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Rosenberg und Stcherbatsky sind der Ansicht, daß die „dh.-Theorie&#34

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(1)

Zur Geschichte der buddhistischen Dharma-Theorie

Von Helmuth v. Glasenapp, Königsberg (Pr.)M

Die Arbeiten von S. Yamakami, 0. Rosenberg, Th.

Stcherbatsky und L. de la VallSe Poussin 2) haben die

Buddhologie mit der Lehre der Sarvästivädins bekannt ge¬

macht, welche den Welt- und Heilsprozeß durch das Zusam¬

menwirken separater, miteinander nach bestimmten Gesetzen

kooperierender Daseinselemente (dharma = Päli : dhamma

im folgenden abgekürzt ,,dh.") erklären will. Rosenberg

und Stcherbatsky sind der Ansicht, daß die „dh.-Theorie"

die theoretische Grundlage eines jeden Systems des Buddhis¬

mus bilde und die spezifische Eigenart aller buddhistischen

Philosophie von Buddha bis zur Gegenwart darstelle'). Dem¬

gegenüber haben A. B. Keith, S. Schayer*) und andere die

Meinung vertreten, die dh.-Theorie sei dem ältesten Buddhis¬

mus fremd gewesen und erst von den Dogmatikern der Lehre

des Buddha aufgepfropft worden. Da der Buddha selbst nichts

Schriftliches hinterlassen hat und wir alles, was wir von ihm

wissen, nur den Texten der Schulen einer späteren Zeit ent¬

nehmen können, ist es fraglich, ob es überhaupt jemals mög-

1) Vortrag beim IX. Deutschen Orientalistentag in Bonn, am

3. Sept. 1938.

2) Yamakami, Sogen. „Systems of Buddhistic Thought" (Univ.

of Calcutta 1912); Rosbnbbro, „Probleme der buddh. Philosophie"

(russ. 1918, deutsch Heidelberg 1924); Stcherbatsky, „Central Con¬

ception of Buddhism" (London 1923); La Vall^b Poussin, „L'Abhi-

dharmakoÄa" (Paris-Louvain 1923—31).

3) RosENBBRQ, 1. c. p. 79ff. ; Stcherbatsky: BSOS 6 (1932)

p. 867—896.

4) Keith: BSOS 6 (1932) p. 393—404; IHQ 12(1936) p. 1—20.

Schayer: Archiv Orientälnf 7 (1935) p. 121—132; Polish Bulletin of

Oriental Studies 1 (1937) p. 8—17.

ZeltKhrUt d. DUO Bd. «9 (Neu* Folge Bd. 17) S5

(2)

384 II. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

lieh sein wird, die ursprüngliche Lehre des Buddha festzu¬

stellen. Die Erörterungen über die ,, echte" Lehre des Voll¬

endeten werden deshalb immer einen hypothetischen und

subjektiven Charakter behalten. Fruchtbarer und erfolgver¬

sprechender dürften demgegenüber zunächst Untersuchungen

sein, welche bestrebt sind zu ermitteln, in welcher Beziehung

die dh.-Theorie der Abhidharma-Werke einer bestimmten

Schule zu dem Sütrapitaka dieser Schule steht. Durch einen

Vergleich der so gewonnenen Resultate würde nicht nur

ein wichtiges Stück buddhistischer Dogmengeschichte auf¬

gehellt werden, sondern man dürfte auch hoffen, zu der Lehre

eines zu postulierenden Urkanons vorzudringen, der die ge¬

meinsame Basis der Tripitakas der verschiedenen Schulen

bildet.

Die folgende Abhandlung will einen Teilbeitrag zur Auf¬

hellung des dh.-Problems bieten, indem sie einen Überblick

über die auf die dh.-Theorie bezüglichen Stellen des Päli-

Suttapitaka gibt und damit eine Darstellung des Systems

versucht, das etwa bei Abschluß des Suttapitaka die

„dh.-Theorie" der Theravädins gebildet haben mag. Zu

diesem Zweck wird in den ersten Abschnitten zunächst unter¬

sucht, wieweit die aus den Werken des Päli-Abhidhamma

und aus Vasubandhus Abhidharmako^a bekannten Einzel¬

heiten über die dhs. und ihr Zusammenwirken bereits im

Suttapitaka anzutreffen sind; im weiteren Verlauf der Arbeit

suche ich dann zu ermitteln, was das Suttapitaka unter „dhs."

versteht und wie die Abhidhamma-Dogmatiker diese Lehre

weiter entwickelt haben*).

1) Abkürzungen: (Wo nichts anderes bemerkt ist. Textausgaben der

Päli-Text Society). A. = Aiiguttara-Nikäya, Abhidh. = Abhidhamma,

Ak. = Vasubandhus Abhidharma-koÄa trad. L. de La Valine Poussin.

Atth. = Atthasälini des Buddhaghosa, D. = Digha-Nikäya, Dhp. =

Dhammapada, Dhs. = Dhammasangani, It. Itivuttaka, Kvu. =

Kathävatthu, M. = Majjhima-Nikäya, Mil. = Milindapanha ed. Trenck-

ner, London 1928, S. = Saniyutta-Nikäya, Snip. = Suttanipäta,

Thag. =Theragäthä,Thig. =Therigäthä, Ud. =Udäna,Vibh. = Vibha.iga,

Vin. = Vinaya-pitaka, Vism. = Visuddhi-magga des Buddhaghosa.

(3)

H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 385

1. Die dhammas und ihre Einteilung

In ihrer von mir mit viel Nutzen zu Rate gezogenen Ab¬

handlung „Päli: Dhamma" (Bayer. Akademie Phil. Kl.,

XXXI, 1; München 1921) haben M. und W. Geiger dargetan,

daß das Wort „dh." einen ,, Zentralbegriff der buddhistischen

Lehre" darstellt und in sehr vielen verschiedenen Bedeutun¬

gen Verwendung findet. Dh. bezeichnet das Gesetz und alles,

in dem es Ausdruck findet, auf der einen Seite Weltgesetz,

Norm, Recht, Vorschrift, Lehre, Lehrtext, andererseits aber

auch das durch das Weltgesetz Bedingte, die gesetzmäßig

mit Notwendigkeit eintretenden Erscheinungen, die gesetz¬

mäßigen Gegebenheiten, also das, was von den Übersetzern

von Abhidharma-Texten mit ,,Daseinselement"*oder ähnlich

wiedergegeben wird. Der Zusammenhang zwischen dh.-Gesetz

und dh.-Daseinselement ist von Rosenberg, 1. c. p. 83 und

andern nicht richtig erkannt worden. Meiner Meinung nach

liegt hier derselbe Sprachgebrauch wie bei dem Worte

,,sankhära" vor, das einerseits die karmisch-bedeutsamen

Willensregungen und andere Kräfte, in weiterem Sinne aber

auch die durch diese bedingten dhs. bezeichnet, die selber

wieder Ursachen für die Entstehung neuer dhs. sein können.

So bedeutet „dh." das Gesetz und in weiterem Sinne auch

alles durch das Gesetz Bedingte. Die Chinesen geben deshalb

das Wort dh. immer durch das Zeichen ,,fa" (jap.: hö), welches

Gesetz bedeutet, wieder. Wir haben uns im folgenden vor¬

nehmlich mit den dhs. = Daseinselemcnten zu beschäftigen,

der Leser darf dabei aber den unlösbaren engen Zusammen¬

hang, der zwischen dem Weltgesetz und seinen Ausdrucks¬

formen besteht, nie aus dem Auge verlieren, denn für den

Buddhisten ist die Vorstellung von dem ewigen Weltgesetz

und dem gesetzmäßigen Verlauf alles Werdens und Vergehens

die Grundidee seiner Weltanschauung*), einer Weltanschau-

1) Deshalb heißt es M. 28 1 p. 191 „yo paticasamuppädam passati

so dhammam passati, yo dhammam passati so paticcasamuppädam pas¬

sati". Treffend sagte mir der Mönch Närada im Vajiräräma bei Co¬

lombo im März 1938: „The Dhamma is the law of cause and effect.

These two embrace the entire body of the Buddhas Teachings."

25«

(4)

386 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

ung, die einen streng unpersönlichen Charakter trägt, da sie

weder einen Gott kennt, der die Gesetze gegeben hat und

der über ihre Befolgung wacht, noch unabhängig von dem

Gesetz existierende Personen, an welchen es sich manifestieren

könnte.

Alle dhs. sind ohne „Selbst" {sabbe dhammä änattä S. 44,

10, 7 IV p. 401, Dhp. 279). Dieser Grundsatz wird an zahl¬

losen Stellen ausgesprochen und durch Aufzählung der ver¬

schiedenen dhs. erhärtet, so namentlich D. 9, 21 I p. 185; 15,

23 II p. 64; M. 22 I p. 136; S. 12, 70, 37 II p. 125; 22, 20, 3;

45,3; 59,3; 69,4; 85,46, 143,2 III p. 24, 45, 66, 78,114,

178, A. 10, 60, 5 V p. 109.

Die Tatsache, daß es in der ganzen Welt nicht einmal

so viel Unveränderliches, Ewiges, Selbsthaftes gibt wie ein

Stückchen Kuhdung in der Hand oder ein Stäubchen auf dem

Nagel, ist eine Garantie dafür, daß eine Erlösung überhaupt

möglich ist (S. 22, 96, 14 III p. 144,147).

Die Gesamtheit der dhs. scheidet sich in 2 Kategorien: die

sankhatä dh. und die asankhatä dh. (A. 4, 34, 2 II p. 34; vgl.

M. 115, III p. 63). Die ersteren (die deshalb auch oft einfach

„saAkhära" heißen) sind die dhs., die durch die sankhäras, d. h.

die mitwirkenden karmischen Kräfte, bedingt sind, die an¬

deren die dhs., welche der Einwirkung der saükhäras entrückt,

in ewiger Ruhe verharren. Der Unterschied zwischen beiden

wird A. 3, 47 I p. 152 dahin bestimmt, daß nur die saAkhatä

dhs. die drei Merkmale: Entstehen, Vergehen und Anders¬

werden aufweisen. Ud. 8,3 und 4 p. 80f. It. 43 p. 37 bezeichnet

alles, was sankhata ist, als entstanden, geworden, gemacht, ab¬

hängig, als Verlangen {rati), während das asaAkhata: ajäta,

abhüta, akata, anissita, passaddhi ist.

