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1 2.1 Abgrenzung des Supply Chain Managements

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Academic year: 2022

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Universität des Saarlandes D-66041 Saarbrücken

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E-Mail: ms@wiwi.uni-sb.de

Maßnahmen zur Gestaltung von Supply Chains von

Priv.-Doz. Dr. Marcus Schweitzer

A0301 Juli 2003

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1 Problemstellung ... 1

2.1 Abgrenzung des Supply Chain Managements ... 2

2.2 Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken als Kernaufgabe des Supply Chain Managements... 4

3 Anforderungen an die Katalogisierung von Gestaltungsmaßnahmen für Supply Chains ... 10

4 System der Gestaltungsmaßnahmen für Supply Chains ... 10

4.1 Gestaltungsmaßnahmen für unternehmensübergreifende Produktions- und Logistiksysteme ... 10

4.1.1 Modularisierung ... 11

4.1.2 Standardisierung... 12

4.1.3 Einführung alternativer Prozesstechniken... 13

4.1.4 Änderung der Prozesskettenlänge ... 14

4.1.5 Modifikation der Prozessfolge (Operations Reversal) ... 16

4.1.6 Modifikation der Vergenzen in Prozessketten ... 17

4.1.7 Priorisierung von Kundengruppen ... 18

4.1.8 Bestandsflexibilisierung ... 18

4.1.9 Parallelisierung von Teilprozessen... 19

4.2 Aspekte der Gestaltung von Informations- und Planungssystemen für Supply Chains ... 20

5 Perspektiven einer warteschlangenbasierten Modellierung von Supply Chains.. 23

Literaturverzeichnis ... 27

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entsprechende Planung methodisch unterstützen zu können, ist es zunächst erforderlich, eine möglichst umfassende Katalogisierung ergreifbarer Gestaltungsmaßnahmen zu erstellen, die Ausgangspunkt weiterer Problemlösungen ist. Diese Katalogisierung ist unter Berücksichtigung der verwendeten Planungsmethode zweckgebunden zu formulieren. Ein solcher Ansatz, der den Zweck verfolgt, eine Supply Chain Typologie zu bilden und typengerechte Normstrategien durch Generalisierung aus empirischen Befunden abzulei- ten, wird von Corsten/Gabriel entwickelt.1 Aus einer größeren Anzahl Fallstudien leiten die Autoren Gestaltungsmaßnahmen ab und weisen diese in abstrahierter Form bestimmten Typen von Supply Chains zu. Die vorliegende Untersuchung versucht, einen ähnlichen Weg zu gehen, indem unter Auswertung der Literatur Maßnahmen gegliedert erfasst wer- den. Dabei steht die Absicht im Vordergrund, mit diesen Maßnahmen die Alternativen- menge für numerische Planungsmodelle abzugrenzen. Wegen der Dynamik der Materialflüsse und der Stochastik mehrerer Planungsgrößen wird dabei vornehmlich eine Katalogisierung angestrebt, die als Basis für eine spätere warteschlangenbasierte Abbil- dung von Supply Chains und ihren Modifikationen verwendet werden soll.

Für die Katalogisierung, wie sie in der vorliegenden Untersuchung entwickelt wird, ergibt sich daraus folgende Vorgehensweise: (1) Zunächst werden elementare Begriffe des Supply Chain Managements kurz erläutert. (2) Anschließend wird eine kurze Übersicht über Katalogisierungen von Gestaltungsmaßnahmen in der Literatur gegeben, die (3) syste- matisch aufbereitet um zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden. Diese Gestaltungsmaß- nahmen lassen sich nach zwei Ebenen differenzieren:

1. Produktionsbezogene Maßnahmen zur Gestaltung des Produktions- und Logistiksys- tems (Produktionsebene).

2. Informationsbezogene Maßnahmen zur Gestaltung des Informations- und Planungs- systems (Informations- und Planungsebene).

Der Schwerpunkt der nachfolgenden Betrachtungen liegt auf der Produktionsebene. Dabei wird herausgearbeitet, dass diese nur bedingt von der Informationsebene zu trennen ist.

1 Vgl. Corsten/Gabriel (2002), S. 233 ff.

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2 Grundlagen der Gestaltung von Supply Chains

2.1 Abgrenzung des Supply Chain Managements

Das Supply Chain Management verkörpert ein komplexes Führungssystem, das die Ge- samtheit aller Maßnahmen, Instrumente und Regeln zur kooperativen Gestaltung der Gü- ter- und Informationsflüsse in einem unternehmensübergreifenden Wertschöpfungs- netzwerk umfasst. In diesem Netzwerk können neben ganzen Unternehmen auch Unter- nehmensteile (z.B. Profit Center) auftreten, die selbstständige geführt werden. Eine geson- derte Erfassung von Unternehmensteilen wird hier nicht weiter verfolgt. Im Netzwerk ist die Kooperation der beteiligten Partnerunternehmen langfristig angelegt. Diesem Netz- werkcharakter entspricht ferner, dass keine Einschränkungen für die Zahl der beteiligten Lieferanten und Kunden eines Unternehmens bestehen.

Der Begriff des Supply Chain Managements wird zum Beispiel schon von Oliver/Webber2 (1982) gebraucht. Teilprobleme des Supply Chain Managements lassen sich noch früher datieren und betreffen unternehmensinterne Fragestellungen. So beschäftigt sich Simpson3 (1957) mit einer kostenoptimalen Zuordnung von Lagerbeständen in einem mehrstufigen System, das aus der Perspektive des Supply Chain Managements als eine mehrstufige Wertschöpfungskette interpretiert werden kann. Auch Clark/Scarf 4 (1960) untersuchen in mehrstufigen Systemen Lagerhaltungspolitiken und erörtern Probleme der Lagerung in stochastischen, divergierenden mehrstufigen Systemen.

Bei der Festlegung des Begriffs „Supply Chain Management“ handelt es sich um eine No- minaldefinition. Eine Begriffsdiskussion ist jedoch an dieser Stelle nicht notwendig, solan- ge sich die nachfolgenden Analysen auf Kernelemente des Supply Chain Managements beziehen, die von den wichtigsten Vertretern getragen werden. Als diese Kernelemente arbeiten Corsten/Gössinger5 heraus:

• Die Planungs- und Steuerungsaufgaben in einer Supply Chain orientieren sich am Be- darf der Endkunden.

2 Vgl. Oliver/Webber (1982), zitiert nach Oliver/Webber (1992).

3 Vgl. Simpson (1957), S. 864 ff.

4 Vgl. Clark/Scarf (1960), S. 485 ff.

5 Vgl. Corsten/Gössinger (2001), S. 97.

(7)

• Gegenstand des Supply Chain Managements sind neben unternehmensinternen vor allem unternehmensübergreifende Prozesse, wobei neben ihrer operativen Realisation auch ihre Gestaltung eine herausragende Rolle spielt.

• Eine Supply Chain basiert auf einer koordinierten Zusammenarbeit der beteiligten Partner.

Aus diesen Kernelementen lassen sich Hauptaufgaben des Supply Chain Managements ableiten:

• Kennzeichnung und Analyse der gemeinsamen „Unternehmensumwelt“ des Wert- schöpfungsnetzwerks.

• Entwicklung abgestimmter Planungs- und Steuerungssysteme für die beteiligten Un- ternehmen.

• Setzen (Absprache) eines gemeinsamen Zielsystems.

• Planung eines Produktprogramms, das neben den Endprodukten für die Endabnehmer auch die (Zwischen-)Produkte aller Partner umfasst.

• Gemeinsame Gestaltung bzw. zielorientierte Planung von Prozessen, wobei eine Be- schränkung auf die für das Wertschöpfungsnetzwerk wichtigen Prozesse zulässig ist.

• Gestaltung eines Potenzialfaktorsystems (Kapazitäten des Netzwerkes), das die ge- meinsame Durchführung der Prozesse ermöglicht.

