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PJ40_S23-39_Schuwerack_Das Wesen des Wertes und seine Begründung

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Von Dr. W. G. Sc h u we r a c k , München-Gladbach.

(Schluss.)

dl Die phänomenologisch begründete Wertanschauung.

In der „Kritik der reinen Vernunft“ leitet Kant seine Kategorien­

tafel aus jener der Urteile ab im Glauben, daß soviele Kategorien bestehen müßten, als es Formen des Urteils gebe. Ueber die Richtig­

keit und Vollständigkeit dieser Tafeln ist viel gestritten worden.

Die Art der Ableitung, die Auffassung des Urteils als Ursprung der Kategorien fand ihren Gegner in Bernhard Bo l z a n o , der eine neue Betrachtungsweise begründete. Er glaubt, Kant loben zu müssen für die durchgeführte Trennung von Anschauung und Begriff, sieht aber selbst in Raum und Zeit Begriffe, nicht Anschauungen.1)

Bolzano trennt den Inhalt des Urteils von der Denkhandlung des Urteilens. Der erstere, der „Sinn“ des Urteils besteht ewig, hat aber kein Zeitdasein, da er unabhängig von jedem Gedacht­

werden schon ist. Die Denkhandlung dagegen ist ein in der Zeit verlaufender Akt, eine reale Tatsache. Bolzano stellt Wahrheiten»

Vorstellungen, Sätze an sich fest, die sich von ihrem Gedacht­

werden völlig unterscheiden. „Die Wahrheiten an sich haben kein wirkliches Dasein, d. h. sie sind nicht solches, das an irgendeinem Orte oder zu irgend einer Zeit als etwas Wirkliches bestände. Wohl haben erkannte oder auch nur gedachte Wahrheiten in dem Gemüte desjenigen Wesens, das sie erkennt oder kennt, ein wirkliches Dasein zu bestimmter Zeit ; nämlich ein Dasein als gewisse Gedanken, die in einem Zeitpunkt angefangen, in einem anderen aufgehört haben.

Den Wahrheiten selbst aber, die der Stoff dieser Gedanken sind, d.h. den Wahrheiten an sich kann man kein Dasein zusprechen.“ 2) Ebenso versteht er unter einem Satz an sich „eine Aussage“, daß etwas ist oder nicht ist ; gleichviel, ob diese Aussage wahr oder

‘) B. B o l z a n o : IVissensdiaftslehre, Bd. I § 79, S. 361 ff. Sulzbach 1837 s) a. a. O. Bd, I, § 25, S. 112, vgl. auch Bd. Π, § 196, S, 328,

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falsch ist ; ob sie von irgend jemand in Worte gefaßt oder nicht gefaßt, ja auch im Geiste nur gedacht oder nicht gedacht worden ist.“ *) Die Vorstellung an sich bedarf „keines Subjektes . . ., sondern besteht — zwar nicht als etwas Seiendes, aber doch als ein gewisses Etwas . . . und wird dadurch, daß ein, zwei, drei und mehr Wesen sie denken, nicht vervielfacht, wie die ihr zugehörige subjektive Vorstellung nun mehrfach vorhanden ist.“ 2) Der „Sinn“ des Urteils besteht also in Wirklichkeit, ist unabhängig von einem subjektiven oder auch objektiven Gedachtwerden.3)

Eigenartig ist Bolzanos Zurückführung aller Sätze, auch der kompliziertest gebauten, auf die Formel: A hat b 4). A ist der Gegenstand, von welchem der Satz handelt, b stellt die Beschaffen­

heit dar, welche der Satz dem Gegenstand beilegt. A nennt Bolzano deswegen die „Unterlage“ oder „Subjektvorstellung“, b den „Aus­

sageteil“ oder die „Prädikatvorstellung“. So hat der Satz „A tut“

die Bedeutung: „A hat am Tun Anteil, A hat die Beschaffenheit des Tuns“ . Der Satz „A ist“ hat den Sinn: „A hat Dasein“. Das b bezeichnet das zu dem Konkretum B gehörige Abstraktum.

An diese beiden Ergebnisse Bolzanos anschließend5), sowie beeinflußt von Fr. Brentanos „intentionalen Beziehungen“ 6), fand diese neue Betrachtungsmethode ihren ersten Ausbau, ihre erste streng durchdachte Formulierung in der von Edmund H u s s e r l begrün­

deten Phänomenologie.

In Kants Denken spielen die kategorialen oder logischen Funk­

tionen eine bedeutende Rolle. Aber der Philosoph des Kritizismus ist nach Husserl nicht zu der „fundamentalen Erweiterung der Be­

griffe: Wahrnehmung und Anschauung über das kategoriale Gebiet“

gekommen, weil er den großen Unterschied zwischen Intuition und Signifikation . . . nicht gewürdigt und daher die Analyse des Unter­

schiedes zwischen inadaequater und adaequater Anschauung nicht vollführt“ 7,1. In der Phänomenologie handelt es sich bei dem Apriori um Wesensschau und Wesensèrkenntnis. Im Urteile stellt sich uns

») a. a. O. Bd. I, § 19, S. 77.

*) a, a. 0. Bd. I, § 48, S. 217; vgl. auch Bd. I, § 54, S. 238.

*) a. a. 0. Bd. I, § 25, S. 215; vgl. auch Bd. II, § 122, S. 4.

4) a. a. 0. Bd. II, § 127, S. 9 ff.

6) E. H u s s e r l : Logisdie Untersudiungen, Halle 1913, Bd. I, S. 225.

·) a. a. 0. Bd. II, 1, S. 367.

7) a, a, 0, Bd. II, 2, Halle 1921, S. 203 f.

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nicht allein ein grammatischer Satz dar, es erscheint uns an ihm eine

„ideale Bedeutungseinheit“ *). „Apriorische Zusammenhänge bestehen, gleichgültig ob alle oder viele oder überhaupt keine Menschen oder andere Subjekte sie anerkennen. Sie sind allgemeingültig höchstens in dem Sinne, daß jeder, der richtig urteilen will, sie anerkennen muß.“ *)

Die Phänomenologie geht davon aus, daß den einzelnen Be­

griffen und Urteilen ein Sinn und eine Bedeutung zugrunde liegt, daß dieser Sinn sich nicht erst nach längerer Erfahrung offenbare, sondern daß ein Erlebnis3), ja schon eine Imaginierung genüge. Die Bedeutung, welche das Wort trägt, der Sinn, welchen das Erlebnis umfängt, ist unabhängig von jedem Bewußtsein gegeben.