Der asaAkhata-dh. ») ist das nibbäna (S. 43 IV p. 359 ff.).

1) Die ältere Theraväda-Lehre kennt nur einen asaiikhata-dh.

Dfis. 1439 „katame dhammä asankhatä? — nibbänam, ime dhammä

asankhatä" Dhs 1086 „katame dhammä asankhatä? yo eoa so dhammo

appaccayo". Heute wird in Ceylon vielfach auch äkäsa als asaiikhata-dh.

bezeichnet, wie mir der Abt Dhammänanda im Vidyälaiikära Parivena

(5)

H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 387

dieses wird auch als „virajo dh." (S. 8, 8, 6 I p. 192; Thag 1238

Thig 149), als der beste {settha Dhp. 273), der höchste (uttama,

Dhp. 115), der erste (agga) aller dhs. (A. 4, 34, 2 II p. 34;

6, 83, III p. 433 It 90) bezeichnet.

Alle saükhata-dhs. sind vergänglich (anicca) ; sie entstehen,

nachdem sie vorher nicht gewesen waren und vergehen wieder

nach kurzem Bestehen (M. Ul III p. 25). Die Vergänglichkeit

aller saükhäras*) wird S. 22, 97 (III p. 147) und an zahlreichen

andern Stellen, vielfach mit Hilfe von eindringlichen Bildern

(A7, 70 IV p. 136; S. 22, 95,15 III p. 142) auseinandergesetzt.

Daß das Spiel des Entstehens und Vergehens von dhs. un¬

unterbrochen und mit großer Schnelligkeit vor sich gehen

kann, wird S. 12, 61, 8 II p. 95 angedeutet, wo es heißt, daß das

Denken {citta, mano, vinnäna) bei Tag und Nacht als ein

anderes entsteht, als ein anderes schwindet (aüfiad eva

uppajjati anhan nirujjhati). Da an dieser Stelle aber der

jahrelange Bestand des aus vier Elementen zusammenge¬

setzten Körpers zu dem schnellen Anderswerden des citta

in Gegensatz gestellt wird, scheint die Dauer der verschiedenen

dhs. nicht gleich zu sein. Dasselbe lehrt A. 1, 5, 8 I p. 10, wo

es heißt, nicht kenne ich einen einzigen anderen dh. (annam

eka-dhammam), der so schnell wechselt wie das citta*).

sagte. Man beruft sich dabei auf eine angebliche Steile im Zweier-Buch des A. (vgl. hierüber K. Seidenstücker, „Päli Buddhismus" 2. Aufl.

1923 p. 116). Mil. p. 320 vergleicht bildlich zehn Eigenschaften des

Raumes mit den Nibbäna, p. 271 heißt es „äkäso ca nibbänam ca imme

dve akammajä ahetujä anutujä". Über die Anschauungen der Schulen s. Kvu. VI 6 p. 328, Ak. 1, 5 p. 8, 2, 55 p. 279.

1) Wenn es Dhp. 277 ff., Thag. 676ff. heißt: „sMe sankhärä

aniccä . . . dukkhä" aber „sabbe dhammä änattä" so wird hier der Unter¬

schied zwischen den das nibbäna einschließenden dhs. und den saü-

khata-dhs. deutlich. Das Wort dh. in der dritten Strophe steht also

nicht metri causa, wie Oldenberg, Buddha' p. 295 meinte, um so mehr,

als sich der Wechsel auch in Prosastellen (M. 35 I p. 228, 230; S. 22, 90 III p. 132; A. 1, 15, 3 I p. 27; 3, 134, 3 I p. 286) findet.

2) Die Lehre, daß alle dhs. nur momentane Dauer haben, eine

logische Konsequenz der bis zum Ende geführten dh.-Theorie, findet

sich im Suttapitaka noch nicht. Vgl. dazu Kvu. 22,8 (II p. 620), Ak.

2, 46 p. 224 ff., 4,2 p. 4ff.

2 *;

(6)

388 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

Alle saAkhata-dhs. sind leidig. Das Wort „dukkha"' be¬

zeichnet nicht nur körperlichen und geistigen Schmerz, sondern

das ruhelose Unbefriedigtsein, das in der Vergänglichkeit

alles Daseins und seiner Freuden begründet liegt. Deshalb

wird S. 36, 11 IV p. 216 f. alles, was empfunden wird, sei es

angenehm (sukha), unangenehm (dukkha) oder weder ange¬

nehm noch unangenehm gleicherweise als dukkha bezeichnet.

S. 38, 14 IV p. 259 unterscheidet drei Arten von dukkhatä;

je nachdem sie durch Schmerz, durch sankhäras oder durch

die Veränderlichkeit aller Dinge (viparinäma) bedingt ist.

Die dhs. werden nach bestimmten Gesichtspunkten klassi¬

fiziert. Die Kenntnis ihrer Einteilung nach khandha, äyatana

und dhätu gilt als wesentlich für das Erfassen der Lehre:

M. 112 III p. 30f., S. 5, 9, 5 I p. 134; 8, 12 I p. 196; Thig 43,

472.

„Was da irgend als Körperliches da ist, vergangen, zu¬

künftig oder gegenwärtig gerade entstanden, innerlich oder

äußerlich, grob oder fein, niedrig oder erhaben, in der Ferne

oder in der Nähe, das nennt man die Gruppe des Körperlichen

(rüpakkhanda)."' Entsprechendes wird von vedanä, sanhä, den

sankhäras und vinnäna gesagt (M. 109 III p. 16, S. 22, 48 III

p. 47). Es gibt also 5 große Kategorien, unter welches sich

alles vergängliche Dasein begreifen läßt (Am ausführlichsten

behandelt S. 22ff. III Iff.). M. 64 I p. 435 spricht von dem

was rüpagatam, vedanägatam usw. ist als dhs., die als vergäng¬

lich zu betrachten sind. Der Ausdruck dh. wird von den

khandhas gebraucht: S. 22, 38 III p. 39; 22,106 III p. 159;

23, 4 III p. 191. — In S. 22,94, 19f. III p. 139 wird jeder

khandha „loke lokadhammo'' genannt. A. 4, 12 heißt es vom

Mönch, daß er durchschaut „dhammänarn khandänam uda-

yavyayam''.

Die khandhas heißen upädäna-kkhandas wenn sie mit

Leidenschaft und Daseinshang verbunden sind (säsava,

upädänlya S. 22, 48,11 L III p. 47; vgl. Ak. 1, 8, p. 13; 4, 4

p. 20).

Entsprechend ihrer Rolle im Erkenntnisprozeß lassen sich

die dhs. scheiden in 12 äyatanas oder Basen (ausführlich

(7)

H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 389

S. 35 IV p. Ifl.). Von diesen sind 6 innerlich, auf das empi¬

rische Selbst des Erkennenden bezüglich (ajjhatika): die

5 Sinne und das Dsnken (mano, citta, vinnäna); die übrigen

6 sind äußerlich (hähira); sie umfassen die ,, Gegenstände" der

5 Sinne und des Djnkens.

Mit der äyatana-Klassifikation der dhs. deckt sich teil¬

weise diejenige in 18 dhätus^). Außer den 6 Sinnen und ihren

6 Gegenständen werden noch 6 entsprechende Arten von

Bewußtsein unterschieden, so daß sich also sechs Dreier-

Kategorien ergeben (cakkhu-dhätu, rüpadhätu, cakkhuvinnäna-

dhätu). Die Theorie wird behandelt: S. 14 II p. 140 ff.

Während die ,, Gegenstände" des Sehens, Hörens, Rie¬

chens, Schmeckens und Fühlens je ihren besonderen Namen

(rüpa, sadda, gandha, rasa, potthabba) haben, werden die des

Denksinns einfach als „dhammä"' bezeichnet. Die Abhidh. -

Werke verstehen hier unter dh. alle diejenigen dhs. ihrer

Listen, welche nicht mit den 5 Sinnen wahrnehmbar sind'').

Im Suttapitaka wird keine Dafmition oder Aufzählung ge¬

geben. Aus dem ganzen Zusammenhang des Systems ergibt

sich jedoch, daß unter dhs. nicht die konkreten Dinge der

Außenwelt zu verstehen sind, sondern nur das, was ohne

Zuhilfenahme der Sinne einem zu Bewußtsein kommt. In

erster Linie handelt es sich dabei um die, vor allem im A.

immer wieder und wieder aufgeführten dhs., die man unvoll-

1) Das Wort ,, dhätu" hat verschiedene Bedeutungen, wie M. 115, III p. 62 ff. zeigt. Hier sind die Grundbestandteile des individuellen Lebens gemeint.

2) Vibh. p. 12: ,,taUha katamarndhammayatanam? — vedanäkkhando,

sa/(/iä-A°, sankhära-k°, yam ca rüpam anidassanam appatigham dham-

mäyalanam pariyäpannam asankhatä ca dhätu." Ebenda wird „rüpam

anidassanam appatigham" erklärt als „itthindriyam ... pe . . . kaba- linkäro ähäro" worüber Dhs. § 660 und 596 Näheres angibt. (Der Aus-

^druck rüpam anidassanam appatigham schon D. III p. 217.) — Ent¬

sprechendes lehren die Sarvästivädins, Ak. 1, 15, p. 30. Im Suttapitaka

werden vielfach nur die saiikhata-dhs. als zum dhammäyatana gehörig

betrachtet: S. 5, 9, 5, I p. 134; Mahäniddesa p. 133, Cullaniddesa

p. 177; so bezieht sich ,,sabbam" oder ,, sabbe dh." nur auf weltliche dhs. S. 35, 24, 9f., IV p. 16; A 10, 58, 2, V p. 107; Snip. 811, 1076.

(8)

390 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

kommen als „geistige Zustände" übersetzt hat, also z. B. die

auf der ersten Meditationsstufe auftretenden dhs.: vitakka,

üicära, plti, sukha, cittekaggatä, phassa, vedanä, sannä, usw.

(M. Ul III p. 25), die A. 1, 2 I p. 3 aufgezählten „Hemmun¬

gen" kämacchanda, vyäpäda, thlna-middha, uddhacca-kukucca

und vicikicchä sowie zahlreiche andere dieser Art. Daß all'

diese als äußere Gegenstände des Bewußtseins angesehen

werden, liegt in den Voraussetzungen der ganzen Lehre be¬

gründet. Die Anschauung selbst findet sich auf indischem

Boden auch sonst, namentlich im Jainismus.

