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Archiv "Walter Hirsch gestorben" (09.05.1974)

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PERSONALIA

Ehrung deutscher Ärzte in Chile

Der Bundespräsident hat Professor Dr. med. Adolfo Reccius, Leiter des Deutschen Krankenhauses in Val- paraiso (Chile) und Dr. med. Her- bert Günther, Facharzt für innere Medizin, für ihre langjährige Tätig- keit im Dienste der deutschen Ge- meinschaft und des chilenischen Volkes das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Der deutsche Generalkonsul in Valparaiso über- reichte die Auszeichnungen. Pro- fessor Reccius ist eine in medizini- - sehen Kreisen Chiles bekannte

fachärztliche Persönlichkeit. ln zahlreichen Artikeln hat er zu Fachfragen Stellung genommen und in einer reizvollen Veröffentli- chung die hundertjährige Ge- schichte des Deutschen Kranken- hauses in Valparaiso beschrieben.

Dr. Günther war lange Zeit Vertrau- ensarzt· verschiedener öffentlich- rechtlicher Verbände, Berufsge- nossenschaften und des deutschen Generalkonsulats. Dr. W. H./H.

Walter Hirsch gestorben

Im Alter von 75 Jahren verstarb am 8. Februar 1974 in Berlin Professor Dr. med. Walter Hirsch, Facharzt für Kinderkrankheiten. Bis kurz vor seinem Tode war Professor Hirsch noch in Klinik und Praxis tätig.

Hirsch war vor allem durch die Er- forschung des Zusammenhangs zwischen den Hautleisten (Handli- nien) und Krankheiten des Men- schen bekannt geworden. ln den dreißiger Jahren emigrierte er in die USA, kehrte aber nach dem Krieg nach Berlin zurück. Während seiner Emigration richtete Profes- sor Hirsch in TelAviv mit seinen ei- genen Büchern eine kleine Biblio- thek ein, aus der inzwischen die große "Bibliothek Walter Hirsch"

geworden ist, die von der israeli- schen Regierung und dem Auswär- tigen Amt der Bundesrepublik sub-

ventioniert wird. zel

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen FEUILLETON

Kinder, Kranke, Alte und Sieche:

Symbole menschlicher Hinfälligkeit und Größe

Christa Murken-Aitrogge und Axel Hinrich Murken

Fortsetzung und Schluß.

-!-

Ein mehr stupider Gesichtsaus- druck beherrscht das Antlitz eines Säuglings (Abbildung 6). Fehlendes Kinn, offener Mund mit vorge- streckter Zunge, mongoloider Ver- lauf der Lidachse erwecken den Eindruck eines kretinhaften Kindes.

Die Künstlerin scheint hier mit dem ihr eigenen intuitiven Gespür und ihrer scharfen Beobachtungsgabe einen Säugling als Modell benutzt zu haben, dessen Wesen und Er- scheinung auffallend außerhalb des Normbereichs lag (9a).

Daß es sich hier nicht um mehr oder weniger zufällig gewählte Mo- delle handelt, dafür spricht die Tat- sache, daß Paula Modersohn-Bek- ker die abgebildeten Kinder und die alte Frau mehrmals auf ihrem

. Abbildung 6: Kind in der Wiege, 1903/04, Koh·le, 256 x 282 mm, Kunsthalle Bre- men

Skizzenblock als Vorstudien fest- gehalten hat. Es stellt sich dabei allgemein die Frage, wieweit her- vorstechende Körpermerkmale aus künstlerischen Erwägungen beson- ders betont oder sogar erst gefun- den wurden, und dadurch pseudo- pathologische Züge erhalten, so wie es etwa bei einigen ex- pressiven Bildern Picassos (1881 bis 1973) manchmal der Fall ist

·· (10). Da Paula Modersohn-Secker immer nach Modellen arbeitete, darf man eine solche Möglichkeit ausschließen. Dieser Malerin ging es in erster Linie um die Wiederga- be von Realitäten, seelischer und körperlicher Art. Im üQrigen wird es i.n·der abgeschlossenen Dorfge- meinschaft · Worpswedes genügend Beispiele für kranke und debile

DEUTSCHES ARZTEBLA'IT Heft 19 vom 9. Mai 1974 1433

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

Abbildung 7: Das blinde Schwesterchen, Wallraf-Richartz-Museum, Köln

Kinder oder für sieche und ver- krüppelte Alte gegeben haben.