• Entwicklung geeigneter Koordinationsinstrumente für die Informations- und Pla- nungssysteme der Netzwerkpartner.

Diese Aufstellung der Hauptaufgaben ist nicht abschließend. Aus den Hauptaufgaben las- sen sich weitere Teilaufgaben ableiten, die in ihrer Bedeutung gleichrangig sind. Diese Aufgaben können jedoch nicht als isolierte Einzelaufgaben betrachtet werden, sondern müssen als interdependente Handlungsanweisungen verstanden werden.

Über die Effektivität des Supply Chain Managements liegen bereits zahlreiche Berichte vor. Einzelnen Berichten, welche die Erfüllung bestimmter Aufgabenschwerpunkte be- schreiben, lassen z.B. Durchlaufzeitreduktionen von 50%, Bestandssenkungen von 60%

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bzw. 50-80% oder Gemeinkostensenkungen von 30% entnehmen.6 Eine Verallgemeine- rung dieser Ergebnisse darf jedoch nicht vorgenommen werden, da die jeweilige Aus- gangssituation, die der Erzielung der Ergebnisse zugrunde lag, unternehmensindividuell war.7 Grundsätzlich zeigen die Ergebnisse jedoch, dass eine rationale Gestaltung von Supply Chains größere Erfolgspotenziale erschließen kann. Andere Berichte8 zeigen dage- gen, dass die Einführung eines Supply Chain Managements auch zu negativen Ergebnissen führen kann.

2.2 Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken als Kernaufgabe des Supply Chain Mana- gements

Moderne Anwendungen des Supply Chain Managements basieren auf Softwaresystemen, die unter der Bezeichnung „Advanced Planning Systems“ (APS) zusammengefasst werden.

Mit diesen APS-Systemen wird der Versuch unternommen, die nur teilweise integrierten oder unzureichend mit Planungsfunktionalität ausgestatteten Geschäftsprozesssysteme ein- zelner Unternehmen um eine gemeinsame, netzumfassende Software zu ergänzen, die eine Planung und Steuerung unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse ermöglicht. Teil- weise beanspruchen diese Systeme, auch Fragestellungen der taktischen Planungsebene zu integrieren. Jedoch werden beispielsweise die der taktischen Planungsebene zugerechneten Probleme der Prozess- und Potenzialgestaltung in APS-Systemen nur kursorisch erfasst.

Sie können allenfalls durch simulative Analysen behandelt werden.9 So unterstützt z.B. das System APO der SAP AG mit dem Supply Chain Cockpit Planer die Auswahl geeigneter, aber bereits in einer Bibliothek vorhandener Lokationen, die an der Leistungserstellung beteiligt werden sollen. Entsprechende Kapazitäten der Ressourcen lassen sich aus dem System R/3 übernehmen. Der dabei verfolgte Zweck ist die näherungsweise optimale Nut- zung von Fertigungs-, Vertriebs- und Transportressourcen. Im Bereich Network Design von APO erhält der Planer dagegen weitergehende Unterstützung.10 Hier werden z.B.

Kunden mit dem Ziel der Distanzminimierung einzelnen Distributionszentren zugeordnet und Standorte unter Kostengesichtspunkten geografisch platziert. Ferner ist eine kostenori- entierte Zuordnung von Prozessen zu Standorten vorgesehen.

6 Vgl. Kansky (1999), S. 17 sowie Becker (2002), S. 86.

7 Zu entsprechenden Zweifeln vgl. Corsten/Gössinger (2001), S. 105 sowie Schönsleben/Hieber (2002), S.

59 f.

8 Vgl. Schönsleben/Hieber (2000), S. 23.

9 Vgl. Goetschalckx (2000), S. 92.

10 Vgl. Bartsch/Bickenbach (2001), S. 216 ff.

(9)

Die Ergebnisse aus dem Network Design bilden die Grundlage für die Anwendung der APO-Komponenten bei veränderten Netzstrukturen. Damit wird die Bedeutung dieser Komponenten für die Effektivität des Gesamtsystems deutlich. Um ein Network Design jedoch überhaupt vornehmen zu können, ist es erforderlich, in einem ersten Schritt alle denkbaren Gestaltungsmaßnahmen zu erfassen und zu systematisieren.

2.3 Ansätze zur Erfassung von Gestaltungsmaßnahmen für Supply Chains

Der Literatur lassen sich mehrere Darstellungen oder Empfehlungen von Gestaltungsmaß- nahmen entnehmen. Vielfach werden die in Einzelfällen erzielten und daher nicht verall- gemeinerbaren Erfolge auf die Anwendung pauschal beschriebener Gestaltungsmaßnahmen zurückgeführt. Eine Aufzählung von sieben, eher undifferenzier- ten Maßnahmenbündeln geben Reinhart/Ansorge/Selke11:

• Segmentierung der Unternehmensaktivitäten nach Kundengruppen,

• kundenorientierte Gestaltung des Produkt- bzw. Leistungsprogramms,

• kundenorientierte Gestaltung des Logistiknetzwerks,

• zeitnahe Auswertung von Marktsignalen,

• strategische Ausrichtung des Beschaffungsbereichs,

• Vereinheitlichung der Informationssysteme und

• umfassendes Monitoring aller beteiligten Partnerunternehmen.

Grundsätzlich stellt sich bei diesen Maßnahmenbündeln die Frage nach der Innovativität.

Es drängt sich ferner die Frage auf, inwiefern diese Maßnahmenbündel alle wesentlichen Gestaltungsmöglichkeiten erfassen. Neben der an Kunden ausgerichteten Logistik werden beispielsweise bei langen Logistikketten auch Partnerunternehmen mit geringem Kunden- bezug auftreten, für die eine entsprechende Ausrichtung der gesamten Logistik keine Vor- teile erbringt. Neben der Logistik müssen darüber hinaus auch die Produktionen zwischen den beteiligten Unternehmen abgestimmt werden. Keineswegs wird mit den beschriebenen Maßnahmenbündeln versucht, präzise Gestaltungsmaßnahmen vorzugeben. Insofern kann diese Übersicht nicht als Grundlage der differenzierten Gestaltung einer Supply Chain verwendet werden.

11 Vgl. Reinhart/Ansorge/Selke (2000), S. 71.

(10)

Weitere Gestaltungsmaßnahmen lassen sich der Auswertung einer CLM-Studie durch Pfohl12 entnehmen. Er beschreibt Kompetenzen, die für eine erfolgreiche Umsetzung des Supply Chain Managements relevant sein sollen. Diese besitzen gleichzeitig den Charakter von Gestaltungsmaßnahmen bzw. Maßnahmebündeln, sodass sie für die vorliegende Stu- die von Bedeutung sind:

• Kundenorientierung durch Integration der Kunden,

• Prozessmodifikationen, z.B. Prozessstandardisierung und Prozessvereinfachung,

• Integration von Lieferanten, z.B. durch Modifikation der Informations- und Auftrags- flüsse,

• Einsatz adäquater Informationstechnologien,

• Integration der Erfolgsmessung und der Controlling-Systeme,

• Prozessgestaltung auf Basis partnerschaftlicher Beziehungen.

Erwähnenswert ist auch die Systematisierung von Gestaltungsmaßnahmen nach Bower- sox13, die jedoch nicht konkreter sind als die von Pfohl dargestellten Kompetenzfelder.

Ein anderer Zugang zur Gestaltung von Supply Chains wird durch Modelle (oder Refe- renzmodelle) gewählt. Z.B. ist es Ziel des Referenzmodells des Supply-Chain-Councils (SCOR-Modell)14, einen Rahmen für die Entwicklung unternehmensspezifischer Supply- Chain-Prozesse vorzugeben sowie die Basis für ein Kennzahlencontrolling bereitzustellen.