Von sämtlichen dhs. sind für den Buddhismus als Heils¬

lehre alle diejenigen bei weitem die wichtigsten, welche eine

morahsche und deshalb für den Weg zur Erlösung gute und

heilsame (kusala) oder schlechte und unheilsame {akusala)

Bedeutung haben. D. 25, 23 III p. 57 legt der Buddha das

Programm seiner ganzen Lehre dar, wenn er sagt, er zeige

den Dh., damit die unheilsamen, besudelnden, zur Wieder¬

geburt führenden dhs. aufgegeben und zum Verschwinden,

die heilsamen, reinigenden (vodäniya) dhs. aber zum Wachs¬

tum und zur Ausbreitung gebracht würden. Daß man mit

diesen kusala und akusala dhs. höchst reale Vorstellungen

verband, zeigt A. 6, 62, 3ff. III p. 404L Hier sagt der Buddha,

daß er eine Person (puggala) mit seinem Denken ,,im Kreise

umschreitend" (paricca) erkennt, was für kusala und akusala

dhs. sich bei ihm finden, ob die Wurzel zu den guten (kusala-

müla) bei ihm noch nicht völlig abgeschnitten sei, so daß bei

ihm später wieder etwas gutes zur Erscheinung kommen

kann, oder ob nicht einmal mehr ein „weißer" (sukka) dh.

von der Größe des Stiches mit dem Ende einer Haarspitze

vorhanden sei.

2. Die Abhängigkeit der dhammas voneinander.

Die saiikhata-dhs. sind anicca. Sie entstehen, nachdem

sie vorher nicht da waren (ahutvä sambhonti M. III III p. 25),

bestehen und verschwinden dann wieder (upatthahanti,

abbhattham gacchanti S. 47, 35, 5 V p. 181). Sie haben also

(9)

U.V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 391

einen Anfang und ein Ende im Gegensatz zu den Entitäten

wie Atomen und Seelen, durch welche andere Schulen den

Weltprozeß zu erklären suchen. Andererseits wird ausdrück¬

lich behauptet, daß nichts in der Welt durch eine überirdische

Macht, sei es ein persönlicher Gott oder der Zufall ins Dasein

gerufen worden sei (M. 101 II p. 222; A. 3, 61, I p. 173ff.).

Sollte deshalb die Lehre, daß die dhs. einen Anfang und ein

Ende haben, aufrechterhalten werden, so blieb nur ein Weg

übrig: die dhs. entstehen und vergehen in funktioneller Ab¬

hängigkeit voneinander kraft der ihnen innewohnenden Ge¬

setzmäßigkeit. In der Lehre vom ,, Bedingtsein durch etwas

Gegebenes" {ida-paccayatä S. 12, 20, 4 II p. 25), vom „Ent¬

stehen in Abhängigkeit" (paticca-samuppäda) sieht der

Buddhismus deshalb das Grundgesetz seiner Welterklärung,

die ,,edle Methode" (ariya näya), die zum Heil führt (S. 12,

41, 15 II p. 70; A. 10, 92, 5 V p. 184). Das Wissen um die Ge¬

setzmäßigkeit (dhammatthitiriäna S. 12, 70, 30 II p. 124) ist

die Voraussetzung für das nibbäna; ,,wer das Entstehen in

Abhängigkeit sieht, der sieht den Dh." (M. 28 I p. 191).

Diese Kausalitätstheorie wird zusammengefaßt in die For¬

meln i) „imasmin sati, idarri hoti, imassuppädä idam uppajjati,

imasmin asati idam na hoti, imassa nirodhä idarn nirujjhati"

(M. 115 III p. 63; S. 12, 62, 9 II p. 95 A. 10, 112, 6 V p. 184).

Das heißt mit anderen Worten: die Voraussetzung dafür, daß

etwas eintritt, ist, daß etwas anderes da ist, welches dieses

ins Daseintreten möglich macht. Jeder neue dh. entsteht in

Abhängigkeit von einem anderen. Dieser ist seine „Ursache"

nicht im wörtlichen Sinne (Ur-Sache) derart, daß ein dh. aus

einem anderen hervorgeht (wie die verschiedenen stofflichen

Erscheinungen aus der Urmaterie) sondern nur insofern, daß

die Existenz eines dh. das Existieren eines anderen dh. not¬

wendig macht. Unter Ur.sache ist also genauer ein ,, Bedingen¬

des" zu verstehen; im Suttapitaka werden zumeist die Worte

hetu (Antrieb), paccaya (grundlegende Voraussetzung), nidäna

(Verbindung), sowie kärana (Bewirkung) gebraucht.

1) Über ihre Bedeutung Ak. 3, 28, p. 81.

<^ *

(10)

392 H. V. Glasbnapp, Zur Geschichte der budhh. Dharma-Theorie

Den Abhidh.-Dogmatikern zufolge sind zwei Züge für die

dh.-Theorie charakteristisch: 1. die Lehre, daß jeder dh. etwas

Separates für sich darstellt, also nicht in einem anderen

enthalten sein, in ihn eingehen oder aus ihm hervorquellen

kann, und 2. die Anschauung, daß kein dh. für sich allein da

ist, sondern in ständiger Wechselbeziehung zu anderen steht.

Das Suttapitaka enthält keine theoretischen Erörterungen

über das Wesen der dhs., wir sind deshalb darauf angewiesen,

lediglich aus dem, was über das Funktionieren der dhs. gesagt

wird, zu erschließen, wie sich die alten Buddhisten das Ver¬

hältnis der dhs. zueinander gedacht haben. Daß sie ihnen ein

„prlhaktva" zuschrieben, wenn diese Vorstellung auch noch

nicht zur vollen Klarheit ausgearbeitet erscheint, ist wohl

kaum zu bestreiten, sicher ist auch, daß sie ein gesetzmäßiges

Verknüpftsein und ein gesetzmäßiges Zusammenwirken der

dhs. annahmen. Hingegen ist die später grundlegende Lehre,

daß ein dh. nur ins Dasein treten kann, wenn eine Konstel¬

lation von andern dhs. dies notwendig macht, anscheinend

erst in ihren Anfängen. Denn wir hören wohl an manchen

Stellen davon, daß mehrere dhs. zusammenwirken müssen,

damit ein neuer dh. „geboren wird", es wird aber noch nicht

kategorisch festgestellt, daß kein dh. durch eine einzige Ur¬

sache entstehen kann (Ak. 1, 7 a p. 11; 2, 64 p. 309. Vism.

p. 542) und daß bei der Erzeugung eines dh. viele dhs. auch

dadurch mitwirken, daß sie sein Entstehen nicht hindern.

Daß in der Welt etwas neues als Folge des Zusammen¬

wirkens von mehreren Faktoren in die Erscheinung tritt, wird

in den Texten vielfach hervorgehoben. Ein Lebewesen wird

nur geboren, wenn die Eltern sich begatten, die Mutter kon¬

zeptionsfähig ist und der Keimling (gandhabba) bereit ist

(M. 38 I p. 265; 99, II p. 157); eine Muschel ertönt nur,

wenn ein Bläser, ein Akt desselben und Luft vorhanden sind

(D. 23,19 II p. 338); das Entstehen einer richtigen oder

falschen Anschauung bei einem Menschen hat die Stimme eines

Lehrers und die Beherzigung durch den Hörer zur Voraus¬

setzung (M. 43 I p. 294, A. 2,11, 8f. I p. 87). So wie eine

(11)

H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 393

Frucht nur entstehen kann, wenn ein Samenkorn, ein Ackers¬

mann und ein Feld da sind, so entsteht religiöses Verdienst

nur, wenn eine Spende, ein Spender und ein würdiges Ob¬

jekt für die Spende (ein Arhat) vorhanden sind (Petava-

tthu I, 1).

Ebenso ist für die Entstehung eines dh. das Zusammen¬

wirken von mehreren anderen erforderlich: ,,Wenn ein Auge

und wenn Formen da sind, entsteht Seh-Bewußtsein ; die

Verbindung dieser drei (tinnam samgati) ist der Kontakt

(phassa), in Abhängigkeit vom Kontakt ist die Empfindung

da" usw. (M. 18 I p. Ul; S. 12, 43, 4 II p. 72).

Ist das Auge zwar unbeschädigt, treten aber keine Seh¬

objekte in seinen Gesichtskreis, so findet kein Zusammen¬

wirken (samannähära) statt und das betr. Bewußtsein kommt

nicht zustande (M. 28 I p. 190). An mehreren Stellen, so M. 140

III p. 242; S. 12, 62, 12 II p. 97; 36, 10, 8 IV p. 215; 48, 39 V

p. 212, wird das Entstehen einer Empfindung durch Kontakt

und Objekt mit dem Entstehen von Feuer durch das Reiben

zweier Hölzer verglichen. Gier entsteht, wenn etwas Reiz¬

volles sowie ein ayoniso manaslkära da ist (A. 2, 11, 6 I p. 87).

Das Weib hat im Innern (ajjhattam) Weibheit (itthindriya),

sie richtet deshalb ihr Begehren nach außen (bahiddhä) auf

Mannheit (purisindriya), und erstrebt eine Verbindung mit

einem Manne. Kommt eine solche zustande, so entsteht da¬

durch Lustgefühl (sukham somanassam A. 7, 48, 2 IV p. 57)*).

Für das Entstehen einer Pflanze ist nicht nur das Vor¬

handensein eines entwicklungsfähigen Samenkorns erforder¬

lich, sondern es ist weiterhin nötig, daß Erdreich und Wasser

da sind. So ist für eine Wiedergeburt nicht nur das Vorhanden¬

sein eines vmhäna Voraussetzung, sondern dieses muß in den

4 üihhänatthitis (dh. den übrigen 4 khandhas) den geeigneten

Boden, und in der Lebensgier (nandiräga) das wachstum¬

fördernde Wasser haben (S. 22, 54, III p. 54f. vgl. S. 5, 9, 5

I p. 134). Ähnlich wird A. 3, 76, 1 I p. 223 das Bewußtsein

1) itthindriya und purisindriya werden von den Theravädinä als

dhs. des rüpa-kkhandha betrachtet.

