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Archiv "Entstehen und Funktion von Bewusstsein: Schlusswort" (03.03.2000)

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(1)

Nervenprozesse als Teil eines Seins erkannt haben wollte. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist, radikal vom Denken auszugehen, da uns dieses nicht vorgegeben ist. Phänomenolo- gisch das Denken beobachtend unser Bewusstsein zu erforschen und von da aus zum Sein zu schreiten, führt weiter. Unter anderem folgender phi- losophischer Autor versuchte diesen Weg und kam zu nicht nur für Neuro- wissenschaftler interessanten Ergeb- nissen (1).

Literatur

1. Witzenmann H : Strukturphänomenologie – Vorbewusstes Gestaltbilden im erkennenden Wirklichkeitsenthüllen. Ein neues wissen- schaftstheoretisches Konzept“. Dornach: Gi- deon Spicker Verlag 1983.

Dr. med. Till Reckert Landhaushöhe 15 72070 Tübingen

Zu Dr. van Laack

Die Frage, ob Bewusstsein durch das Gehirn hervorgebracht wird, wie der Identismus behauptet, oder ob das Gehirn nur das Instrument ist, auf dem sich der immaterielle Geist verwirk- licht, wie es der Dualismus (beispiels- weise in Form des interaktiven Dualis- mus von John Eccles) sieht, ist letzt- endlich nicht zu entscheiden. Beide Anschauungen haben ihre Vorzüge und Schwierigkeiten, und man kann die jeweiligen Probleme durch Zu- satzannahmen zu überwinden versu- chen. Für den Naturwissenschaftler – und als solcher argumentiere ich in meinem Artikel – geht es beim Abwä- gen beider Anschauungen nicht um die absolute Wahrheit, sondern im Wesentlichen um die Frage: Beruht ei- ne der beiden Anschauungen auf An- nahmen, die dem heutigen wissen- schaftlichen Weltbild fundamental wi- dersprechen? Dies ist freilich beim in- teraktiven Dualismus der Fall. John Eccles (wie auch alle Dualisten vor ihm) hat niemals plausibel machen können, wie der unsterbliche Geist mit dem Gehirn interagiert, und ebenso nicht, warum der Geist dies eigentlich nötig hat. Es ist im Rahmen des Dua-

lismus auch völlig unerklärlich, warum Bewusstseinszustände, zum Beispiel beim Auslösen einer Willkürhand- lung, erst auftreten, nachdem unbe- wusste Zentren in spezifischer Weise aktiv waren (die berühmten Libet-Ex- perimente wurden im vergangenen Jahr wiederholt, mit demselben Er- gebnis). Auch ist im Rahmen des Dua- lismus rätselhaft, warum das Auftre- ten von Bewusstseinszuständen stets an einen hohen Verbrauch von Sauer- stoff und Zucker in der Großhirnrinde verbunden ist. Geist und Bewusstsein sind ganz offenbar Zustände, die sich im Rahmen bekannter Naturgesetze bewegen und von physikalisch-physio- logischen Zuständen beeinflusst wer- den.

Zu Dr. Garcia

Es ist völlig klar, dass die Hirnfor- schung, also Neuroanatomie, Neuro- physiologie, Entwicklungsneurobiolo- gie allein niemals die Frage beantwor- ten kann, in welcher Weise Bewusst- seinszustände und Hirnprozesse zu- sammenhängen. Hierzu ist die enge Zusammenarbeit mit Neuropsycholo- gen, Wahrnehmungspsychologen, Neu- rologen, Psychiatern, vielleicht sogar Psychoanalytikern und Philosophen notwendig – Disziplinen, die gegenüber der notwendigerweise stets vereinfa- chenden Hirnforschung die Komple- xität der zu erklärenden Phänomene wahren können und müssen. Diese Multidisziplinarität in der Bewusst- seinsforschung vorausgesetzt, gehen al- le empirischen Evidenzen in dieselbe Richtung, nämlich dass jede Art von Wahrnehmung, jeder Gedanke, jedes Gefühl und jeder Willensakt eine Ent- sprechung mit Hirnprozessen hat. Wie dies genau auf der Ebene einzelner Nervenzellen und kleinerer Zellver- bände geschieht, bleibt freilich noch zu untersuchen; immerhin ist eine Beant- wortung dieser Frage in Einzelfällen bereits gelungen.

