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Die Kortisolantwort nach dem Erwachen (ACR) bei depressiven Patienten und ihre Veränderung durch stationäre Psychotherapie

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Academic year: 2022

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Aus der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover Leiter: Prof. Dr. med. Dr. phil. H.M. Emrich

Die Kortisolantwort nach dem Erwachen (ACR) bei depressiven Patienten und

ihre Veränderung durch stationäre Psychotherapie

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Katharina Issa

aus Vechta

(2)

Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 18.12.2007

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. med. Dieter Bitter-Suermann

Betreuer: Prof. Dr. med. Thomas Huber

Referent: PD Dr. med. Burkhard Jäger

Koreferent: Prof. Dr. Dipl.-Psych. Uwe Hartmann

Tag der mündlichen Prüfung: 18.12.2007

Promotionsausschussmitglieder: Prof. Dr. med. Harald Gündel Prof.‘in Dr. med. Karin Weißenborn

Prof. Dr. Dipl.-Psych. Uwe Hartmann

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INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG ... 1

I. THEORETISCHE AUSFÜHRUNGEN ... 4

1. Depressionen ... 4

1.1. Gesellschaftspolitische Bedeutung der Depressionen ... 4

1.1.1. Erhöhtes Risiko der Depressionen bei Frauen ... 6

1.2. Ätiologie von Depressionen ... 6

1.2.1. Psychologische Modelle: ... 7

Psychoanalyse nach Freud und Fenichel ... 7

Lerntheoretisches Modell nach Seligman ... 8

Kognitives Modell nach Beck ...………... 8

1.2.2. Integratives und multifaktorielles Erklärungsmodell ... 9

1.2.3. Biologische Konzepte zur Genese der Depressionen: ... 11

Neurobiologie der Depressionen ... 11

2. Psychotherapie ... 13

2.1. Stationäre Psychotherapie ... 14

2.2. Entwicklung der Psychotherapie in Deutschland ... 15

2.3. Indikationen und Kontraindikationen der stationären Psychotherapie ... 18

2.4. Gruppenpsychotherapie ... 19

2.5. Therapiekonzept der Station 52 der MHH ... 21

2.6. Forschung und Wirksamkeit stationärer Psychotherapie ... 22

3. Stress ... 23

3.1. Definition und Grenzen des Begriffs ... 23

3.2. Theoretische Konzepte zum Thema Stress ... 25

3.2.1. Notfallreaktionen nach Cannon ... 25

3.2.2. Allgemeines Adaptationssyndrom nach Selye ... 26

3.2.3. Transaktionales Stressmodell nach Lazarus und Folkman ... 26

4. Kortisol ... 27

4.1. Kortisol und die „Stressachse“ ... 27

4.2. Faktoren mit Einfluss auf die Kortisolkonzentration ... 30

(4)

6. Zielsetzung der Dissertation und bisherige Studien zu

diesem Thema ... 38

II. MATERIALIEN UND METHODEN ... 40

1. Psychologische Ratingskalen ... 40

1.1. Fremdrating: HAMD …...……….. 40

1.2. Eigenratings: BDI, BAI, SCL-90-R, IIP-C ...………... 41

2. Salivetten ………...…………... 42

3. Speichelprobengewinnung am Patienten ………... 43

4. Lagerung ………... 44

5. Kortisolanalyse ………... 45

6.1. Statistische Methoden ... 45

6.2. Statistische Fragestellungen ... 46

6.2.1. Prätherapeutische ACR ... 46

6.2.2. Posttherapeutische ACR ... 47

6.2.3. Verlauf der ACR unter stationärer Psychotherapie ... 47

III. ERGEBNISSE ...………... ... 48

1. Patientenstichprobe ... 48

1.1. Soziodemographische Merkmale ... 49

1.2. Krankheits- und therapierelevante Merkmale ... 53

2. Statistische Ergebnisse ....………... 58

2.1. Prätherapeutische ACR ... 58

2.2. Posttherapeutische ACR ... 65

2.3. Verlauf der ACR unter stationärer Psychotherapie ... 71

IV. DISKUSSION ………... 73

1. Herabgesetzte prätherapeutische ACR bei Depressionen ... 73

1.1. HPA-Aktivität bei Depressionen und stressassoziierten Erkrankungen ... 75

1.1.1. Stressassoziierte Erkrankungen und Symptomdauer ... 76

1.1.2. Signalwirkung des Kortisols und stressvermittelte Adaptation der Nebennierenrinde ... 77 1.1.3. Heterogenes Krankheitsbild und pathogenetische Subtypen

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1.1.5. Modifizierung der Hypothese der Glukokortikoidkaskade

nach Raison & Miller ... 81

1.1.6. Zusammenfassung der Ergebnisse und Hypothesen über HPA-Korrelate bei Depressionen ... 83

1.2. Ausgewählte patientenspezifische Faktoren und Ergebnisse ... 83

1.2.1. Responder und Non-Responder ………..…………... 83

1.2.2. Antidepressiva und andere Medikamente …………..……… 85

1.2.3. Schlaf-Wach-Rhythmus ... 86

1.2.4. Symptomdauer ... 93

1.2.5. Nikotinkonsum ... 94

1.2.6. Komorbiditäten bei Depressionen ... 95

1.2.7. Therapieassoziierte Faktoren ... 96

1.2.7.1. Psychologische Ratingskalen ... 96

1.2.7.2. Stationsinterner Stress ... 101

1.2.8. Weibliches Geschlecht und weibliche Hormone ... 102

1.2.9. Somatischer Gesundheitsstatus und Alter ... 104

1.2.10. Genetischer Einfluss ... 105

2. Posttherapeutische ACR ... 106

2.1. Responder und Non-Responder ... 106

3. Veränderung der ACR unter stationärer Psychotherapie ... 107

3.1. Psychotherapie und Neuroplastizität ... 108

3.2. Modulation der ACR durch soziale Faktoren ... 109

3.3. Modulation der ACR durch körperliche Aktivitäten und Entspannung ... 110

3.4. Modulation der ACR durch Reduktion der depressiven Symptomatik ... 111

V. GRENZEN UND PROBLEME ... 112

1. Antidepressiva ………... 112

2. Schlafqualität und -quantität ... 112

3. Salivetten ... 113

4. Studiendesign ... 114

(6)

VI. AUSBLICK UND SCHLUSSFOLGERUNGEN FÜR DIE

KLINISCHE PRAXIS ... 116

VII. ZUSAMMENFASSUNG ………... 119

VIII. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... 121

IX. LITERATURVERZEICHNIS ………... 122

X. ANHANG ………... 144

Informationsbroschüre für die Patienten der Studie ... 144

Einverständniserklärung der Patienten ... 145

Speichelprofil ... 146

Psychologische Ratingbögen: HAMD, BDI, BAI, SCL-90-R, IIP-C ... 147

Selbstauskunft: Fragebogen über allgemeine Patientendaten ... 160

Lebenslauf ... 162

Danksagung ... 163

Erklärung zur Dissertation ... 164

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Einleitung

Einleitung

Winston Churchills lebenslanger Kampf mit seinem metaphorischen „Schwarzen Hund“

beschreibt auf anschauliche Weise das Erleben einer Depression aus der Sicht eines Betroffenen. Das facettenreiche Spektrum leidvoller Symptome einer depressiven Störung variiert interindividuell erheblich und reicht von Gefühlen der Hoffnungs- losigkeit, Wertlosigkeit, inneren Leere, über Verlust von Freude und Antrieb, Niedergeschlagenheit, Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten, Schlaf- und Appetitstörungen, bis hin zu suizidalen Gedanken oder Handlungen. Depressionen als schwerwiegende Erkrankungen des Gemüts sind seit der Antike bekannt und auch heutzutage ein enormes psychosoziales und gesamtgesellschaftliches Problem.

Depressionen werden voraussichtlich im Jahre 2020 die weltweit zweithäufigste Ursache für Invalidität sein (Sullivan 2000). Die multifaktorielle Ätiologie der Depressionen wird zunehmend erforscht; es zeigen sich in jüngster Zeit vor allem zahlreiche Fortschritte zur Erklärung des Einflusses genetischer Anlagen, neuro- anatomischer Korrelate und weitere neuroendokrinologische Erkenntnisse.

Kortisol als körpereigenes Stresshormon und wichtigster Vertreter der Gluko- kortikosteroide ist seit langem in der psychobiologischen Stressforschung etabliert und seine Reaktion auf akute psychische Stimuli und Stressoren erforscht. Im Fokus der klassischen psychobiologischen Stressforschung standen in der Vergangenheit vor allem Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen akuten externen Stressoren und ihren Einfluss auf das psychische Befinden durch leicht zugängliche physiologische Parameter wie etwa Blutdruck und Hautwiderstand.

Die Untersuchung von Kortisol und Katecholaminen rückte in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den Vordergrund und ermöglichte eine Differenzierung von akuter und chronischer Stressreaktion. Auch die Interaktion zwischen Stress und verschiedenen körperlichen Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem und andere somatische bzw. psychosomatische Funktionen wurden näher beleuchtet. An die Stelle von Laborexperimenten mit kalkulierbaren Ansätzen traten induzierte Stressreaktionen in natürlichen Feldexperimenten. In diesem Zusammenhang wurden nach und nach Entwicklungen vorangetrieben, Alternativen zu den herkömmlichen Urin- und Plasma- bestimmungen von Kortisol zu erforschen. Das menschliche Speichelkortisol erwies sich seit Mitte der Achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts als leicht zugängliche endo-

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Einleitung krinologisch zu verwertende Quelle und gilt seither als bedeutsame Alternative zu den invasiveren Gewinnungsmethoden (Kirschbaum & Hellhammer 2000).