(12)

394 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

mit dem Samenkorn, der Lebensdurst mit der Feuchtigkeit,

das Kamma mit dem Feld verglichen

An diesen Stellen wird also schon ganz im Sinne der

späteren Theorie gelehrt, daß das Zusammenwirken von

mehreren dhs. erforderlich ist, damit ein neuer dh. entstehen

kann. Im Gegensatz hierzu scheint es zu stehen, wenn vielfach

nur ein dh. als Voraussetzung eines anderen genannt wird.

Nach der traditionellen Erklärung wirken auch in diesem

Falle eine Reihe von dhs. zusammen, doch wird nur derjenige

von ihnen angeführt, der als beherrschender Faktor am

meisten hervortritt und deshalb als eigentlicher „Antrieb"

(hetu) für die weitere Entwicklung zu gelten hat. Es ist denk¬

bar, daß derartiges auch schon an manchen Stellen den Ver¬

fassern des Suttapitaka vorgeschwebt hat, als allgemeingül¬

tiger Lehrsatz wird es in den Lehrreden noch nicht ausge¬

sprochen. Offenbar hatte man, wie dies vielfach ja im

Anfangsstadium neuer Lehren der Fall ist, noch nicht alle

Konsequenzen der dh.-Theorie bis zu Ende gedacht und be¬

gnügte sich damit, die ursächliche Bedingtheit aller gesetz¬

mäßigen Erscheinungen festzustellen, ohne darum schon alle

Einzelheiten kausalen Wirkens zu zergliedern.

Daß die spätere Lehre von der kausalen Kooperation der

dhs. bereits im Suttapitaka präformiert liegt, ergibt sich aber

meines Erachtens aus der Wahl der Worte, welche die Ur¬

sachen bezeichnen und aus der Bedeutung, die diese in anderem

Zusammenhang haben. M. 81 II p. 45 heißt es ,,was ist der

hetu, was der paccaya für das Lächeln des Vollendeten. Nicht

akäranena lächeln Tathägatas." M. 65 I p. 442 werden hetu

und paccaya in bezug auf Disziplinierung von Mönchen,

S. 42, 9, 10 IV p. 324 hinsichtlich des Untergangs von Adels¬

familien (kula), D. 2, 20 I p. 53 von der Versündigung oder

Läuterung der Lebewesen, gebraucht D. 34, 2, 1 III p. 284

1) Das Gleichnis vom Samenlcorn wird später oft erzählt um

darzulegen, daß zur Entstehung von etwas außer der Hauptursache

[hetu) in diesem Falle dem Samenkorn, noch Nebenursachen (paccaya)

wie Erde und Wasser notwendig sind. Nettippakarana p. 78 f. ; Sälistam- basütra bei La Vallee Poussin, Theorie des 12 causes p. 74.

(13)

H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 395

sind die Umstände gemeint, die das Erlangen der Weisheit

begünstigen. Überall ist hier von dem Anlaß die Rede, der ein

Ereignis herbeiführt, gewissermaßen von demjenigen Moment,

das den Stein ins Rollen bringt.

Schon der Umstand, daß die Worte hetu, paccaya usw.

unterschiedslos gebraucht werden, zeigt, daß das ,,Wie"

der Verflechtung von Bedingendem und Bedingtem noch keiner

theoretischen Zergliederung unterzogen wurde. Dement¬

sprechend finden wir im Suttapitaka noch nichts über die

verschiedenen „hetus" und „paccayas'\ welche im Tikapa-

tthäna und anderen Abhidh.-Texten dargelegt werden'). Wie

aber bereits La Vallee Poussin Ak. 2 p. 245 Note 2 ge¬

zeigt hat, werden die verschiedenen Beziehungsverhältnisse der

dhs. im Suttapitaka de facto anerkannt. Fassen wir das, was

sich aus den einschlägigen Stellen ergibt, zusammen, so ge¬

winnen wir für die dh.-Theorie des Suttapitaka folgendes Bild :

Jeder dh. entsteht in Abhängigkeit von anderen; solange

dieselben Ursachen wirken, entsteht nach dem Verschwinden

eines dh. an seiner Stelle ein ihm genau entsprechender neuer

dh. gleicher Art (von citta gesagt S. 12, 61, 8 11 p. 95).

Bestimmte dhs. bedingen einander gegenseitig: Die Le¬

benskraft steht in Abhängigkeit von der Wärme (usmam

paticca titthati) und die Wärme in Abhängigkeit von der

Lebenskraft, so wie bei einer brennenden Öllampe das Licht

in Abhängigkeit von der Flamme (accim paticca) und die

Flamme in Abhängigkeit vom Licht erscheint (.M. 43, 1 p. 295).

Das Bewußtsein hat nämarüpa, und dieses wieder das Bewußt¬

sein als Voraussetzung; sie sind gleichsam zwei Rohrbündel,

die sich gegenseitig stützen *) (S. 12, 67, 26 II p. 114).

Vedanä, sahnä, vinnäna treten stets gleichzeitig mit¬

einander auf, so daß es unmöglich ist, sie voneinander zu

1) Vgl. darüber Ledi Sadaw „Philosophy of Relations" JPTS

(1915f.) p. 21—53; Nyanatiloka „Paticca Samuppada, the Law of

Dependent Origination", Calcutta 1934, p. 6ff. und ,, Guide through the Abhidamma-Pitaka" (Colombo 1938) p. 97 ff.

2) Vism. p. 560 führt als weiteres Gleichnis Schiffwracks an, die

dadurch, daß sie sich aneinanderlehnen, dem Wind und dem Wetter

Widerstand leisten.

(14)

396 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

Bcheiden (M. 43 I p. 293). Ebenso erscheinen in den ver¬

schiedenen Versenkungsstufen bestimmte dhs. immer zu¬

sammen.

Auch die spätere Lehre (vgl. Ak. 2, 45 ff. p. 223 ff.), daß

mit jedem dh. auch die dhs., welche sankhata-lakkhanas sind,

nämlich Geburt, Anderswerden und Vergehen entstehen,

kann aus A. 3, 47 I p. 152; S. 35, 33L IV p. 27L; 48,41,4

V p. 217 herausgelesen werden.

Von entscheidender Bedeutung ist die Lehre von dem

bedingten Entstehen der dhs. für die Heilsordnung. Das

sittliche Verhalten eines Wesens ist die Ursache davon, daß

heilsame oder unheilsame „ponobhavika" dhs. (A. 4, 10,1

II p. 11) entstehen, die sich in einer künftigen Existenz aus¬

wirken. Der gesetzmäßige Zusammenhang, der zwischen den

einzelnen dhs. besteht, wird deshalb mit großer Ausführlich¬

keit behandelt, namentlich im A. Ich gebe nun ein Beispiel:

„Nicht braucht der Sittenstrenge zu denken, möge mir kein

Gewissensbiß entstehen, es ist eine Gesetzmäßigkeit {dKam-

matä), daß ihm kein Gewissensbiß entsteht. Nicht braucht,

wer von Gewissenbissen frei ist, zu denken ,möge mir Freude

entstehen', es ist eine Gesetzmäßigkeit, daß ihm Freude

entsteht.' Nachdem in dieser Weise gezeigt worden ist, wie

allmählich ein heilsamer dh. einen anderen auslöst, heißt es

schließlich : iti kho dhammä ''va dhamme abhisandenti, dhammä^

va dhamma paripürenti apärä päram gamanäya'^ (A. 10, 2

Vp. 2ff.).

Die zugrunde liegende Vorstellung ist also die, daß durch

das gesetzmäßige Entstehen neuer dhs. nach und nach

schließlich etwas neues, völlig anderes zur Erscheinung

kommt. Dies wird durch Beispiele aus Welt und Leben ver¬

deutlicht. A. 5, 55 III p. 67 und 5, 226 III p. 259 ist davon

die Rede, daß bei einem Mönch und einer Frau der Wunsch

sich zu sehen entsteht; durch das häufige Sehen entsteht enge

Verbundenheit (samsagga), aus dieser wird Intimität (vissäsa)

und das hat schließlich den Bruch des Keuschheitsgelübdes

zur Folge. A. 4, 70 II p. 74 lehrt die gesetzmäßige allgemeine

Verschlechterung in einem Reiche : sind die Fürsten tugendlos

(15)

H. V. Glasbnapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 397

(adhammika), so werden es auch die Beamten, weiterhin die

Priester, die Bürger und schheßlich die Bauern. Das hat zur

Folge, daß Sonne und Mond nicht mehr gleichmäßig gehen,

Naksatras und Planeten folgen ihrem Beispiel, Tage und

Nächte ändern sich, die halben und die ganzen Monate, die

Jahreszeiten und die Jahre. Dann wehen die Winde nicht

mehr richtig. Darüber sind die Götter erzürnt und senden

keinen Regen. Dann wird das Korn nicht richtig reif und die

Menschen, die es essen, werden krank und leben nicht lange.

Das beliebteste Beispiel ist aber das vom Regenwasser,

das zuerst die Klüfte des Gebirges füllt, dann die kleinen

Tümpel, die Seen, die kleinen Flüsse, die großen Ströme und

schließlich das Meer. Es wird S. 12, 23, 27 II p. 32; 55, 38 V

p. 396; A. 3, 93, 5 I p. 243; 4, 147,2 II p. 140; 10, 61, 3 und

6 sowie 62, 3 und 6 V p. 114f., 117, 119 verwendet, um das

allmähliche Schlechterwerden oder Besserwerden der dhs.

eines Menschen darzulegen*). Die dhs., die gleichsam wie

Glieder einer Kette sich aneinanderschließend die Voraus¬

setzungen für Wiedergeburt und Erlösung herbeiführen,

lassen sich nach A. 10, 61 f. V p. 113 f. im folgenden Schema

darstellen :

asappurisa-samseva sappurisa-samseva

asaddhamma-savana saddhamma-savana

asaddhiya saddhä

ayoniso-manasikära yoniso-manasikära

asatä-sampajanna saii-sampajanha

indriydsamvara indriya-samoara

3 duccarita 3 sucarita

5 nlvarana 4 satipatthäna

avijjä 7 bojjhanga

(bhava-tanhä) vijjä-vimuUi

Der Unterschied zwischen den beiden dh.-Reihen ist

natürlich der, daß sich die mit Nichtwissen und Lebensdurst

endende Kette immer weiter fortsetzt, während die andere

1) ZDMG 91 (1937) Anhang p. *21* und ausführlicher New Indian

Antiquary I (1938) p. 138f. habe ich zu zeigen versucht, daß Katha Up.