Das Streben des Phänomenologen geht darauf hin, nicht Tat­

sachen in ihrem Wirklichkeits- oder Vorstellungsbereich festzustellen, sondern das Wesen der Bedeutung aus dem Gegebenen herauszu­

kristallisieren, das Wesen zu finden, welches der verstreuten Mannig­

faltigkeit wirklicher und möglicher Erlebnisse von Redenden und Denkenden unterliegt. Der Inhalt, welcher die Einheit dieser indivi­

duellen Variationen darstellt, ist das Ziel der Intention.

Wenn der Mathematiker die Formeln (a -f- b) (a — b) mit a* 2 — b2, (a -j- b) (a -f- b) mit a2 -j- 2 a b -f- bz zusammenstellt und sie für gleichwertig hält, so bedeutet die einfache Tatsache nichts.

Das Wissen um die Identität der Formeln ist nicht das intentionale Erlebnis, sondern die Einsicht, das Verständnis, daß es notwendig so ist, daß es anders gar nicht sein kann. Die reine Mathematik, die reine Logik „will nicht die Erkenntnis, das faktische Ereignis in der objektiven Natur, dem psychologischen oder psychophysischen Sein erklären, sondern die Idee der Erkenntnis nach ihren konstitu­

tiven Elementen, bezw. Gesetzen aufklären . . . den idealen Sinn der spezifischen Zusammenhänge . . . verstehen“. 4)

Unter diesen objektiven Zusammenhängen kann man zweierlei verstehen.5) Einmal kann es der Zusammenhang von Sachen sein, auf den sich die Denkerlebnisse beziehen. Dann kann man auch

*) a. a. O. Bd. I, S. 175.

2) A. R e i n a c h : Gesammelte Schriften, Halle 1921: Ueber Phänomeno­

logie, S 397.

*) Durch W. Dilthey wurde das Wort „Erlebnis“ in die Moderne Philo­

sophie und Psychologie eingeführt.

*) E H u s s e r l , a. a. Ο. Π.1 S, 21. — 5) a. a. O. I, S. 228,

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den Zusammenhang der Wahrheiten meinen, in welchem sach­

liche Einheit ihren Ausdruck findet. „Daß es ist, und so und so bestimmt ist, das ist eben die Wahrheit an sich, welche das not­

wendige Korrelat des Seins an sich bildet.“

Das Wesen, das Eidos ist etwas ganz Neues. Wie die indivi­

duelle oder erfahrende Anschauung den individuellen Gegenstand findet, so stellt sich der Wesensanschauung das „reine Wesen“ dar.

Klammert man von einem konkret gegebenen, individuell erlebten Sachbestand alles aus, was dem Individuum als solchem zukommt, was den Gegenstand a /s diesen konkreten ausmacht, was zeitliche und örtliche Bestimmung angeht, so bleibt nur das übrig, was diesem Gegenstand mit allen seiner Gattung gemeinsam ist. Das ist sein Wesen. Auch mein Ich, mein eigenes Selbst muß ich „einklammern“, um das reine Wesen, die Ideation, zu erreichen. Die Urteile über dieses reine Wesen, diese „universellen Urteile haben den Charakter von Wesensallgemeinheiten oder der strengen, schlechthin „unbe­

dingten Allgemeinheit“ . 1) Die Phänomenologie will sich die ein­

zelnen reinen Bewußtseinsvorkommnisse exemplarisch vor Augen stellen, um sich ihr Wesen zur Klarheit zu bringen. An dem Ge­

schauten will sie Analyse und Wesenserfassung üben, in ihm den Wesenszusammenhängen nachspüren, sie zergliedern und in be­

griffliche Ausdrücke fassen, die ihren Sinn rein durch das Geschaute erhalten. * 2) Ausdrücken heißt etwas kundgeben, etwas nennen oder sonstwie bezeichnen3), und zwar kann ein Doppeltes ausgedrückt werden. Einmal 'der Gegenstand selbst als „der so und so ge­

meinte“ ; andererseits aber auch „sein ideales Korrelat in dem ihn konstituierenden Akte der Bedeutungserfüllung, der erfüllende Sinn“. Wo eine Vorstellung nun mit der ideal vollkommenen Wahr­

nehmung erfüllt ist, wo Gegenstand und ideales Korrelat kongruent sind, wo eine Gleichung zwischen beiden besteht wie bei a* = b2 oder, um die vorigen Beispiele zu nehmen wie (a -1- b) (a — b) = a2 — b3, (a + b) (a + b = as -f- 2 a b -|- b2 hat sich die „echte adaequatio rei et intellectus“ hergestellt; das Gegenständliche ist genau als das, als welches es intendiert ist, wirklich „gegenwärtig“

oder „gegeben“. 1) Dies wäre die volle Erfüllung. Das phänomeno­

*) E. H u s s e r l , Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomeno­

logisdien Philosophie, Halle 1913, S. 14 Jahrb. für Philosophie und Phänom, Forschung, Bd. I. — 'h a. a. O. S. 213.

3) Logische Untersudiungen . . . Π,Ι, S. 50.

*) ebend. 11,2, S. 118.

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logische Apriori, die objektiven Zusammenhänge, die unabhängig von jedem denkenden und wahrnehmenden Bewußtsein bestehen und verlaufen, sind nicht mit Denknotwendigkeit zu identifizieren, sodaß nur ein denknotwendiges Sollen uns veranlaßt, so und nicht anders zu urteilen, wie es die transzendental logische Wertrichtung will.

Und doch ist bei dem Apriori eine Notwendigkeit vorhanden, zwar keine des Denkens, aber eine des Seins. Durch das Wesen des A wird notwendig das b-Sein gefordert, in der Wesenheit Mensch liegt notwendig die Denkfähigkeit. Sachverhalte bestehen, gleich­

gültig, ob ein Bewußtsein sie zu erfassen sucht, ja, sie haben mit Denken und Erkennen nichts zu tun. Sie sind da. Dem Denken bleibt es anheim gestellt, sie zu erstreben, sie zu erfassen. Wenn dieses sie erfassen will in ihrer tiefsten Bedeutung, in ihrer ganzen Fülle, in ihrem letzten Wesen, und sich nicht mit einer „signifi­

kativen“ Erfüllung begnügen will, dann muß sich das Denken nach dem wirklichen Wesenssein des Sachverhaltes richten, in der Wesens­

analyse die geltenden Gesetze der Wesenheiten aufsuchen. Diese Gesetze liegen allen Tatsachen und Tatsachenzusammenhängen zu­

grunde. In den Wesenheiten gilt kein zufälliges So-Sein, es liegt hier ein „notwendiges So-Sein-Müssen“, dem Wesen nach „Nicht- Anders-Sein-Können“ vor. Diese reine Intuition darf nicht als plötz-

