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Der Platin-Schmelzer

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82 DIE PTA IN DER APOTHEKE | August 2018 | www.diepta.de

PRAXIS

H

anau und Heraeus – das sind zwei Namen: zum einen eine Stadt in Hes- sen, zum anderen eine alteingesessene Apothekerfamilie, die untrennbar miteinander verbunden sind. Denn Wilhelm Carl Heraeus wurde am 6. März 1827 in Hanau ge- boren als Sohn des Apothekers Esay Carl Heraeus (1785 bis 1830) sowie dessen Ehefrau Caroline Jäger (ge- storben 1861). Wilhelm Carl Heraeus entstammte somit einer alteingeses- senen Apothekerfamilie, die in der Neustadt von Hanau an der Ecke Nürnberger Straße / Kölnische Straße schon seit 1660 die Einhornapotheke betrieb. Sein Vater starb allerdings früh – da war W. C. Heraeus erst drei Jahre alt. Seine Mutter heiratete 1835 zum zweiten Mal, ebenfalls einen Apotheker, Johann Reinhard Crèpon.

Ausbildungsweg vorgezeich- net Bis 1842 besuchte Wihelm Carl Heraeus das örtliche Gymnasium in Hanau und trat dann eine Lehre in der Apotheke von A.D. Klattenhoff in Frankfurt am Main an. Seine Wander- schaftsjahre nach Abschluss der Gehil- fenprüfung führten ihn unter anderem nach Basel und Kassel. 1849 ging W. C.

Heraeus schließlich zum Studium der Chemie und Pharmazie in die Univer- sitätsstadt Göttingen und trat dort auch in die älteste Göttinger Burschen- schaft Brunsviga ein. An der Ge- org-August-Universität lehrte neben dem Physiker Wilhelm Eduard Weber (1804 bis 1891) auch Friedrich Wöhler (1800 bis 1882) als Professor für Medi- zin, Chemie und Pharmazie – und unter dessen Leitung wurde das Göt-

BERÜHMTE APOTHEKER

Wer von Goldbarren spricht, hat heutzutage in Deutschland schnell

die Firma Heraeus, Hanau, im Blick. Gründer war der deutsche Apotheker, Chemiker und Unternehmer Wilhelm Carl Heraeus.

Der Platin-Schmelzer

© gemeinfrei

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tinger Chemische Laboratorium zu einer Forschungs- und Studienstätte von internationalem Rang (Mitgrün- der der organischen Chemie; Harn- stoff-Synthese). Wöhlers Vater hatte zudem engste Bindung nach Hanau gehabt, denn als Tierarzt war er Stall- meister des Prinzen und späteren Kur- fürsten Wilhlem II. von Hessen-Kassel in Hanau gewesen.

Apothekenübernahme und Be- triebsausweitung Wöhlers Arbei- ten, seine Arbeitsweise, seine Werke (unter anderem die gemeinsam mit dem berühmten Chemiker und Uni- versitätsprofessor Justus Liebig her- ausgegebenen „Annalen der Chemie und Pharmazie“) hatten nachhaltigen Einfluss auf Wilhelm Carl Heraeus späteres Wirken in Hanau. Denn nach abgeschlossenem Staatsexamen in Kassel übernahm Heraus 24-jährig und gut zwanzig Jahre nach dem Tod seines Vaters die Apotheke „Zum weißen Einhorn“, die dann auch recht schnell am 4. April 1660 als gräfliche Hofapotheke erneut offiziell in den Besitz der Familie Heraeus gelangte.

C.W. Heraeus gliederte der Apotheke recht schnell einen chemischen Be- trieb an. Hier stellte er zahlreiche Er- zeugnisse her (unter anderem Eisen- präparate, chemisch reine Flußsäure, Rubidium und Caesium), die an einen großen Abnehmerkreis gelie- fert wurden: unter anderem E. Merck in Darmstadt, L. C. Marquart in Bonn, die Drogerie- und Farbwaren- handlung Gehe & Comp. (Compag- nie) in Dresden und H. Trommsdorf, Erfurt, gehörten zu seinen Kunden.

Alles Firmen, aus denen im Laufe der Zeit Großunternehmen der che- misch-pharmazeutischen Industrie entstanden. Schließlich wurde auch der Münzwardein (Prüfer) der Frank- furter Münzprägeanstalt, Friedrich Ernst Rößler, dem der Senat der Freien Stadt Frankfurt/Main 1843 die neu erbaute Städtische Edel- metallscheideanstalt überlassen hatte (ab 1873 Degussa AG, „Deutsche Gold- und Silber -Scheideanstalt vormals Roessler“), sein Kunde. Die Vielzahl bahnbrechender Erfindun-

gen machten die Einhorn-Apotheke von Heraeus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa bekannt.