4, 14 auf dieses Gleichnis anspielt und gegen die dh.-Lehre polemisiert.

(16)

398 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

mit der Erlösung ihr endgültiges Ende findet. Selbstver¬

ständlich soll mit der Aufstellung dieser und ähnlicher Sche¬

mata nicht gesagt werden, daß diese dhs. immer in dieser

Weise aufeinander folgen müssen und daß notwendigerweise

der Prozeß, der zur Wiedergeburt oder zum Heil führt, so und

nicht anders verläuft. Vielmehr können im Verlauf der Ent¬

wicklung durch andere dhs. bedingte Veränderungen ein¬

treten. So bleibt, solange nicht die vollkommene Erkenntnis

gewonnen wurde, noch immer ein Rest des Hängens an den

Khandhas und eine latente Tendenz zum Ich-Wahn (S. 22,

89, 24 III p. 131) erhalten, welche die Erreichung des höchsten

Zieles wieder gefährden kann. Und andererseits sahen wir, daß

auch bei andauernder Verschlechterung der dhs. noch eine

,, Wurzel des Guten" erhalten bleiben kann, aus der heilsame

dhs. wieder emporwachsen können. Denn es kommt ja bei

jedem Prozeß nicht auf den einzelnen dh. an, sondern auf das

Zusammenwirken aller. Dies verdeutlicht A. 5, 24, 2f. III

p. 19 f. an dem Beispiel eines Baumes, bei dem das Gedeihen

der Rinde und des Holzes mit dem der Zweige und Blätter

aufs Engste zusammenhängt.

Einen Spezialfall . des ,, Entstehens in Abhängigkeit"

stellt, wie schon sein Name besagt, der ,,Paticcasamuppäda"

dar, der in Europa meist als ,,zwölfgliederiger Kausalnexus"

bezeichnet wird. Der hohe Wert, der ihm in den Augen der

Buddhisten eignet, tritt schon darin hervor, daß das ganze

Tipitaka mit ihm anhebt und daß er an zahllosen Stellen des

Kanons (besonders D. 14, 15, M. 38, S. 12, A. 3, 61, Ud. 1, 1,

Snip. 724 fT.) dargelegt wird. Es hat schon aus diesen äußeren

Gründen wenig Wahrscheinlichkeit für sich, wenn R. 0.

Fn.\NKE meinte ,,Die Kausalitätsformel hat keine grundlegende

Bedeutung für die ßuddhalehre" (ZDMG 69 (1915) p. 470).

Das Suttapitaka gibt keine ausführliche Erklärung der

Formel, wenn auch einzelne Stellen Rückschlüsse darüber

zulassen, aus welchen Erwägungen heraus die Formel auf¬

gestellt worden ist (D. 14, 2, 18 II p. 31) und was mit ihr

gemeint sein kann. Die Schwierigkeit der Erklärung liegt

(17)

H. V. Glasknapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 399

einmal darin, daß der Zusammenhang der 12 Nidänas, nämlich

1 .avijjä, 2. sankhärä, 3.vihhänam, 4. nämarüpam, 5. saläyatanam

6. phasso, 7. vedanä, 8. tanhä, 9. upädänam, 10. bhavo, 11. jäti,

12. jarämaranam nicht einleuchtend ist. Sodann aber ist es

unverständlich, daß an einigen Stellen nur ein Teil der Glieder

genannt wird. Vollends unbegreiflich aber erscheint es, wenn

gar gesagt wird, daß Glied 3 Glied 4, aber auch umgekehrt

Glied 4 Glied 3 bedinge (eine Behauptung, die viel Kopf¬

zerbrechen hervorgerufen hat und sich überhaupt nur vom

Standpunkt der dh.-Theorie (vgl. S. 395) erklären läßt.

Bei der Erklärung des P. hat die europäische Forschung

bisher zwei Wege eingeschlagen : die einen suchten das Wesen

der Formel nur aus den Suttapitaka selbst zu ermitteln, die

anderen glaubten, daß der Sinn des P. nur durch Heranziehung

nicht buddhistischer Ideen festgestellt werden könne. Daß

der P. ohne Kenntnis der in den Abhidh.-Werken übermittelten

Tradition nicht erklärlich ist, hat H. Weller bewiesen, der

Asia Major V (1930) ohne Kenntnis der dh.-Theorie die Be¬

deutung der Formel eruieren wollte und als Ergebnis seiner

Methode p. 173 feststellte, daß ,,ein Gallimathias heraus¬

kommt, durch den sich auch der Pfiffigste nicht mehr hin¬

durchfindet." Die Versuche, die Formel als eine ,, adaptation

of some ancient cosmogonical myth" (Kern), als eine Dar¬

stellung des Hervorgehens der Welt aus dem ,,non-etre" oder

„vide absolu" (Burnouf), aufzufassen, haben in dem buddhi¬

stischen Denken ebensowenig eine Basis wie die Meinung,

der P. handele ,,von nichts anderem als davon, wie ein Über¬

sinnliches das noch kein ,,Sein" im physischen Sinne ist,

zum Physisch-Sinnlichen, zum ,Sein' wird" (Beckh). Auch

die Ansicht Jacobi's, der P. sei eine „Nachahmung" der

Evolutionsreihe des Sänkhya ist heute nicht mehr haltbar.

Alle diese Hypothesen leiden darunter, daß sie in die Formel

Gedanken hineinlegen, die dem Buddhismus durchaus fremd

sind. Denn seine Lehre kennt keine erste Ursache alles Seins

und betont ausdrücklich, daß das Nichtwissen stets bedingt

entstanden ist (A. 10, 61,1 Vp. 113; S. 22, 99L III p. 149;

48, 50, 6 V p. 226).

ZeiUchrift d. DMG Bd. 92 (Neue Folge Bd. 17) 26

(18)

400 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

Einen mittleren Weg zwischen diesen beiden Erklärungs¬

versuchen beschreiten wir, wenn wir die in den Abhidh. -

Werken überlieferte, noch heute in allen buddhistischen

Ländern lebendige Interpretation der P. zugrunde legen.

Diese steht ganz und gar auf dem Boden der dh.-Theorie (wie

übrigens auch der Vers Vin. I p. 2, Ud. p. lf.). Sie stellt

zunächst einmal fest, was der P. zu sein beabsichtigt: eine

Aufzählung der dhs., die gesetzmäßig aufeinanderfolgen,

wenn schließlich jäti und jarämarana das Endergebnis sind.

Warum gerade diese und nicht andere dhs. aufgeführt werden,

entzieht sich natürlich unserer Kenntnis. Wenn man bedenkt,

daß in den zahlreichen Darlegungen von dh.-Reihen, die

das Eintreten einer bestimmten guten oder bösen Wirkung

darlegen sollen, die verschiedenartigsten Kombinationen an¬

zutreffen sind, dann muß man annehmen, daß der Urheber

der Formel auch andere dhs. ähnlicher Art hätte nennen oder

die Kette um einige Glieder hätte erweitern oder verkürzen

können, genau so wie ja auch bei der Aufführung der einzelnen

Phasen, die zwischen dem Herabregnen auf die Berge und

dem Vollwerden des Meeres liegen, beliebig mehr oder weniger

Stationen eingeschaltet werden könnten. Unter diesen Um¬

ständen ist es irrelevant, wenn D. 15, 2 II p. 56 saiäyatana

fehlt oder D. 15, 9 II p. 58 eine Reihe von sonst nicht auf¬

geführten Folgen des Durstes genannt werden. Es trägt

weiterhin zum Verständnis des P. bei, wenn man die von den

Dogmatikern vertretene Meinung zugrunde legt, nach welcher

stets eine Vielheit von dhs. zusammenwirken, um etwas

hervorzubringen, daß aber nur die Hauptursachen, also die

neuen Faktoren, welche die Entwicklung weitertreiben,

genannt werden. Es ergibt sich dann, daß die einzelnen dhs.

als immer weiter wirkend gedacht werden müssen, so daß

also nicht etwa mit der Entstehung der sankhäras die Wirkung

von avijjä aufgehört hätte usw. Schließlich sei noch hervor¬

gehoben, daß, wenn der P. nicht eine Entwicklung aus einem

Uranfang, sondern einem sich wiederholenden Prozeß dar¬

stellen soll, man seine Darlegung mit jedem seiner Glieder

beginnen könnte. Daraus folgt, daß man dem Umstand,

(19)

H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der budhh. Dharma-Theorie 401

daß er an manchen Stellen nur teilweise aufgeführt wird,

keine textgeschichtliche Bedeutung beizumessen hat.

Die Kennlnis der dh.-Theorie ermöglicht es, eine Reihe

von Schwierigkeiten, die der Deutung des P. entgegenstanden,

zu beheben. Sie vermag von sich aus jedoch keine vollständige

Interpretation der ,, Formel" zu geben. Die Erklärungen der

Dogmatiker setzen die dh.-Theorie zwar voraus, beruhen aber

auf besonderer Tradition.

Die verbreitetste Erklärung des P. deutet ihn als die Dar¬

legung der dhs., welche die Entwicklung eines Lebewesens

(d. h. individuellen Lebensstromes) in 3 Existenzen charakteri¬

sieren'). Und zwar sollen die Glieder 1—2 die vergangene,

3—10 die gegenwärtige und 11—12 die zukünftige Existenz

betreffen. Dabei werden dann aber bei der vergangenen

Existenz nur die Ursachen des neuen Daseins, bei der künfti¬

gen nur die Folgen des in der gegenwärtigen Existenz ge¬

schaffenen Karma genannt. Bei der gegenwärtigen Existenz

hingegen werden unter 3—7 die Folgen des vergangenen

Lebens, unter 8—10 die Taten, die eine zukünftige Wieder¬

geburt bewirken, verstanden. Es ist nicht zu leugnen, daß

diese willkürliche Auswahl der einzelnen Glieder das Ver¬

ständnis erschwert und daß es vielleicht praktischer gewesen

wäre, wenn in allen 3 Existenzen dieselben nidänas aufgezählt

worden wären. Aber vielleicht hatte die getroffene Wahl

psychologische Gründe. Eine Erlösungslehre ist in erster

Linie daran interessiert, die unheilvollen Folgen des Tuns

in diesem Leben plastisch vor Augen zu führen, während

sie sich bei der Betrachtung der Vergangenheit vor allem mit

dem zu beschäftigen hatte, was auf die Gestaltung der Gegen¬

wart eine Wirkung ausgeübt hat.

