Lebewesen und Gene“.

Die Organisation habe deswegen verschiedene Einsprüche gegen die Patentierung menschlicher Em- bryonen und aus ihnen gewonnenen Stammzellen eingelegt, unter an- derem gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts im Fall Brüstle.

Dieses Urteil ignoriert laut Brüst- le das Stammzellgesetz und die da- mit verbundenen ethischen Abwä- gungen des Gesetzgebers, wonach die Entwicklung von Therapiever-

fahren auf der Grundlage humaner embryonaler Stammzellen explizit ermöglicht wurde. Das Gericht sieht das allerdings anders. „Mit dem grundsätzlichen Verbot der Einfuhr und Verwendung von menschlichen embryonalen Stammzellen hält der Gesetzgeber an dem hohen Schutz- niveau des Embryonenschutzge- setzes ausdrücklich und uneinge- schränkt fest“, heißt es in dem Ur- teil. Eine Ausnahme bestehe aller- dings hinsichtlich solcher embryo- naler Stammzellen beziehungswei- se Stammzelllinien, die im Her- kunftsland schon vor dem 1. Januar 2002 gewonnen worden seien, die Vernichtung der hierfür erforderli-

chen Embryonen war also bereits eine vollendete Tatsache. Diese Re- gelung beruhe auf der Erwägung, so das Urteil, dass embryonale Stamm- zellen keine Embryonen seien und dem vorbehaltlos garantierten Grundrecht der Freiheit von Wis- senschaft und Forschung somit auch keine unmittelbar kollidierenden Grundrechte von Embryonen ge- genüberstünden.

Das Gesetz habe also eine Abwä- gung zwischen der Menschenwürde und dem Leben des Embryos einer- seits und dem Recht auf Leben mög- licher Patienten und der Freiheit der Forschung andererseits getroffen, sagte die Münchener Patentrechtle- rin Clara Sattler de Sousa e Brito vom Max-Planck-Institut für Geisti- ges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München dem Deut- schen Ärzteblatt. Aufgrund dieser Abwägung habe das Stammzellge- setz die Verwendung embryonaler Stammzellen zur Erweiterung medi- zinischer Kenntnisse bei der Ent- wicklung diagnostischer, präventi- ver oder therapeutischer Verfahren erlaubt. Deshalb sollte nach Ansicht Sattlers das Patent erteilt werden dürfen.

Ein weiterer Punkt, warum Satt- ler sich für eine Erteilung des Pa- tents ausspricht, ist, dass ihrer An- sicht nach die neuronalen Vorläufer- zellen, die Brüstle nach Deutsch- land importiert habe, ethisch völlig unproblematisch seien. „Da sie nicht totipotent sind, können sie nichts, was ethisch kritisch wäre, und nichts, was irgendwie im Kon- flikt mit dem Embryonen- oder Stammzellgesetz stehen könnte.

Und deswegen darf man ihre Paten- tierung in Deutschland nicht verbie- ten – auch nicht nach internationa- lem Recht.“ So hält Sattler die Ertei- lung für vereinbar mit dem Über- einkommen über handelsbezogene PATENTE AUF EMBRYONALE STAMMZELLEN

„Präzedenzfall für Deutschland“

Die Entscheidung des Bundespatentgerichts, mit der ein Stammzellpatent für teilweise nichtig erklärt wurde, führt zu einer kontroversen Diskussion.

Die Organisation Greenpeace de- monstrierte immer wieder, wie hier vor dem Europäischen Patentamt, gegen die Patente auf Gene und Lebewesen.

Foto:dpa

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A2546 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 38⏐⏐21. September 2007

P O L I T I K

Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on Trade- Related Aspects of Intellectual Pro- perty Rights, TRIPS), einer interna- tionalen Vereinbarung auf dem Ge- biet der Immaterialgüterrechte. Da- nach müssen Patente auf allen tech- nischen Gebieten bewilligt werden.

Davon können jedoch Ausnahmen gemacht werden. So könnten die Mitglied- staaten, so Sattler, Er- findungen von der Patentierbarkeit aus- schließen, wenn die gewerbliche Verwer- tung gegen die öffent- liche Ordnung und die guten Sitten verstoße, wofür Deutschland sich entschieden habe.

Wenn aber eine kom- merzielle Verwertung erlaubt sei, wie bei den ihrer Ansicht nach ethisch unbedenklichen neuronalen Vorläuferzellen, die Brüstle in sei- nem Patent beanspruche, dürfe im Umkehrschluss auch kein Patentie- rungsverbot ausgesprochen werden.

Das Gericht war dagegen der Ansicht, dass „die erfindungs- gemäßen neuronalen Vorläuferzel- len auch aus embryonalen Stamm- zellen vom Menschen erhalten wer- den könnten“. Die Gewinnung von embryonalen Stammzellen durch Entnahme aus der inneren Zellmas- se eines Embryos führe zwangsläu- fig zu dessen Vernichtung. Die Ver- nichtung menschlicher Embryonen zu gewerblichen und damit kom- merziellen Zwecken, die von dem Gegenstand des Streitpatents somit auch umfasst sei, verstoße gegen die dem menschlichen Embryo be- reits mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle zukommende Menschenwürde und sein Recht auf Leben.