Eine wesentliche Rolle in der Entstehung von Depressionen kann, abhängig vom individuellen psychosozialen Hintergrund und psychologischen Ressourcen, chronischem psychosozialen Stress zugeschrieben werden (Tafet & Smolovich 2004).

Zahlreiche Untersuchungen machen auf einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten depressiver Störungen und pathologischer endokrinologischer Parameter aufmerksam.

Eine Anzahl von hormonellen Abweichungen, wie veränderte Konzentrationen von Kortisol, Wachstumshormon oder Schilddrüsenhormonen legen den Schluss der Existenz endokriner Ungleichgewichte bei depressiven Störungen nahe, wobei einer Dysfunktion des hypothalamisch-pituitär-adrenalen (HPA-) Systems eine Schlüsselrolle zugewiesen wird. Zahlreiche Studien belegen, dass eine signifikante Subpopulation depressiver Patienten während der depressiven Episode, nicht jedoch nach Remission, eine erhöhte Kortisolsekretion aufweist. Andere Untersuchungen ergaben eine erniedrigte HPA-Aktivität bei Depressiven.

Auch die grundlegende Vorstellung der Pathogenese der Depression hat sich zwischenzeitlich erheblich gewandelt. Die Entwicklung von bildgebenden Verfahren zur funktionellen und neurochemischen Darstellung neurobiologischer Strukturen wie z.B.

funktionelles MRT und Positronenemissionstomographie konnten das Verständnis der Entstehung depressiver Störungen und ihrer Neurobiologie in den letzten fünf Jahren grundlegend ändern. Weiterhin wurden definierte genomische Alterationen entschlüsselt und mit verschiedenen psychischen Entitäten in Verbindung gebracht

.

Im Rahmen dieser Erkenntnisse wird die Entwicklung einer neuen Generation von selektiven pharmakologischen Produkten vorangetrieben. Einige Autoren vermuten eine potentielle Einflussnahme auf Kortisol durch psychotherapeutische oder psycho- pharmakologische Interventionen und möglicherweise auch eine Prävention der Depression bei chronisch gestressten Patienten (Tafet & Smolovich 2004).

Im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit wurde als klinische prospektive Studie der prätherapeutische Kortisolhaushalt im Speichel bei Depressiven und im Vergleich mit anderen psychiatrischen Patienten (welche z.B. an Angst- oder Persönlichkeitsstörungen litten) untersucht. Die Patienten der Psychotherapiestation aus der Abteilung Klinische Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover nahmen über die gesamte Dauer ihres stationären Aufenthaltes von durchschnittlich sieben Wochen an mehreren Maßnahmen zu Speichelgewinnungen teil. Parallel zur Speichelentnahme

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Einleitung wurden Eigenrankings durch die Patienten selbst sowie ein Fremdrating durchgeführt, um Korrelationen der Speichelkortisolgehalte mit dem klinischen Krankheitsbild im Verlauf zu ermöglichen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Dissertation bestand darin, Antworten auf die Frage zu finden, ob und in welchem Ausmaß Veränderungen im Hypothalamus-Hypophysen- Nebennieren-System durch Psychotherapie auftreten, welche sich in veränderten salivären Kortisolantworten vor und nach stationärer Psychotherapie niederschlagen. Es gibt Hinweise darauf, dass ein beträchtlicher Anteil depressiver Patienten von einer Psychotherapie profitiert und dieser Erfolg anhand der Abnahme spezifischer Symptome messbar ist. Folglich wurde diskutiert, ob die gefundenen Kortisolergebnisse als Korrelat der Depressionen gelten können, und ob die Kortisolveränderungen im stationären Verlauf ursächlich auf die stationäre Psychotherapie zurückzuführen waren.

(10)

Theoretische Ausführungen

I. Theoretische Ausführungen

In diesem Kapitel wird eine Reihe von verschiedenen Themenschwerpunkten gesetzt.

Einen dieser Schwerpunkte bilden Depressionen, die eine der wesentlichsten Erkrankungen in der Psychotherapie sind. Weiterhin wird die stationäre Psychotherapie als wichtiger Bestandteil in der Therapie der Depressionen und anderen Erkrankungen hervorgehoben. Es wird aufgezeigt, mit welchen Elementen die Psychotherapie arbeitet, um den erwiesenen positiven Effekt auf depressive und andere psychiatrische Erkrankungen zu erzielen. Andere therapeutische Interventionen wie etwa Psycho- pharmakotherapie sind in ihrer Bandbreite für diese Studie nicht maßgeblich und werden daher nur am Rande erwähnt. Im Anschluss daran folgt ein Kapitel über Stress sowie Physiologie des Stresshaushaltes, da diese im Zusammenhang mit Depression und Kortisolsystem aufgrund ihrer engen thematischen Verknüpfung bedeutsam sind. In einem weiteren Kapitel wird das Hormon Kortisol als einer der wichtigsten Parameter für chronischen Stress und Depressionen sowie die zahlreichen Faktoren, denen es unterworfen ist, dargestellt. Den Abschluss der Ausführungen über die theoretischen Grundlagen bildet die Darstellung von Depressionen, Stress und Kortisol im Kontext sowie eine Beleuchtung der Fragestellung der vorliegenden Arbeit.

I.1. Depressionen

I.1.2. Gesellschaftspolitische Bedeutung der Depressionen

Depressionen waren bereits in der Antike bekannt und klinisch beschrieben. Wissen- schaftliche Untersuchungen über affektive Störungen wurden erstmals vor etwa 150 Jahren durchgeführt. Inzwischen sind Depressionen die häufigsten diagnostizierten Erkrankungen des zentralen Nervensystems (Nickel 2002).

Depressive Erkrankungen zeichnen sich durch eine hohe Prävalenz aus. Die Häufig- keitsangaben seit den sechziger Jahren variieren in der Literatur zwischen 5 und 44%

(Kanowski 1994). Epidemiologische Studien zeigen, dass etwa 17% der Allgemein- bevölkerung im Laufe ihres Lebens an Depressionen erkranken (Blazer et al. 1994).

Depressionen sind nach Schätzung der WHO die weltweit zweithäufigste Ursache für

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Theoretische Ausführungen Invalidität unter Individuen zwischen 15 und 44 Jahren (WHO 2006). Nach Schätzung der WHO werden Depressionen im Jahre 2020 die weltweit zweithäufigste Ursache für verlorene Lebensjahre durch Behinderung oder Tod nach der ischämischen Herz- erkrankung darstellen. 4 bis 6% aller Jugendlichen sind von Depressionen betroffen (Hildebrandt & Klapp 2003). Jeder fünfte Patient in Allgemeinarztpraxen erfüllt die Kriterien einer Depression, jedoch wird nur ein Bruchteil erkannt und einer adäquaten Therapie zugeführt (Wittchen et al. 2001). In einem Zeitraum von zehn Jahren durchleben ungefähr 75% aller Patienten mehr als eine Rekurrenz (Lavori 1994). Bei etwa 25% der Patienten ist ein chronischer Erkrankungsverlauf zu beobachten, definiert als eine Phasendauer von mindestens zwei Jahren ohne zwischenzeitliche Remission der Symptomatik (Angst 1997). Depressionen sind vor dem Hintergrund dieser Zahlen als chronisch rezidivierende Erkrankungen aufzufassen (Aldenhoff 1997).

Depressive Erkrankungen sind durch eine erhöhte Morbidität (Wells 1989, Ustun 1999) und Mortalität (Harris 1998) gekennzeichnet. Die schwerwiegendste Gefahr von Depressionen ist das hohe Suizidrisiko. In den westlichen Industrienationen ist der Tod durch Suizid bis zum 40. Lebensjahr die zweithäufigste Todesursache nach Verkehrs- unfällen (Nickel 2002). 70 bis 80% aller Suizidversuche stehen unabhängig von der formalen nosologischen Zuordnung im Kontext depressiver Störungen (Pfennig et al.

2005). Auch die Auswirkungen von Depressionen auf somatische Erkrankungen sind beträchtlich. Depressive Patienten bergen ein vierfach erhöhtes Risiko für ischämische Herzerkrankungen (Glassman & Shapiro 1998). Patienten, die nach einem Myokard- infarkt zusätzlich an Depressionen leiden, haben nach dem Infarktereignis eine drei- bis vierfach erhöhte Mortalitätsrate (Frasure-Smith et al. 1993).

Depressive Störungen sind weiterhin nicht nur für erhebliche psychosoziale Einschränkungen der Betroffenen, sondern auch für gewaltige ökonomische Verluste verantwortlich. Die wirtschaftlichen Belastungen der Gesellschaft durch Depressionen sind vergleichbar mit den Kosten durch andere chronische Leiden wie etwa der Koronaren Herzerkrankung (Costa e Silva 2005). Kalkulationen der WHO und der Weltbank ergaben weltweit einen jährlichen Verlust von etwa 13 Millionen Lebensjahren aufgrund von depressionsbedingter Invalidität (Costa e Silva 2005). In Deutschland entsteht unter Einbeziehung direkter (stationäre und ambulante Behand- lungen) und indirekter Kosten (Produktivitätsausfälle, Fehlzeiten am Arbeitsplatz usw.)