Für diese Erklärung spricht zunächst einmal der gewichtige

Umstand, daß es naheliegt, daß ein System, welches eine

1) Vism. p. 200, 578; Abhidhammatthasaügaha p. 36; Ak. 3 p. 61;

Nägärjuna „Suhrllelihä" Komm, zu III; Bodhicaryävatära-Komm.

IX 73; Daäabhümilia-Sütra (ed. Rahdeb) p. 51; Ullaiigha's Pratilya-

samutpäda-Äästra übers, v. V. Gokhale (Bonner Diss. 1930) Vers. 7,

p. 20; Candamahärosana-Tantra JRAS 1897, p. 467.

26*

(20)

402 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

Wiedergeburt lehrt, auch etwas darüber sagt, in welcher

Weise sie vor sich geht. Wenn die Brahmanen (Chä. Up. 5, 10

und Brh. Up. 6,2, 16) und die Jainas (Viyähapannatti)

Theorien betreffend den Übergang zur neuen Existenz ent¬

wickelt hatten, dann durften die Buddhisten nicht hinter

ihnen zurückbleiben. Eine authentische Erklärung erschien

um so mehr geboten, als die anattä-Lehre und die dh.-Theorie

schon große Anforderungen an die Glaubensbereitschaft der

Anhänger stellten, da an sich die Lehre von der unsterblichen

Seele, die einen alten Leib verläßt und in einen neuen eingeht

vielen plausibler erschienen sein mag. Eine Reihe von Stellen,

in denen der P. in engem Anschluß an Erörterungen über

Karma (Snip. 653), über die Frage, ob das Bewußtsein unver¬

ändert umherwandere (M. 38 I p. 257) u. dgl. erklärt wird,

deuten entschieden in diese Richtung. Daß unter vifinäna

das von einer Existenz zur anderen übergebende Bewußtsein

gemeint ist, ergibt sich aus D. 15, 21 II p. 63; S. 4, 3, 19 I

p. 122,12, 12, 3 II p. 13; 12, 39, 2 II p. 66; 12, 51, 12 II p. 82;

22, 87, 39 111 p. 124; Mahävagga 1,75 (Vin. I p. 93).

Hier liegt also der Beginn der gegenwärtigen Existenz.

Es ist deshalb verständlich, wenn die Kette D. 14, 2, 19 II

p. 32; S. 12, 65, 9 II p. 104; A. 3, 61, 9 I p. 176 nicht über das

3. Glied hinaus zurückverfolgt wird. Dies gilt auch von M. 38

I p. 266 f., wo die Entwickelung eines Knaben vom Eintritt

(des Dinhäna) in den Mutterleib bis zur karmischen Vorbe¬

reitung eines neuen Daseins geschildert wird.

Wenn andererseits S. 12, 52, 2 II p. 84 die Reihe mit dem

3. Glied tanhä beginnt, so läßt sich dies damit zwanglos

erklären, daß hier nur die dhs. dargelegt werden sollen, welche

eine neue Existenz bedingen oder in ihr zur Erscheinung

kommen. Dem Gläubigen soll auf diese Weise ein „disce

monitus" eingeschärft werden.

Bhaua hat nach Cullaniddesa § 471 p. 217, Vibh. p. 137,

Vism. p. 571 zwei Bedeutungen. Es bezeichnet 1. das kar¬

mische Werden, das zu einer neuen Existenz führt [kamma-

bhaoa) und 2. das Werden in einer neuen Daseinsform von

(21)

H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 403

der Empfängnis bis zur Geburt {uppatibhava, patisandkika

punabbhavä). Man kann daher im Zweifel sein, ob bhava an

dieser Stelle des P. das karmische Fazit der gegenwärtigen

oder den Beginn der zukünftigen Existenz darstellt, in jedem

Fall würde der Begriff darauf hinweisen, daß die beiden

Schlußglieder dem zukünftigen Leben zugehören. Nach Vism.

p. 578, Ak. 3, 24 p. 64 und 28 p. 87 ist bhava das letzte Glied

der das gegenwärtige Dasein betreffenden Glieder des P.

Eine zusammenfassende Darstellung des P. nach dieser

Auffassung habe ich „Brahma und Buddha" p. 210 (franzö¬

sische Ausgabe p. 181) und ,,Der Buddhismus in Indien und

im Fernen Osten" p. 30 gegeben.

Eine andere Erklärung sieht im P. nicht eine Darstellung

der wichtigsten Zustände, welche ein Lebewesen in drei auf¬

einanderfolgenden Existenzen durchläuft {ävasthika- prä-

karsika P.), sondern deutet ihn als ein universelles Lebens¬

gesetz, das sich ununterbrochen von Moment zu Moment an

jedem Individuum (dh.-Strom) vollzieht (ksanika-sämbandhi-

ha v.y).

Ak. 3, 24 p. 65 erläutert dies an folgendem Beispiel:

„En un meme moment, lorsqu'un homme en proie ä la passion

commet le meurtre, les douze membres sont realises: 1. son

moha (aberration) c'est Vavidyä; 2. sa „volition" (cetanä),

c'est les samskäras; 3. sa connaissance dislincte d'un certain

objet, c'est le vijnäna; 4. les quatre skandhas coexistant au

vijnäna, c'est le nämarüpa; 5. les organes en relation avec le

nämarüpa, c'est le saiäyatana; 6. l'application du saiäyatana,

c'est le sparsa; 1. eprouver le sparsa, c'est la vedanä; 8. le

desir (räga) c'est la trsnä; 9. les paryavasthänas (l'absence de

honte, ahrl, etc.), associes ä l& trsnä, c'est Vupädäna; 10. l'acte

corporel ou vocal qui precede (de la vedanä ou de la trsnä)

1) La Vallee Poussin: „Bouddhisme. Etudes et Materiaux, Cosmo-

logie" (London 1914—18) p. 33, 156, 241 und „Theorie des 12 causes"

p, 79 f. — Diese Interpretation berührt sich mit der von P. Dahlke in

seinen Übers, des „D." p. 224 ff. und des „M." p. 323 ff. vertretenen Ansicht, daß der P. .einen Wachsturasvorgang, nämlich eine Erlebens-

Einheit von einem Daseinsmoment zu einem nächsten darlegen will.

2 7

(22)

404 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

c'est le bhava; 11. l'emersion (unmajjana = utpäda = pro¬

duction) de tous ces dhs., c'est la jäti; 12. leur maturite

{paripäka) c'est la jarä; leur rupture (bhanga), c'est le ma-

rana."

Die hier zugrunde liegende Anschauung läßt sich nicht in

allen Einzelheiten (Momentaneität usw.) wohl aber in ihren

Kern ebenfalls ohne Schwierigkeit aus dem Suttapitaka

herauslesen, in erster Linie aus den zahlreichen Suttas von

S. 12 in denen von P., aber nicht von Wiedergeburten die

Rede ist.

Diese Interpretation wird aber, soweit bisher bekannt,

in der Literatur nicht oft behandelt und ist heute im Gegen¬

satz zur andern wenig verbreitet. Daß der P. ursprünglich

eine Wiedergeburtstheorie sein sollte, scheint aus der Be¬

nennung der letzten beiden Glieder hervorzugehen. Erst

später, aber wohl schon im Suttapitaka selbst, hat man der

Formel eine umfassendere, allgemein-philosophische Bedeu¬

tung gegeben.

In negativer Deutung hat der P. bei jeder Interpretation

denselben Sinn: er zeigt, daß bei Aufhebung der avijjä alle

Wirkungen fortfallen, die durch diese Ursache bedingt sind.

8. Die dhammas und die Heilsordnung

Im Gegensatz zu Makkhali Gosäla, der eine mechanische

Weltläuterung (samsära-suddhi, D. 2, 21, I p. 54) lehrte, ver¬

tritt der Buddhismus die Ansicht, daß die Erlösung nur für

den einzelnen und nur durch eigenes, energisches Bemühen

erreicht werden könne (Mahävagga 6, 31, 6, Vin. I p. 235).

Der Fortschritt zur Vollendung geht dabei etappenweise im

Verlaufe zahlreicher Wiedergeburten vor sich (A. 5,179, 8 III

p. 214 anupubbena nibbänam gacchanti; M. 24 und 107, A. 8,

19,11 IV p. 201; 10, 99 V p. 202).

Die Stellen, in denen der Erlösungsweg dargelegt wird,

sind außerordentlich zahlreich, es kann sich hier deshalb nur

(23)

H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 405

darum handeln, das, was für die dh.-Theorie von Wichtigkeit

ist, kurz hervorzuheben. A. 4, 14 II p. 16 faßt die gesamte

Heilsordnung unter vier Begriffe zusammen: 1. samvara

d. h. Abwehr des Anhaftens an den durch die 5 Sinne oder

manas eindringenden schlechten dhs. ; 2. pahäna das Loslassen

aufsteigender schlechter dhs., so daß sie nicht Fuß fassen

können imd vernichtet werden; 3. bhävanä das Zur-Erschei-

nung-bringen guter dhs. durch Meditation usw. ; 4. anurakkha-

nä das Festhalten aufgestiegener guter dhs. In zahllosen

Variationen') wird immer wieder gesagt, daß der Mönch die

schlechten dhs. daran verhindert, daß sie in ihn hineinfahren

{sammdäcaranti S. 35,150,11 IV 137), er schüttelt sie ab

{dhunäti Thag, 1006), reißt sie aus {abbahi Thag. 1007) er

erträgt sie nicht, gibt sie auf, bringt sie zu einem Ende, führt

sie zur Nichtexistenz (nädhiväseti, pajahati vinodeti vyantika-

roti anabhävam gameti M. 33 I p. 223 und öfter). Andererseits

strebt er nach der Erlangung guter dhs. {upasampadä D. 33,

2,1 III p. 237), bewirkt, daß sie entstehen (uppajjanti A. 1,

6, 7 I p. 11) und wachsen {abhivaddhanti D. 21, 2, 3 II p. 278)

er müht sich, anadhigatam vä kusalam dhammam adhigantum

adhigatam vä kusalam dhammam phätikätum (A. 6, 79 III

p. 431). Als Frucht des Fehlens von schlechten, des Zu¬

strömens von guten dhs. tritt die Befreiung von der Wieder¬

geburt in der Hölle oder in tierischen Mutterschößen ein

(S. 55, 7,17 V p. 356). Die weitere Vernichtung schlechter

dhs. führt den Jünger schließlich zur vollen Erkenntnis, welche

allein die völlige Ausrodung aller Leidenschaften zur Folge

hat (M. 2 I p. 7). Das erlösende Wissen aber besteht in dem

rechten Verstehen des Wesens der dhs. Der Weise ist sich

dauernd dessen bewußt, daß es kein Ich gibt, sondern nur ein

Bündel von saAkhäras (S. 5, 10, 6 I p. 135), er sieht das Ent¬

stehen der dhs., die Aufeinanderfolge der saökhäras (sankhära-

santati Thag. 716) als einen Prozeß an, der sich gesetzmäßig

abspielt, ihn aber nichts angeht. Heiter und gesammelt lebt

der Arhat dabin in der Gewißheit nicht wiedergeboren zu

1) Vgl. Geiger, I. c. p. 105 ff.

