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Soziale Dienste für ältere Angehörige schwarzer und ethnischer Minderheiten in Leeds (Großbritannien), Lille (Frankreich),

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SEEM (Phase I)

Soziale Dienste für ältere Angehörige schwarzer und ethnischer Minderheiten in Leeds (Großbritannien), Lille (Frankreich),

Dortmund (Deutschland) und Göteborg (Schweden)

Zusammenfassung des Abschlussberichtes Dezember 2003

Dr. Vera Gerling und Miranda Miller

(in Zusammenarbeit mit den Teilnehmern/innen des SEEM Projektes)

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1. HINTERGRUND UND EINLEITUNG ...3

2. DAS SEEM PROJEKT ...4

3. DIE SEEM PRINZIPIEN...5

4. ÄLTERE ANGEHÖRIGE SCHWARZER UND ETHNISCHER MINDERHEITEN IN LEEDS (GROßBRITANNIEN), LILLE (FRANKREICH ), DORTMUND (DEUTSCHLAND) UND GÖTEBORG (SCHWEDEN)...7

4.1. Migrationsgeschichte ...7

4.2. Einheimische Bevölkerung und schwarze und ethnische Minderheitengruppen ...9

4.3. Senioren/innen aus schwarzen und ethnischen Minderheitengruppen in den Partnerstädten ...10

4.4. Die Sozialstaatstypen...10

4.5. Rechtlicher Status der Zuwanderer/innen und der ethnischen Minderhei- tengruppen ...12

5. DIENSTE FÜR SENIOREN/INNEN ...12

6. ANSÄTZE UND MODELLE VON ‚GOOD PRACTICE‘ IN DEN PARTNERSTÄDTEN...14

6.1. Leeds...14

6.2. Dortmund...16

6.3. Lille...18

6.4. Göteborg / Gunnared ...19

6.5. Strategien zur Öffnung und Entwicklung von geeigneten Diensten für Ältere aus schwarzen und ethnischen Minderheitengruppen...20

7. WEGE IN DIE ZUKUNFT – HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN...22

7.1. Planung und Auftragsvergabe von Diensten für Ältere auf kommunaler Ebene ...22

7.2. Empfehlungen für die Europäische Union betreffen die folgenden Punkte:...25

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1. Hintergrund und Einleitung

a) Die Entwicklung und Erbringung von sozialen Diensten hat in vielen europäischen Staaten an gesellschaftlicher und sozialpolitischer Relevanz gewonnen. Die ehemals

‘nationalen’ europäischen Staaten der 50er Jahre haben sich zu Migrationsgesellschaf- ten gewandelt, deren Wirtschaft, Kultur und soziales Gefüge zunehmend von einge- wanderten Bevölkerungsgruppen beeinflusst werden.

b) Die Gesamtzahl der Senioren/innen aus diesen ethnischen Minderheitengruppen ist heute noch gering, wird aber in den nächsten zwanzig Jahren rapide ansteigen.

c) Die bestehenden Versorgungssysteme stehen vor besonderen Herausforderungen.

Obwohl die Pflegebedürfnisse aller älteren Menschen durch universelle biologische Alterungsprozesse bedingt werden, haben die bejahrten Angehörigen schwarzer und ethnischer Minderheiten besondere Bedürfnisse, die aus ihren vorherrschenden juristi- schen, kulturellen, ethnischen, religiösen und linguistischen Herkünften resultieren.

d) Ältere Angehörige ethnischer Minderheitengemeinschaften sind besonders von sozia- ler Ausgrenzung und Armut bedroht, so die Einschätzung vieler Experten/innen. In ganz Europa ist es wahrscheinlicher, dass Angehörige schwarzer oder ethnischer Min- derheiten verschiedenster Herkunft und Kultur sozial ausgegrenzt werden als einhei- mische Ältere und auch mit zusätzlicher Diskriminierung konfrontiert werden. Dies ist besonders der Fall in Bezug auf Einkommen, Wohnungswesen, Gesundheit und dem Zugang zu Diensten.

e) Um diesen Risiken entgegenzuwirken, benötigen Senioren/innen aus ethnischen Min- derheitengruppen eine Vielzahl an angemessenen sozialen Diensten guter Qualität.