Sattler hält das im Lichte des Stammzellgesetzes für nicht ver- tretbar, da der Gesetzgeber in § 4 Abs. 3 des Stammzellgesetzes ein- deutig festgestellt habe, dass für die Stichtagsstammzellen zur Beurtei- lung eines Verstoßes gegen die tra- genden Grundsätze der deutschen Rechtsordnung, also den Ordre public in Deutschland, nicht auf

die vorgelagerte Gewinnung aus menschlichen Embryonen abge- stellt werden könne. „Daraus wird erkennbar, dass der Gesetzgeber den in der Vergangenheit liegenden Embryonenverbrauch gerade nicht als Verstoß gegen die tragenden Grundsätze der deutschen Rechts- ordnung wertet, also im Embryo- nenverbrauch, anders als das Ge- richt im vorliegenden Fall, nicht per se eine Menschenwürdeverletzung sieht.“

Die EU-Biopatentrichtlinie, de- ren Umsetzung im Jahr 2003 be- schlossen wurde, verdeutlicht die ethischen Grenzen der Patentierbar- keit. Nach Artikel 5 dieser Richtli- nie „können der menschliche Kör- per in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Se- quenz oder Teilsequenz eines Gens, keine patentierbaren Erfindungen darstellen“. Erfindungen, deren ge- werbliche Anwendung gegen die öf- fentliche Ordnung oder guten Sitten verstoßen würden, seien von der Patentierbarkeit ausgenommen. Als nicht patentierbar gilt nach Artikel 6 auch die „Verwendung von mensch- lichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“. Vor dem Europäischen Patentamt sei eine Entscheidung ebenfalls noch anhängig, berichtete Sattler. Sie hält es allerdings für „zumindest pro- blematisch“, dass dieser Artikel 6 in § 2 Art. 2 des deutschen Patent- gesetzes in Deutschland Anbindung an das sehr restriktive Embryonen- schutzgesetz gefunden habe, da die Spannbreite der Regelungen zum Embryonenschutzgesetz im euro- päischen Vergleich enorm und ein Großteil der anderen europäischen Rechtsordnungen deutlich liberaler als die deutsche Rechtsordnung ein- zustufen seien.

Schutz des Embryos

Brüstle hat beim Bundesgerichts- hof Widerspruch gegen die Ent- scheidung des Bundespatentge- richts eingelegt. Sattler vermutet, dass es zwischen zwei und vier Jahren dauern kann, bis es zu ei- nem Verfahren kommt. Sie hofft jedoch, „dass es bis zu diesem

Zeitpunkt zu einer Änderung des Stammzellgesetzes kommt“. Zu- mindest eine Aufhebung der Stich- tagsregelung hält die Patentrecht- lerin für wünschenswert. Ihrer An- sicht nach würde damit auch der Schutz des Embryos nicht aufge- hoben: „Aufgrund des Embryo- nenschutzgesetzes dürfen auch weiterhin keine Stammzelllinien in Deutschland erzeugt werden, und eine Beteiligung an der Zerstörung von Embryonen bleibt auch wei- terhin strafbar.“

„Ein Schlag ins Gesicht“

Then dagegen befürchtet, dass „po- litische und Wirtschaftskreise direkt und indirekt versuchen, die Ent- scheidung des Bundesgerichtshofs zu beeinflussen. Wir sehen das etwa am Bundesjustizministerium.

Wir hatten Frau Zypries aufgefor- dert, selbst Einspruch einzulegen.

Damals hieß es, man könne sich nicht um Einzelfälle kümmern. Jetzt aber, da das Bundespatentgericht gegen Brüstles Patent entschieden hat, gibt es im Ministerium eine Ar- beitsgruppe, die versucht, eine Stel- lungnahme der Bundesregierung zu formulieren. Offenbar passt der Mi- nisterin das Gerichtsurteil nicht ins Konzept.“

Brüstle selbst drückte sein Un- verständnis darüber aus, dass „wir Wissenschaftler auf der einen Seite vom Bundesministerium für For- schung und Bildung und anderen Forschungsförderquellen finanziel- le Unterstützung für die Patentie- rung erhalten, auf der anderen Seite das so generierte geistige Eigentum am Ende zerstört wird.“ Das könne dazu führen, dass von deutschen Wissenschaftlern gemachte Erfin- dungen von ausländischen Unter- nehmen aufgegriffen und hierzu- lande ohne Entschädigung des Er- finders verwertet werden könnten –

„ein Schlag ins Gesicht“ derjenigen deutschen Wissenschaftler, die ver- suchen, ihre Forschungsergebnisse auf dem Stammzellsektor in An- wendungen zu überführen. Der Stammzellforscher hofft, dass „es in Deutschland eine Instanz gibt, die dieser Herausforderung ge-

wachsen ist“. I

Gisela Klinkhammer Oliver Brüstle hat

Widerspruch gegen die Entscheidung des Bundespatent- gerichts eingelegt.

Foto:Caro

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