(24)

406 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

werden, denn er hat das „Werden des Selbst" (attasambhava

Ud. 6, 1) wie einen Panzer durchbrochen, den Strom des

Daseins abgeschnitten, das Rad des Werdens zerbrochen

(Ud. 7, 2).

Daß unter dem Nibbäna des Heiligen nicht ein Zustand

seliger individueller Fortdauer in einer höheren Welt ver¬

standen wird, wie immer wieder behauptet worden ist, ergibt

sich zunächst schon aus der Definition des Nibbäna als dh.*).

Es ist daher änattä; das wird zudem auch noch Vin. V p. 86,

A. 9,1, 8 IV p. 353 Ud. 8, 2 p. 80 festgestellt. Snip. 761 wird

das Zunichtemachen der Persönlichkeit {sakkäyass' uparodha-

na) als das bezeichnet, was für Edle das ,, Glück" (sukha) ist,

während die Weitlinge dies als Unglück ansehen. S. 36, 19

IV p. 228, A. 9, 34,11 IV p. 417 legen dar, daß auch die

Existenz in den höchsten Arüpa-Welten wie in der Sphäre

„weder bewußt noch unbewußt" nicht das Nibbäna sein kann,

weil hier noch Vorstellungen aufsteigen können. Das Glück

des Nibbäna besteht gerade darin, daß es nicht empfunden

werden kann (A. 9, 34, 3 IV p. 415). Daß im Nibbäna kein

Bewußtsein (vinnäna) geschweige denn irgendeine Art sinn¬

licher Wahrnehmung mehr vorhanden ist, wird an vielen

Stellen dargelegt (Snip. 1037, A. 4, 174, II p. 161). Wenn das

Nibbäna S. 43 IV p. 373 als rettendes Eiland, schützende

Höhle usw. bezeichnet wird, so ist darin natürlich nicht eine

Parallele zu dem Wohnsitz der Seligen auf dem Gipfel der

Welt zu sehen, der von den Jainas gelehrt wird. Daß es sich

hier um bildliche Bezeichnungen handelt geht schon daraus

hervor, daß die Bilder einander widersprechen, wenn man

sie wörtlich auffassen würde. Zudem wohnt der Siddha der

Jainas auf der höchsten Stelle der Welt, er berührt die Grenze

der Welt (puttha log'ante), während der Vollendete bei den

1) Es ist klar, daß das Nibbäna als eine gesetzmäßig eintretende Erscheinung betrachtet werden kann, hingegen ist es schwierig, es als ein „Daseinselement" im Sinne der späteren Systeme aufzufassen.

Dies erklärt, weshalb über die Frage, ob es ein dh. sei, so viel diskutiert worden ist und die Sauträntikas lehren (Ak. 2 p. 278), daß es nicht als eine Realität, sondern nur als die Abwesenheit aller dhs. anzusehen sei.

(25)

II. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 407

Buddhisten „lokuttara, lokattta" ist. S. 35, 83 IV p. 52 lehrt,

daß kein Auge, kein manas den erloschenen Buddha erkennen

könnte, bei den Jainas werden hingegen die Erlösten ihrem

Ausseben nach genau beschrieben und sogar in ihren über¬

irdischen Wohnsitz verweilend bildlich dargestellt.

Ist das Nibbäna darum»ein absolutes Nicbts und erlangen

die Heiligen also denselben Zustand, der nach der Annahme

der Materialisten (D. 2, 23 I. p. 55) jedem Wesen beim Tode

zuteil wird? Auch dies wird ausdrückHch negiert (S. 22, 85 III

p. 109). Denn der Buddhismus bekämpft aufs Nachdrück¬

lichste den uccheda-väda, die Theorie, daß etwas plötzlich

aufhören könne, ohne eine Wirkung hervorzubringen. So

kann denn auch das Nibbäna nicht ein absolutes Nichts,

sondern nur ein Zustand sein, der allen Weltlichen diametral

entgegengesetzt ist, also ein relatives Nichts, ein Zustand,

von dem niemand, der dem papanca angehört und auf den

weltlichen Sinnesapparat angewiesen ist, eine Vorstellung

gewinnen kann (A. 4, 174, II p. 161 f.). Unzweifelhaft weist

das, was über die Erfahrung des Nibbäna gesagt wird,

manche Züge auf, die auch von der Erfahrung des Brahma

der Upanisaden gelten. Während aber das Brahma als cit

oder vijhäna-ghana bezeichnet wird, wird ja gerade vom

Nibbäna gelehrt, daß es dort kein Bewußtsein gibt. Das

Nibbäna ist Absolutes insofern als es von allem Weltlichen

losgelöst ist, es ist aber nicht wie das Brahma, das „woraus

alle Wesen entstehen, wodurch sie entstanden leben und

worein sie, dahinscheidend wieder eingehen" (Taitt Up. 3, 1).

Derartige Ausdeutungen des Nibbäna liegen dem Päli-Kanon

völlig fern, man hat daher kein Recht die Idee des Nirväna

mit der des Brahma zu verbinden').

1) Das Wort ,, Brahma" bezeichnet im Päli-Kanon nie ein unper¬

sönliches Absolutum, sondern den höchsten persönlichen Gott, der die

Welt schafft und regiert. Die Stellung des Buddhismus zum Theismus

zeigen D. 1,2; M. 49. Unter attä wird stets ein individuelles Selbst

verstanden ; die Auffassung, daß das Selbst und die Welt Manifestationen eines Ewigen seien, wird M. 22, 1 p. 138 als vollendete Narrenlehre bezeichnet.

(26)

408 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

4. Die Weiterbildung der Dbarma-Theorie in den

Abhidharma-Texten

Die in den vorhergehenden Abschnitten angeführten

Stellen, die natürlich nur eine Auswahl darstellen können,

zeigen zur Genüge, daß im ganzen Suttapitaka von D. bis

Thig. eine dh.-Theorie vorhanden ist, welche in wesentlichen

Punkten mit den Lehren der Dogmatiker übereinstimmt. Es

bleibt nun die Frage zu erörtern : was versteht das Suttapitaka

unter dhs.? Eine Definition wird nirgends gegeben. Suchen

wir auf Grund unseres Befundes selbst zu einer Definition

zu gelangen, so müßte diese etwa lauten: ein dh. ist etwas,

das gesetzmäßig existiert, indem es eine bestimmte Wirkung

ausübt, jedoch weder ein belebtes Wesen, noch ein konkretes

Ding (wie ein Wagen) noch ein Vorgang oder sonst etwas ist,

von dem angenommen wird, daß es durch das Zusammen¬

wirken mehrerer dhs. entsteht*). Diese Definition ist so ela¬

stisch, daß sie die verschiedenen Bedeutungen des Wortes

gleicherweise umfaßt (Gesetz, Recht, Lehre, Eigenschaft,

Bewußtseinszustand, Daseinselement usw.), sie muß dies

auch sein, weil im Suttapitaka nicht zwischen diesen unter¬

schieden wird.

Von den dhs. (im Sinne von gesetzmäßigen Erscheinungen)

wird gelegentlich gesagt, daß sie unzählbar {amita Thag. 1101)

1) Diese Definition trifft in einigen Stellen nicht zu, allerdings nur

scheinbar und unter besonderen Umständen. D. 33 heißt es III p. 221

„cattäro dhammä sammadakkhätä" und unter diesen werden p. 232 auch

„caiiäro puggalä" aufgeführt. Hier hat dh. den Sinn ,, gesetzmäßig mögliche Kategorien". In den von Geiger p. 92 angeführten Stellen

hat dh. teilweise die üblichen Bedeutungen {deyyadhammam etwas,

das dem Gesetz des Gegebenwerdens unterliegt, das die Eigenschaft von

etwas, was gegeben werden soll, besitzt); konkrete Dinge werden nur

dann als dh. bezeichnet, wenn es sich um Gegenstände handelt, die

ein Mönch erhalten darf, wie Almosenspeise, Lagerstätte usw., es han¬

delt sich also hier um gesetzmäßig Zustehendes. Daß dh. einen ,, heiligen Text" bedeuten kann, hat schon Buddhaghosa hervorgehoben (Attha¬

sälini p. 38), noch heute werden in Nepäl die 9 heiligen Texte ,, dharmas"

genannt (Winternitz, Ind. Lit. II p. 230). Mitunter hat das Wort „dh."

auch kollektive Bedeutung und bezeichnet streng genommen eine Folge

von dhs.

(27)

H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie 409

sind, es wird aber nirgends der Versuch unternommen, eine

erschöpfende Aufzählung der verschiedenen dh.-Arten zu

geben. Im Suttapitaka werden vielmehr nur immer Gruppen

von dhs. aufgeführt, die irgendwie zusammengehören also

z.B.: 5 khandhas, 12 äyatanas, 18 dhätus, 12 nidänas des

Paticcasamuppäda, 8 Glieder des magga, 4 ähäras, 7 anusayas,

7 bojjhangas, 4 appamähnas, die dhs. der verschiedenen Ver¬

senkungsstufen und zahllose andere. (Beispiele: D. 22, 13 f.

