Die Industrialisierung in Deutschland
Voraussetzungen und Ursachen für die Industrialisierung in England Geistige Voraus setzungen à England = wirtschaftliche Führungsmacht Calvinismus, Puritanismus
• neue Glaubensgrundlagen à wirtschaftlicher Erfolg als göttliche Belohnung
à steigende Arbeit, Streben nach Reichtum = sittl. Gebot
• Arbeit, Sparsamkeit, Profitstreben à Kapitalansammlung
• 1763: Ausschluß der Puritaner von Staatsämtern à wenden sich Handel und Industrie zu
à starke Impulse für Industrialisierung, Konzentration des Kapitals in Privathänden John Locke
• Rechtfertigung von Privatbesitz (durch Arbeit angeignet)
• kein Recht der Nichtbesitzenden auf Veränderungen Adam Smith à Wirtschaftsliberalismus
• Preise durch Angebot und Nachfrage, Markt als freies Kräftespiel
• Kapitalanlage als Gewinnstreben, Investitionen nach Rentabilität
• Wettbewerbs- und Gewerbefreiheit
• keine Eingriffe des Staates (außer: Schutz nach Außen, gesicherte Verhältnisse im Inneren, Schaffung best. Infrastruktur)
• Arbeit, Boden, Kapital à wirtschaftlicher Aufschwung, Reichtum Wirtschaftliche Voraussetzungen
• Bevölkerungswachstum (Explosion) à steigende Nachfrage - fehlendes Angebot
• Veränderungen im Ackerbau (Intensivierung, Gewinnstreben, Rohstoffproduktion)
• Rohstoffreichtum
• günstige Verkehrssituation (Häfen, Lage zum Meer), Seemacht
• mildes atlantisches Klima (begünstigt Viehhaltung)
• Erschließung von Märkten in Übersee (Kolonien)
• Laisser-faire-Prinzip
• Handelkompanien
à Entwicklung von Infrastruktur und Handel à großes Arbeitskräftepotential
à technische Innovationen werden für wirtschaftlichen Aufschwung genutzt
à seit Mitte 18. Jh. Beginn der Industriellen Revolution in den Bereichen
Textilindustrie, Montanindustrie, Transportwesen Industrialisierung in Deutschland
Gründe für verspätetes Einsetzen
• Nachwirkungen der Kriege nicht überwunden
• Ideen der Aufklärung kaum verwirklicht (Adel absolutistische Position)
• Fehlen eines Nationalstaates (viele kleine Staaten mit eigener Politik)
• Merkantilismus (Handelbeschränkungen, Wirtschaft soll Staatsausgaben decken)
• unterentwickeltes Bildungswesen (kein Know-How)
• gesellschaftliche Situation (feudele Stände, Zünfte, abhängige Bauern)
• ungünstige Verkehrslage (wenig Küsten, Mittellage)
• Fehlen von Kolonien (keine Märkte in Übersee, keine Rohstoffquellen) à Konservative Fürsten, Bürgertum ohne Initiative
à Deutschland bleibt agrarisch strukturiertes, unterentwickeltes Staatengewirr à geistige und wirtschaftliche Rückständigkeit
à Innovationsfeindlichkeit
Voraussetzungen und Auslösefaktoren der indus triellen Revolution Bevölkerungsexplosion
• Absinken der Sterberate (bessere Ernährung, medizinische Versorgung)
• Anstieg der Arbeitskräftezahlen und der Nachfrage Bauernbefreiung
• persönliche Untertänigkeit, Einschränkung der Verfügungsgewalt über Grund und Boden, Abhängigkeit, wirtschaftliche Verpflichtungen (Frondienste), keine Mobilität in Beruf/Gesellschaft
• Ziele: Versorgung der Bevölkerung, Wohlstand, Ablösezahlungen der Bauern füllen Staatskasse, Verringerung der Macht des Adels
• Reformen von oben verordnet, nicht durch Revolution à Freiherr von Stein à Bauern freizügiger, Freisetzung von Arbeitskräften
Gewerbefreiheit = Aufhebung der Zunftvorschriften
• Konkurrenz und Risiko, keine ständischen Einschränkungen, keine Kapitalbeschränkungen
• starker Aufschwung in Handwerk und Manufakturen
• fortschrittlichere Produktionsverfahren
• Arbeitskräfte für Industrialisierung
• Eigeninitiative und Unternehmergeist Pauperismus
• Verarmung der unteren Schichten à Proletarisierung
• negative Auswirkungen der Gewerbefreiheit
• Arbeiter sind Unternehmen ausgeliefert (Überangebot)
• Kinder- und Frauenarbeit, keine soziale Absicherung à großes Arbeitskräftepotential für Industrielle Revolution Übergang zum Wirtschaftsliberalismus
• Ideen von Adam Smith, Ausgangspunkt: Preußische Ministerialbürokratie (Reform von oben)
• Förderung privater Unternehmerinitiativen, staatliche Musterbetriebe, verstärkter Wettbewerb, Finanzielle Unterstützung
Veränderungen in den Produktionstechniken à Produktionssteigerungen
• Maschineneinsatz (Spinnmaschine, Dampfmaschine), Kohle/Koks zur Verhüttung.