Darauf hat schon Ludwig Roselius (1874 bis 1943) hingewiesen, wenn er 1927 anläßlich der Einweihung des Paula-Becker-Modersohn-Hau-

Abbildung 8: Liegende Mutter und Kind, Roselius, Böttcherstraße, Bremen

um 1905, Öl auf Pappe, 330 x 330 mm, Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln

ses in Bremen sagte: „Sie suchte nicht das Modell. Sie malte Men- schen ihrer Umgebung, die eines Dorfes, so, wie sie waren — Dorf- menschen, aus Inzucht entstanden, in der Enge des weltfernen Moor-

1906/07, Öl, 830 x 1250 mm, Sammlung

Paula Modersohn-Becker

dorfes gewachsen, durch mangel- hafte Zivilisation, Hygiene und Er- ziehung oft fast kretinhaft wirkend"

(11).

Man kann also davon ausgehen, daß sämtliche 'Bildnisse auf realen Vorbildern beruhen, daß sich die junge Künstlerin unmittelbar von der individuellen Erscheinung und der Ausstrahlung der ihr vor Augen tretenden Menschen angezogen fühlte. Die Faszination für mensch- liche Extreme und Besonderheiten verschiebt sich bei ihren Künstler- porträts, bei denen es sich um be- deutende Persönlichkeiten aus ih- rem Umkreis handelte, und ihren Selbstbildnissen auf eine intellektu- ellere Ebene. Gerade ihre zahlrei- chen analysierenden Selbstporträts sprechen von einer ausgeprägten Wahrheitsliebe, um so mehr, als sie diese zum Teil in aller Stille nach fotografischen Vorlagen malte (12).

In den letzten Lebensjahren gewin- nen die Menschendarstellungen, geschult an den genialen französi- schen Malern des Nachimpressio- nismus wie an Maurice Denis (1870 bis 1943), Emile Bernard (1868 bis 1941), Aristide Maillol (1861 bis 1944) und den bereits erwähnten eine immer größere Dichte und gei- stige Durchdringung. Sie erreichte ihr Ziel, dem Wesenskern mensch- lichen Daseins tiefsten Ausdruck zu verleihen durch große formale Vereinfachung und freie, strenge Komposition.

Schon im Jahr 1900 erwähnte Sie in ihrem Tagebuch: „... die paar französischen Großen sind ganz unkonventionell. Sie wagen, naiv zu sehen" (13). Es ist anzunehmen, daß Paula Modersohn-Beckers künstlerische Entwicklung, wenn ihr eine längere Schaffenszeit ver- gönnt gewesen wäre, nicht zuletzt wegen ihrer wachsenden Intellek- tualität zu einer stärkeren Abstrak- tion im dekorativen Sinne tendiert hätte.

Als ein weiteres Beispiel für ihre besondere Fähigkeit, eine mensch- liche Situation malerisch und psy- chologisch zu erfassen, kann man

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Heft 19 vom 9. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Paula-Modersohn-Becker

das Ölbild „Das blinde Schwester- chen" aus dem Jahre 1906 heran- ziehen (Abbildung 7). Das blinde Mädchen rechts wird nicht isoliert in den Bildvordergrund gestellt, sondern in Kontrast zu dem lebens- wachen Blick der Schwester ge- setzt. Das Phänomen der Blindheit wird einerseits durch die reali- stisch gemalten toten Augenhöhlen nüchtern dargestellt, andererseits durch die liebevolle Umarmung der Schwester emotional beruhigt. Die Darstellung bleibt jedoch nicht in der Schilderung eines mitleiderre- genden Schicksales stecken, son- dern es wird vielmehr ein Gleichnis geschaffen für menschliches Leid, welches einem kleinen Bauernmäd- chen zugestoßen ist; ein Leid, das durch hilfreiche Zuwendung, gleich welcher Art, gemildert wird. In ei- nem späteren Bild „Der barmherzi- ge Samariter" aus dem Jahre 1907 greift die Künstlerin nochmals die- se Thematik des Helfens und Mit- leidens auf.