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Theoretische Ausführungen

I.1.1.1. Hohe Prävalenz der Depressionen bei Frauen

Weibliches Geschlecht gilt als Hauptrisikofaktor für Depressionen (Beers & Berkow 2000). Studien unter Einbeziehung verschiedener Nationalitäten und ethnischer Gruppen kamen zu einem deutlichen geschlechtsdifferenten Ergebnis mit höherem Risiko für Frauen (Weissman 1996). Die Lebenszeitprävalenz der Depressionen beträgt bei Frauen 21,3%, bei Männern 12,7%. Beim weiblichen Geschlecht sind Depressionen der Hauptgrund für krankheitsbezogene Invalidität (Noble 2005). Der Geschlechts- unterschied findet seinen Höhepunkt im gebärfähigen Alter, in dem Frauen dem höchsten Risiko für Depressionen ausgesetzt sind (Hildebrandt & Klapp 2003).

Depressionen scheinen bei Frauen mit einer schlechteren Prognose assoziiert zu sein, und einzelne Episoden persistieren länger; die Raten spontaner Remissionen sind niedriger als bei Männern (Dudenhausen & Krause 2003).

Gründe für die Prädisposition bei Frauen sind vielfältig und umfassen genetische Vulnerabilität, hormonelle Schwankungen in bezug auf reproduktive Merkmale sowie eine höhere Sensitivität gegenüber hormonellen Fluktuationen im Gehirn, die depressive Zustände vermitteln können (Noble 2005). Frauen sind wesentlich anfälliger für stressinduzierte Depressionen als Männer und machen bis zu 80% der Patienten mit saisonaler Depressivität aus. Depressionen können sich beim weiblichen Geschlecht in verschiedenen Phasen des reproduktiven Zyklus manifestieren und sich als prämenstruelles Syndrom, Schwangerschaftsdepressionen, „Wochenbettblues“ (post partum Depression) und menopausale Depressionen niederschlagen (Noble 2005, Kessler 1993, ACOG 1995).

I.1.2. Ätiologie depressiver Störungen

Bei der den Depressionen zugrundeliegenden Faktoren gilt heute eine Multikausalität als gesichert, die Gewichtung der einzelnen Elemente kann dabei im Einzelfall stark variieren.

Die Theoriebildung über die Entstehung von Depressionen reicht weit in die Geschichte der Menschheit zurück. Bis in das 18. Jahrhundert hinein blieb das antike Konzept der

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Theoretische Ausführungen Vier-Säfte-Lehre mit dem Übergewicht der schwarzen Galle als somatische Ursache der Depressionen erhalten. Begriffe wie „Melancholie“ oder „Schwarzgalligkeit“ zeugen heute noch davon. Im Mittelalter wurden Depressionen der Dämonologie zugeordnet und als Abwendung von Gott interpretiert. Dabei galt die Macht des Meeres als Ursprung der dämonischen Neigung des Menschen; dem Mond wurde ein starker Einfluss auf die Melancholie zugesprochen und Depressive als „Mondsüchtige“

bezeichnet (Egger 1999).

Seither sind zahlreiche Theorien entstanden. In der jüngeren Vergangenheit wurden vielfältige Versuche unternommen, valide Erklärungen zur Genese von Depressionen zu finden. Eine erhebliche Anzahl von sowohl psychologischen als auch biologischen Modellen und Erklärungsansätzen ist seither entstanden, von denen die wesentlichsten nachfolgend veranschaulicht werden.

I.1.2.1. Psychologische Modelle

Psychoanalyse nach Freud und Fenichel

In der klassischen Einteilung der Depressionen in neurotische und endogene Formen manifestiert sich das Neurosenmodell der Psychoanalyse. Bei der neurotischen Depression wird die klinische Symptomatik durch ungelöste und im Unterbewusstsein verschlossene Konflikte prädisponiert und durch eine akute Belastungssituation ausgelöst. Ein unbewusster Konflikt lässt sich dagegen bei der endogenen Depression nicht eruieren (Kruse 1989).

Nach den österreichischen Psychoanalytikern „der ersten Generation“, Sigmund Freud und Otto Fenichel, wird das klassische triebtheoretische Konzept der Psychoanalyse vorrangig dadurch erklärt, dass eine „primäre narzisstische Wunde“, etwa durch Verlust von nahen Bezugspersonen, Entzug von Liebe oder emotionaler Zuwendung, eine Regression auf in der frühen Kindheit zurückliegende ungelöste Konflikte der oralen Phase bewirkt. Diese Konflikte induzieren eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber später als Trigger fungierenden Erlebnissen und können somit in eine Depression münden. Ebenso können analsadistische Triebe gegen die eigene Persönlichkeit bzw. gegen das Ich gerichtet werden (Abraham 1924). Das ursprünglich als normal identifizierte Ich negiert sich und versinkt als Folge der im

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Theoretische Ausführungen Rahmen des geringen Selbstwertgefühls erlebten Ohnmacht und Hilflosigkeit in einem depressiven Zustand (Kruse 1989).

Lerntheoretisches Modell nach Seligman: Erlernte Hilflosigkeit (1975, 1992)

Nach der Hypothese des amerikanischen Psychologen Martin Seligman führt vor allem die Erfahrung, das eigene Verhalten habe keinerlei Einfluss auf ein erwünschtes Ergebnis, zu einer hilflosen Reaktion. Auch objektiv lösbare Problemsituationen werden nicht als potentiell beeinflussbar betrachtet. Die Erfahrung der Hilflosigkeit, also das Gefühl, keinerlei Kontrolle über essentielle Aspekte der Umwelt auszuüben, bewirkt emotionale, motivationale, kognitive und vegetative Veränderungen. Diese Merkmale weisen eine erhebliche Ähnlichkeit mit denen einer Depression auf. Ausschlaggebend ist dabei der Attributionsstil: Die Annahme eines Kontrollverlustes des Individuums bei zukünftigen Ereignissen führt zu einer auf die eigene Person bezogenen (internen), langfristigen (stabilen), und situationsübergreifenden (globalen) Attribuierung des Misserfolgs. Die feste Erwartung des Misslingens zementiert die depressive Verstimmung, da das der eigenen Person zugeschriebene Missgeschick die mit einer Depression einhergehenden Selbstvorwürfe und pessimistische Grundeinstellung verstärken (Rose 2004, Hautzinger & de Jong-Meyer 2003).

Kognitives Modell nach Beck (1992)

Beck zufolge liegen depressiven Erkrankungen kognitive Störungen zugrunde, welche eine sogenannte „negative Triade“ bilden: Ein durch frühere Erlebnisse vermitteltes negatives Selbstbild (erste Säule) suggeriert der Person mangelhafte Fertigkeiten und fehlende Kontrolle über die eigene Lage. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit wird immer mehr verzerrt und entgeht einer objektivierbaren Überprüfung. Das latente negative Selbstbild induziert bald entsprechend angepasste Verhaltensweisen und ständige (Um-) Interpretationen der Reaktionen der Umwelt (zweite Säule). Eine so entstandene negative Erwartungshaltung in bezug auf zukünftige Ereignisse motiviert zum Aufbau eines funktionalen, starren Schemas (dritte Säule), das nur noch eine selektive Wahrnehmung von äußeren Reizen zulässt, und eintreffende Reize übergeneralisiert negativ bewertet. Die moralisch-absolutistische Denkweise und die übersteigerten Erwartungen an die eigene Person erscheinen dem Depressiven plausibel

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Theoretische Ausführungen und logisch. Diese Kognitionen laufen unfreiwillig, automatisch und wiederkehrend ab, so dass ein Kreislauf entsteht aus einerseits fixierten, systematischen kognitiven Fehlern wie selektiver Verallgemeinerung und Übergeneralisierung, andererseits Enttäuschung über die interpretierten Reaktionen der Umwelt (Rudolf 1993). Diese dysfunktionalen Kognitionen wiederum beeinträchtigen die Befindlichkeit und physiologischen Reaktionen bei depressiven Patienten. Das negative Selbst- und Weltbild wird im Sinne eines zirkulären Feedbackmodells aufrecht erhalten.

I.1.2.2. Integratives und multifaktorielles Modell

“Final-Common-Pathway” -Modell nach Akiskal und McKinney (1975)

Eines der derzeit favorisierten und anerkannten Modelle ist das von den amerikanischen Ärzten Akiskal und McKinney 1975 entwickelte „Final-Common-Pathway“-Modell (siehe Abb.1), das die Interaktion der biologischen, psychologischen und sozialen Bestandteile in der Genese von Depressionen berücksichtigt. In Erweiterung nach der deutschen Psychologin Renate de Jong-Meyer 1987 sind Depressionen aufzufassen als Folge einer Reihe von heterogenen Prozessen, die in verschiedenen Kombinationen auftreten können:

Eine wesentliche Einflussvariable ist die genetische Prädisposition. Dabei können bestimmte genetische Merkmale einschließlich veränderter neuronaler Rezeptoren oder Transmittersysteme die kritische Schwelle für das Auftreten der Erkrankung senken, ohne zwangsläufig eine Krankheitsmanifestation zu verursachen. Durch frühe kritische Lebenserfahrungen kann diese Schwelle weiter gesenkt werden. Zu diesen Ereignissen zählen nicht nur dramatische Ereignisse wie frühkindliche Deprivation, Missbrauch, sondern z.B. virale Infekte mit konsekutiver Veränderung der Rezeptorausstattung oder Änderung des Stresshormonsystems. Diese biologischen Veränderungen („Narben“) könnten langfristig persönlichkeitsbildend wirken und etwa zu einer erhöhten allgemeinen Stressreagibilität oder Ängstlichkeit beitragen. Auch im späteren Lebens- abschnitt gelten physiologische Stressoren als maßgeblich für die Entwicklung von depressiven Störungen, wie Hypothyreosen, die prämenstruelle Phase, medikamentöse Einflüsse (z.B. Reserpin), ein desynchronisierter zirkadianer Rhythmus und Über- müdung, eine unausgewogene Ernährung, körperliche Beschwerden und Alterungs-