Diese Dienste können sehr unterschiedlicher Natur sein und reichen von der Bereit- stellung von Dienstleistungen, die ein weiteres selbständiges Leben und soziale Parti- zipation gewährleisten bis hin zur Angeboten spezieller Gesundheits- und sozialer Diensten für sehr alte Menschen.

f) Da der Begriff “schwarze und ethnische Minderheitengruppen” der Mehrheit der Teil- nehmer/innen am SEEM Projekt umfassender erschien als der Begriff “Zuwande-

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rer/innen”, wird er im Bericht allgemein verwendet, um diejenigen Menschen zu be- schreiben, die in den jeweiligen Ländern nicht einheimisch sind. Wenn hingegen von einem bestimmten Land die Rede ist, werden die “nationalen“ Begriffe verwendet.

2. Das SEEM Projekt

a) In den letzten zehn Jahren haben einige europäische Länder begonnen, soziale Dienste für Senioren/innen aus schwarzen und ethnischen Minderheitengruppen zu entwickeln und bereitzustellen. Bislang fand jedoch so gut wie kein Austausch zwischen den ver- schiedenen europäischen Länder über ‚good practice‘ auf diesem Gebiet statt.

b) Vor diesem Hintergrund und angeregt vom Stadtrat von Leeds, wurde das Projekt

„Services for Elders from Ethnic Minorities (SEEM)“ eingerichtet. Es ist ein von der Europäischen Kommission gefördertes Projekt1, an dem vier Städte beteiligt sind mit dem Ziel, ‚good practice‘ im Bereich der Förderung der sozialen Inklusion älterer An- gehöriger schwarzer und ethnischer Minderheiten auszutauschen.

c) Das Projekt umfasst sieben Partnerorganisationen, nämlich Leeds City Council, (Ver- einigtes Königreich), Leeds Older People’s Forum (Vereinigtes Königreich), Ville de Lille (Frankreich), Stadt Dortmund (Deutschland), Forschungsgesellschaft für Geron- tologie e.V. (Dortmund, Deutschland), Verein für Internationale Freundschaften (Dortmund, Deutschland) und SDF Gunnared – Elderly Services (Göteborg, Schwe- den).

d) SEEM 1 verfolgte die folgenden Ziele:

• Den Aufbau von guten Partnerschaften

• Die Beteiligung von Senioren/innen aus ethnischen Minderheitengruppen und ihren Organisationen

• Den Austausch von good practice

• Die Entwicklung und Verbreitung von Empfehlungen

1 Das Projekt wurde vom 31. Dezember 02 bis zum 30. September 03 von der Europäischen Kommission im Rahmen der Programme und Maßnahmen in dem sozialen und arbeitspolischen Bereich gefördert.

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• Die Schärfung des Bewusstseins für dieses wichtige Handlungsfeld in den Partnerstäd- ten und auf der europäischen Ebene.

e) Während der Projektzeit fanden zwei Projekttreffen in Dortmund (5.-7. März 2003) und in Leeds (30. April - 2.Mai 2003) statt, die von den Projektpartnern genutzt wur- den, um Hintergrundsinformationen vorzustellen und auszutauschen, sowie um beste- hende ‚good practice‘ Modelle zu besuchen und zu besprechen. Zusätzlich schrieb je- de Stadt einen Hintergrund- und Empfehlungsbericht und veranstaltete ein Ergebnis- seminar, das der Verbreitung von Informationen und Empfehlungen diente. Die Stadt Leeds erstellte für das Projekt eine Webseite (www.leeds.gov.uk/seem) und einen Fly- er, der in Englisch, Deutsch, Schwedisch und Französisch erhältlich ist. Ferner wurde das Projekt auf dem 5. Europäischen Kongress für Geriatrie und Gerontologie in Bar- celona, Spanien (Juli 2003) vorgestellt.

f) Der vollständige SEEM Abschlussbericht kann auf der SEEM Webseite abgerufen werden. Er beschreibt die Migrationsgeschichte der Senioren/innen aus ethnischen Minderheitengruppen in den vier beteiligten Städten, ihre Lebensumstände und wich- tige sozialpolitische und rechtliche Aspekte. Er erfasst die Erfahrungen auf dem Ge- biet der sozialen Dienste für ältere Angehörige ethnischer Minderheiten, beschreibt

‚good practice‘ Modelle, wertet die Schlussfolgerungen der verschiedenen lokalen Projekte aus und spricht Handlungsempfehlungen (wie sie auch weiter unten in dieser Zusammenfassung zu finden sind) für die verschiedenen politischen Ebenen aus.