Dieses Modell unterscheidet nach Kernprozessarten in Planungs-, Beschaffungs-, Produk- tions- und Lieferprozesse und erlaubt nach mehreren Ebenen eine strukturierte Unterglie- derung in Prozesselemente (Teilprozesse der Kernprozesse). Das Modell bezweckt, branchenspezifische Prozesseigenschaften durch die Konkretisierung von Teilprozessen auf unteren Ebenen zu berücksichtigen. Problematisch scheint die Fixierung auf die klassi- sche Leistungserstellung. Entsorgung und Recycling werden in diesem Modell nicht in den Bereich der Kernprozesse einbezogen.15 Während sich Entsorgungsprozesse abstrakt als

12 Vgl. Pfohl (2000), S. 33 ff.

13 Vgl. Bowersox (1997), S. 185 ff.

14 Vgl. http://www.supply-chain.org mit Stand 17.6.2003 sowie Becker (2002), S. 66 ff. und Göpfert (2002), S. 38 f.

15 Vgl. Jehle (2000), S. 218.

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produzierte Dienstleistungen auffassen lassen, bereiten Recyclingprozesse auf Grund ihres rekursiven Materialflusses Schwierigkeiten und müssen bei der Modellierung gesondert betrachtet werden. Auch das SCOR-Modell verdeutlicht, dass vor der tatsächlichen Ge- staltung von Supply Chains präzise Gestaltungsmaßnahmen erarbeitet werden müssen. Das SCOR-Modell ermöglicht es zwar, anhand eines Referenzmodells eine grobe Einteilung von Gestaltungsschritten abzuleiten und Prozessinterdependenzen aufzuzeigen Ein Katalog prozessgestaltender Maßnahmen fehlt jedoch ebenso wie Kriterien zur Evaluierung ge- planter Maßnahmen. Eine Erweiterung des Modells um diese Komponenten bietet sich jedoch an und wäre übgreifend über alle vier Ebenen des SCOR-Modells mit zunehmen- dem Detaillierungsgrad zu implementieren.

Die exemplarisch dargestellten Gestaltungsmaßnahmen besitzen nicht die Präzision, um aus ihnen konkrete Einzelmaßnahmen für die Gestaltung von Prozessen oder Produkten abzuleiten. Differenziertere Ausführungen über Gestaltungsmaßnahmen für Supply Chains finden sich im Bereich der Produktionsgestaltung der ingenieurwissenschaftlichen Fachli- teratur. Gudehus beispielsweise führt mehrere Maßnahmen an, die schwerpunktmäßig un- ternehmensinterne Prozesse und Prozesse zwischen Supply-Chain-Partnern betreffen16:

• Schwerpunktmäßig prozessbezogene Gestaltungsmaßnahmen:

− Eliminieren von Teilprozessen,

− Prozessvereinfachung,

− Prozessstandardisierung,

− Prozesssynchronisierung,

− Prozessparallelisierung,

− Priorisieren von Prozessarten,

− Prozessauflösung in Teilprozesse,

− Verfeinerung der operativen Planung (Reihenfolgeplanung, Terminierung),

− Übergang zur Auftragsfertigung,

16 Vgl. Gudehus (2000), S. 198 ff. sowie 319 f. mit weiteren Nennungen ohne die hier eingeführte Systema- tik.

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− Verbesserung der Prognoseverfahren,

− Reduktion der Unsicherheit von Planungsdaten.

• Schwerpunktmäßig potenzialbezogene Gestaltungsmaßnahmen:

− Beseitigung von Störstellen und Engpässen,

− Einsatz flexiblerer Potenzialfaktoren,

− Einsatz flexiblerer Hilfsmittel (Ladeträger, Lademittel),

− abwechselnde Verwendung sich substituierender Potenziale,

− Verwendung von Potenzialen mit höherer Leistungsfähigkeit.

• Schwerpunktmäßig produktbezogene Gestaltungsmaßnahmen:

− Führung von Lagerbeständen (Entkopplung), Bereinigung des lagerhaltig geführten Sortiments,

− Standardisierung von Teilen und Produkten.

Eine andere Katalogisierung von Gestaltungsmaßnahmen findet sich im Bereich der Theo- rie der Realoptionen z.B. bei Huchzermeier/Loch17. Die Autoren untersuchen Maßnahmen, die vor Projektbeginn ergriffen werden und Änderungen des laufenden Projekts zu einem späteren Zeitpunkt zulassen, um auf eine geänderte Informationslage steuernd zu reagieren.

Nach dieser auf die Steuerung von Projekten bezogenen Sichtweise können folgende Maß- nahmen unterschieden werden:

• Integration einer defer option (Möglichkeit zur Unterbrechung),

• Integration einer abandonment option (Möglichkeit eines vorzeitigen Abbruchs),

• Integration einer contraction oder expand option (Möglichkeit einer quantitativen An- passung),

• Integration einer switching option (Möglichkeit eines Technologie- oder Geschäfts- partnerwechsels).

17 Vgl. Huchzermeier/Loch (2001), S. 86.

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Weitere Optionen (real options) erläutert Smith18:

• Option auf eine (teilweisen) Unterlassung,

• Option auf einen Abbruch mit Wiederaufnahme,

• Option auf eine technologische Mehrfachverwendung,

• Option auf eine prozessimmanente Fähigkeit zur Verbesserung bzw. Effektivitätsstei- gerung (Option mit Rationalisierungspotenzial).

Die angeführten Optionen beziehen sich ursprünglich auf laufende Projekte, für die im Zeitablauf neue Informationen bekannt werden oder die es erlauben, die Projektstruktur auch nach Projektbeginn noch zu modifizieren. Betrachtet man die Realisation einer Supply Chain im Zeitablauf als Projekt, lassen sich die angeführten Optionen als Steue- rungsmaßnahmen übertragen. Im Gegensatz zu den bisher dargestellten, planerischen Maßnahmen zur Gestaltung einer Supply Chain haben (Real-)Optionen in einer gegebenen Supply Chain prozesssteuernden Charakter.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mehrere Gründe für eine differenzierte Erfassung von Gestaltungsmaßnahmen sprechen:

• Referenzmodelle können mit Hilfe differenzierter Gestaltungsmaßnahmen konkreti- siert werden.

• Ein System differenzierter Gestaltungsmaßnahmen bietet die Ausgangsbasis für um- fassende analytische oder numerische Untersuchungen.

• Differenzierte Gestaltungsmaßnahmen können in Planungsmodelle implementiert werden. Damit bietet eine Katalogisierung von Gestaltungsmaßnahmen die Möglich- keit, z.B. stationäre Lagerhaltungsmodelle, aber auch warteschlangenbasierte Ansätze und Bausteine, für Simulationsumgebungen zu formulieren.

• Eine möglichst vollständige Erfassung von Gestaltungsmaßnahmen des Produktions- bereichs gibt auch Hinweise für die Entwicklung von Gestaltungsmaßnahmen des In- formationsbereichs.

18 Vgl. Smith (2002), S. 55 ff.

(14)

3 Anforderungen an die Katalogisierung von Gestaltungsmaßnahmen für Supply Chains

Ein Katalog von Gestaltungsmaßnahmen, der aus den oben angeführten Gründen entwi- ckelt wird und die damit verbundenen Zwecksetzungen erfüllen soll,. muss mehreren Kri- terien genügen:

• Der Katalog der Gestaltungsmaßnahmen sollte vollständig sein, d.h. er sollte alle in der Realität realisierbaren Gestaltungsmaßnahmen enthalten.

• Die Katalogisierung muss systematisch sein, um eine mehrfache Erfassung von Ge- staltungsmaßnahmen zu vermeiden.

• Die Katalogisierung muss überschneidungsfrei sein. Daher müssen Maßnahmenpakete so in Einzelmaßnahmen aufgespalten werden, dass jede Einzelmaßnahme unabhängig von allen anderen gewählt und durchgesetzt werden kann.

• Alle Gestaltungsmaßnahmen müssen empirisch begründet und realisierbar sein.