In ihren Krankheitsdarstellungen unterscheidet sich Paula Moder- sohn-Becker von den wenig spä- ter aufbrechenden Expressionisten durch die Objektivität, mit der sie malte, indem sie einen betont über- steigerten Ausdruck, der subjektive Gefühle des Künstlers von außen hineinbringt, soweit wie möglich zu vermeiden suchte (14). Die von ihr gemalten und gezeichneten Men- schen, die immer ihrem Schicksal still ergeben zu sein scheinen, wer- den in schweigender Gebärde sta- tuarisch und feierlich, fast kultisch dargestellt. Selten ging die Malerin über eine Zweierdarstellung hin- aus. Im Einzelbildnis sah sie wahr- scheinlich instinktiv die Möglich- keit, die charakteristische Ganzheit eines Menschen zu schildern. Bei den Zweierbildnissen zeigt sie stets menschliche Bindungen auf, in denen die Einzelperson an Be- deutung, aber auch an Einsamkeit verliert: die Mutter-Kind-Beziehung, das Geschwisterverhältnis oder die Stellung des Kranken zum Gesun- den.

Die Darstellung von Mutter und Kind bedeutet ein Grundmotiv in

ihrem Werk und wird besonders in den späteren Jahren mit archai- scher Strenge und ausgewogener, monumentaler Einfachheit behan- delt, so auf dem Ölgemälde aus dem Jahre 1906, das in Paris ent- stand (Abbildung 8). Der massige Körper der Mutter birgt mit seinen angewinkelten Armen und Beinen schützend den zarten Säuglings- körper. Das Urtümliche, zeitlos Gültige einer solchen kreatürlichen Konstellation wird hier ohne Pa- thos, eher auf mystische, gleichnis- hafte Weise gegeben.'Beide lagern nackt auf der Erde. Eine animali- sche Dumpfheit verbindet sich mit menschlicher Innigkeit.

Jedes Sujet erscheint bei Paula Modersohn-Becker zum Symbol verdichtet. Selbst ihr eigener Kör- per wird als Sinnbild empfunden. In ihrem Tagebuch notiert sie am 18.

Februar 1903 in Paris, sie habe von ihrer Seele das Gefühl, „daß sie so aussehe wie mein Akt" (15). In die- sem Zusammenhang ist besonders ein Selbstbildnis aus dem Jahre 1906 interessant, auf dem sie sich

— der Wirklichkeit vorauseilend, fast achtzehn Monate vor der Ge- burt ihres Kindes — als Schwange- re malt (Abbildung 9). Diese Dar- stellung einer „Scheinschwanger- schaft" ist sowohl vom künstleri- schen wie auch psychologischen Standpunkt her von größtem Reiz.

Hier äußert sich ihr zu diesem Zeit- punkt zu einer Krise herangewach- sener Konflikt, den Forderungen der Ehe, aber auch dem eigenen Wunsch nach einem Kind und de- nen ihres starken Künstlertums nicht gleichzeitig gerecht werden zu können. So steht sie dort ein- sam und zuversichtlich zugleich, die Arme schützend um den vorge- wölbten Bauch gelegt. Die eigene

psychische Verfassung wird zum allgemeinen Schicksal einer wer- denden Mutterschaft erhoben, in- dem Glück und Schwermut, Gebor- genheit und Verletzbarkeit als Grundzüge herausgestellt werden.

Paula Modersohn-Beckers Vorliebe für das Urtümliche, Einfache um- faßte mit klarer Selbstverständlich- keit die Bereiche von Leid, Krank-

Abbildung 9: Selbstbildnis am sechsten Hochzeitstage, 1906, Öl auf Leinwand, 1015 x 700 mm, Sammlung Roselius, Böttcherstraße, Bremen

heit, Siechtum, Alter und Mutter- schaft als prägende Konstanten menschlichen Lebens. Gerade die menschlichen Geschöpfe, die von seelischem oder körperlichem Leid gekennzeichnet waren, empfand sie als dem Leben in seinen Grund- bedingungen und Grundformen am nächsten stehend. Der Mensch er- scheint ihr als ein Teil der Natur in seiner besonderen Individualität und dennoch zeitlosen Gültigkeit, in seiner Freiheit und in seiner natur- haften Abhängigkeit, in seiner Kraft und in seiner Hinfälligkeit.

Literatur beim Sonderdruck Anschrift der Verfasser:

Christa Murken-Altrogge, M. A.

Privatdozent Dr. med. habil.

Axel Hinrich Murken 4 Düsseldorf

Himmelgeister Straße 143

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 19 vom 9. Mai 1974 1437

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