(16)

Theoretische Ausführungen

Genetische Disposition

(z.B. Veränderungen im HPA-System, Neurotransmittersystemen)

Frühe kritische Ereignisse (Vernachlässigung, Missbrauch, Infekte)

„Biologisches Priming“, Beeinflussung der Persönlichkeitsstruktur

↓ Latenzphase

Reaktivierung „biologischer Narben“ durch psychologische Mechanismen, heterogene Belastungen

Andauernde psychobiologische Stressantwort

„Final-Common-Pathway“

Depressive Symptomatik

Abb.1: Biologisch-psychologisches Modell mit „Final Common Pathway“. Modifiziert nach Aldenhoff 1997

Zusätzliche Einflussgrößen sind die intrapersonalen Faktoren mit Tendenz zu Übergeneralisierungen, mangelhafter sozialer Kompetenz, fehlenden oder fehlerhaften Bewältigungsstrategien sowie einer Fokussierung auf Vermeiden von Misserfolg statt erfolgsorientierten Handlungen. Ein anderer wichtiger Faktor ist die soziologische Prädisposition: Hier gelten niedriger sozioökonomischer Status, soziale Desintegration, das weibliche Geschlecht und Partnerlosigkeit – besonders bei Frauen – als Risiko- faktoren. Ferner zeichnen sich Stressoren im psychosozialen Bereich als mögliche Einflussfaktoren aus: Chronische Frustration, Objektverluste sowie nicht kontingente Bestrafungen und Verstärkungen spielen hier eine wichtige Rolle. Depressiogene Situationen können eine Reaktivierung der „biologischen Narben“ hervorrufen. Diese

(17)

Theoretische Ausführungen könnten sowohl in interpersonellen Konfliktsituationen wie etwa Trauer, Vereinsamung, Deprivation oder Rollenwechsel, aber auch in anderen Belastungen wie Erkrankungen zu einer Reaktivierung der Vulnerabilität beitragen.

Übersteigen diese Anforderungen die adaptiven Bewältigungsmöglichkeiten (z.B.

individuelle Copingmechanismen, sozialer Support), so zeigt sich eine dauerhafte Störung der reaktiven Hormonsekretion auf die Stresssituation. Die prädisponierenden Faktoren und Stressoren münden dann über biochemische Interaktionen in den „final common pathway“, der über zerebrale Regulationsstörungen die Entstehung einer primären Depression begründet. Zu den Veränderungen auf biochemischer Ebene zählen in erster Linie Aminstoffwechsel und -funktion, Katecholaminmangel sowie Dysbalance gegenüber dem serotonergen oder cholinergen System. Die biochemischen Veränderungen münden schließlich in neuronalen Veränderungen (z.B. limbische Strukturen, Locus coeruleus, HPA-Achse, retikuläres System). Diese zerebralen Regionen und Regelkreise modulieren Stimmung und Erregung, Motivation und psychomotorische Funktionen. Depressive Symptome wiederum wirken rückwirkend auf neuronaler und biochemischer Ebene (Akiskal & McKinney 1973, Rose 2004, Hautzinger & deJong-Meyer 1994, 2003, Hautzinger 1996, Aldenhoff 1997).

I.1.2.3. Biologische Konzepte zur Genese von Depressionen

Zu den wichtigsten biologischen Faktoren in der Ätiologie von Depressionen zählen sowohl genetische Mechanismen als auch neuroendokrinologische Dysfunktionen und neurobiologische Veränderungen. Die Vielzahl von Veränderungen auf biochemischer und genetischer Ebene werden in dieser Studie nicht berücksichtigt. Die Rolle der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse bei depressiven Erkrankungen wird in Kapitel I.4. beschrieben.

Neurobiologie der Depressionen

Das integrative multifaktorielle Modell zur Entstehung von Depressionen wurde in den letzten fünf Jahren durch die intensive Erforschung von neurobiologischen Veränderungen untermauert und erweitert.

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Theoretische Ausführungen Das menschliche Gehirn galt lange als ein zum Zeitpunkt der Geburt fixiertes und unveränderliches System. Zahlreiche Studien konnten jedoch hervorheben, dass Nervenzellen zur adaptiven Reorganisation ihrer neuronalen Verschaltungen befähigt sind (Hüther 1996). Insofern sind beispielsweise defizitäre Bewältigungsstrategien (Copingstrategien) nicht als schicksalhaft und definitiv, sondern als einem Lernprozess zugänglich anzusehen. Die Fähigkeit zu strukturellen Veränderungen auf zentralner- vöser Ebene als Anpassungsfähigkeit des Gehirns an veränderte Umweltbedingungen wird als Neuroplastizität bezeichnet und spielt eine Schlüsselrolle bei therapeutischen Interventionen (Braus 2004, Schüßler 2004). Die Neuroplastizität ruft Veränderungen der biochemischen Struktur von Synapsen und konsekutiv der zerebralen Mikrostruktur hervor. Unter Einbeziehung zahlreicher Neurotransmitter wie GABA, Dopamin, Serotonin sowie Enkephaline und Endorphine wird auf diese Weise die Affektivität beeinflusst: Nicht nur die Stimmungslage, sondern auch die Evaluation von Umwelt- reizen, Handlungsbereitschaft werden im Lernprozess moduliert (Braus 2004).

Die „Neuroimaging“-Technologie (z.B. PET, SPECT) hat es als neuartige Technologie erheblich erleichtert, die bisher unentschlüsselten neurobiologischen Korrelate von affektiven Störungen zu erfassen. Nicht nur die in-vivo-Darstellung von zerebralen Stoffwechselvorgängen und Blutflussmustern, auch die in-vivo-Charakterisierung der molekularen Biologie, der Pharmakologie der Neurorezeptoren sowie der Funktions- dynamik der Neurotransmitter und ihrer molekularen Biologie konnten zahlreiche aufschlussreiche Erkenntnisse vermitteln (Costa e Silva 2005). Zum jetzigen Standpunkt kann jedoch bisher nicht beurteilt werden, ob die gefundenen Veränderungen entwicklungsbedingt zu einer depressiven Erkrankung disponieren oder als kompensatorische Veränderungen als Folgen der Depressionen oder in Reaktion auf andere pathogene Prozesse zu werten sind (Nickel 2002).

Bei Depressionen konnten so Veränderungen im orbitalen und medialen Anteil des präfrontalen Kortex, der Amygdala und der verwandten Areale des Striatum und Thalamus identifiziert werden (Dreverts 2000). Diese zentralen Strukturen sind an der Regulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse beteiligt (Kapitel I.4.;

Nickel 2002). Depressive Patienten zeigten häufig eine Hypertrophie der Amygdala mit einem deutlichen Reaktionsmuster auf negative Affektionen. Die Amygdala, auch Mandelkerne genannt, bilden das Zentrum des emotionalen, impliziten oder

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Theoretische Ausführungen prozeduralen (unbewussten) Gedächtnisses. Sie vergleichen neue, aus dem Thalamus eintreffende Informationen mit gespeicherten Gedächtnisinhalten (im Kortex) und generieren unter normalen Umständen ein adäquates emotionales Verhalten. Eine Stimulierung der Amygdala und des rechten präfrontalen Kortex führt zu einer Überaktivierung der HPA-Achse über eine erhöhte Ausschüttung von Corticotropin Releasing Hormone (CRH) (Heim C et al. 2004, siehe Kapitel I.4.).

Eine Daueraktivierung der Amygdala begünstigt bei Depressiven eine selektiv negative Wahrnehmung der Umwelt (Heim T 2003).

Der Hippocampus ist an der Inhibierung und Regulierung der Hypothalamus- Hypophysen-Nebennierenachse beteiligt (Heim C et al. 2004, Buchanan et al. 2004). Er wirkt antagonistisch zu den vorgenannten Strukturen (z.B. Amygdala) und dient der Etablierung von Wahrnehmung und Denkprozessen. Der Hippocampus veranlasst die Speicherung von neuen Informationen im Gedächtnis und ist außerdem am assoziativen Lernen beteiligt. Bei depressiven Personen fanden einige Autoren einen Volumenverlust im Hippocampus. Der strukturelle und funktionelle Verlust hippocampaler Strukturen erfolgt dabei in Abhängigkeit von der Erkrankungsdauer der Depressionen und bleibt vom Alter der Patienten unbeeinflusst (McEwen BS 2005, Costa e Silva 2005).

Darüber hinaus fanden sich bei depressiven Patienten Veränderungen im Frontal- lappen und in den Basalganglien. Im T2-gewichteten cMRT wurden Dichteanomalien in der weißen Substanz (WMH) gefunden und ursächlich mit Depressionen in Zusammen- hang gebracht. Die Untersuchung depressiver Patienten konnte nachweisen, dass die klinische Symptomatik der Patienten mit dem Ausmaß der WMH korrelierte. Patienten mit ausgedehnteren WMH zeigten schwerere und längere Verläufe einer Depression (Heiden A et al. 2005).