4 System der Gestaltungsmaßnahmen für Supply Chains

4.1 Gestaltungsmaßnahmen für unternehmensübergreifende Produktions- und Logistik- systeme

Bei der nachfolgenden Systematisierung wird zwischen Gestaltungsmaßnahmen unter- schieden, die das Produktionssystem betreffen, und Gestaltungsmaßnahmen, die sich auf das Controllingsystem beziehen. Bei mehreren Maßnahmen kann eine Einordnung nur danach getroffen werden, wo die Maßnahme schwerpunktmäßig ansetzt. In der Regel gilt, dass mit einer Änderung im Produktionssystem auch eine Modifikation der Informations- flüsse verbunden ist, also auch das Controlling von dieser Änderung tangiert wird. Als Produktionssystem wird nachfolgend neben dem System zur Erstellung von Sachleistun- gen auch dasjenige zur Erstellung von Dienstleistungen verstanden. Nach dieser Sichtwei- se können z.B. auch Logistikleistungen Objekte der Gestaltungsmaßnahmen sein. Alle Verrichtungen, die im Zusammenhang mit der jeweiligen Leistungserstellung anfallen, bilden Teilprozesse eines Wertschöpfungsnetzwerkes, das mindestens zwei direkt aufein- anderfolgende Prozessebenen besitzt. Das Wertschöpfungsnetzwerk braucht dabei nicht zwingend aus einer seriellen Abfolge von wertschöpfenden Stufen zu bestehen, sondern kann auch Konvergenzen und Divergenzen enthalten. Im Fall von Vergenzen bilden alle Stufen mit gleichartigen Aufgaben eine gemeinsame Prozessebene.

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4.1.1 Modularisierung

Bei der „Modularisierung“ werden Teilprozesse und Produkte zweier Prozessstufen in der Weise verändert, dass aus einem Zwischenprodukt eine eigenständige Komponente her- ausgelöst und erst auf einer späteren Prozessstufe eingebaut bzw. bearbeitet wird. Bekannt geworden ist diese Gestaltungsmaßnahme für Wertschöpfungsketten aus dem Bereich von Haushaltsmaschinen,19 z.B. von Geschirrspülern und Waschmaschinen (vgl. Abbildung 1).

Ursprünglich wurden Waschmaschinen mit vollständig nach Kundenwunsch montierten Gehäusen aus dem herstellenden Werk in die Distributionszentren geliefert. Dabei traten in den Distributionszentren hohe Lagerbestände und Lagerhaltungskosten auf, da gewünscht wurde, allen Kunden für alle Varianten der Außenverkleidung eine kurze Lieferzeit zu ga- rantieren. Im Zuge der Modularisierung wurden alle Außenverkleidungen aus dem Gehäu- sebau herausgelöst und als eigenständige Komponenten an die Distributionszentren geliefert. Das Aufgabenfeld der Distributionszentren wurde durch diese Maßnahme um einen Teilprozess der Endmontage erweitert. Als Ergebnis dieser Modularisierung konnten die Bestände an komplett montierten Waschmaschinen deutlich reduziert und die Lager- haltungskosten in vergleichbarem Umfang gesenkt werden. Ähnliche Maßnahmen wurden beim Import japanischer Kraftfahrzeuge in Europa ergriffen. Letztere werden im Gegen- satz zu Nichtexportfahrzeugen erst nach ihrer Ankunft im Importland entwachst und um Sonderausstattungen ergänzt.

19 Vgl. Lee/Tang (1997), S. 45.

(16)

Abbildung 1: Modularisierung

Abbildung 1 veranschaulicht für die Herstellung von Waschmaschinen, wie mit der Au- ßenverkleidung eine Komponente aus dem ursprünglichen Produkt herausgelöst und die Gestalt des ursprünglich im Maschinen- und Gehäusebau herstellten Erzeugnisses geändert wird. Die Gestalt der durch die Distributionszentren in die Absatzkanäle gegebenen Er- zeugnisse bliebt hingegen gleich. Mit dieser Modularisierung geht auch eine Änderung der Prozessinhalte einher. Auch die Informationsflüsse werden durch diese Maßnahme beein- flusst. Den Maschinen- und Gehäusebau erreichen nach der Modularisierung nur noch In- formationen (Mengenanforderungen) über unvollständig montierte Waschmaschinen und getrennt bereitzustellende Außenverkleidungen. Mengenanforderungen über Maschinen mit bestimmten Außenverkleidungen sind nach der Modularisierung nur noch für die Dis- tributionszentren relevant.

4.1.2 Standardisierung

Mit „Standardisierung“ wird die Vereinheitlichung von Verfahrensweisen und Erzeugnis- sen (Einzelteilen, Baugruppen, Endprodukten) bezeichnet. Für Supply Chains wurde diese Gestaltungsmaßnahme im Zusammenhang mit der Produktion von Schwarz/Weiß- Druckern und Farb-Druckern bekannt.20 Ursprünglich wurden für beide Produktlinien ge- trennt Gehäuse gebaut und in diese unterschiedliche Antriebseinheiten montiert. In der nächsten Generation wurden Gehäuse und Antriebseinheit des Druckerkopfes vereinheit- licht (standardisiert), sodass die Antriebseinheit sowohl Farb- als auch Schwarz/Weiß- Patronen aufnehmen konnte (vgl. Abbildung 2). Erst im letzten Glied der Produktionskette

20 Vgl. Feitzinger/Lee (1997), S. 116 ff.

(17)

finden nach der Standardisierung von Gehäuse und Antriebseinheit die Komplettierung der Drucker und die Qualitätskontrolle statt.

Abbildung 2: Standardisierung

Das Beispiel in Abbildung 2 zeigt, wie durch Standardisierung die Prozesse des Gehäuse- baus und der Antriebsmontage vereinheitlicht wurden, wobei nach der Durchführung die- ser Gestaltungsmaßnahme ein gleichartiges Zwischenprodukt erstellt wird. Dieses Zwischenprodukt ist in Bezug auf die Komplettierung und Qualitätsprüfung ein Mehrfach- verwendungsteil. Es ist aber konstruktionstechnisch aufwändiger als seine Vorgängermo- delle und verursacht daher höhere Herstellkosten. Nach der Standardisierung ist es jedoch möglich, bei stochastischen Schwankungen der Nachfrage mit verringerten Lagerbestän- den und Lagerhaltungskosten zu arbeiten, ohne einen Verlust an Lieferfähigkeit in Kauf nehmen zu müssen. Außerdem sind von der Standardisierung die Informationsflüsse der Bedarfsmeldungen betroffen. Sie verlaufen nach der Standardisierung nicht mehr in zwei getrennte Antriebsmontagen, sondern einheitlich in die einzige, gemeinsame Antriebs- montage.

4.1.3 Einführung alternativer Prozesstechniken

Grundlage vieler Gestaltungsmaßnahmen sind Änderungen der Prozesstechniken. Die

„Einführung einer alternativen Prozesstechnik“ ist eine unabhängige Gestaltungsmaßnah- me für Supply Chains, wenn hiervon weder die Prozessergebnisse der vorangehenden noch diejenigen der nachfolgenden Teilprozesse tangiert werden. Als klassisches Beispiel lässt sich die Ablösung von Lastkraftwagen durch Waggons als Transportmittel anführen (vgl.

Abbildung 3).

(18)

Abbildung 3: Einführung einer alternativen Prozesstechnik

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Die Beibehaltung gleicher Prozessergebnisse als Merkmal der Einführung alternativer Pro- zesstechniken ist unscharf. Die Unschärfe hängt von den Anforderungen an die Genauig- keit ab, mit der das Problem abgebildet wird. Interessiert nur die Ankunft der versendeten Güter beim Empfänger, ist diese Anforderung im dargestellten Beispiel voll erfüllt. Tat- sächlich verändert jedoch jeder Übergang der Ladung auf ein anderes Transportmittel die Qualität der Bereitstellung beim Kunden. So ist beispielsweise ein LKW-Transport lokal leichter umzudisponieren. Auch sind mit den beiden Transportmittelarten unterschiedliche Risiken (Terminrisiken, Beschädigungsrisiken, Untergangsrisiken) verbunden. Gerade Risiken einer rechtzeitigen oder einwandfreien Bereitstellung können jedoch als Kompo- nente eines Prozessergebnisses aufgefasst werden.21 In diesem Fall sind die Prozessergeb- nisse vor und nach Einführung der alternativen Prozesstechnik mehrdimensionale Leistungsbündel mit unterschiedlichen Qualitäten. Das Prozessergebnis wird also bei de- taillierterer Betrachtung der Maßnahme nicht beibehalten.