Mit Schmuckabfällen zum welt- bekannten Unternehmen Eine Richtungsänderung erfuhr Heraeus Geschäftstätigkeit jedoch durch das Hanauer Schmuckgewerbe, das in größerem Umfang das damals in Mode gekommene Platin verarbei- tete. Die entstandenen Metallabfälle konnten noch nicht in Deutschland, sondern nur in London und Paris aufgearbeitet werden. Heraeus er- griff die Chance mit den Metall- abfällen im Labor intensiv zu experi- mentieren. Sein Ziel: Aus den Metallabfällen der Hanauer Juwelier- Gewerbe reines Platin herzustellen, da dies seitens der Industrie sehr ge- fragt war. Schon unter Wöhler hatte er mit den Edelmetallen gearbeitet.

Zunächst gelang es Heraeus aus dem bei der Scheidung gewonnenen Pla- tinschwamm durch Pressen in Weiß- glut Platinblech und aus diesem sogar Platindraht herzustellen. 1856 kam dann der Durchbruch: In An- lehnung an Arbeiten des Franzosen Henri Sainte-Claire Deville (1818 bis 1881), von denen er durch Wöhler erfuhr, gelang es ihm nach langwie- rigen Versuchen tatsächlich zwei Kilogramm Platin mit dem Knall- gasgebläse im Kalktiegel (Knallgas- flamme) zu schmelzen. Damit war die Möglichkeit zum schnellen Auf- arbeiten metallischer Platinabfälle gegeben, die „Erste Deutsche Platin- schmelze“ geboren. Da Platin in der Chemie, der Elektrotechnik und in der Zahntechnik immer mehr Be- deutung erlangte, wurde der Kun- denkreis des metallverarbeitenden Betriebs mit Goldschmiedewerkstät- ten, Schmuckfabriken, Zahnfabri- ken, chemischen Laboratorien und anderen Industriezweigen immer größer und umspannte bald die ganze Welt. Auch experimentierte Wilhelm Carl Heraeus weiter und fand immer neue Anwendungsgebiete für das edle Metall. Dennoch arbeitete er jahrzehntelang weiter rein handwerk-

lich mit lediglich durchschnittlich sechs Mitarbeitern und behielt auch seine Tätigkeit als Apotheker der Einhorn-Apotheke bei.

Auch politisch aktiv Neben sei- nem Engagement auf naturwissen- schaftlich-technischem und kauf- männischen Gebiet erwarb sich Heraeus ab 1874 große Verdienste als Magistratsmitglied, Abgeordneter der Handelskammer sowie stellver- tretender Oberbürgermeister und zeitweise auch Leiter der Stadverwal- tung von Hanau. 1898 wurde ihm das Ehrenbürgerrecht seiner Vaterstadt verliehen.

Zum 1. Januar 1889 übergab Wil- helm Carl Heraeus seinen Betrieb an seine Söhne Wilhelm und Heinrich.

Diese entwickelten den Familienbe- trieb weiter, expandierten in neue Werksräume vor den Toren der Stadt Hanau, verarbeiteten Ende des 19.

Jahrhunderts weit über 1000 Kilo- gramm Platin jährlich mit nunmehr 40 Mitarbeitern. Auch holten sie einen Schulfreund, den Physiker und Chemiker Dr. Richard Küch mit ins Boot, der mit ihnen zusammen den Grundstock für viele weitere Ge- schäftsfelder des Unternehmens (unter anderem die Quarzglasgewin- nung) legte.

Heute ist Heraeus ein großer, weltweit expandierter Technologiekonzern, der rund 13 000 Mitarbeiter zählt und sich weiterhin in Familienbesitz be- findet. Er gehört sogar zu den Top 10 Familienunternehmen Deutschlands.

Ebenfalls existiert in Hanau noch eine Einhorn-Apotheke. Diese wird aller- dings nicht mehr von einem Heraeus, sondern von Guiseppe Polzzotto e.K.

geführt.

Und der Gründervater Wilhelm Carl Heraeus? Er blieb bis zu seinem Tod seiner Heimatstadt treu: Am 14. Sep- tember 1904 verstarb er im Alter von 77 Jahren in Hanau und wurde auf dem dortigen Hauptfriedhof begraben.  n

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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