Bei Depressiven sind weiterhin deutliche Beeinträchtigungen in der zerebralen Perfusion und im Glukosemetabolismus nachweisbar. Diese werden durch Anti- depressiva verbessert (Mottaghy et al. 2000).

I.2. Psychotherapie - Behandlung von Depressionen

Angesichts der Zielsetzung dieser Studie liegt der Schwerpunkt der Darstellung

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Theoretische Ausführungen Erste Regeln für den Umgang mit psychisch Erkrankten finden sich bereits im ersten Jahrhundert nach Christus: Aulus Cornelius Celsus formulierte verschiedene Methoden zur Beeinflussung psychischer Zustände, wie etwa das heilsame Gespräch mit einfühlendem Eingehen auf den Kranken. (Daneben führte er auch die heilsame Lüge, den heilsamen Schrecken und die heilsame Ablenkung an.) (Schott & Tölle 2006).

Psychotherapie in ihrer heutigen Form besteht Strotzka zufolge aus Interaktionen zwischen den drei Hauptakteuren Patient, seiner Bezugsgruppe aus Mitpatienten und dem Behandlungsteam aus Psychotherapeuten, Psychologen, Ergotherapeuten usw.

Erklärtes Ziel ist die in einem Konsensus getroffene gemeinsame Problemlösung zur Minimierung von individuellem Leid und Symptomen sowie Beeinflussung von Verhaltensstörungen. Durch stetige Interaktion und Feedback wird versucht, behandlungsbedürftige Auffälligkeiten mit bewährten psychologischen Mitteln verbaler und nonverbaler Art sowie lehrbarer Techniken im Sinne des Konzepts des normalen und pathologischen Verhaltens zu modulieren (Strotzka 1975).

Psychotherapie ist sowohl auf stationärer Ebene als auch ambulant möglich. Auch wird die Psychotherapie im Gruppensetting von der Einzelpsychotherapie unter- schieden. In dieser Studie wird eine stationäre Psychotherapie mit sowohl Gruppen- als auch Einzeltherapiekomponenten untersucht.

I.2.1. Stationäre Psychotherapie

Die stationäre Psychotherapie ist im Gegensatz zu ihrer ambulanten Form in besonderer Weise zur Eröffnung eines multimodalen Zugangs zum Patienten geeignet. Durch Kombination von Einzel- und Gruppentherapie können verschiedene wichtige konstruktive Ziele erreicht werden. Auf mehreren Ebenen werden stationär verschiedene symptomatische Zustände zeitgleich bearbeitet; die Auseinandersetzung mit sozialen Hemmungen, inneren Konflikten sowie körperlicher Zurückgezogenheit ist zeitnah möglich (Hoffmann & Hochapfel 1995). Im psychotherapeutischen Stationssetting kann die Reinszenierung von bestehenden Beziehungskonflikten der Patienten und die Aufdeckung habitueller, dysfunktioneller Verhaltensmuster als wesentlicher Bestandteil der Diagnostik und Therapie angesehen werden (Sammet & Schauenburg 1998).

Grundsätzlich ist eine stationäre Aufnahme zur Psychotherapie für den Patienten mit einem erheblichen Einschnitt in seinen bisherigen Alltag verknüpft. Die psycho-

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Theoretische Ausführungen therapeutische Station und die Klinik ersetzen in der Regel für mehrere Wochen sein gewohntes soziales Gefüge. Eine partielle Einbindung des Partners oder der Familie in die therapeutischen Strukturen ist häufig sinnvoll, um eine lebensnahe Gestaltung und Umsetzung der Therapieziele zu gewährleisten und eine unkomplizierte Reintegration des Patienten nach Behandlungsabschluss zu ermöglichen.

I.2.2. Entwicklung der Psychotherapie in Deutschland

Entsprechend den vorherrschenden ätiologischen Vorstellungen von seelisch-geistigen Abweichungen im Denken und Handeln wurden epochenweise verschiedene Verfahren zur Überwindung seelischer Störungen angewandt. Lange galten Depressionen und andere Störungen nicht als medizinisches, sondern als soziales oder gesellschaftliches Problem. Eine kulturelle Kontinuität von Ausgrenzung und Einsperrung zieht sich daher wie ein roter Faden durch die abendländische Geschichte.

Die im Altertum vorherrschenden hippokratisch-galenischen humoralmedizinischen Anschauungen umfassten körperliche Eingriffe wie das Entfernen der „materia peccans“ wie etwa der schwarzen Galle zur Gesundung körperlicher oder psychischer Störungen. Im christlichen Mittelalter wurden seelische Störungen der dämonischen Besessenheit zugeordnet; „therapeutische“ Elemente waren Exorzismus, der Glaube an wundertätige Reliquien sowie die Aufnahme der Geisteskranken in Domspitäler (Schott

& Tölle 2006). Auch Verbannung und Isolierung waren lange beliebte Methoden zur Lösung des gesellschaftlichen Problems der Geisteskranken (Foucault 1973).

Speziell für psychisch kranke Menschen eingerichtete Institutionen gab es in Deutschland lange Zeit nicht. 1477 entstand eine im Frankfurter Hospital befindliche Einrichtung für „Geisteskranke und ungehorsame Kranke“. In der Geschichte der Psychiatrie gilt diese Einrichtung jedoch als Rarität. Weitaus gängiger und bis in das 19.

Jahrhundert üblich waren, in Abwandlung des französischen Vorbilds des „Hôpital général“, die sogenannten Narrentürme und Tollhäuser, in denen die psychisch Erkrankten, zusammen mit Verbrechern, Behinderten, Landstreichern, Bettlern und Prostituierten als „Asoziale“ oder „gemeingefährliche Irre“ eingeschlossen wurden.

Eine Behandlung bot man den Insassen nicht an. Vielmehr wurden sie zur allgemeinen Belustigung oder Abschreckung gegen Eintritt zur Schau gestellt, gefesselt, in Eisen gelegt oder anderweitig ruhiggestellt (Foucault 1973, 1978). Auch in „Irrenabteilungen“

(22)

Theoretische Ausführungen sich die ärztliche Kunst auf Schocktherapien wie Kopfkühlungen, Einreiben der Kopfhaut mit Brechweinstein und Einschließen in Schleudermaschinen. Derartige Versuche wurden durch die seit Ende des 17. Jahrhunderts populäre Ansicht untermauert, dass psychischen Erkrankungen eine präzise Ursache im menschlichen Gehirn zugrunde lägen, die Hirnsubstanz der Melancholiker etwa „feucht“ und

„aufgeschwemmt“ sei (Foucault 1973).

Während in Frankreich Pinel und Pussin 1793 „die Geisteskranken von ihren Ketten befreiten“ und den Anfang einer neuen Ära in der Geschichte der Psychiatrie einläuteten, vollzog sich im deutschen Raum die Entwicklung von Internierung zu Hospitalisierung der psychisch Kranken erst allmählich. Bis zur Mitte des 19.

Jahrhunderts blieben körperliche Bestrafungen bis auf wenige Ausnahmen übliche Mittel zur Überwindung seelischer Auffälligkeiten. In Deutschland setzte sich nach dem Londoner Vorbild des von William Tuke gegründeten „madhouse“ vor allem Wilhelm Griesinger ab 1865 für einen gewalt- und zwangfreien Umgang mit den psychisch Kranken sowie die Gründung von gemeindenahen Asylen und patientenfreundlichen Einrichtungen ein (Rössler 1992, Egger 1999).

Die deutsche Tradition der Psychotherapie wurde 1900 durch die von Georg Groddeck gegründete psychosomatische Klinik Villa Marienhöhe begründet.

Indikationskriterien zur stationären Aufnahme blieben zuerst vage (Häfner 1994). Das erste psychoanalytische Krankenhaus nahm mit dem Sanatorium Schloss Tegel unter Leitung von Ernst Simmel 1927 seinen Anfang, der das Indikationsspektrum konkretisierte und Patienten mit Suchterkrankungen, Neurosen, Lebenskrisen, chronischen Krankheiten, komplizierten organischen Erkrankungen sowie Kinder und Jugendliche mit „Charakterfehlentwicklung“ behandelte (Simmel 1928). In der Weimarer Republik üblich war auch die von Hermann Simon in Gütersloh entwickelte

„Aktivere Krankenbehandlung“, die durch ein ausgeklügeltes System aus Belohnung, Bestrafung und Kontrolle eine Arbeitsbeschäftigung der Patienten vorsah, sowie die von Gustav Kolb initiierte „offene Fürsorge“ mit besonderer Betonung der psychiatrischen Familienpflege und der Förderung von beruflicher und sozialer Reintegration der entlassenen Patienten (Walter 2002).