Die Verwendung alternativer Prozesstechniken als abstrakte Maßnahme umfasst in der Realität eine Vielzahl möglicher Umsetzungen. So können auch z.B. Standortentscheidun- gen als Entscheidungen über alternative Prozesstechniken interpretiert werden.22 Auch im logistischen Teilbereich einer Supply Chain lassen sich weitere Spezialfälle erfassen. Eine typische Aufgabe in logistischen Systemen ist die Lagerhaltung, die u.a. der Entkopplung von Materialflüssen mit unterschiedlichen Kontinuitäten dient. Eine Änderung dieser Kon- tinuitäten stellt ebenfalls eine Änderung der angewendeten Prozesstechnik dar.

4.1.4 Änderung der Prozesskettenlänge

Bei der Änderung der Länge (Glieder) eines Wertschöpfungsnetzwerks als Gestaltungs- maßnahme wird in wenigstens einem zusammenhängenden Teil des Netzwerkes eine Folge

21 Vgl. zur Risikosteuerung Pfohl (2002), S. 36 ff. sowie zur Auswahl von Logistikpartnern Großeschallau (2002), S. 85 f. und 97.

22 Vgl. Schmid (2002), S. 103 ff.

(19)

von Teilprozessen durch eine andere ersetzt. Diese Änderung erfolgt derart, dass das End- ergebnis der geänderten Folge mit demjenigen der ursprünglichen Prozessfolge überein- stimmt. In der Regel werden bei dieser Maßnahme die in der Prozesskette verbleibenden Teilprozesse durch neue Arbeitsinhalte modifiziert. Insofern ist eine Änderung der Pro- zesskettenlänge auch im Zusammenhang mit der oben beschriebenen Einführung alternati- ver Prozesstechniken zu sehen.

Ein Beispiel für die Änderung der Prozesskettenlänge bietet die Umstrukturierung der Ver- sorgung italienischer Daimler Chrysler-Händler (DC-Händler), die ursprünglich ihren Be- darf an Reifen im Zentrallager in Capena (Italien) deckten (vgl. Abbildung 4). Der Bedarf des Zentrallagers in Capena wurde durch ein zentrales Versorgungslager in Germersheim gedeckt, das wiederum die Reifen von diversen Herstellern bezog. Die Verkürzung der Prozesskette bestand darin, die logistischen Teilprozesse des zentralen Versorgungslagers in Germersheim und des Zentrallagers in Capena zu eliminieren und deren Teilprozesse (Bestellung, Bevorratung) auf die DC-Händler und auf die diversen Reifenhersteller zu übertragen.

Abbildung 4: Änderung der Prozesskettenlänge

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Im dargestellten Beispiel werden auch die Bedarfsmeldungen und Bestellungen nach der Umgestaltung der Prozesskette auf neuen Wegen weitergeleitet. Dafür sind neue Teilpro- zesse notwendig, die zum einen die Bedarfsmeldungen zu Bestellungen werden lassen und zum anderen letztere ausführen. Ferner ergeben sich zusätzliche Auftragsbearbeitungs- und -verfolgungsaufgaben beim Reifenhersteller. Auf der Güterstromseite ist die Logistik von einem System mit mehreren Hubs auf ein System zentraler Versorgung umzustellen.

Ein Beispiel, das im Gegensatz zum Problem bei Daimler Chrysler eine Verlängerung der Prozesskette enthält, liefert dm-drogerie markt. In der Ausgangssituation belieferten Liefe-

(20)

ranten direkt die dm-Filialen. Dies führte zu langen Lieferzeiten, unregelmäßigen Besu- chen der Lieferantenrepräsentanten und geringem Lieferservice.23 Zur Modifikation der Prozesskette wurden hier Verteilzentren eingerichtet, die zur Lagerhaltung und Bedarfser- fassung dienten.

4.1.5 Modifikation der Prozessfolge (Operations Reversal)

Sofern bei einer Umgestaltung die Inhalte der Teilprozesse gleich bleiben, aber die Reihen- folge ihrer Durchführung vertauscht wird, handelt es sich um „Operations Reversal“. So- wohl die Materialien, die in die modifizierte Prozesskette eingehen, als auch die am Ende der Prozesskette erstellten Güter bleiben dabei artmäßig erhalten. Die Zwischenprodukte, die als Prozessergebnisse der modifizierten Teilprozesse auftreten, können jedoch erheb- lich von den vergleichbaren Zwischenprodukten vor Umgestaltung der Teilprozesse ab- weichen. Ein bekanntes Beispiel für diese Gestaltungsmaßnahme stellt ein Teil der Pullover-Produktion bei Benetton dar (vgl. Abbildung 5).24 In der Ausgangssituation wur- den von Zulieferern Materialien (Garne) für Pullover geliefert, die dann in Farben aus der Benetton-Farbpalette eingefärbt wurden. Anschließend wurden die gefärbten Garne zum Stricken und Nähen der Pullover eingesetzt. Um Sicherheitsbestände abzusenken und schneller auf Nachfrageänderungen in Bezug auf Saisonfarben reagieren zu können, wurde die Folge der Teilprozesse „Färben“ und „Stricken/Nähen“ vertauscht. Die von den Zulie- ferern gelieferten Garne wurden somit zunächst zu Pullovern (Rohpullovern) bzw. Teilen verarbeitet, und die Rohpullover anschließend gefärbt.

Abbildung 5: Operations Reversal

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!

* +

23 Vgl. Rodens-Friedrich/Friedrich (2002), S. 171 ff.

24 Vgl. Lee/Tang (1998), S. 163.

(21)

Auch dem Beispiel zum Operations Reversal in Abbildung 5 lässt sich entnehmen, dass von der Modifikation der Teilprozesse auch Produkte betroffen sind. Dabei handelt es zum einen um die erstellten Zwischenprodukte und zum anderen um die Endprodukte. Letztere bleiben zwar artmäßig gleich, ihre Bereitstellung für die Distributionskanäle ist jedoch verbessert worden. Ferner ist erneut zu beobachten, dass auch die Informationskanäle zu ändern sind. Im Beispiel mussten Informationen über veränderte Nachfragen nach Pullo- vern bestimmter Farben bereits auf der zweiten Prozessebene „Färben“ berücksichtigt wer- den. Nach dem Operations Reversal wurden diese Informationen an die dritten Stufe

„Färben“ geleitet.

4.1.6 Modifikation der Vergenzen in Prozessketten

Unter „Vergenzen“ sind die Strukturen direkt aufeinanderfolgernder Teilprozesse zu ver- stehen. Ihre Gestaltung stellt ein elementares Instrument zur Netzwerkkonfiguration25 dar.

Sofern ein Teilprozess genau einen Vorgänger besitzt, besteht zwischen diesen beiden Teilprozessen eine serielle Struktur. Besitzt ein Teilprozess dagegen mehrere direkte Vor- gänger und ist er alleiniger Nachfolger dieser vorangehenden Teilprozesse, liegt eine kon- vergente Struktur vor. Je nachdem, ob alle vorangehenden Teilprozesse abgeschlossen sein müssen, bevor der nachfolgende Teilprozess beginnen kann, oder ob alternativ nur ein vo- rangehender Teilprozess abgeschlossen sein muss, können konjunktive und disjunktive Konvergenzen unterschieden werden. Eine Divergenz liegt vor, wenn ein einziger Teilpro- zess mehrere direkte Nachfolger hat. Werden diese nach Abschluss des Vorgängers alle durchgeführt, liegt eine konjunktive Divergenz vor. Wird hingegen nur ein einziger Nach- folger nach Abschluss des Vorgängers ausgewählt und durchgeführt, ist die Divergenz disjunktiv. Kombinationen serieller, konvergenter und divergenter Strukturen stellen all- gemeine Netzstrukturen dar. Die Änderung der Vergenz einer Prozesskette wird durch die Anzahl der Änderungen an direkt vorangehenden oder nachfolgenden Prozessen bestimmt.