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liehe Erleuchtung gedacht werden. Es bedarf großer Bemühungen von uns aus, um die „Femsteilung“ (Reinach), in der wir zum Objekt stehen, zu überwinden. „Auch Wesensanschauungen müssen erarbeitet werden“ ; Reinach1) vergleicht diese Arbeit mit dem Bilde, das Plato in seinem Phädrus entwirft von den Seelen, die mit ihren Gespannen den Himmel ersteigen müssen, um die Ideen zu schauen. Die Fassung im Begriffe ist dann erst etwas Sekun­

däres. Zuerst muß man das Wesen erlebt, die Wesenheit geschaut haben, ehe man die wörtliche Fassung herstellt. Das Hängen an Benennungen und Bezeichnungen hindert vielleicht, die W'ahren Zu­

sammenhänge frei zu erfahren. Es gibt im Menschen ein Erfahren, ein Denken ohne Worte. Ein Bewußtseinselement kann in sich klar und sein qualitativer Unterschied von jedem anderen Bewußtseins­

element deutlich unterschieden sein, ohne daß es besonders benannt wurde.z)

Fordert eine Wesenheit A notwendig die Beschaffenheit b, so brauchen wir b nur als Wertprädikat zu deuten und haben die

‘) A. R e i n a c h , a. a. 0. S, 405. — 2) T. P a r r : a. a. 0. S. 17.

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ganze phänomenologische Wertlehre, die in ihren Grundzügen in der Logik von Husserl entwickelt ist. Als eigentliche Wertlehre hat diese neue Methodenlehre bei Max S c h e 1 e r ihre Ausarbeitung gefunden.

Werte kann man mit Wesenheiten gleich setzen. Wie uns in dep Welt der Sachen z. B. das Wesen der Röte an den konkreten Gegenständen der Wirklichkeit aufgeht, etwa an der roten Blume, oder dem röten Wein, oder dem roten Papier, oder roten Dach, so in der Welt der Werte z. B. die Vornehmheit, etwa an einer vornehmen Haltung oder Gesinnung, oder an einem vornehmen Handeln oder Sichgeben. Aber der Wert ist und muß auch stets anschaulich gegeben sein oder wenigstens auf eine solche Art der Gegebenheit zurückgehen. Q Man kann ihn nicht aus Merkmalen und Eigenschaften erst erschließen, die nicht seihst der Sphäre der Werterscheinungen angehören, ihn nicht aus „irgendeiner Form des realen Seins herausklauben“. 2) „Werte sind schon als Wertphäno­

mene (gleichgültig, ob. „Erscheinung“ oder „wirklich“) echte Gegen­

stände, die von allen Gefühlszuständen verschieden sind.“ a) Trotz dieser ihrer zweifellosen Gegenständlichkeit müssen wir sie doch schon an den Handlungen oder Gesinnungen zur Gegebenheit ge­

bracht haben, um diese Handlungen als „vornehm“ oder „gemein“,

„mutig“ oder „feige“, diese Gesinnungen, als „rein“ oder „schuldig“,

„gut“ oder „böse“ zu bezeichnen. Wert ist auch keine Beziehung4), die zu anderen Beziehungen wie Gleichheit, Aehnlichkeit, Verschie­

denheit hinzukäme. Wohl können die Werte ein Fundament für Be­

ziehungen abgeben, sind es selbst aber ebensowenig wie „blau“ oder

„rot“. „Häufig halten wir den bloßen Wert des Bezogenseins einer Sache auf das Fühlen ihres Wertes oder gar nur auf den mög­

lichen Gebrauch, den wir von ihr machen können, für den Wert der Sache selbst. Dies ist eine der stärksten Quellen der Selbst­

täuschungen. . . . Wenn man Werte überhaupt . . . unter eine Kate­

gorie subsumieren will, so muß man sie als Qualitäten bezeichnen, nicht aber als Beziehungen.“ 5)

Im Wesensaufbau glaubt Scheler es als strengstes Gesetz zu finden, daß Wertqualitäten und Werteinheiten allem Sein voraus­

’) M. S c h e l e r : Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wert- ethik, Halle 1921, S. 9.

")’ a. a. 0. S. 41. — 3) a. a. 0. S. 14. — *) a. a. 0. S. 11 und’ S. 248.

5) a. a. 0. S. 248 f, Was Aristoteles schon sagte.

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gegeben sind. Es gibt in unserem Denken und Wahrnehmen, in unserem Erinnern und Erwarten kein wertloses Sein. Im Denken und Urteilen kann nichts uns „ursprünglich werden, dessen Wert­

qualität oder dessen Wertrelation zu einem anderen (Gleichheit, Verschiedenheit usw.) uns nicht schon zuvor irgendwie gegeben gewesen wäre“. x) Nur erst in einer mehr oder weniger künstlichen Abstraktion, in der wir von jedem „mitgegebenen“ als auch „vor­

gegebenen“ Werte absehen, ist ein wertfreies Sein denkbar.

Werte stehen als Gegenständliches in voller Objektivität da, unableitbar vom Seinsbegriff. Vor allem Seinserfassen liegt das Werterfassen. Worin liegt der höchste W ert? Scheler findet diesen im „personalen“ Wert. Der Mensch, der im biologischen Sinne nie das höchstwertige der Lebewesen sein kann, ist insofern das „höchste der Wesen“, als er unabhängig von seiner biologischen Organisation Akte trägt und Werte sieht und realisiert, welche die höchsten sind.