All diese Errungenschaften wurden spätestens nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wieder zunichte gemacht. Die faschistische Ideologie sah die Aufgabe der Medizin nicht in Heilung der Kranken und Betreuung der Unheilbaren, sondern in „Heilung“ der Gesellschaft von ihren Kranken und Unheilbaren (Egger

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Theoretische Ausführungen 1999) durch die radikale Ausmerzung von „Erberkrankungen“ auf der Grundlage von fatalen pseudowissenschaftlichen Annahmen. Dies wurde schon bald auch auf all diejenigen ausgedehnt, die als „asozial veranlagt“ galten wie etwa Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten, Homosexuelle, Slawen, Sinti und Roma usw. Nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (1934) mussten alle Angehörige von Heilberufen „Erbkranke“ anzeigen. Es folgten Zwangssterilisierungen und eine ungehemmte Ermordung von „geistig Toten“ und „nutzlosen Essern“. Mitleid wurde als Denkfehler verachtet (Dörner et al. 1989, Siemen 1998). Die in den 30er Jahren entwickelten somatischen Therapieverfahren wie Elektrokrampftherapie (1937) oder Insulinkomatherapie (1933) wurden ausgerechnet als Argument für die Fortsetzung der

„erbbiologischen Maßnahmen“ verwendet. Die Eugenik und „wilde Euthanasie“

markieren das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Psychiatrie.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Entwicklung psychiatrischer Strukturen nur zögerlich voran. Psychisch Kranke wurden von Politik und Gesellschaft in der Nachkriegszeit weitgehend ignoriert. Nachdem im Bericht zur Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik (1970) und Zwischenbericht zur Situation in den Landes- krankenhäusern (1973) erhebliche Versorgungsmängel in der deutschen Psychiatrie festgestellt wurden, besserte sich die Lage ab 1975 zusehends. Nicht nur die sanitären und baulichen Strukturen wurden deutlich verändert, auch die Relation Arzt-Patienten bzw. Pflegepersonal-Patienten und die Integration therapeutischer Berufe wie Ergotherapeuten, Sozialarbeiter und Psychologen wurde optimiert. Nach dem Vorbild der 1947 durch Maxwell Jones gegründeten therapeutischen Gemeinschaft im Londoner Henderson-Hospital stand nun die Förderung von Selbstbewusstsein, Verantwortungs- gefühl, Flexibilität, Kreativität und Handlungsfähigkeit unter Einbeziehung des sozialen Lernens (z.B. Tanz, Film, Theater) im Fokus der therapeutischen Bemühungen (Bopp 1980). In Deutschland entstanden seither über hundert psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern, ebenso viele Tageskliniken, ambulante Dienste sowie zahlreiche Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten für psychisch Kranke (Luderer 1999).

Im deutschsprachigen Raum nahm die stationäre Psychotherapie zwei verschiedene Entwicklungen: Zum einen die stationär-psychoanalytische Richtung, zum anderen die internistisch-psychosomatische mit dem Fokus auf der Verknüpfung somatischer und psychotherapeutischer Therapieansätze. Die heutigen Abteilungen sind in der Regel durch eine psychotherapeutische Mischform mit Schwerpunkt auf Gruppen- und

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Theoretische Ausführungen therapie, Psychodrama und andere nonverbale Methoden, Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson als Therapie- elemente (Hoffmann & Hochapfel 1995).

Die stationäre psychotherapeutische Versorgung in Deutschland nimmt im globalen Vergleich eine Sonderstellung ein. Die in Deutschland formalisierte stationäre Psycho- therapie ist in anderen Ländern nicht üblich (Huber 2004). Auch sind hierzulande mehr Psychotherapiebetten in eigenständigen psychotherapeutischen und psychosomatischen Kliniken zu finden als in der restlichen Welt zusammengerechnet (Schepank & Tress 1988). Untersuchungen zum Thema stationäre Psychotherapie sind aus diesem Grund vorwiegend auf den deutschsprachigen Raum begrenzt (Janssen 1998). Zu den begünstigenden Rahmenbedingungen zählen nicht nur generelle soziokulturelle Faktoren wie demokratische Strukturen und sozioökonomische Merkmale, sondern auch die zwischen den einzelnen Kliniken variierenden Rahmenbedingungen wie etwa Finanzierung und Patientenklientel (Schepank & Tress 1988).

Vereinzelte Psychotherapiestationen werden in Österreich und in der Schweiz in psychiatrischen Kliniken vorgefunden, sind jedoch nicht mit dem hiesigen Angebot vergleichbar. Ähnliches wird in Frankreich, Italien und Spanien beobachtet. In den USA und in Kanada sind zumindest die Städte durch ein dichtes Netz aus psycho- therapeutisch-psychoanalytischen Therapieangeboten versorgt. Stationäre psycho- therapeutische Strukturen werden dort vereinzelt als Bestandteil der Psychiatrie gefunden. Eigenständige und unabhängige stationäre psychotherapeutische Angebote mit breitgefächertem Therapiespektrum finden sich lediglich in Japan (Schepank &

Tress 1988, Diefenbacher 2005).

I.2.3. Indikationen und Kontraindikationen der stationären Psycho- therapie

Bei der stationären Psychotherapie ist im Vorfeld und im Verlauf die Frage nach der Indikation zur Kurzzeit- oder Langzeittherapie zu stellen. Indikatoren für eine kurzfristige Psychotherapie sind ein hohes Maß an psychologischem Bewusstsein, die Fähigkeit zur Verbalisierung der vorrangigen Belastung sowie der Wunsch für eine Kurzzeittherapie der Patienten. Langzeittherapie dagegen ist insbesondere dann vorgesehen, wenn in der Anamnese des Patienten eine lange psychiatrische Vorgeschichte imponiert, Verhaltensmuster der Noncompliance zu erkennen sind und

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Theoretische Ausführungen Behandlungen mit oder ohne Medikation häufig vorzeitig beendet wurden (Piper &

McCallum 2000).

Grundsätzlich gleichen sich Indikationsstellung und Voraussetzungen für die stationäre und ambulante Psychotherapie, wie etwa ein ausreichendes Maß an Intro- spektionsfähigkeit. Die stationäre Therapie ist jedoch noch an weitere Bedingungen des Patienten geknüpft.

Einen Schwerpunkt der Indikation stationärer Psychotherapie bilden Patienten mit Symptomneurosen, Psychoneurosen und funktionellen Erkrankungen, die durch Gesprächstherapie und Kriseninterventionen in Kurzzeit- oder Langzeittherapie behandelt werden. Sinnvoll ist hier die Differentielle Indikation, die eine Zuordnung von Patienten mit bestimmten Symptomen zu ausgewählten Therapieformen zum Ziel hat, wodurch ein besserer Therapieerfolg erwartet wird (Häfner et al. 1999).

Weitere Indikationen sind Agoraphobie und andere Phobien, Depressionen, sozial unerwünschte Tics und Angstneurosen. Auch die Behandlung schizoider Patienten, Suchterkrankter und Patienten mit Suizidgefahr oder schweren Persönlichkeits- störungen erfolgt stationär (Heigl 1976, 1978). Es kommen hierbei jedoch noch weitere Therapieverfahren zur Anwendung. Auch sind Patienten ohne Therapeuten am Wohnort wie etwa Bewohner ländlicher Gegenden auf eine stationäre Therapie angewiesen (Hoffmann & Hochapfel 1995).

Als Kontraindikationen zur stationären Psychotherapie gelten schwerste akute und somatische Symptomatik, schwere Psychosen und bestehende Substanzsucht sowie möglicherweise ein ausgeprägter sekundärer Krankheitsgewinn. Auch stellen die geo- graphische Trennung kleiner Kinder von ihren Eltern sowie der drohende Arbeits- platzverlust Argumente gegen einen stationären Aufenthalt dar (Streeck & Ahrens 1997, Deter 1997).

I.2.4. Gruppenpsychotherapie

Die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie ist an einige Voraussetzungen geknüpft. Ein Mindestmaß an sozialen Fertigkeiten wird ebenso gefordert wie die Bereitschaft zur Unterstützung der Mitpatienten (Piper & McCallum 2000).

Zwar kann die Gruppentherapie nicht immer den Erwartungen jedes einzelnen Patienten gerecht werden, wie dies in der Einzeltherapie berücksichtigt werden kann

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Theoretische Ausführungen für das Behandlungsteam gegenüber der Einzeltherapie mehrere Vorteile. Zunächst empfinden viele Patienten aufgrund der Konfrontation und des Austausches mit anderen Betroffenen eine soziale Entlastung. Sie fühlen sich mit ihrem Problem nicht mehr alleine. Weiterhin ist gerade für Patienten mit vorwiegender Störung im sozialen Bereich ein Gruppensetting besonders geeignet. Auch Patienten, bei denen Einzel- therapie eine Verstärkung emotionaler Abhängigkeit vom Therapeuten begünstigen könnte, sind in einer Gruppentherapie besser aufgehoben (Hoffmann & Hochapfel 1995).

Durch das Zusammentreffen einer Vielzahl von Akteuren unterscheiden sich die sozialen Gesetze im stationären Setting von denen einer Zweierbeziehung. Die Dynamik innerhalb einer Pluralität von Personen ist durch eine andere Qualität von Konfliktmöglichkeiten charakterisiert. Die einzelnen Mitglieder der Therapiegruppe werden in ihrer sozialen Kompetenz stärker gefordert. Dies ist nicht nur therapeutisch sinnvoll, sondern kann auch diagnostisch neue Dimensionen aufzeigen. Im Gruppen- verband kommen neue Wirkfaktoren wie Altruismus, Kohäsion und interpersonales Lernen zum Tragen (Tschuschke 2001). Psychotherapie in der Gruppe begünstigt Verstehen und Empfinden sozialer Prozesse sowie das Überwinden von Schwierigkeiten im Verbalisieren emotionaler Inhalte (soziale Kompetenz), z.B. durch das von Moreno konzipierte Psychodrama.

Gruppenpsychotherapie beinhaltet weiterhin das Prinzip des Lernens am Modell durch emotionale Partizipation. So wie tierphobische Kinder durch Filme, in denen Kinder mit Tieren angstfrei spielen, durch den Modellcharakter profitieren, kann eine Gruppentherapie gleichfalls durch ihren Modellcharakter hilfreich sein. In ökonomischer Hinsicht bietet die Gruppenpsychotherapie zudem den Vorteil der Kostenersparnis (Hoffmann & Hochapfel 1995).