Neben einer Änderung der Anzahl direkt vorangehender oder nachfolgender Teilprozesse ergibt sich bei disjunktiven Vergenzen eine weitere Möglichkeit zur Modifikation der Supply Chain. Bei disjunktiven Vergenzen kann auch die Häufigkeit der Durchführung eines dieser Teilprozesse eine Vergenzmodifikation herbeiführen. Sofern die Häufigkeit einen Wert von Null aufweist, gleicht dies auch einer Reduktion der Anzahl direkt voran- gehender oder nachfolgender Teilprozesse.

25 Vgl. Scheer/Angeli (2002), S. 375 ff.

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Die Reduktion einer konvergenten Struktur auf eine serielle Struktur sei am Beispiel eines Krankenhauslogistikzentrums erläutert (vgl. Abbildung 6). In der Ausgangssituation bezog das Krankenhauslogistikzentrum Materialien einer bestimmten Art (z.B. Kanülen, Einweg- spritzen, Verbandsmaterial usw.) von drei unterschiedlichen Lieferanten. Diese disjunktive Konvergenz wurde im Beispiel zu einer seriellen Struktur, indem das Logistikzentrum zum Single-Sourcing überging.

Abbildung 6: Modifikation der Vergenz einer Prozesskette

Zweck der dargestellten Maßnahme ist es, gegenüber der Ausgangssituation bessere Ra- batte zu erlangen und eine höhere Lieferbereitschaft zu erzielen. Ferner sollten indirekte Beschaffungskosten für Bestellwesen, Qualitätsprüfung und Transport gesenkt werden.

Dabei verdeutlicht das Beispiel in Abbildung 6 wiederum, dass durch die Umgestaltung des Materialflusses auch die Informationsflüsse betroffen sind.

4.1.7 Priorisierung von Kundengruppen

Die Priorisierung von Kundengruppen bedeutet die Einführung einer Rangordnung, nach der Abnehmer bedient bzw. beliefert werden. Die Einführung einer Kundenpriorisierung führt auch zu einer Änderung des Planungssystems, weil hier die Planungsobjekte (Pro- dukte) nach Kundengruppen differenziert werden müssen. Dieses setzt eine entsprechende Differenzierung der Informationsflüsse voraus. Damit ist die Priorisierung von Kunden- gruppen eng mit der Erweiterung einer disjunktiven Divergenz der Absatzkanäle verbun- den. Sie unterscheidet sich von dieser nur durch die zusätzliche Bevorzugung bestimmter Kundengruppen bei der Belieferung.

4.1.8 Bestandsflexibilisierung

Eine „Bestandsflexibilisierung“ stellt die Erhöhung der Anpassungsfähigkeit raum- und zeitüberbrückender Prozessstufen dar. Sie kann beispielsweise durch die Einrichtung einer zusätzlichen logistischen Verbindung (Lieferverbindung) zwischen zwei Prozessstufen

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erreicht werden, wobei gleiche Güter ausgetauscht werden, um Fehlmengen zu verhindern.

Ein typisches Beispiel (vgl. Abbildung 7) stellt die Abstimmung zweier Auslieferungslager dar, die eine Belieferung untereinander einführen. Diese ermöglicht es, Fehlmengen durch Eillieferungen aus dem jeweils anderen Auslieferungslager zu vermeiden.

Abbildung 7: Bestandsflexibilisierung

, ,

Die in Abbildung 7 dargestellte Form der Bestandsflexibilisierung darf nicht mit der Stan- dardisierung eines Einkaufsteils oder eines Zwischenprodukts verwechselt werden. Die Standardisierung führt zu einem Mehrfachverwendungsteil, dessen Bestand ebenfalls fle- xibler ist, dessen Flexibilität jedoch nicht auf den Aufbau einer gemeinsamen Bedarfsde- ckung, z.B. durch eine zusätzliche logistische Verbindung, zurückzuführen ist. Die Einführung der logistischen Verbindung zwischen den beiden Auslieferungslagern führt ebenfalls zu einer Umgestaltung der Informationsflüsse.

4.1.9 Parallelisierung von Teilprozessen

Im Zuge der Gestaltungsmaßnahme „Parallelisierung“ werden Teilprozesse, die in einer Prozesskette ursprünglich direkt oder indirekt in einer Vorgänger-Nachfolgerbeziehung standen, teilweise oder vollzählig gleichzeitig (parallel, simultan) durchgeführt. Ein Bei- spiel stellt die Weiterverarbeitung von frisch gefangenem Fisch an Bord von Fangschiffen dar (vgl. Abbildung 8). Ursprünglich wurde diese Weiterverarbeitung nach dem Fang an Land durchgeführt. Die Parallelisierung besteht in diesem Fall darin, dass die Weiterverar- beitung vorverlegt und bereits während des Fangs und der Rückfahrt auf See durchgeführt wird. Ein weiteres Beispiel liefert der Übergang von einer programmgebundenen zu einer produktionssynchronen Beschaffung. Bei reiner programmgebundener Beschaffung wer- den die bestellten Güter (Nettobedarf) zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt im Ein- gangslager angeliefert und anschließend im Rhythmus der Produktion entnommen und

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weiter verarbeitet. Bei produktionssynchroner Beschaffung26 wird dagegen der entspre- chende Bedarf in mehrere Teillieferaufträge aufgelöst, die jeweils möglichst genau zum Zeitpunkt ihrer Weiterverarbeitung (just in time) an dem dazu vorgesehenen Arbeitsplatz eintreffen sollen. In diesem Fall sind Produktion und Anlieferung weitestgehend paralleli- siert.

Abbildung 8: Parallelisierung von Teilprozessen

V T

V T

- '

+

4.2 Aspekte der Gestaltung von Informations- und Planungssystemen für Supply Chains Der Überblick über die Maßnahmen zur Gestaltung des Produktionssystems in Versor- gungsnetzwerken hat gezeigt, dass Änderungen der Produkte oder der Prozessstruktur auch nach Änderungen der Informationsflüsse und der Planungsinstrumente verlangen. Die pro- duktionsbezogenen Gestaltungsmaßnahmen beeinflussen damit indirekt auch das Informa- tions- und Planungssystem bzw. das Controllingsystem der Partnerunternehmen. Neben diesen indirekt wirkenden Maßnahmen lassen sich auch Beispiele für direkte Gestaltungs- maßnahmen anführen, die, unabhängig vom Produktionssystem, schwerpunktmäßig Ände- rungen in den Informations- und Planungssystemen der Partner bewirken. Über diese Maßnahmen gibt der folgende Abschnitt einen kurzen Überblick, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

Auch ohne Änderung des Materialflusses besteht in einer Supply Chain die Möglichkeit, den Informationsfluss zu gestalten (verbessern).27 Diese Verbesserung kann durch Erweite-

26 Vgl. Schulte (1999), S. 237 ff.

27 Vgl. Lee/So/Tang (2000), S. 628 ff.

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rung des Informationsumfangs (der Informationsmenge) bei gegebenen Informationswegen oder durch Einführung neuer Informationswege erzielt werden. Erhält z.B. der Lieferant Informationen über die Absatzplanung seines Kunden, kann er seine eigenen (unveränder- ten) Absatzplanungen genauer vornehmen. Je besser diese Informationen z.B. durch Rah- menverträge und -vereinbarungen abgesichert sind, kann auch das Risiko in der Produktionsplanung des Lieferanten reduziert werden. Ein praktisches Beispiel liefert die dm-drogerie markt GmbH + Co. KG, die mit Lieferanten (z.B. Henkel) teilweise ihre E- vent-Planung abstimmt und somit den Lieferanten Absatzprognosen mit geringeren Risi- ken ermöglicht.28 Ein ähnliches Beispiel wird von BASF berichtet, die zur Verbesserung ihrer Absatzprognosen selbsttätig Einblick in die Chemikalientanks von etwa 200 Kunden nehmen.29

Ein Beispiel für die Reorganisation des Informationsflusses liefert die Logistik bei Hew- lett-Packard. Hier richteten bis 1993 Kunden ihre Aufträge an die einzelnen Werke, die ihre Kunden über Redistributionszentren in Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland belieferten. Nach der Reorganisation wurde der Kundenauftragsfluss auf ein Lieferwerk in Böblingen konzentriert, das Fertigungsaufgaben mit Distributionsaufgaben verknüpfte.30 Gleichzeitig wurden darüber hinaus die Redistributionszentren in den genannten Ländern aufgelöst. Streng genommen liegt hier keine reine Änderung des Informationsflusses vor, sondern diese war mit einer Verkürzung der Prozessketten verbunden.