Maschinenbau
• Geld-/Bankwesen als Kapitalgeber, verbesserte Transportmöglichkeiten, Ausbau der Verkehrssystems
Verbesserungen im Schulwesen
• Bildungsreform, technische Hochschulen, Fachschulen à Ausbildung eines breiten Facharbeiterpotentials
Deutscher Zollverein
• Partikularismus (unterschiedliche Gesetze, Zollbestimmungen, Währungen, Maße, Gewichte) à überregionaler Handel z.T. unmöglich
• Beginn seit Zusammenfassung Preußens zu einheitlichem Zoll- und Marktgebiet à gewaltige Wirtschaftsmacht
• 3 Zollvereine à Zusammenschluß zu Deutschem Zollverein (etwa vorläufer des Dt. Reiches) - verzögerter Beitritt der einzelnen Staaten.
à Vergrößerung des Binnenmarktes ohne Zollschranken
à verbesserte Konkurrenzfähigkeit, einheitliche Wirtschaftspolitik (nach Außen) à Aufschwung der deutschen Industriegebiete
à Voraussetzung für politische Einigung Deutschlands
Prozeß der Industrialisierung
I. Phase (1835/50 - 1873)à Zollverein 1835, große Investitionen ab 1850 Kennzeichen und Schwerpunkte
• sprunghafte Wirtschaftsentwicklung
• Schrittmacherfunktion bei Schwerindustrie aufgrund der Eisenbahn
• regionale Schwerpunkte der Schwerindustrie, Ballungsgebiete, Großstädte
• starke Binnenwanderung (Sogwirkung)
• Verflechtung von Großbanken und Wirtschaftsunternehmen
• Aufschwung der elektrotechnischen und chemischen Industrie Bedeutung der Eisenbahn
• Teilursache und Folge à Selbstverstärkerwirkung
• Anwachsen der Schienenwege - steigende Roheisenerzeugung - Durchbruch der Dampfmaschine
• erste Gründungen durch Aktiengesellschaften, schnelle Weiterentwicklung
• ständige Wachstumsimpulse (Eisen-/Stahlindustrie, Maschinenbau, Bauwirtschaft, Zulieferindustrie, Bergbau)
• Absinken der Transportkosten bei zunehmender Kapazität
• hoher Arbeitskräftebedarf
• verbesserte Standortverhältnisse (Knotenpunkte)
• Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit
à Preissenkungen, Erhöhung des Volkswohlstandes
Bedeutung der eisenerzeugenden und verarbeitenden Industrie
• Schwerpunkte in Oberschlesien, Saarland, Ruhrgebiet, Sachsen
• Roheisenimporte (billiger)
• Ruhrgebiet = Zentrum der Schwerindustrie
• Experimente zur Qualitätsverbesserung à verschiedene Qualitätsstähle II. Phase (1873 - 1913/14) à Deutschland wird führende Wirtschaftsmacht
Entwicklung nach Reichsgründung à Gründerkrise
• ausgeprägtes aber hektisches Wirtschaftswachstum
• Firmenneugründungen auf unsolider Basis
• Aktiengesellschaften à fieberhafte Spekulationen à Börsenkrachs, Bankenpleiten à Weltwirtschaftskrise à Arbeitslosigkeit, Produktionsrückgang, Inflation à Arbeiter- und Unternehmerinteressensverbände
à ab 1880 Erholung und Stabilisierung (niedrigeres Produktionsniveau) Aufstieg bis zum 1. Weltkrieg
• Schwerindustrie à zahlreiche Innovationen zur Produktionssteigerung und Qualitätsverbesserung (hochwertigere Produkte, Zusammenarbeit mit chem. Industrie)
à Deutschland weltweit bedeutendster Produzent
• Chemische Industrie à Justus Liebig à Vorteile für Lw. & Schwerind., synthetische Farbstoffe für Textilindustrie, namhafte Chemiefabriken
à 90 % des Chemie -Weltmarktes, Führende Position in Chemie, Pharmzeutika
• Elektroindustrie à Telegraphen, Dynamo à Aufschwung für
Elektroantreib à Konkurrenz für Dampfmaschine à deutlicher Vorsprung für Deutschland
• Verkehrswesen (Straßenbau - Pendler, Ausbau des Eisenbahnnetzes - auch unrentable Verbindungen, Nachverkehr, Erfindung des Verbrennungsmotors - Automobilzeitalter)