Wenn wir den Menschen so werten, setzen wir diese yon vitalen Werten unabhängigen Werte schon voraus, die Werte des Heiligen und des Geistigen. „Das Neue, das in ihm oder an einer bestimmten Stelle seiner Entfaltung hervorbricht, besteht gerade in einem — biologisch gemessen — Ueberfluß an geistiger Betätigung, sodaß es ist, als würde in ihm und seiner Geschichte eine Spalte geöffnet, in der eine allem Leben überlegene Ordnung von Akten und Inhalten (Werten) zur Erscheinung kommt und zugleich eine neue Einheits­

form dieser Ordnung, als die wir die ^personale“ (im Unterschied zu Ich, Organismus usw.) anzusehen haben, und deren Band Liebe und auf sie fundiert, reine Gerechtigkeit ist“. 2) Die Idee dieser vollen Einheit, der Träger dieses letzten, höchsten Wertes „heilig“ ist Gott und das Gottesreich. Das Ausdenken dieser Idee, die im be­

sonderen in seinen „Problemen der Religion“ 3) erfolgt, ist bei Scheler schon ein theologischer Gedankengang, der für eine Grund­

legung der Philosophie, d. h. der natürlichen Menschenerkenntnis zu weit geht. ·

Fundierend ist für ihn, daß der Mensch nur durch Teilnahme an der das ganze Wertreich durchwaltenden Liebe, durch Beugen seiner selbst und einordnen seiner Akte unter den höchsten, ab- *)

*) M. S c h e l e r : Religiöse Erneuerung, Band 1,1, Leipzig 1923. Vom Ewigen im Menschen, S. 89,

a) Der Formalismus . . ., S. 298.

, 3): Das Ewige im Menschen, Bd. I, 2, Leipzig 1923,

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soluten Wert der „Heiligkeit“ oder „Gott“ zu den Werten gelangen kann. r) „Philosophie ist ihrem Wesen nach streng evidente, durch Induktion unvermehrbare und unvernichtbare, für alles zufällig Da­

seiende „apriori“ gültige Einsicht in alle uns an Beispielen zugäng­

lichen Wesenheiten und Wesenszusammenhänge des Seienden, und zwar in der Ordnung und dem Stufenreich, in denen sie sich im Verhältnis zum Absolutseienden und seinem Wesen befinden.“ 2) Dieses Absolutseiende ist eben Gott, er ist der höchste Wert, ist

„nichts als Liebe“. 3)

Die Liebe im Menschen ist nimmermehr mit Trieb gleichzu­

stellen. Triebregungen können wohl die Fackeln abgeben, welche die objektiv bestehenden Wertinhalte beleuchten, die für die „Gegen­

stände der Liebe bestimmend“ werden können. *) *) Das Wunderbare des Liebesaktes liegt darin, daß es kein „Anstarrendes bloß empirischen Faktums“ ist, sondern eine Bewegung auf noch „höhere Werte hin, als diejenigen, die bereits da und gegeben sind.“ ®) Der Liebesakt ergreift seinen Gegenstand schon in einer Seinssphäre, in welcher das Sosein als Dasein und Wertsein noch unbestimmt ist, „sodaß ebensowohl das eindeutige Ergebnis des adäquaten Erkenntnisaktes als der mögliche Erfolg seiner Umgestaltung durch Wollen und Handeln durch diese Aktklasse noch bestimmbar ist“ . 6) Im Liebes­

akt erschließt sich erst der Menschenblick dem Werte, der Mensch wird hinausgeführt aus seinem individuell beschränkten Ich zu der unabhängig von jedem Subjekt bestehenden, vor dem Sein liegenden objektiven Wertewelt. Liebe, welche diese Ueberwindung des Subjektiven bewirkt, ist nicht der Akt, sondern es ist die ganze Seelenhaltung, welche den Menschen für Wesens- und Werteschau empfänglich macht, die sein Erkennen vor störenden Einflüssen Schützt.7)

') ebd. Bd. 1,1, S. 106. — 2) ebd. Bd. 1,1, S. 122.

■) Das Ewige . . . Bd. I, 2, S. 106.

‘) M. S c h e i er, Die Sinngesetze des emotionalen Lebens, Bonn 1923.

Bd. I, Wesen und Formen der Sympathie, S. 215.

B) ebd. S. 177. — ·) Das Ewige . . . Bd. 1,2, S. 361.

*) P r z y w a r a : Religionsgründung. M ax Sdieler — Henry Newmann Freiburg 1923, schreibt über diese Liebe als letzten Erkenntnisgrund (S. 53):

„Geistesgeschichtlich gesehen, dürfte . . . . diese personalistische Liebesmeta- physik als eine Ueberwindung des „blinden Willens“ Schopenhauers und des

„Willens zur Macht“ Nietzsches sich fassen lassen: eine innere Ueberwindung durch Läuterung des „Blinden“ zum „Einsichtigen“ und des „Machtwillens“ zur Liebe, — eine äußere Ueberwindung durch Einigung der Schopenhauer-Nietzsche

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Das Höhersein eines Wertes ist eine Relation, die im Wesen des betreffenden Wertes selbst gelegen ist. Uns geht sie im „Vor­

ziehen“ bezw. „Nachsetzen“ des Wertes auf.1) Die Rangordnung der Werte ist unveränderlich gegeben, während die Vorzugsregeln im Laufe der Geschichte wechseln können. Das Fühlen der Werte ist selbst wesensnotwendig im „Vorziehen“ und „Nachsetzen“ ge­

gründet. Das „Fühlen“ des Wertes ist also nicht Maßstab für die Vorzugsart des Werfens. Vielmehr findet alle Erweiterung des Wertbereichs (eines Individuums z. B.) allein „im Vorziehen und Nachsetzen statt.“ * 2) Erst die hier in diesen Akten gegebenen Werte können „sekundär“ gefühlt werden. Die Höhe des Wertes muß so stets in einem neuen Akt des Vorziehens und Nachsetzens erfaßt werden. Es gilt hier eine „intuitive Vorzugsevidenz“ 3), welche durch keine Deduktion zu ersetzen ist.

Dietrich v. H i l d e b r a n d sieht ebenfalls mit Husserl und Scheler den Wert in einem Gegenständlichen. Das „Werterlebnis“ ist nicht mit einer Freude über etwas zu vergleichen, der Wert wird nicht im Vollzug eines Verhaltens erst bewußt, die Werte sind „stets gehabt.“ 4 *)

Da er glaubt, daß Schelers Begriff des „Wertfühlens“ leicht mit der Gefühlstheorie des 18. Jahrhunderts verwechselt werden könnte, trennt er scharf das Fühlen als Kenntnisnahme von dem Fühlen als Stellungnahme analog seiner Unterscheidung von Kenntnis­

nehmen und Erkennen des W ertes.6) Sein W e r t k e n n t n i s n e h m e n ist geradezu ein perzeptives Erfassen des Wertes. Es kann dem Wesen des Wertes sehr nahe kommen, da es ein ganzes Mitleben und Durchleben des Wertes bedeuten kann, aber ohne deutlichen und klaren Aufschluß, ohne eine rein begrifflich zufassende Sichtung zu (nach Troeltsch auch Bergson) Linie mit der platonisierenden Linie Brentano- Eucken-Husserl.“

°) Der Formalismus . . . S. 85 ff. —. >) ebd. S. 87. — s) ebd.