Zu Dr. Heine

Dem Bild des Gehirns als eines

„begreifbaren funktionellen Or- gans“ stimme ich zu. Zu der Feststel- lung vom „freien, von außen völlig unbeeinflussten, bewussten Willen“

muss allerdings gesagt werden, dass

nach allem, was über die Steuerung unserer Willkürmotorik bekannt ist, berechtigte Zweifel an der „Frei- heit“ bestehen. Hirnforschung, Neu- ropsychologie und Kognitionspsy- chologie haben viele Evidenzen dafür, dass unser Denken und Wol- len von unserem Unbewussten (als dem Gedächtnis angeborene Antrie- be und früheren Erfahrungen) stark beeinflusst wird, ohne das wir davon direkt erfahren. Menschliches Han- deln ist zweifellos überwiegend au- tonom, das heißt von eigenen Erfah- rungen geleitet; das Empfinden, un- ser Wille könne dabei völlig frei ent- scheiden, scheint dagegen eine Illusi- on zu sein.

Zu R. Posth

Diese Stellungnahme enthält den wertvollen Hinweis darauf, dass die emotionale Entwicklung der kognitiven Entwicklung vorhergeht.

Das limbische System (cingulärer Kortex, Hippocampus, Amygdala, Basalkerne, Septum und anderes) beginnt bereits vor der Geburt zu ar- beiten, lange bevor komplexere Be- wusstseinszustände (wie Ich-Emp- findung, Autorenschaft der eigenen Handlungen, Handlungsplanung, bewusstes In-Rechnung-Stellen der Absichten anderer) auftreten. Letzte- res beginnt erst im Laufe des dritten Lebensjahres, interessanterweise in engem Zusammenhang mit der Ent- wicklung einer synaktischen Sprache.

Das emotionale System bereitet das kognitiv-bewusste System vor, es er- möglicht dieses erst.

Zu Dr. Reschke

Leider muss sich die Hirnfor- schung auch bei der Untersuchung von Bewusstseinszuständen auf das- jenige beschränken, was empirisch- experimentell überhaupt untersuch- bar ist. Die große individuelle und – möglicherweise – überindividuelle Komplexität von Bewusstseinszu- ständen (Ich, Selbst, Wirklichkeit, Gesundheit), mit der man im Leben und der ärztlichen Praxis konfron- tiert ist und die im Leserbrief er- wähnt wird, wird noch für lange Zeit für die neurobiologische Forschung unerreichbar sein.

A-544

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 9, 3. März 2000

DISKUSSION

Schlusswort

(2)

A-545

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 9, 3. März 2000 Zu Dr. Sradj

Bewusstsein ist in der Tat ein In- strument zur „klaren Orientierung des Menschen in Raum und Zeit“.

Zu Dr. Reckert

In diesem Leserbrief wird sehr anschaulich beschrieben, in welcher Weise das Denken sich in seinem Wesen und Ursprung selbst rätsel- haft ist. Diese Selbst-Rätselhaftig- keit resultiert meiner Meinung nach aus der Tatsache, dass (wie bereits oben erwähnt) das unbewusst arbei- tende limbische System unser korti- kales Bewusstseinssystem stark be- einflusst, ohne dass letzteres dies an sich erfährt. Vielmehr erfahren wir uns in unserem Bewusstsein als frei und unabhängig. Die unbewussten Beweggründe unserer bewussten Existenz sind für uns denkerisch und auch erlebnismäßig unzugänglich, und zwar aus grundlegenden anato- mischen und physiologischen Gege- benheiten. Die Introspektion ist ein wertvolles Instrument beim Ergrün- den des Reichtums der Bewusst- seinszustände, sie versagt aber bei der Frage, woher unser Bewusstsein kommt, wer oder was es lenkt und welche Funktion es hat. Dies kann nur empirisch-experimentell aus der Sicht der dritten Person erfolgen.

Prof. Dr. rer. nat. Dr. phil.

Gerhard Roth

Institut für Hirnforschung Universität Bremen

Postfach 33 04 40 · 28334 Bremen

DISKUSSION/FÜR SIE REFERIERT

Ein ungelöstes Problem nach By- pass-Operationen und perkutaner An- gioplastie sind schnelle Wiederver- schlüsse durch neointimale Hyperpla- sie und einer damit beschleunigten Ar- terioskleroseentwicklung nach dem Eingriff. Die Autoren behandelten 41 Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit unter randomi- sierten Bedingungen. Vor der Implan- tation eines autologen venösen Bypas- ses wurde bei 17 Patienten die entnom- mene Vene einer Gentherapie unterzo- gen. Das Gefäßtransplantat wurde zehn Minuten lang in einer Oligodes- oxynukleotid (E2F-decoy)-Lösung ge- badet. Dann wurden die Venenbypässe implantiert. 16 Kontrollpatienten wur- den konventionell gefäßchirurgisch be- handelt. Die primären Endpunkte der Studie waren Sicherheit, Hemmung der Zellzyklus-Regulatorgene sowie die Effektivität der DNA-Synthese in den Venenbypässen. Die Effizienz der Gentransfektion betrug 89 Prozent.