• Made in Germany - von England zur Diskriminierung vorgeschrieben (Konkurrenz), aber im Endeffekt gut (Qualitätsmerkmal)
Folgen und Auswirkungen
• Lebensweise (Mobilitätsbereitschaft, Binnenwanderung, städtische Lebens- weisen auf dem Land, Verringerung der Kinderzahl, Pendlerwesen)
• neue Lebens-/Arbeitsformen (Fabrikarbeit, Fließbandarbeit, Disziplinierung der Arbeiter, militärisch-hierarchische Gliederung der Betriebe)
• gesellschaftliche Gruppen à Unternehmer (harte Anforderungen, Aussperrungen, Ausbeutung) und Fabrikarbeiter (Streiks, Lohnkämpfe, polit. Forderungen)
organisieren sich und stehen einander gegenüber
• Soziale Frage
à Probleme: Arbeitsbedingungen, Löhne, Zeit, Frauen-/Kinderarbeit, soziale Unsicherheit, soziale/gesellschaftl. Deklassierung, politische Rechtlosigkeit
à Lösungsansätze: Sozialistische Lösungsversuche (Marx, Engels), Arbeiterbewegung (Gewerkschaften, Parteien), privatwirtschaftliche Lösungsversuche (Stumm), staatliche Sozialpolitik
Industrialisierung im Saarland
Bergbau à Entwicklung eines Staatsbergbaues
• Bauerngruben (Ende des Mittelalters - ungewerblich, Tagebau)
• 1750/51 à Verstaatlichung der Gruben à Unternehmen (technische Fortschritte)
• 1789 franz. Revolution à Gruben an Frankreich à Ausbeutung
• 1814/15 Wiener Kongreß à Saarrevier an Preußen à Autoritäre Modernisierung
• hierarchische Gliederung
• Diziplinierung der Arbeiter
• technische Veränderungen (Dampfmaschine, Schachtbau, Pferde unter Tage)
• höhere Produktivität als an Ruhr
• Ende 19. Jh. bis 1915 à keine neuen Investitionen, Kohle für Koks ungünstig, Produktionsrückgang und Schmälerung des Gewinns
à Probleme der Kohlekrise (ab 1960) werden deutlich Eisenerzeugung à Aufstieg von Privatunternehmen
• Beispiel: „Stumm“ (Industriellenfamiele aus Hunsrück, kauft verschiedene Betriebe, zunächst Monopol, Schwerpunkt: Neunkirchen, Finanzierung durch Eigenmittel, nicht durch anonyme Aktiengesellschaften)
• Verhältnis Unternehmer - Arbeiter à „Königreich Stumm“, Saarabien“
(Einschränkung der politischen und persönlichen Freiheit, politische Bevormundung,
patriarchalische Stellung des Unternehmers - Fürsorge, Verantwortlichkeit, Erziehungsanspruch) à „Zuckerbrot und Peitsche“
• System der milden Hand (Wohnungen, Krankenversorgung, Altersversorgung, Schulen)
• System der strengen Hand (militär. Disziplin, Heiratsgenehmigung, Verbot sozialdemokrat./gewerkschaftl. Tätigkeit, außerbetriebl. Kontrolle, Bedrohung mit Entlassung)
Lebens - und Arbeitsformen während der Industrialisierung
• Anfahrt zur Arbeit, Problem der Unterkunft (Fernpendler, unwürdige Unterkünfte, lange Anfahrten, ...)
• Organisation der Arbeit in Kameradschaften (selbständig, ohne ständige Kontrolle, an billigste Kameradschaft geht Gedinge, Arbeit auf eigene Verantwortung à
Leistungsdruck, Bestechungen)
• schlechte Arbeitsbedingungen (Löhne, Unfallgefahr, Sanktionen, lange Arbeitszeit, schlechte soziale Absicherung)
à Sparsamkeit, Disziplin, Fleiß
• Übergang vom Bauern zum Industriearbeiter (allmählich, Konkurrenz/Überangebot, Arbeitertätigkeit neben Lw oder umgekehrt, Arbeiter mit dörflichem sozialen Umfeld, ...)
Strukturblatt
• Voraussetzungen für Industrialisierung in England: geistige - wirtschaftliche
• Industrialisierung in Deutschland
• Gründe für verspätetes Einsetzen
• Voraussetzungen und Auslösefaktoren
• Prozeß der Industrialisierung: 1. Phase - 2. Phase
• Industrialisierung im Saarland
• Bergbau - Eisenerzeugung (à Stumm)
• Lebens und Arbeitsformen