*) Dietrich v. H i l d e b r a n d : Die Idee der sittlichen Handlung, im Jahr­

buch f. Philos. u. Phänom. Forschung, Bd. III, 1916, S. 202.

2) Derselbe gibt in seinem Aufsatz : Sittlichkeit und ethische Werterkenntnis (Jahrb. f. Philos, u. Phänom. Forschung Bd. V, 1922) noch eine genauere Unter­

scheidung innerhalb des intuitiven Werterfassens und trennt zwischen „Wert­

fühlen“ und „Wertsehen“. Ein „Wertfühlen“ gibt Tiefe, Lebendigkeit, Nähe zum Wert. Aber „der unendlichen Tiefe der sittlichen Werte entspricht eine unendliche Abstufung im Wertverständnis.“ (S. 471.) Das „Wertsehen“ ist „die Fähigkeit“, die Werte so klar zu sehen, um sie als solche rekognoszieren zu können“ (S. 472).

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geben. Das E r k e n n e n des Wertes ist eine Einsichtnahme in die Bedeutung, Wichtigkeit und Höhe des Wertes, ohne die Tiefe, ohne den Reichtum des Wertes erschließen zu müssen. „Die Fähigkeit des Erkennens bei einem Menschen ist etwas ganz anderes wie die Tiefe und Weite seiner Fähigkeit, Kenntnis zu nehmen.“ 1)

Die Stellungnahme geht aus der Kenntnis oder Erkenntnis eines Wertes hervor. Da in jeder echten Handlung ein Sachverhalt realisiert wird, muß ein Bewußtsein von diesem Sachverhalt, sowie von seinem Wert vorliegen. Auf Grund dieses Bewußtseins des wertvollen Sach­

verhaltes — hier auch Wert vor dem Sein — kann eine Stellung­

nahme erfolgen.2)

Die phänomenologische Wertanschauung betont den Wert als Qualität eigener Art. Hatte schon Aristoteles die Tugend als einen Habitus, als eine Qualität angesehen3), so ist es für unsere Zeit wieder eine Entdeckung, auch den Wertbegriff als solche zu fassen.

Der Wert wird hier nicht in eine logisch-begrifflich konstruierte Welt, nicht in einem freischwebenden metaphysischen Urgi und ge­

setzt, nein, er wird Wirklichkeit, und seine reine Wesenheit findet zuletzt im tiefsten Sein, in der höchsten Aktivität, in dem „Nichts als Liebe“, in Gott seine Vollendung. Die Phänomenologie, die ja nur eine neue Methode, eine neue Art der Betrachtung von Gegen­

stand und gegenständlicher Welt sein will, hat den Aufweis der Werte gegeben. Den Beweis und die Begründung des Wertes gibt sie nicht.* *)

e) Das Wesen und die realmetaphYsisdie Begründung dès Wertes.

Was ist also der W ert? Was ist sein Wesen? Um zur klaren Einsicht in das Wesen eines Dinges zu kommen, muß das an ihm erfaßt werden, was es eben zu diesem; Ding macht. Es muß das

') H i l d e b r a n d a. a. O. S. 205. — s) a. a. 0. S. 153. — 3) Nie. Eth. Π, 6.

*) Wenn J. G e y s e r in seinem Buch: Augustin und die phänomeno- logisdie Religionsphilosophie der Gegenwart (Veröffentl. d. Kathol. Instit. für Philos. Albertus-Magnus-Akad. zu Coin, Bd. I, 3 : Münster 1923) über die phäno­

menologische Wesensschau schreibt: „Man mag von den empirischen Erschei­

nungen so viel reduzieren als man will — wenn man diese Erscheinungen nicht ganz weg reduziert, so behält man immer nur etwas übrig, das schon in der ursprünglichen Erscheinung steckte, wenn es darin auch noch nicht unter­

schieden und in seiner Bedeutung für das Ganze, das da erschienen war, er­

kannt wurde" (S. 110), so ist dies keine abweichende Meinung von der der Phänomenologen. Sie wissen auch, daß in dem konkreten und individuellen

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gefunden werden, ohne das es nicht bestehen kann, bei dessen Fehlen ihm keine Art von Sein zukommt. Nur das Eine, welches sein Wesen ausmacht, muß herausgeschält werden, was dieses A notwendig zu diesem A macht. Denn kein Gegenstand kann zwei Wesen haben. „Jeder Gegenstand (welches seine Seinsart auch sein möge) hat Ein und nur ein Wesen, welches als sein Wesen die Fülle der ihn konstituierenden Eigenart ausmacht.“ 1)

Was ist nun das Wesen des Wertes? Was den Wert zum Werte macht, ist das Wert-Sein. Fehlte dieses Wertsein dem Werte, so wäre es absurd, überhaupt von Wert zu sprechen. Ueberall wo das Wertsein vorhanden, ist also Wert. Was ist aber der Wert­

sein? Es als ein subjektives, psychisches Erleben auszugeben, ohne jede Objektivität, ohne jeden Bestand, widerstreitet uns. Wir müßten es denn geradezu verwechseln mit Angenehm oder Unangenehm, mit Lust oder Unlust.* 2)

Gegenstand das Wesen enthalten ist, die Wesenheit der ganzen Spezies da ist.

Um aber das reine Wesen dieser Spezies oder dieses Genus zu finden, müssen sie alles Konkrete, alles Individuelle „einklammem“. Die Wesenheit ist gerade­

zu eingekapselt in den existierenden Individuellen. Ohne uns die Wesenheit an einem Dinge zur Gegebenheit gebracht zu haben, können wir diese Wesen­

heit auch nicht kennen, selbst wenn sie oder trotzdem sie unabhängig von jedem Bewußtsein, von jedem Subjekt besteht. Die Phänomenologie zeigt mir einen Weg, wohl bewußt, daß es mehrere Wege gibt, zu dem Wesen an sich zu gelangen. Das „vergleichende Denken“, das Geyser für das Erschauen der Wesenheiten inkraft sein läßt, ist eben ein anderer Weg. Wir können die Uni­

versalien absolut für sich betrachten, wenn wir sie einmal aus den Dingen, in denen sie Vorkommen, herausgeschält haben. Auch können wir durch Ver­

gleichung mit vielen Einzeldingen, in denen sie Vorkommen, sie zur gedank­

lichen Allgemeinheit erheben. Siehe auch T h o m a s v. Aqui n: Opusculum de sensu respectu sensibilium et intellectu respectu universalium in volumen 17 p. 118 der Gesamtausg. Parma 1852 bis 73 (25 Bde.'.