3. Die SEEM Prinzipien

a) Vor dem Hintergrund nationaler Unterschiede, die weiter unten beschrieben werden, ist es nicht möglich, ‚good practice‘ Modelle oder Lösungsansätze einfach von einem Land zum anderen zu übertragen. Es gibt jedoch einige Prinzipien, die gute Rahmen- bedingungen für die Entwicklung und Verbesserung von Gesundheits- und sozialen Diensten für ältere Angehörige ethnischer Minderheiten schaffen, auf die sich alle Projektpartner bei ihrem zweiten SEEM Treffen in Leeds geeinigt haben. Diese sind im folgenden:

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Respekt für das Individuum. Auf dieser Grundlage würde bei der Erbringung von sozialen Dienstleistungen automatisch Rücksicht genommen auf ethnische oder kulturelle Bedürfnisse, wie zum Beispiel auf bestimmte Essensvorschrif- ten oder religiöse Belange.

Mitwirkung: Aus dem Respekt vor dem Individuum folgert natürlich, dass die Nutzer/innen der Dienste, in diesem Fall ältere Angehörige ethnischer Minder- heiten, gefragt werden müssen, was sie wünschen und brauchen und an der Planung ihrer Pflege beteiligt werden.

Gleichheit / Gleichberechtigung: Alle Nutzer der Dienste sollten die gleichen Rechte und Zugangsmöglichkeiten zu allen Diensten haben, die sie benötigen.

“User Empowerment”: Die Anbieter von sozialen Diensten sind sich zuneh- mend bewusst, dass die Erbringung und Nutzung von Diensten ein wechselsei- tiger Prozess ist. Es muss sichergestellt werden, dass die potentiellen Empfän- ger/innen von Diensten genau wissen, welche Dienste es überhaupt gibt, wie sie Dienste in Anspruch nehmen können und wie das gesamte Procedere ab- läuft. Deshalb müssen ältere Angehörige ethnischer Minderheiten gut infor- miert werden, um selber entscheiden zu können, welche Dienste sie wann und in welcher Form in Anspruch nehmen wollen und derart die Entscheidungsge- walt über ihr Leben behalten können.

Konsultationen: Es sollte unter Einsatz verschiedener Konsultationsmethoden sowohl die Organisationen von ethnischen Minderheitengruppen wie auch die Senioren/innen selbst zu Rate gezogen werden. Diese Konsultation muss die Grundlage bilden für die Planung, Verbesserung und Entwicklung von Diens- ten.

Zusammenarbeit und Partnerschaft : Eine bessere Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen den verschiedenen Akteuren ist dringend erforderlich.

Es ist notwendig, die Zusammenarbeit und Kooperation zwischen den Organi- sationen der ethnischen Minderheiten, den unterschiedlichen Dienstanbietern und den Älteren selbst auszubauen. Die Partner sowie die Mechanismen dieser

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Zusammenarbeit unterscheiden sich in den am SEEM Projekt beteiligten Städ- ten und Ländern.

Bürgerschaftliches Engagement: Dieses Prinzip bezieht sich auf die größere Beteiligung von ethnischen Minderheitengruppen am politischen und kulturel- lem Leben ihrer Stadt. Auch in dieser Hinsicht haben die SEEM Partnerstädte sehr unterschiedliche Ausgangspositionen und Möglichkeiten, je nach Nationa- lität und rechtlichem Status ihrer ethnischen Minderheitengruppen.

b) Diese Prinzipien untermauernd, war man sich einig, dass es notwendig ist:

• die Selbsthilfe zu stärken,

• ehrenamtliche Organisationen ethnischer Minderheiten aktiv zu unterstützen,

• bestehende Dienste und die Art und Weise, in der sie den Bedürfnissen von Senioren/innen aus ethnischen Minderheitengruppen gerecht werden, zu evalu- ieren,

• nachhaltige Strategien für die Erbringung von Regelangeboten für ältere An- gehörige ethnischer Minderheiten zu entwickeln.

c) Einige dieser Prinzipien und Begriffe haben unterschiedliche Bedeutungen und Aus- wirkungen in den verschiedenen Ländern, deshalb kann die praktische Anwendung dieser Prinzipien in den vier Städten variieren. Nichtsdestotrotz bilden diese Prinzipien die Grundlage für SEEM Phase II, in der der gegenseitige Austausch von Erfahrungen im Mittelpunkt stehen wird.

