- Einleitung
- Desinfektionsnebenprodukte (DNP) bei der Trinkwasserchlorung - Huminstoffe
- Entstehung von halogenierten Desinfektionsnebenprodukten - Toxikologische Grundlagen und Untersuchungsmethoden - Einstufung von Gefahrstoffen
- Gentoxizität
- Reparatur von DNA-Schäden - Mutationen
- Chemische Mutagene - Prüfung auf Gentoxizität
- Gentoxizitätstests mit Bakterien - Der SOS-Chromotest
- Toxikologische Charakterisierung ausgewählter halogenierter DNP - Verwendete Datenbanken und Lexika
- Toxikologische Daten
- Trichlormethan, Bromdichlormethan, Dibromchlormethan, Tribrommethan, Dichloracetonitril, Trichloracetonitril, Chloralhydrat, Chlorpikrin, Dichloraceton, Trichloraceton, Chloressigsäure, Bromessigsäure, Dichloressigsäure,
Trichloressigsäure
- Zusammenfassung der toxikologischen Daten
- Bestimmung des gentoxikologischen Potentials gechlorter Wasserproben mittels SOS-Chromotest
- Beschreibung der Proben
- Durchführung der Untersuchungen
- Bakterien-Teststämme, Chemikalien und Reagenzien - Ergebnisse
- Auswertung und Diskussion der Daten - Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis Einleitung
Der in aquatischen Systemen enthaltene organisch gebundene Kohlenstoff ist vor allem auf wasserlösliche Verbindungen mittleren und höheren Molekulargewichtes zurückzuführen, die als Huminstoffe bezeichnet werden.
Für Trinkwasserzwecke werden Rohwässer (Uferfiltrate, Talsperrenwässer etc.) aufbereitet und desinfiziert. Letzteres erfolgt i.d.R. durch Chlorung mittels Chlor oder Chlordioxid z.T. auch nach vorangegangener Ozonierung.
Bei der Desinfektion werden die Huminstoffe sowie andere organische Wasserinhaltsstoffe (z.B. Polyhydroxyverbindungen) oxidiert und chloriert bzw. in Anwesenheit von Brom bromiert. Dabei entstehen die Trihalomethane sowie halogenierte Essigsäuren, Nitrile, Aldehyde und Ketone.
Die Summe der Konzentrationen dieser Desinfektionsnebenprodukte (DNP) korreliert nicht mit dem Summenparameter AOX (adsorbierbare organische Halogene). Der Halogengehalt in den spezifizierten Verbindungen ist viel kleiner (5-50%). Auch das
gentoxikologische Potential der spezifizierten Verbindungen ist kleiner als das der Extrakte gechlorter Proben. Hieraus ist zu folgern, daß neben den bisher analytisch erfaßten flüchtigen DNP weitere chlor- und bromhaltige organische Verbindungen im Trinkwasser enthalten sein müssen. Zudem kann davon ausgegangen werden, daß Rohwässer bereits vor der Desinfektion halogenierte organische Verbindungen natürlichen Ursprungs enthalten können. Diese sind ebenfalls strukturell kaum charakterisiert.
Die Identifizierung von weiteren halogenierten Nicht-THM-Verbindungen gelang in desinfiziertem Wasser, dem Huminstoffe zugesetzt wurden.
Diese Verbindungen wurden - teilweise nach Derivatisierung - bisher nur mit der GC- MS-Technik nachgewiesen. Sie decken allerdings nach wie vor nur einen kleinen Teil des adsorbierbaren organischen Halogengehaltes (AOX) der gechlorten Wässer sowie des mutagenen Potentials der Extrakte ab, d.h. ein großer Teil der halogenhaltigen organischen Substanzen ist offenbar mit der GC-MS-Technik nicht zugänglich. Nicht erfaßbar werden konnten dabei auch Verbindungen, die aufgrund ihrer guten Wasserlöslichkeit nicht extrahierbar sind. Seit einigen Jahren steht mit der Atmosphärendruck-Ionisations-Massenspektrometrie (API-MS) eine routinefähige strukturselektive Detektionstechnik für eine Kopplung mit der Hochdruck-Flüssig- Chromatographie (HPLC) zur Verfügung, die zur Identifizierung polarer Desinfektionsnebenprodukte eingesetzt werden kann. Die Entwicklung von Untersuchungsstrategien zur strukturellen Aufklärung von bisher nicht erfaßten polaren DNP mittels Einsatz der HPLC in Verbindung mit dem API-MS war Inhalt des Forschungsvorhabens „Charakterisierung und Quantifizierung der bei der Desinfektion von Trinkwasser entstehenden nichtflüchtigen halogenierten Nebenprodukte - ein Beitrag zur Halogenbilanz", welches von 1996-1999 am Institut für Analytische Chemie der Universität Leipzig im AK Chromatographie bearbeitet wurde. Folgenden Projektzielstellungen standen dabei im Mittelpunkt:
1. Abtrennung und Anreicherung der nichtflüchtigen organischen Inhaltsstoffe aus Wasser vor und nach der Desinfektion durch Ultrafiltration (UF) und Festphasenextraktion (SPE).