Die Antigenkonzentration der Prolife- rationszellen sowie die Bromodesoxy- uridin-Inkorporation waren um 73 Pro- zent vermindert. Die Gruppen unter- schieden sich nicht bezüglich direkter postoperativer Komplikationen. Ob-

wohl das Studiendesign die Beurtei- lung der klinischen Ergebnisse nicht vorsah, konnte zumindest festgestellt werden, dass nach zwölf Monaten in der mit E2F-decoy behandelten Pati- entengruppe deutlich weniger Bypässe verschlossen waren, als in der unbehan- delten Gruppe (Konfidenzintervall 95 Prozent). Die Autoren schließen aus den Ergebnissen der Studie, dass die in- traoperative Transfektion von huma- nen Venenbypässen mit E2F-decoy si- cher und gut machbar ist. Es gelingt ei- ne sequenzspezifische Hemmung von Zellzyklus-Genexpression sowie eine Hemmung der DNA-Replikation. Die Anwendung einer derartigen Genthe- rapie an größeren Patientenkollektiven muss bestätigen, dass die Wiederver- schlussraten von Venenbypässen durch eine Gentherapie gesenkt werden kön-

nen. dem

Mann MG, Whittemore AD, Donaldson MC et al.: Ex-vivo gene therapy of hu- man vascular bypass grafts with E2F de- coy: The Prevent single-centre, randomi- sed, controlled trial. The Lancet 1999;

354: 1493–1498.

Dr. Viktor Dzau, Tower 1, Office of the Chairman. Department of Medicine, Brigham and Women’s Hospital 75 Fran- cis Street, Boston, MA 02115, USA.

Einer Subarachnoidalblutung (SAB) liegt meist ein rupturiertes in- trakranielles Aneurysma der Hirnarte- rien zugrunde. Verwandte ersten Gra- des von SAB-Patienten haben ein be- kanntermaßen erhöhtes Risiko für das Auftreten einer SAB. Von 160 Patien- ten mit SAB wurden in einer nieder- ländischen Studie 626 Verwandte er- sten Grades mittels Magnetresonanz- Angiographie (MRA) untersucht, bei Verdacht auf das Vorliegen eines Aneurysmas erfolgte eine konventio- nelle Angiographie zur Bestätigung. In 25 Fällen ließen sich Aneurysmen nachweisen, 18 hiervon wurden auf- grund der Größe operiert. Modellrech- nungen ergaben, dass sich durch dieses Screening mit konsekutiver Operation für die operierten Patienten eine Stei- gerung der Lebenserwartung um 2,5

Jahre erzielen ließ. Von der Hälfte der operierten Patienten mussten hierfür neurologische Defizite, in einem Fall schwerwiegender Natur, in Kauf ge- nommen werden. Die Autoren schließen, dass derzeit wegen des be- obachteten ungünstigen Nutzen-Ri- siko-Verhältnisses ein Screening auf zerebrale Aneurysmen auch mit der nichtinvasiven MRA-Technik nicht in-

diziert ist. acc

The magnetic resonance angiography in relatives of patients with subarachnoid hemorrhage study group: Risks and benefits of screening for intracranial aneurysms in first-degree relatives of patients with sporadic subarachnoid hemorrhage. N Eng J Med 1999; 341:

1344–1350.

Dr. Raaymakers, Department of Neu- rology, H2.128, University Hospital Utrecht, Heidelberglaan 100, 3584 CX Utrecht, Niederlande.

Aneurysma-Screening bei Verwandten von Patienten mit Subarachnoidalblutung

Gentherapie hält Bypässe offen

Berichtigung

In dem Beitrag „HIV-Therapie in der Schwangerschaft“ von Grosch- Wörner et al. in Heft 3 vom 21. Ja- nuar sind zwei Fehler zu korrigieren:

Direktor der Klinik für Geburts- medizin, Charité, Campus Virchow- Klinikum, ist Prof. Dr. med. Joachim Dudenhausen; an der Konsensus- konferenz haben auch Vertreter der Pädiatrischen Arbeitsgemeinschaft AIDS Deutschland (PAAD) teilge-

nommen. MWR

Referenzen

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Lehrstuhlinhaber für Kardiologie und Sportmedizin, Köln, Ehrenpräsident des Weltverbandes für Sport medizin und der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention?.