D Jean H e r i n g : Bemerkungen über das Wesen, die Wesenheit und die Idee. Jahrb. f. Philos. u. Phänom. Forschung. Bd. IV, 1921, S. 497.

2J Hier liegt eine Gefahr für die Scheler’sche Auffassung, welche dem Angenehmen und Unangenehmen Wert bezw. Unwert beilegt. Das Angenehme ist sicherlich nicht wertvoll, es kann den größten Unwert tragen, z. B. die Un­

zucht. Das Unangenehme kann einen Wert einschließen, z. B. die Erfüllung eines Versprechens, den Wert der Wahrhaftigkeit und Treue. Nur nach dem Inhalt, welchen das Angenehme, bezw. das Unangenehme hat, kann Wert oder Unwert vorliegen. Ist aber der Inhalt nicht wertig, so auch das Angenehme nicht. Absurd aber klingt es, wenn man das sinnliche Gefühl oder die Empfin­

dungen wertvoll oder wertlos bezeichnet. Sinnliche Gefühle und Empfindungen können wohl auf einen Wert hinweisen, z. B. das sexuelle Gefühl auf den Fort­

pflanzungswert; das Hungergefühl auf den Unwert der mangelnden Nahrung

Philosophisches Jahrbuch 1937, 3

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Wohl ist es möglich, daß im Angenehmen oder in der Lust ein Wert liegt, daß im Unangenehmen und in der Unlust ein Unwert eingeschlossen ist, aber der Wertsein ist nicht das Angenehme, nicht die Lust oder Unlust. Auch ist es keine bloße Konstruktion des Geistes oder eines Bewußtseins. Nein, es ist wirklich, es ist gegen­

ständlich gegeben, ein wirklicher Sachverhalt ist es, was wir als Wert bezeichnen. Der Gegenstand ist unabhängig von jedem Be­

wußtsein gegeben, er kann nicht von ihm modifiziert werden. Das Subjekt bleibt immer das Rezipierende, es sucht das Objekt zu er­

fassen. D er W e r t s t e h t u n s al s e i n zu e r f a s s e n d e r S a c h ­ v e r h a l t g e g e n s t ä n d l i c h g e g e n ü b e r . Werte sind da, sind nicht erst durch ein Bewußtsein erzeugt, nicht erst von einem Sub­

jekt geschaffen. Wohl kann der Wert einem Subjekt erst im Be­

wußtsein aufgehen. Denn ohne Bewußthaben kann kein Subjekt etwas wissen von einem Etwas. Trotzdem kann aber das Bewußte ohne dieses wissende Subjekt sein.

Wie tritt der Wert uns entgegen? Da sich die Werte in den Dingen realisieren, werden wir uns die Werte in den Gütern zur Gegebenheit bringen. Wir werden dabei, um den Wert rein zu er- für den Körper. Diese Zustände scheiden aber von dem eigentlichen Wert­

begriff aus. Vielleicht rächt sich auch die Bezeichnung „Wertgefühl“, wo das Gefühl den Wert gibt, schließlich wie bei dem Angenehmen und Unangenehmen selbst für den Wert gehalten wird. Siehe Der Formalismus etc. S. 1 0 4 .— Wenn Scheler das Lusterlebnis an einem Wert selbst wieder als Wert nimmt, so ist dies auch zu bezweifeln. Das Lusterlebnis an einem Werte ist, doch das eigent­

liche Bewußtwerden, Innewerden des Vorgefundenen Wertes, bezw. auch Un­

wertes. Es ist das eigentliche „Wertfühlen“, die Freude über den Wert, Ist aber unter Lusterlebnis verstanden die subjektive sinnliche Lust, z. B. am Besitz, so kann diese fundiert sein auf die Einsicht in den Wert des Besitzes. Ob aber in beiden Fällen ein neuer Wert zu dem „Wertfühlen“ hinzutritt, muß ich be­

zweifeln. Das Lust- bezw. Unlusterlebnis ist doch nur ein größeres und tieferes

„Wertfühlen“, das wegen seiner Stärke sich auch in Innervationen umsetzt, siehe Der Formalismus etc. S, 31 f. Es ist zu befürchten, daß bei solchen Aufstellungen sich die Objektivität der Werte wieder in ein subjektivistisehes oder psychologisches Erlebnis auflöst, was nach Schelers sonstiger Auffassung nicht der Fall sein kann. — Ebenso zweifelhaft scheint die Auffassung der neuen Relationserfassung von Joh. L i n d w o r s k y zu sein, welcher die Richtig­

keit einer Erziehungserfassung, etwa das Ergebnis der Gleichheit oder Aehn- lichkeit schon in dem geradezu „angenehmeren“ oder „leichteren Gehen“ sehen will. Das „Reflexe Erleben“ ist nicht vonnöten, es genügt das „Kernerlebnis“.

Siehe Joh. L i n d w o r s k y : Revision einer Relationstheorie, Archiv für die gesamte Psychologie 1924, Heft 1.

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fassen, von allem anderen, womit das Objekt behaftet ist, abzu­

sehen haben. Der Farbenwert kann uns nur aufgehen, wenn wir von den Farben, die als blaue, rote, grüne, gelbe, violette usw. gegeben sind, als diesem Blau, Rot, Grün, Gelb usw. absehen, und lediglich das Merkmal des Gefärbtseins ins Auge fassen. ’) Der Wert an sich kann als eine Gegenständlichkeit Wirklichkeit haben und doch in der existenzialen Realität mehrfach gegeben sein. So z. B. „die Menschheit“. Alles, was dieses Merkmal „Menschheit“ als not­

wendiges Merkmal hat, ist „Mensch*1 Ob dieses Merkmal in dem einen Menschen nach seiner höheren, in einem anderen nach seiner niedrigen Entfaltungsmöglichkeit ausgebildet ist, kommt hier nicht in Frage. Wie sich die Menschen die Ausprägung dieses Merkmals

„Menschheit“ in der Geschichte gedacht haben, haben die Künstler der verschiedenen Epochen in ihren Werken gezeigt.

Der Wert ist also kein Nichts, sondern ein Merkmal, eine qualitas, eine Beschaffenheit, die an einem Ding haftend, dieses in einem neuen Aspekt zeigt. Er gilt unabhängig von jeder Relation und jedem Subjekt, obwohl es möglich ist, daß er zu einem Sub­

jekt in Beziehung tritt.