Eine im Vergleich zur Reorganisation des Informationsflusses umfassendere Gestaltungs- maßnahme ist die Koordination der Planungssysteme aller Netzwerkpartner. Sie basiert auf einer Neugestaltung der Informationsflüsse und kann streng genommen nur simultan mit dieser vorgenommen werden. Im Gegensatz zu einer isolierten Reorganisation der Infor- mationsflüsse findet bei der Koordination der Planungssysteme zusätzlich eine Abstim- mung der Planungsarten, Prognoseinstrument, Koordinationsmethoden, Vor- und Rückkopplungsmethoden sowie Soft- und Hardware-Systeme statt.31 Nachfolgend erdeut- licht dies ein einfaches Beispiel (vgl. Abbildung 9), in dem Supermärkte ihre Verkaufsda- ten aus Scannerkassen nicht nur an das Zentrallager melden und damit Bestellungen für die einzelnen Märkte auslösen, sondern diese Daten gleichzeitig an den Zulieferer für das

28 Vgl. Schick (2002), S. 134 ff. und 146 ff.

29 Vgl. Corsten/Gabriel (2002), S. 31.

30 Vgl. Schmid (2002), S. 107.

31 Vgl. Cachon/Fisher (2000), S. 1042 f. sowie mit einem Beispiel zur langfristigen Koordination des Pla- nungssystems Chan/Simchi-Levi (1998), S. 1564 ff.

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Zentrallager weitergeben. Der Zulieferer löst dann, ähnlich wie nach dem Conwip- Prinzip,32 einen Materialfluss an das Zentrallager aus. Nach dieser Umgestaltung der Supply Chain, die auch im Rahmen des Quick Response diskutiert wird,33 erhält der Zulie- ferer die zusätzlichen Aufgaben der Bedarfskontrolle und der Bestellauslösung. Eine wei- tere Maßnahme zur Abstimmung von Planungssystemen betrifft die Festlegung der Auftragsgrößen und Dispositionsregeln zur Auftragsauslösung.34 Sie bestimmen die Kapa- zitätsinanspruchnahme der Produktion, der Transportmittel, der Lagerräume und der indi- rekten Bereiche (Einkauf, Lagerwesen, Qualitätswesen und Kommissionierung).

Abbildung 9: Reorganisation des Informationsflusses

! !

Im Beispiel der Abbildung 9 wird eine Verlängerung des Informationsflusses dargestellt, die durch eine Weitergabe von Informationen an eine vorangehende Prozessstufe in der Supply Chain gekennzeichnet ist.

Neben dieser Verlängerung kann der Informationsfluss auch dadurch modifiziert werden, dass Partner derselben Prozessebene untereinander z.B. Bestandsdaten austauschen. Be- gleitet durch einen Materialfluss bildet diese Gestaltung des Informationsflusses auch die Grundlage für eine Bestandsflexibilisierung (vgl. Abbildung 7). Denkbar ist darüber hinaus als Koordinationsform auch der Zusammenschluss mehrerer Zulieferer zu einem Informa- tionsverbund, der jedem Abnehmer größere Liefer- und allen Netzwerkpartnern größere Planungssicherheit gibt.

Ein anders gelagertes Beispiel bietet dm-drogerie markt GmbH + Co. KG, die Verteilzent- ren einrichtete und neben den Materialflüssen auch die Informationsflüsse über diese Zent-

32 Vgl. Günther/Tempelmeier (2003), S. 315 ff.

33 Vgl. Schulte (1999), S. 399 f. sowie Zentes (1989), S. 38 ff.

34 Vgl. Inderfurth (1998), S. 629 ff.

(27)

ren leitete.35 Die früher in den Filialen getroffenen Beschaffungsentscheidungen wurden gleichfalls in das Verteilzentrum verlagert, um eine koordinierte Bestandsverwaltung zu erreichen. Für die Bestellentscheidungen wurden dabei Bedarfsprognosen erstellt, die auf Daten basierten, die filial- und artikelgenau aus Scannerkassen geliefert wurden. Weitere Planungsaufgaben wurden durch die Einführung eines Vendor Managed Inventory verla- gert. Die Bestandsführung wurde den beteiligten Lieferanten übertragen, die alle Bestands- analysen auf der Basis täglicher Bestandsberichte durchführten.36

Neben der Reorganisation von Informationsflüssen spielt auch die Neugestaltung der In- formationsqualität eine Rolle. Diese lässt sich auch als ein Grenzfall der Reorganisation der Informationsflüsse interpretieren, bei der Informationsflüsse einer bestimmten Qualität durch Informationsflüsse einer anderen Qualität ersetzt werden.

5 Perspektiven einer warteschlangenbasierten Modellierung von Supply Chains Bei der Darstellung und Analyse der Gestaltungsmaßnahmen für Supply Chains zeigte sich, dass einige Maßnahmen sich nur graduell unterscheiden oder zumindest überein- stimmende Ausprägungen besitzen.

Generell muss bei der Langfristigkeit der Problemstellung davon ausgegangen werden, dass wesentliche planungsrelevante Daten von Unsicherheit betoffen sind.37 Diese Unsi- cherheit kann, sofern geeignetes historisches Datenmaterial vorliegt, durch stochastische Planungsmodelle erfasst werden. Die meisten stochastischen Planungsansätze auf dem Gebiet der Gestaltung von Supply Chains haben jedoch die Schwäche, dass sie die Folge- beziehungen zwischen den Teilprozessen und die zeitlichen Inanspruchnahmen der Kapa- zitäten außer Acht lassen.38 In wenigen Arbeiten werden zumindest modellexogene Durchlaufzeiten berücksichtigt.39 Sollen in einer langfristigen Planung Durchlaufzeiten als

35 Vgl. Rodens-Friedrich/Friedrich (2002), S. 172 f.

36 Vgl. Rodens-Friedrich/Friedrich (2002), S. 178 ff. sowie zum VMI-Konzept bei BASF Corsten/Gabriel (2002), S. 31.

37 Vgl. Goetschalckx (2000), S. 85 und 87 sowie zur bislang unzureichenden Berücksichtigung der Sto- chastik in APS-Systemen S. 92.

38 Vgl. Gerchak/Magazine/Gamble (1988), S. 753 ff.; Lee/Tang (1997), S. 40 ff. sowie Graman/Magazine (2002), S. 341 ff. und die dort angegebene Literatur.