4. Ältere Angehörige schwarzer und ethnischer Minderheiten in Leeds (Großbritannien), Lille (Frankreich ), Dortmund (Deutschland) und Göte- borg (Schweden)

4.1. Migrationsgeschichte

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Die europäischen Länder, die am SEEM Projekt teilnehmen, weisen deutliche Unterschiede in ihrer Migrationsgeschichte, ihren demographischen Merkmalen und ihren spezifischen sozial- politischen und kulturellen Entwicklungen auf:

Großbritannien und Frankreich sind stark von ihren kolonialen Vergangenheiten beeinflusst , die die gegenwärtige Zusammensetzung ihrer Bevölkerung und ih- re Migrationspolitik geprägt haben.

Schweden, das auch eine Auswanderungsgeschichte hat, war das erste nordische Land, das eine Nettoimmigration aufwies. Während der 50er und 60er Jahre bestand die Zuwanderung vor allem aus Wanderarbeitern/innen, aber seit den späten 80er Jahren dominierte die Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylsu- chenden.

Deutschland warb nach dem 2. Weltkrieg “Gastarbeiter/innen” aus Südosteuropa an. (Diese wurden gebraucht, um das Arbeitskräftepotential während des Nachkriegsbooms zu verstärken. Ursprünglich ging man davon aus, dass diese Arbeiter/innen in ihre ursprünglichen Heimatländer zurückkehren würden und deshalb wurden sie als „Gäste“ angesehen).

• Diese unterschiedlichen Hintergründe spiegeln sich auch in den jeweiligen kollek- tiven Wahrnehmungen von „Migration“.

Obwohl jedes Land eine unterschiedliche Migrationsgeschichte aufweist, ist den vier Länder gemeinsam, dass alle von zunehmenden Zuwanderungsprozessen nach dem 2. Weltkrieg ge- prägt worden sind:

Großbritannien erlebte Zuwanderung aus dem “New Commonwealth” (vor allen aus den Karibischen Inseln, Indien, Pakistan und Bangladesch). Diese Zuwande- rer/innen waren bereits Untertanen der britischen Krone, die “eingeladen” worden wa- ren, im “Mutterland” zu arbeiten.

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• Bis zum Beginn der 50er Jahre war die Zuwanderungslage in Deutschland ge- kennzeichnet durch große Flüchtlingsströme vor allem aus den ehemaligen Ostgebie- ten des Deutschen Reiches und dem Sudentenland sowie von Menschen aus der russi- schen Besatzungszone und dann der neuen Deutschen Demokratischen Republik. Ab Mitte der 50er Jahre warb Deutschland “Gastarbeiter/innen” aus Südosteuropa, Afrika und der Türkei an. In den 90er Jahren dominierte die Zuwanderung von Flüchtlingen aus Jugoslawien, von Asylsuchenden sowie von Spätaussiedlern/innen.

• Am Ende des 19. Jahrhunderts war Frankreich schon zu einem Einwanderungs- land geworden, als es Arbeitskräfte aus benachbarten Ländern (vor allem aus Italien und Polen) anwarb. In den 60er Jahren ging die Zuwanderung aus Italien zurück, die Zahl der Migranten/innen aus Portugal, Spanien, Marokko, Tunesien, Algerien und Afrika südlich der Sahara stieg jedoch an.

• Von den 50er Jahren an erlebte Schweden eine Zuwanderung durch Arbeitsmigra- tion, in den 80er Jahren wurde diese abgelöst durch die Immigration von Flüchtlingen und Asylsuchenden aus der ganzen Welt.