Besonders gute Wirksamkeit wird der Psychotherapie in Gruppen bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen zugeschrieben. So sprechen vor allem affektive Störungen, Angst- und Zwangsstörungen sowie Essstörungen und Substanzabhängigkeiten und psychische Erkrankungen bei älteren Menschen auf Gruppenpsychotherapie an. Bei anderen Krankheitsbildern bleiben Untersuchungen über Wirksamkeit der Gruppen- therapie noch aus (Burlingame et al. 2001, 2002).

Resultate anderer Untersuchungen zeigen, dass das Format der Therapie (Gruppen-, Einzeltherapie) geeignet erscheint, den Therapieerfolg entscheidend zu bestimmen.

Daher kann die Entscheidung für Gruppen- oder Einzeltherapie nicht alleine anhand der

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Theoretische Ausführungen Diagnose gestellt werden, sondern muss andere Kriterien wie klinische Merkmale, persönliche Ressourcen und Vorlieben sowie organisatorische oder finanzielle Kriterien in Erwägung ziehen (Pomini 2004).

Gruppenpsychotherapie ist jedoch auch mit potentiellen Gefahren verbunden. Die Zuweisung von Rollen an einzelne Mitglieder kann nachhaltige Folgen mit sich bringen, und das Risiko der Entstehung von Abhängigkeiten begünstigen. Auch ist die Möglichkeit einer Retraumatisierung durch maladaptive Beziehungsmuster Gegenstand der Befürchtungen. Hier ist Kompetenz und Erfahrung von seiten des Behandlungs- teams gefragt, um solche Prozesse zu erkennen und abzufangen (Strauß & Eckert 2001).

Zur Prävention nachhaltiger Schädigung durch Gruppentherapie stehen Ausschluss- kriterien zur Diskussion. Für eine Gruppentherapie nicht geeignet sind demzufolge Patienten mit akuten Psychosen, schwerer Suizidgefahr, Hirnläsionen, bestehendem Substanzmissbrauch, gravierenden antisozialen Tendenzen, starken paranoiden Zügen sowie Patienten, bei denen eine regelmäßige Teilnahme an der Gruppe nicht möglich ist (Yalom 1985).

I.2.5. Therapiekonzept der Station 52 der MHH

Die Station 52 der Medizinischen Hochschule Hannover gehört zur Abteilung Klinische Psychotherapie und Psychiatrie. Auf der Station 52 befinden sich zeitgleich ungefähr zwölf bis 14 Patienten. Im Anschluss an die reguläre Behandlungszeit von sechs bis zwölf Wochen können je nach individuellem Bedarf weitere stationäre oder auch tagesklinische Behandlungseinheiten zugefügt werden. Die Zusammensetzung der Gruppe besteht in der Regel für drei Wochen aus denselben Mitgliedern, anschließend wird diese durch Entlassungen und Neuaufnahmen moduliert (sogenannte „Slow Open“-Gruppe). Je nach Gruppengröße können zwei bis sieben neue Patienten aufgenommen werden.

Hauptindikationen für das Therapiekonzept der Station 52 sind Depressionen, Angst- und Persönlichkeitsstörungen sowie Anpassungsstörungen. Daneben richtet sich das Angebot der Station auch an Patienten mit Lebenskrisen, Beziehungskonflikten, Konflikten am Arbeitsplatz und Burnout-Syndromen.

Nicht geeignet ist die Station 52 für Patienten mit Erkrankungen wie Psychosen und

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Theoretische Ausführungen Akut suizidgefährdete Patienten sollten auf einer psychiatrischen Akutstation behandelt werden, welches die Station 52 nicht darstellt.

Im Fokus der therapeutischen Arbeit liegt die Gruppentherapie, daneben bestehen wöchentliche Sitzungen mit einem Einzeltherapeuten, bei Bedarf auch Paargespräche.

Das Behandlungskonzept enthält sowohl verhaltenstherapeutische als auch tiefen- psychologische Elemente. Die individuell adaptierte Behandlung beinhaltet soziales Kompetenztraining, Sozialarbeitergespräche und die tiefenpsychologisch orientierte Erfahrungsgruppe sowie Ergotherapie und Rollenspiele. An den Abenden finden einmal wöchentlich von den Patienten selbst initiierte Unternehmungen wie zum Beispiel Bowling oder interne Abendaktivitäten statt. Ein reichhaltiges Sportprogramm mit Frühsport, Rückengymnastik, Schwimmen bildet zusammen mit Entspannungskursen (z.B. Autogenes Training) einen festen Bestandteil der Therapie.

Das Einhalten der Stationsregeln ist Pflicht und wird bei Verstoß mit dem Patienten thematisiert und gegebenenfalls mit Konsequenzen belegt. Dazu gehören das Einhalten sämtlicher Termine sowie das gemeinsame Einnehmen der Mahlzeiten, Abstinenz sowie übliches gruppen- und therapieverträgliches Verhalten (Informationsbroschüre der Station 52 der MHH sowie Homepage der Station 52 der MHH).

2.6. Forschung und Wirksamkeit stationärer Psychotherapie

Bei Untersuchungen über Psychotherapie werden Ergebnisforschung und Prozess- analyse unterschieden.

Die Ergebnisforschung beschäftigt sich vorwiegend mit der Wirkung und dem Endergebnis der Therapie, ohne Berücksichtigung des Therapieverlaufs. In zunehmen- dem Maße gerät die Prozessanalyse in den Mittelpunkt der Betrachtung, da sie Aufschluss darüber gibt, welche Prozessmerkmale verschiedener Therapieformen mit welchem Therapieergebnis im Zusammenhang stehen (Grawe 1989).

Forschungen in Deutschland zur Wirksamkeit stationärer Psychotherapie sind aufgrund des vielfältigen und heterogenen Behandlungsangebotes in diesem Sektor erschwert. Dennoch kamen zahlreiche Studien zu dem Ergebnis, dass zwei Drittel der Patienten zum Ende der Therapie eine signifikante Besserung ihrer klinischen Symptomatik aufwiesen. Trotz dieser hohen Erfolgsrate bestanden jedoch bei einem Großteil der Patienten noch deutliche Einschränkungen. Daher gelten Reduktion der

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Theoretische Ausführungen Symptomatik und Überführbarkeit in den ambulanten Behandlungssektor als realistische Therapieziele der stationären Psychotherapie (Franz et al. 2000).

Als wesentliche Kriterien für die prognostische Einschätzung von Erfolg und Misserfolg einer Psychotherapie hebt Rohde-Dachser drei Ebenen hervor: Hier kommen zum einen die sogenannten Patientenvariablen wie vor allem Introspektionsfähigkeit, Verbalisierungsmittel und psychische Ressourcen sowie das Ausmaß der Therapie- motivation und des sekundären Krankheitsgewinns zum Tragen, zum anderen die sogenannten Therapeutenvariablen sowie die methodenabhängigen Variablen. Der Therapiemodus kann auf- oder zudeckend sein, Regression fördern oder ihr entgegenwirken und als primäres Ziel der Therapie eine Symptomreduzierung oder Strukturänderung des Patienten beinhalten (Rohde-Dachser 2004).

I.3. Stress

I.3.1. Definition und Grenzen des Begriffs

Der Begriff „Stress“ wird in der Literatur häufig unterschiedlich verwendet. Die Amerikaner Richard Kradin und Herbert Benson verstehen unter Stress ein Phänomen oder einen Zustand, welcher mit seinem Stressor in direktem kausalen Zusammenhang steht. Dieser Stressor wird als ein vom zentralen Nervensystem als potentiell bedrohlich eingestufter Stimulus angesehen (Kradin & Benson 2000). Die potentielle Bedrohung stellt für den Körper eine Belastung und Herausforderung dar und wird vom ZNS entsprechend behandelt.

Stressoren können in Form und Intensität erheblich variieren. Stressoren beschränken sich nicht nur auf psychische Stimuli, sondern können ebenso interne bedrohliche Szenarien (inflammatorischer Stress, traumatischer Stress) oder externe Gefahren darstellen (Erwartung einer Gefahr, Autounfall) oder halluzinatorischer Art sein. Verbleiben Stressoren nur vorübergehend, lösen sie eine akute Stressantwort aus;

bei länger dauernder Exposition können sie zu chronischem Stress führen.

Stress ist ein Phänomen, welches nicht nur unterschiedlichen Definitionen obliegt, sondern sich auch ausgesprochen schlecht objektivieren lässt. Subjektiv als stress- assoziiert empfundene Situationen stehen oft nur in geringem Zusammenhang mit der

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Theoretische Ausführungen Ankündigung eines Stressors, um einen antizipatorischen Stress und die nachfolgenden Stressreaktionen zu provozieren (Nitsch 1981). Die entscheidende Grundlage für die Entstehung von Stress ist demnach nicht der Stress per se, sondern die subjektive Wahrnehmung und Bewertung der betreffenden Person-Umwelt-Relation (Lazarus 1981).

Die durch einen Stressor ausgelöste Stressantwort kann beim Probanden sehr unterschiedlich ausfallen, nach Selye entweder in Form einer als „Eustress“

bezeichneten, positiven emotionalen Reaktion, die den Organismus trainiert und Leistung fördert, oder als „Dysstress“, einer emotional negativ gefärbten und den Körper potentiell schädigenden Reaktion. Letzteres wird im umgangssprachlichen Gebrauch (Hoffmann & Hochapfel 1995, Henze 1982) sowie in der vorliegenden Studie als Stress bezeichnet.