2. Trennung mittels flüssigchromatographischer Methoden unter Ausnutzung von Molekülgröße (SEC) und hydrophoben Wechselwirkungen (RP-HPLC).
3. Chlorung der angereicherten Huminstoffe im Labormaßstab.
4. Untersuchungen zum lonisierungs- und Fragmentierungsverhalten von Huminstoffen und halogenierten Folgeprodukten mit der API-MS.
5. API-MS und HPLC/API-MS- Einsatz zur Strukturaufkärung.
6. Ergänzung der analytischen Ergebnisse durch biologische Tests zur mutagenen Aktivität.
Die gentoxikologischen Untersuchungen mittels SOS-Chromotest wurden von Herrn Dr. F. Raabe am Institut für klinische Immunologie und Transfusionsmedizin durchgeführt und bewertet. Dafür wurden angereicherten Proben der im Labormaßstab gechlorten Wässer, die im Institut für Analytische Chemie vorbereitet wurden, verwendet.
Beim SOS-Chromotest handelt es sich um einen einfachen bakteriellen Kurzzeittest.
Dieses sensitive und hochspezifische Verfahren ist als Einstieg für weiterführende Untersuchungen als Screeningmethode geeignet. Da durch diesen Test nicht die Einzelsubstanzen, sondern die Kombinationswirkung aller vorhandenen Mutagene
detektiert werden, ist für eine Interpretation der Test-Ergebnisse eine Kenntnis der toxikologischen Daten der Einzelsubstanzen notwendig.
In der folgenden Arbeit sollen deshalb ausgewählte flüchtige und nichtflüchtige Desinfektionsprodukte beschrieben und mit den erhaltenen Ergebnissen des SOS- Chromotests korreliert werden, um eine Interpretation der experimentell ermittelten Daten zu ermöglichen.
Zusammenfassung
Ziel des Forschungsvorhabens „Charakterisierung und Quantifizierung der bei der Desinfektion von Trinkwasser entstehenden nichtflüchtigen halogenierten Nebenprodukte - ein Beitrag zur Halogenbilanz" war, bisher noch nicht bekannte chlorierte DNP mittels API-MS zu identifizieren und mittels eines einfachem bakteriellen Kurzzeittest gentoxikologisch zu charakterisieren.
Rohwässer aus dem Leipziger Trinkwassereinzugsbereich wurden dazu mittels Ultrafiltration und Festphasenextraktion auf ein DOC-Gehalt von ca. 30 mg/1 angereichert (der normale DOC-Gehalt der untersuchten Rohwässer betrug ca.
4mg/l). Die Identifizierung der nichtflüchtigen DNP war aufgrund der polydispersen Eigenschaften der Huminstoffmatrix sehr kompliziert. Es zeigte sich, daß die MS- Spektren vor und nach der Chlorung kaum Unterschiede aufwiesen. Deshalb wurde die Kopplung der HPLC mit der API-MS für die Charakterisierung der DNP eingesetzt. Dabei wurden vor allem chlorierte Essigsäuren identifiziert. Für die Analytik waren in jedem Fall Anreicherungsschritte notwendig. Die Festphasenextraktion und die Flüssig-Flüssig-Extraktion mit Methyl-tert-Butylether wurden angewendet. Die Anreicherung der polaren DNP ist aufgrund ihrer guten Wasserlöslichkeit jedoch problematisch, da keine hohen Anreicherungsfaktoren erzielt werden. Es ist also auch vorstellbar, daß verschieden stark saure oder basische DNP nicht ausreichend angereichert wurden, um sie mittels HPLC-API-MS identifizieren zu können.
Die toxikologische Recherche der DNP zeigte, daß für die chlorierten Essigsäuren aus der sauren DNP- Fraktion kein eindeutiger Hinweis auf eine gentoxikologische Aktivität zu finden ist. Wahrscheinlich ist die gentoxikologische Aktivität der untersuchten Proben anderen Ursprungs. Entweder wurde sie hervorgerufen durch die Anwesenheit der THM oder durch bei der Chlorung entstehende nicht halogenierte DNP.
Da eine gentoxische Wirkung erst nach einer extremen Anreicherung der Analyten nachgewiesen werden konnte und diese zudem sehr gering war, kann davon ausgegangen werden, daß sich im untersuchten Rohwasser durch den Chlorungsprozeß im Wasserwerk keine gentoxikologisch relevanten nichtflüchtigen DNP gebildet werden. Die Recherche von den am häufigsten in deutschen Wässern gefundenen DNP zeigte, daß das größte gentoxikologische Potential bei den flüchtigen DNP (THM's) zu finden ist, welche bereits gemäß Trinkwasserverordnung (Grenzwert 10 µg/l) routinemäßig kontrolliert werden.