II p. 300; M. 104, II p. 245; 149 III p. 289; S. 12, 14 II p. 15f. ;

A. 2, 16 I. p. 95 f.) Das Bestreben alle diese verschiedenen

dhs. auf eine Anzahl von nicht mehr reduzierbaren „Daseins¬

elementen" zurückzuführen, tritt uns erst in den Abh.-Werken

entgegen*). Die verschiedenen Wege, auf denen man zur Auf¬

stellung der dh.-Listen gelangte, lassen sich, glaube ich, mit

ziemlicher Sicherheit verfolgen:

1. Jeder dh. kann in den Listen nur einmal figurieren.

Wenn daher in verschiedenen Gruppen derselbe dh. vorkommt,

so wird er in der Liste nur einmal gegeben. Dies wird von den

Sarvästivädins streng durchgeführt. Die Theravädins hin¬

gegen zählen jeden dh., der im Bereich von rüpa, citta und

käya (d. h. der drei übrigen khandhas, Dhs. § 320f.) wirkt,

gesondert auf, weshalb in ihrer Liste einige dhs. zwei- bzw.

dreimal erscheinen.

2. Es wird angenommen, daß ein dh. in den heiligen

Schriften unter verschiedenen Namen erscheint, es läßt sich

deshalb auch hier eine Beduktion durchführen. So ist nach

S. 12, 61, 4 II p. 94: vinnäna = citta = mano, nach S. 22, 3, 9

III p. 10; 23, 9, 5 III p. 193 tanhä = chando = räga = nandi.

Dhs. § 1059 identifiziert diese wieder mit lobha und zahlreichen

anderen ähnlichen Begriflen. Die Durchführung dieses Grund¬

satzes erklärt es, daß in der dh.-Liste der Theravädins von

den 4 Unermeßlichen nur karunä und muditä vorkommen,

1) Die dh.-Listen der einzelnen Schulen sind abgedruckt bei:

R. Kimura: The original and developed Doctrines of Indian Buddhism

in Charts. (Univ. Calcutta 1920). W. M. Mc. Govern, „Manual of Bud¬

dhist Philosophy" I (London 1923); vgl. auch Rosenberg, 1. c. p. 127 ff., Stcherbatsky, Central Conception p. 96ff., E. L. Hoffmann (Govinda),

übers, des Abhidhammattha-Sangaha (München 1931).

(28)

410 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der budhh. Dharma-Theorie

denn mettä = adosa und upekkhä = tatramajjhattatä. Von

den 8 Gliedern des magga werden nur „rechtes Wort, rechte

Tat, rechtes Leben" aufgeführt, da die anderen mit anderen

dhs identisch sind.

3. Eine Anzahl von dhs., die im Suttapitaka genannt

werden, treten in den Listen der Dogmatiker nicht auf, weil

sie nicht als primäre Daseinselemente, sondern als sekundäre

angesehen werden. So gelten die 8 ZoA;a-dhs.: Gewinn, Verlust,

Ehre, Unehre, Tadel, Lob, Freude und Leid (A. 4, 192, 4 II

p. 188; 8, 5, 2 IV p. 157) als Motive für anunaya und

patigha, welche nach Dhs. § 1059, 1060 unter „lobha" bzw.

„dosa" fallen (Vism. p. 683). Cullavagga 7, 4, 7 (Vin. II p.202) erwähnt die ersten 6 samt ,, schlechte Begierde" und ,, schlechte

Freunde" als 8 asad-dhs., von denen Devadatta überwältigt

wurde. Weltliche dhs. sind ferner langes Leben, Schönheit,

Gesundheit, gute Qualitäten (dhammäl als Glied einer Auf¬

zählung von 10 dhs.) Reichtum, Himmelslohn und anderes

(A. 5,43 III p. 47; 10, 73 V p. 135). Auch viele von den zahl¬

losen dhs., die namentlich im A. als Besitz bestimmter Wesen

(sogar einer Krähe 10, 77 V p. 149) aufgeführt und an man¬

chen Stellen als angäni, baläni oder anders bezeichnet werden

(z. B. S. 37 vgl. Geiger p. 91 f.) gehören hierzu. Die große

Zahl von dhs., die sich nicht ohne Künstelei unter die dhs.

einer Liste subsummieren lassen, zeigt, daß im Suttapitaka

unter dhs. im weitestem Umkreis abstrakte Realitäten ver¬

standen werden und daß nur eine Auswahl von ihnen in die

Listen Aufnahme gefunden hat.

4. Daß die heute gewissermaßen als endgültig angesehenen

Listen der Theravädins (Abhidhammatthasangaha, JPTS.

1884 p. 6, 27) und Sarvästivädins (Rosenberg p. 128) zum

größten Teil dhs. aufzählen, die im Suttapitaka vorkommen,

bedarf keiner Ausführungen. Im einzelnen haben diese ,, kano¬

nischen" dhs. allerdings bei den verschiedenen Schulen ge¬

wisse Bedeutungsverschiebungen erfahren. Gering an Zahl

sind ihnen gegenüber diejenigen, welche das Ergebnis der

philosophischen Spekulation von Abhidh.-Dogmatikern zu

sein scheinen; die ,,Schriftgemäßheit" dieser dhs. wurde dann

(29)

H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. IJharma-Theorie 411

später durch künstliche Textinterpretation zu erhärten ge¬

sucht (hadaya-vatthu Atth. p. 140; avijhapti Ak. 4 p. 14).

Überblicken wir die dh.-Liste der Theravädins so stellen

wir fest, daß alle dhs. in ihr entweder unumgängliche Vor¬

aussetzungen für das Funktionieren des Lebensprozesses (in

diesem oder einem künftigen Dasein) darstellen oder als

hemmend oder fördernd für den Erlösungsweg bedeutsam

sind. Dies tritt bei manchen von ihnen allerdings erst deut¬

lich hervor, wenn man ihrem Ursprung nachgeht. So sind

lahutä, mudutä, kammahhatä, passaddhi, pägunhatä, ujjukatä

Erscheinungen, die bei dem nach Erlösung Strebenden auf¬

treten, käya- und oäci-vinnatti haben in Vorschriften des

Vinaya ihre Grundlage (vgl. Mil. p. 229). In der Liste der

Sarvästivädins treten demgegenüber schon mehrere dhs. auf,

die einen mehr philosophisch-theoretischen Typus repräsen¬

tieren (näma-, pada-, vyanjana-käya). Wie weitgehend aber

auch noch spätere dh.-Listen den Gesichtskreis des heil¬

suchenden Mönches widerspiegeln, zeigt die bei Kimura, 1. c.

p. 38 mitgeteilte Tafel der 84 dhs. des Harivarman, in der

sogar Schlafsucht, Unmäßigkeit im Essen u. dgl. als dhs.

aufgeführt werden (vgl. A. 6, 117, III p. 449). Es ist deshalb

wahrscheinlich, daß die dh.-Listen ursprünglich nur den Sinn

hatten, die für das Heilsgeschehen bedeutsamen dhs. aufzu¬

zählen, nicht aber eine restlose Erklärung des Weltprozesses

zu geben (A. 4, 77 II p. 80).

Im Abhidh.-Pitaka der Theravädins wird nicht gesagt,

wie viele dh.-Arten es im ganzen gibt und auch die Dogma¬

tiker machen keine genauen Zahlenangaben. Auch bei anderen

Schulen ließ man die Frage offen, ob es noch andere dh.-

Arten als die aufgezählten gäbe (Ak. 2 p. 235, cf. 2 p. 178

Note 2)*). Daß die in einer bestimmten Schule aufgestellte

Liste nicht als sakrosankt galt, lehrt ein Vergleich von Dhs.

§ 596 mit Vism. p. 444.

1) Eine eigentümliche Stellung nimmt der dh. ,,saiighabheda"

(Schisma des Ordens) ein, der It. 18 behandelt wird. Ak. 4, 98, p. 206 wird er als ein „viprayuktaka, aklistävyäkrla" dh. definiert, den nicht der einzelne, sondern der Orden besitzt.

(30)

412 H. V. Glasenapp, Zur Geschichte der buddh. Dharma-Theorie

Der wesentliche Unterschied zwischen der dh.-Theorie

der Lehrreden und der Abhidh.-Werke der Theravädins

besteht mithin darin, daß die ersteren ganz allgemein von den

verschiedensten dhs. sprechen, während die letzteren sie auf

eine verhältnismäßig kleine Zahl verschiedener Arten zurück¬

zuführen suchen. Dem orthodoxen Theravädin, dem ja auch

das Abhidhamma-pitaka als authentisches Buddha-Wort gilt,

stellt sich der Unterschied in der Weise dar, daß das Sutta¬

pitaka die „populäre Unterweisung" {vohära-desanä), für die

stufenweise Bekehrung zur Heilslehre enthält, während das

.\bhidhammapitaka die ,, metaphysische Unterweisung" (para-

mattha-desanä) bietet, die letzte philosophische Wahrheiten

übermittelt (Atth. p. 21). Daß die dh.-Theorie des Abhidh.

tatsächlich nicht lediglich eine systematische Interpretation,

sondern vielmehr eine Weiterentwicklung derjenigen des

Suttapitaka ist, ergibt sich mit Sicherheit schon daraus, daß

die Abhidh.-Texte in der buddhistischen Literaturgeschichte

eine andere Stellung einnehmen als die Sutten. Während die

Lehrreden des Päli-Kanons mit denen, die uns von den

Sanskrit-Ägamas überliefert sind, bei aller Verschiedenheit

im einzelnen doch soviel gemein haben, daß anzunehmen ist,

daß beide letzten Endes auf eine gemeinsame Quelle, vielleicht

einen ursprünglichen Mägadhi-Kanon zurückgehen, hat das

Abhidhamma-pitaka der Theravädins in dem Kanon der

Sarvästivädins^) kein Gegenstück; und auch die spätere

dogmatische Literatur beider Schulen ist je ihre eigene Ent¬

wicklung gegangen. Es muß daraus gefolgert werden, daß die

Weiterbildung der dh.-Theorie zu einem System von

Daseinselementen nicht mehr der Sutta-Periode des buddhi¬

stischen Schrifttums, sondern einer späteren Zeit angehört.

Sie ging in einzelnen Schulen vor sich, die zwar alle aus

einem genieinsamen Fonds von Anschauungen schöpften,

diese aber individuell weiter ausgestalteten. Denn die end-

jjültigen dh.-Listen der verschiedenen Sciiulen stimmen zwar

1) Vgl. Takakisi-, JPTS iy05 B.C. L.wv ..lli.story ol Pali Litera¬

ture" (London iy:io) 1 p. 336 ff. \V. .\1. Mc. CiovEK.v 1. c. p. 27 La Vallee PocssiN. \k liitroiluction p. .WlXff

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