Abgesehen von dieser möglichen, aber nicht notwendigen Relation des Wertes zu einem Subjekt, steht er aber in einer objek­

tiven Relation zu einem Werte, der als Maßstab für seine Wert- haftigkeit dient. An diesem gemessen, weist sich der Wert erst als Wert oder Unwert aus. An diesem Normwert wird also der Wert erst zum Wert. Der Tod fürs Vaterland gewinnt erst Wert, gesehen von der treuen Liebe zum Vaterland, welche den Bürger sich wappnen ließ, um unter Verachtung des eigenen Lebens zur Verteidigung seines höchsten Erdengutes hinauszuziehen. Die Ehe wird erst wertvoll durch die eheliche Treue. Der Verzicht auf die Annehmlichkeiten des Lebens erhält erst Wert, wenn er wegen eines höheren Wertes gesetzt wird, z. B. des sozialen Wohles in der Krankenfürsorge und in der Kinderpflege oder des religiösen Wertes in der Askese. Diese Begründung des Wertes ist aber nicht schlicht gegeben, sondern ein Schließen des begründeten Denkens.

') J. G e y s e r glaubt in seinem Buch: Einige Hauptprobleme der M eta­

physik, Freiburg 1923, S. 70, daß ein „schauendes Wahrnehmen“ der Farbe nicht möglich ist. M. E. kann, wenn das Farbesein einmal an irgend einem Dinge zur Gegebenheit gebracht ist, in einem Roterlebnis z. B. dem Subjekt das Farbe-Sein mit gegeben sein.

3*

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Der Maßstab des höheren Wertes, wodurch eine Handlung oder Gesinnung erst werthaltig wird, muß durch denkendes Reflektieren erst ergründet werden. Zuletzt muß aber der Normwert ein höchster, oberster und letzter Wert sein.

Man kann bei den Werten die Unterscheidung in Eigenwerte und abgeleitete Werte vornehmen. Eigenwerte wären jene, die in sich wertvoll sind, z. B. Reinheit, Tapferkeit, während die abge­

leiteten Werte z. B. Ehe, Soldat erst durch die Beziehung zu den Eigenwerten werthaltig sind. Doch stehen die Eigenwerte auch nicht unvermittelt nebeneinander, sondern in sachlicher Beziehung zu einem höchsten Werte, der sie als Werte erst begründet. Wir sahen schon, daß Wert mit Sein nicht identisch ist; beide Begriffe stehen aber auch nicht ohne jede Relation nebeneinander. Denn ohne Sein ist eben nichts denkbar oder wirklich. Das Sein ist der Träger des Wertes. Da wir dem Sein nichts Gleiches an die Seite stellen können, ist es der oberste Begriff, dem alle anderen untergeordnet sind. Das Eine, das Etwas, das Wahre, das Werthafte sagen von dem Sein alle etwas Besonderes aus. Sie suchen den Seinsbegriff zu ergänzen, sie verdeutlichen und erklären ihn in seinen Merk­

malen, sie erfüllen ihn. Ebenso wie das Verhältnis des ens zum unum, des ens zum aliquid, des ens zum verum Grundprobleme der Metaphysik darstellen, so auch das Verhältnis des ens zum bonum, des Seins zum Wert. Die enge Verknüpftheit des Wertigen mit dem Seienden geht dem denkenden Bewußtsein in der Teleo­

logie alles Seins auf.

Jedes Sein hat seinen Zweck. So ein Seinsgegenstand seinem Zwecke entspricht, ist er sinnvoll, ist er wertvoll. Der Zweck ist real im Seienden gegeben, liegt in der Struktur des Seienden. Dies findet sich schon in der körperlichen Welt. Jede Mißgestalt, jedes Abweichen eines Gebildes von der normalen Form gilt als unwertig.

Diese zu ihrer Norm teleologisch eingestellte Entwicklungs- und Bildungsfähigkeit nennt A. F i s c h e r die „organische Plastizität“.

Solche in ihren eigenen Gesetzen verlaufenden Strukturen gibt es auch in der geistigen, psychischen Welt, deren Ziel eben das Denken ist, die Analyse und Synthese. Mit der Entwicklung des vernünftigen Denkens bilden sich Bewußtseinsgegebenheiten aus, die in ihrer besonderen Gestaltung nicht mehr aus dem Bewußtsein erklärt werden können. Sie gründen in einem vom realen Bewußtsein un­

abhängigen Etwas. Ich denke hier an die Begriffe wie Identität,

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Widerspruch, Gleichheit, Aehnlichkeit ; an Universalien wie Sein, Wahres, Schönes, an Wert. Diese können nur in einem realen Bewußtsein bewußt werden, aber sie sind da unabhängig von einem sie denkenden Bewußtsein, sie sind wirklich. Wie aber alles End­

liche und Unvollendete zu einem Unendlichen und Vollendeten strebt, wie das relative, kontingente Sein ein unendliches, absolutes Sein erstrebt, wie jede Mannigfaltigkeit zu einer Einheit drängt, so er­

heischt die relative Wahrheit die absolute Wahrheit, das relativ Wertvolle den absoluten Wert. Da alles Bestehende im Seienden wurzelt, jedes Sein in seinem ihm zugeordneten Zwecke oder im Streben zu ihm seinen Wert findet, der also deswegen auch im Sein ruht und volle Wirklichkeit ist, muß das Absolut-Seiende die Quelle von allem Seienden sein, in ihm muß alles wurzeln und be­

gründet sein. In diesem alles umfassenden, unendlichen Absoluten

— man könnte hier religiös sprechen und sagen Gott — liegt die höchste Wertwirklichkeit. An diesem höchsten und absoluten Wert müssen sich alle Eigenwerte, und somit auch alle abgeleiteten Werte als Werte ausweisen. Ohne diesen absoluten Wert fehlt jeder Wert­

maßstab. Dieses Absolutseiende und Wertige kann aber nicht das kosmische All sein, da man sonst das Eigengesetzliche, die Eigen­

entwicklung der Strukturen als absolut setzte. Nicht das All des Kosmos, nicht die bildungsfähige Kraft ist das Absolute.