Unter Umständen können manifeste Organschädigungen aufgrund von Stress auftreten. Selye führte an, dass zur Beantwortung der Frage, welche Krankheiten oder welche Organsysteme betroffen werden würden, das zufällige Ergebnis voran- gegangener Konditionierungen herangezogen werden müsse, wobei jeweils das schwächste Glied der Kette bräche (Hoffmann & Hochapfel 1995).

Der menschliche Organismus reagiert in komplexer und spezifischer Weise auf Stressoren auf vegetativem und hormonalem Weg. Eine akute Stressantwort imponiert mit einer Katecholaminausschüttung und nachfolgend kühler, klammer Haut (Williams et al. 1982), Aktivierung des Sympathikus und entsprechend einer Erhöhung von Blutdruck und Herzfrequenz (Lane et. al 1984), Plättchenaktivierung sowie neuro- endokrinen Veränderungen wie beispielsweise Sekretion von CRH, ACTH und Kortisol (Meyerhoff et al. 1990, siehe Kapitel I.4.). Akuter Stress beeinflusst auch das Immun- system unter Beteiligung von Neuropeptiden und Zytokinen, die nach Überwindung der Blut-Hirn-Schranke modulierend auf die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren- Achse wirken (Kradin & Benson 2000).

Chronischer Stress ist im Gegensatz zu akutem Stress durch eine reproduzierbar und objektivierbar persistierende Aktivierung der hypothalamisch-hypophysär-adreno- kortikalen Achse (Imaki et. al 1991), verringerte Expression von Kortisolrezeptoren und andere anhaltende physiologische Veränderungen (Huber 2003) gekennzeichnet. In diesem Zusammenhang ist auch anderen Untersuchungen zu entnehmen, dass

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Theoretische Ausführungen chronischer Stress im hier beschriebenen Sinne bei chronischen psychischen Erkrankungen, bei Verlust eines Angehörigen sowie bei persistierenden psychischen Konflikten vorherrscht (Herbert et al. 1993, Bartrop et al. 1977, Spiegel 1991).

I.3.2. Theoretische Konzepte zum Thema Stress

Seit 1936 der Begriff „Stress“ von dem deutsch-kanadischen Zoologen Hans Selye definiert wurde, wurden vielfältige Untersuchungen zur Erklärung dieses Phänomens durchgeführt. Nach wie vor ist der psychobiologische Zusammenhang zwischen Stress und den zahlreichen Auswirkungen auf das menschliche System nur unzureichend beantwortet. Die bisher viel erforschte, aber einer Erklärung wenig zugängliche Komplexität zwischen psychischen Stimuli und den endokrinen, peripher- physiologischen, neurobiologischen und immunologischen Veränderungen während einer Stressantwort führte in der Vergangenheit zu einigen theoretischen Modellen, die im Folgenden kurz aufgeführt werden.

Notfallreaktionen nach Cannon (1914, 1932)

Der amerikanische Physiologe Walter B. Cannon entwickelte eine Reihe von Theorien zum Stressphänomen auf der Basis von Tierexperimenten. Cannon zufolge sind sowohl psychische als auch körperliche Stimuli geeignete Stressoren zur Auslösung des sogenannten Emergency State, das der Organismus infolge der Auseinandersetzung mit Belastungen zeigt. Belastungen unterschiedlichster Qualität induzieren eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems und eine Inhibition des Parasympathikus. Hierbei wird Adrenalin aus dem Nebennierenmark freigesetzt, welches zum Beispiel die Herz- frequenz beschleunigt, Bronchien erweitert, eine optimierte Blut- und Sauerstoff- versorgung für die vermehrt beanspruchten Organe wie Muskulatur und Gehirn gewährleistet, Lipolyse und Glykogenolyse vorantreibt. Dieses gleiche, unspezifische Reaktionsmuster auf unterschiedliche, kurzfristige Belastungsarten setzt den Organis- mus in Alarmbereitschaft und ermöglicht ihm, durch gezielte Mobilisierung körper- eigener Energie und Funktionen adäquat auf die Bedrohung zu reagieren, nämlich entweder mit Kampf oder Flucht (Fight or Flight; Cannon 1914, 1932).

(32)

Theoretische Ausführungen Das Allgemeine Adaptationssyndrom nach Selye (1936)

In der Stresstheorie von Hans Selye stehen nicht die kurzfristigen, sondern vielmehr die langfristigen körperlichen Auswirkungen von dauerhaft wirkendem Stress auf den Organismus im Mittelpunkt. Langfristige Stressexposition, zum Beispiel durch Kälte, Hitze, Intoxikation oder Bewegungsrestriktion, ruft beim Organismus ein sogenanntes Allgemeines Adaptationssyndrom (AAS) hervor, welches uniforme Reaktionen funktioneller, morphologischer und biochemischer Art beinhaltet. Die langfristig auftretenden morphologischen Veränderungen imponieren als sogenannte Symptomtrias in Form von lymphatischer Atrophie, vergrößerter Nebennierenrinde sowie Auftreten von gastrointestinalen Ulzera. Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse mit den Hormonen CRH, ACTH und Kortisol gelten seit Selye als endokrinologisches Zentrum vielfältiger somatischer Erscheinungen mit maßgeblicher Bedeutung für die beim AAS stattfindenden körperlichen Reaktionen.

Das AAS besteht aus den drei Abschnitten Alarmphase, Widerstandsphase und Erschöpfungsphase. Nach einer Konfrontation mit Stressoren unterschiedlichster Art werden in der Alarmphase Schocksymptome sowie die Symptomtrias ausgelöst, die in den nachfolgenden Phasen abklingen können. Die zweite Phase ist durch Resistenz und Anpassungsreaktionen an die Belastungssituation gekennzeichnet. Bei anhaltender Belastung gipfelt die dritte Phase in einer Erschöpfung der für die Anpassung bereitgestellten Energiereserven. Das Adaptationssystem bricht zusammen, die vorerst abgeklungenen Symptome kehren mit verstärkter Intensität zurück. Dieser Zustand wird als irreversibel beschrieben und kann bei entsprechender Belastung im Tod des Organismus münden (Selye 1936, 1956).

Das Transaktionale Stressmodell nach Lazarus und Folkman (1984)

Den amerikanischen Psychologen Richard Lazarus und Susan Folkman zufolge entsteht Stress als Folge einer dynamischen Relation zwischen Individuum und externen Ereignissen oder inneren Herausforderungen (z.B. Aufgaben, Werten), sobald die belastende Situation die individuellen Ressourcen überschreitet. Der menschliche Organismus kann seine subjektive Wahrnehmung der Umgebung und seine Form der Stressbewältigung neu evaluieren und adaptieren.

Die Bewertung erfolgt in drei Phasen. Die primäre Bewertung als erste Phase beschreibt die subjektive Unterscheidung zwischen belastenden, positiven und

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Theoretische Ausführungen harmlosen Situationen. Belastungen werden in drei Kategorien eingeordnet. Schädigung oder Verlust beschreibt eine bereits eingetretene Verletzung. Eine noch nicht eingetretene, aber zu erwartende Schädigung wird mit Bedrohung umschrieben. Eine Herausforderung stellt sich bei einer als risikoreich oder schwierig zu interpretierenden Situation.

Die sekundäre Bewertung impliziert eine Entscheidung über individuelle Bewältigungsmöglichkeiten im Rahmen einer potentiellen Bedrohung.

Im letzten Abschnitt, der Neubewertung, werden neu eintreffende Informationen durch Registrierung von Umweltveränderungen einer Neuevaluation unterzogen und einer problemzentrierten Bewältigung zugänglich gemacht. Die durch fortlaufende Interaktion zwischen Individuum und Umwelt bedingten Veränderungen der Umwelt werden dem Individuum greifbar und neu interpretiert. Dieser Bewertungsprozess ist ein sich möglicherweise stets reproduzierbarer Vorgang, der abhängig ist von situativen und persönlichkeitsbedingten Parametern. Bewältigungsprozesse münden schließlich in instrumentellen oder palliativen Copingprozessen. Instrumentelle Copingprozesse beschreiben veränderte Transaktionen zwischen dem Individuum und seiner Umwelt, wohingegen palliativ die Beeinflussung und Regulierung der individuellen Emotionen und Reaktionen zusammenfasst.

Nach erfolgreicher Bewältigung einer bedrohlichen Situation werden ähnliche Schwierigkeiten in zukünftiger Konstellation als weniger bedrohlich gewertet.

Psychischer Stress kann also so lange einen schädigenden Einfluss auf das Innere eines Individuums ausüben, bis eine Kompensation in Form eines Copingprozesses erfolgt (Lazarus & Folkman 1984, Lazarus 1993a und 1993b, Folkman et al. 1997).

I.4. Kortisol

I.4.1. Kortisol und die „Stressachse“

Hormonsysteme spielen eine zentrale Rolle bei der physiologischen Anpassung des menschlichen Körpers an Faktoren, die eine potentielle Bedrohung der Homöostase oder inneren Stabilität des Organismus darstellen. Ein besonders wesentliches neuroendokrines System in solchen regulativen Prozessen bildet die hypothalamisch-

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Sie erklären auch, dass es immer einen Widerstand erzeugt, wenn es eine große Bewegung Gottes gibt, und wie es die bösen Menschen dazu bringt, aufzustehen, zurückzustoßen und