39 Vgl. z.B. Lee/Tang (1998), S. 168 ff.

(28)

endogene Größen erfasst und die Kapazitätsinanspruchnahme im Zeitablauf berücksichtigt werden, bietet sich die Modellierung mit Warteschlangensystemen und –netzwerken an.40 Sollen warteschlangenbasierte Modelle von Supply Chains formuliert werden, um die Zielwirkungen von Gestaltungsmaßnahmen zu analysieren, müssen zunächst den in Supply Chains auftretenden Material- und Informationsflüssen sowie den relevanten Planungs- strukturen geeignete Modellbausteine zugewiesen werden. Ein erstes Element stellen die Vergenzen im Materialfluss dar, die durch einzelne Maßnahmen modifiziert werden oder Voraussetzung für die Anwendung von Gestaltungsmaßnahmen sind. Die Vergenzen er- fordern es, sowohl serielle, konvergente und divergente Materialflüsse als auch ihre Kom- binationen abzubilden. Disjunktive Divergenzen treten bei Standardisierungen, bei Modularisierungen sowie bei Modifikationen der Prozessfolge auf. Für eine warteschlan- genbasierte Modellierung ergibt sich hieraus die Anforderung, Mehrproduktsysteme zu formulieren und Auftragseingänge in die Wartesysteme zu integrieren. Eine konjunktive Divergenz tritt bei Parallelisierung von Teilprozessen auf. Sie ist verbunden mit einer spä- teren konjunktiven Konvergenz. Beide Vergenzen führen bei Warteschlangenansätzen zu erheblichen Modellierungsproblemen, die nur approximativ gelöst werden können.41 Ge- ringere Probleme bereiten disjunktive Konvergenzen, die sich durch einfache Aggregation der in ein Wartesystem eingehenden Materialflüsse darstellen lassen. Sofern die Anwen- dung eines Pull-Prinzips abzubilden ist, können auch einfache konjunktive Konvergenzen approximiert werden.42 Im Zusammenhang mit disjunktiven Konvergenzen der Absatzka- näle zeigt sich, dass für eine realitätsgetreue Abbildung stochastische Abhängigkeiten der Nachfrage erfasst werden müssen. Die Abbildung stochastischer Abhängigkeiten in Warte- systemen bereitet jedoch formale Probleme, die noch nicht zufrieden stellend gelöst sind.

Eine Änderung der Prozesstechnik lässt sich in einer warteschlangenbasierten Modellie- rung verhältnismäßig einfach umsetzen, sofern sie sich auf die Anzahl gleichzeitig durch- führbarer Prozesse m, die Erwartungswerte der Durchführungszeiten oder deren Standardabweichungen bezieht. Um diese beiden Kenngrößen der Teilprozesse verarbeiten zu können, ist es erforderlich, das Wartesystem als GI/G/m bzw. als phasenverteiltes War- tesystem zu modellieren. Diese Systeme sind auch zu verwenden, wenn im Zuge einer Veränderung der Prozesskettenlänge Teilprozesse durch andere ersetzt oder Teilprozesse hinzugefügt werden. Sofern sich eine Prozessänderung auf eine Beschränkung der Lager-

40 Für einen Überblick vgl. Buzacott/Shanthikumar (1993) sowie Suri/Sanders/Kamath (1993), S. 199 ff.

41 Vgl. Rao/Suri (2000), S. 285 ff.

42 Vgl. Schweitzer (2003), Abschnitt 5.2.

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möglichkeiten bezieht, können Wartesysteme mit beschränktem Systemzugang des Typs

„lost arrival” oder „stopped arrival” verwendet werden. Ein beschränkter Systemzugang zu einem Wartesystem ist auch abbildungstechnisch erforderlich, um die unterschiedlichen Auswirkungen variierter Lagerbestände auf das Service-Niveau für die Abnehmer in einer Supply Chain prognostizieren zu können. Einfach lassen sich ferner Gestaltungsmaßnah- men zur Modifikation der Prozessfolge abbilden. Hierzu werden in einem Warteschlan- gennetzwerk die Kenngrößen der betroffenen Wartesysteme vertauscht.

Eine Abbildung von Lagerungsmöglichkeiten ist Voraussetzung für die Abbildung einer Bestandsflexibilisierung. Je nachdem, ob diese auf der Einführung zusätzlicher Transport- beziehungen beruht, treten hier erhebliche warteschlangentheoretische Probleme auf, wenn situationsabhängig Lieferungen von Lager zu Lager mit Hilfe von Übergangswahrschein- lichkeiten erfasst werden sollen. Auch hier herrscht bei der Entwicklung geeigneter Warte- schlangennetzwerke noch erheblicher Entwicklungsbedarf.

Änderungen in Supply Chains, die aus einer schwerpunktmäßigen Gestaltung des Infor- mationsflusses resultieren, können vielfältige Modellierungsanforderungen stellen. Die Generierung zuverlässiger Informationen über Eigenschaften der Teilprozesse oder der Absatzmengen kann sehr gut durch veränderte Erwartungswerte der Durchführungszeiten oder der Auftragseingänge und deren Standardabweichungen geleistet werden. Sie ist be- reits bei den Änderungen der Prozesstechnik beschrieben worden. Eine weitere Analyse der Gestaltungsmaßnahmen für Informationsflüsse dürfte auch zu weiteren Anforderungen an warteschlangenbasierte Modellierungen führen.

In Bezug auf die Gestaltungsmaßnahmen für ein unternehmensübergreifendes Planungs- system muss unter wartesystembezogenen Gesichtspunkten zwischen Pull- und Push- Prinzipien unterschieden werden. Zur Modellierung von Push-Prinzipien kann direkt auf Wartesysteme zurückgegriffen werden, bei denen der Informationsfluss (z. B. Beauftra- gung) und der dazugehörende Materialfluss gleichgerichtet sind. Je nachdem, ob eine Be- schränkung der Anzahl der in der Supply Chain gleichzeitig zu bearbeitenden Aufträge vorliegt, kann auf semi-offene oder offene Warteschlangennetzwerke zurückgegriffen werden. Bei Modellierung von Pull-Prinzipien muss hingegen ein zum Materialfluss ge- genläufiger Informationsfluss abgebildet werden, wozu Schritte der Neuinterpretation von Wartesystemen notwendig sind, wie sie z.B. aus der Modellierung von Kanban-Systemen und Fließfertigungssystemen43 bekannt sind.

43 Vgl. Gstettner/Kuhn (1996), S. 3256 ff.

(30)

Weitere Gestaltungsmaßnahmen für Supply Chains betreffen die angewendeten Dispositi- onsregeln und die Abstimmung der Auftragsgrößen. Sofern sich die Dispositionsregeln auf Lagerhaltungspolitiken beziehen, die nach dem Pull-Prinzip gesteuerte Supply Chains betreffen, können Wartesysteme mit beschränktem Systemzugang des Typs „stopped arri- val” verwendet werden, um den Materialfluss abzubilden. Diese Wartesysteme gehen je- doch nicht von bestandsabhängigen, sondern von festen Auftragsgrößen aus. Insofern bieten diese Wartesysteme, z.B. beim Befolgen einer (s,S)-Politik, nur eine eingeschränkte Möglichkeit zur approximativen Abbildung einer situationsabhängigen Auftragsgrößen- planung. Eine situationsunabhängige Zusammenfassung von Bedarfen zu Auftragsgrößen, die hier eine Rolle spielt, ist hingegen mit Hilfe von “batching“44 möglich.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich warteschlangenbasierte Modellierungs- methoden sehr gut dazu eignen, Prozesse in Supply Chains abzubilden und Auswirkungen von Gestaltungsmaßnahmen für Supply Chains zu prognostizieren. Gleichzeitig wird deut- lich, dass für einige Prozessstrukturen im Bereich der Warteschlangentheorie noch Ent- wicklungsbedarf besteht, der hier aufgezeigt wurde. Warteschlangenbasierte bieten gegenüber deterministischen Modellierungen die Möglichkeit, die zeitliche Abfolge von Teilprozessen detaillierter zu erfassen. Als Prognoseergebnisse erhält der Anwender Durchschnittsgrößen, die Gleichgewichtssituationen kennzeichnen. Eine detaillierte dyna- mische Abbildung von Prozessen ist mit Hilfe von Wartesystemen nicht möglich.

44 Vgl. Buzacott/Shanthikumar (1993), S. 127 ff.

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Referenzen

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