Wie wir unter allen Werten die geistigen wie das „Wahre, Gute, Schöne als die höchsten Werte ansehen, so muß das Absolute, damit es eben das Absolute, der höchste Wert, die Einheit aller Werte sein kann, ein geistiger Wert sein. Die geistigen Werte Wahrheit, Güte, Schönheit müssen in diesem vollendet sein, d. h.

dieses Absolute kann nur ein geistiges Wesen sein. Da wir nun unter einem selbstdenkenden, sittlichfühlenden, ästhetisch empfinden­

den Wesen eine Person verstehen, so muß die Einheit von absoluter Wahrheit, Güte, Schönheit eine Person darstellen. Eine geistige, höchststehende Person wird so der höchste, der absolute Wert. *) Der Irrtum sei aber fern gehalten, als ob das Wahre, Gute und Schöne willkürliche Festsetzungen dieses Wesens wären; die Werte sind nur in ihm absolut verkörpert, in ihm absolut vollendet, aber sie sind nicht seinem willkürlichen Wollen unterworfen. Es muß sich notwendig als geistiges Wesen nach diesen objektiven Werten richten, d. h. in ihm als dem Absoluten müssen diese sich in ihrer

*) Eine weitere Ausbildung dieses Gedankens gehört in die Metaphysik,

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Wesenheit — ja in seiner Wesenheit — ausprägeü, da Trennung von Wert und Sein bei ihm, der höchsten Seinsfülle und Wert­

wirklichkeit, unmöglich ist.

In allen Wertanschauungen, die einen objektiven Wert aner­

kennen, werden das Wahre, Gute und Schöne als die höchsten Werte betrachtet. Alle anderen messen sich an diesen als Werte oder Unwerte. Durch die Verschiedenheit der Werthöhe, die den einzelnen Werten zukommt, ist die formale Rangordnung der Werte bestimmt. Davon ist zu unterscheiden die materiale Rangordnung als System der Werte. Dies wäre die inhaltliche Zuordnung der Wertgehalte zueinander. Ganze Gruppen von Werten kann man hier unterscheiden. Bei Münsterberg fanden wir schon die Einteilung in 24 Werte. *) Die Phänomenologie hauptsächlich unter dem Einfluß Schelers weist im allgemeinen 4 Grundklassen auf, die wieder mannig­

fache Einteilungen erfahren: die reinen Ichwerte, die Bedingungs­

werte, die geistig kulturellen Werte, der religiöse Wert. Unsere Aufgabe ist es hier nicht, ein Wertsystem zu errichten, und deshalb verzichten wir auf ein näheres Eingehen auf diese Gedankehgänge.

Erwähnt sei in aller Kürze noch das Verhältnis von Mensch und Wert. Wie kommt der Mensch zu dem Wert? Im allgemeinen kann man wohl zwei Wege unterscheiden, einen begrifflich suchen­

den und einen erlebend findenden. Einem Gegenstände gegenüber­

gestellt, kann ich mir in analysierendem Denken seine Merkmale vor Augen führen, und darunter Wertmerkmale bemerkend, auf Wert schließen. Wenn ein A aus den Merkmalen a, b, c, d, e, f besteht, und c und f Wertmerkmale sind, so muß ein B dieses A als wert- haltig ansehen. Eine goldene Uhr kann für mich werthaltig werden, weil sie eben „golden“ ist oder auch weil sie mir wertvoll zur Zeit­

angabe oder als Andenken, sei es an einen Festtag meines Lebens, sei es als Erbstück des Vaters usw. ist.

Man kann aber auch durch ein Werterlebnis zur Werthaltigkeit eines Gegenstandes geführt werden. Ein B kann an einem A das Wertmerkmal c erleben2), ohne sagen zu können, ohne klar darüber zu sein, welcher Wert hier vorhanden, kann B doch erleben, daß A werthaltig ist, ja vielleicht klar darüber sein, daß ein bestimmter Wert da ist, ohne doch diesen zu kennen. Möglich ist auch, daß

') Vgl. V . d. Arbeit S. 381 von Bd. 39, 1926 ds. Jahrb.

a) B = Bewußtsein, A — Außenstehendes, c — Confluidum, D = Dritter.

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B volle Einsicht in c des A erlebt. Bei dem Wertfinden glaube ich drei Arten unterscheiden zu müssen:

a) ein schlichtes Werterleben, b) ein erlebendes Erfassen, c) eine erlebende Werteinsicht.

B erlebt an einem A das c, erlebt lediglich, vermag aber nicht den Eindruck als den so und so bestimmten zu erfassen, B ist es unmöglich, einem D das erlebte c in Worten wiederzugeben. Eine feinsinnige Seele erlebt in einem Andante eine Melodie, sie bemerkt geradezu das Zittern ihrer Seelensaiten, weiß aber nicht, ob diese Melodie stille Freude oder tiefe Trauer wiedergibt. Sie ist ihr schlechthin wertvoll. Schon anders, wenn ein Mensch im Chopinschen Trauermarsch das Traurige, in Wagners Einzug auf der Wartburg die jubelnde Freude, in den feinen Gesichtszügen eines anderen die Güte findet. Hier erfaßt B in dem Erleben des A das so und so bestimmte c, den so und so gefärbten Wert,

Die volle Tiefe und Weite des Wertes findet B aber erst, sobald er Ei ns i c h t in den Wert von A gewinnt. In einem Erlebnis vermag dem ideal gesinnten Jugendlichen die ganze Tragik des Lebens auf­

zugehen. In der Seelenhaltung eines anderen vermag die innere Rein­

heit mir aufzuleuchten. Ohne jede Analyse, ohne die geringste begriff­

liche Auflösung kann hier in einem Erleben volle Einsicht gewonnen werden. Der erste Weg des begrifflichen Erfassens, des reflektieren­

den Denkens stellt die einzelnen Merkmale des Gegenständlichen wohl scharf auseinander, vermag aber nicht die tiefe Einsicht zu gewähren, wie das Erleben dieses Merkmales. Das begriffliche Denken löst in feinsinniger Analyse z. B. die Schönheit in ihre Merk­

male auf und zeigt mir die Gründe, weswegen die Schönheit ein hoher Wert ist, aber nimmermehr kann es die Seele so packen, wie die erlebende Werteinsicht der Schönheit, das Erlebnis der Schönheit, welche der Psyche die Pforten in die Tiefen der Sphönr heit öffnet. Letzthin wird in vielen Fällen ein Erlebnis die Anregung zum begrifflichen Denken sein. Das allen Menschen von Natur ein­

wohnende Verlangen nach W issenl) wird dazu treiben, das Erlebnis in seine Elemente zu zergliedern, um die Struktur kennen zu lernen.

Mit dieser Analyse ist aber nicht gesagt, daß das Verständnis ein tieferes wird; vielleicht wird dem Erlebnis sogar seine Tiefe genommen.

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