4.2. Einheimische Bevölkerung und schwarze und ethnische Minderheitengruppen

• In England beträgt der Anteil der schwarzen und ethnischen Minderheitengruppen an der Gesamtbevölkerung ungefähr 13%.

• In Deutschland machen ausländische Staatsangehörige ungefähr 9% der Bevölke- rung aus, obwohl der Gesamtanteil von Menschen mit Migrationshintergrund (ein- schließlich Spätaussiedler/innen und eingebürgerter Personen) höher ist.

• In Frankreich liegt der Anteil an Zuwanderern/innen (Ausländer/innen und ein- gebürgerte Migranten/innen zusammen) bei ungefähr 7,4%.

• In Schweden, machen ethnische Minderheitengruppen ungefähr 2% der Gesamt- bevölkerung aus.

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4.3. Senioren/innen aus schwarzen und ethnischen Minderheitengruppen in den Partnerstädten

.

• In Leeds gibt es mindestens 9167 Angehörige ethnischer Minderheitengruppen, die 60 Jahre und älter sind. Die größten Gruppen sind indischer, irischer, afro- karibischer, pakistanischer, kaschmirischer und chinesischer Herkunft oder sind An- gehörige des jüdischen Glaubens. Kleinere Gruppen umfassen ältere Araber/innen, Schwarzafrikaner/innen, Vietnamesen/innen sowie Sinti und Roma.

• In Dortmund wohnen rund 10300 Ausländer/innen, die 55 Jahre und älter sind.

Von diesen stammen ungefähr 70% aus den früheren Anwerbeländern. Von den unter- schiedlichen Nationalitäten hat die türkische Gemeinschaft die meisten Senioren/innen zu verzeichnen, gefolgt von Älteren aus dem ehemaligen Jugoslawien, der ehemaligen Sowjetunion, Griechenland, Italien, Spanien, Polen, Marokko und Portugal.

• In Lille gibt es rund 3000 Migranten/innen, die 60 Jahre oder älter sind (1755 aus- ländische Ältere und 1243 Ältere, die die französische Nationalität angenommen ha- ben). Die größten Gruppen älterer Zuwanderer/innen sind Algerier/innen, Marokka- ner/innen, Österreicher/innen, Finnen/innen, Schweden/innen, Italiener/innen oder Angehörige anderer europäischer Nationalitäten.

• In Göteborg gibt es rund 19450 Angehörige ethnischer Minderheitengruppen im Alter von 55 Jahren und älter. Die größten Gruppen stammen aus Finnland, Dänemark und Norwegen, dem ehemaligen Jugoslawien, Deutschland, Polen, dem Iran, Ungarn, Estland und der Türkei oder aus ‚anderen Länder

4.4. Die Sozialstaatstypen

Die vier am Projekt beteiligten Länder verkörpern verschiedene Typen des Sozialstaats. Ob- wohl sie alle mit denselben Problemen konfrontiert sind, haben ihre unterschiedlichen Kultu- ren und Traditionen zu einer Vielfalt an Ansätzen geführt, um bedürftigen Menschen zu hel- fen.

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Großbritannien verkörpert eine “Hybridform” des Sozialstaates. Auf der einen Seite haben Elemente wie Selbsthilfe immer eine entscheidende Rolle gespielt, auf der anderen Seite sichern Sozialleistungen die Grundexistenz. Das Sozialversicherungs- system ist universal ausgerichtet. Die untermauernden Prinzipien des Systems sind Universalität, umfassender Schutz und Angemessenheit.

Deutschland ist der Prototyp des ‘konservativen’ Sozialstaats und war eines der ersten Länder, das im 19. Jahrhundert ein Sozialversicherungssystem entwickelte und einführte. Das Sozialversicherungssystem konzentriert sich auf die erwerbstätige Be- völkerung. Es wird vom Versicherungsprinzip bestimmt und hat die fünf Säulen Ren- ten-, Kranken-, Unfall-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. Die leitenden Prinzi- pien sind Freiheit, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und Subsidiarität (letzteres bedeu- tet, dass die Gesellschaft erst helfen sollte, wenn sich die Betroffenen nicht mehr sel- ber helfen können).

• Das französische Wohlfahrtsstaatmodell wird oft als ein ‘abgeschwächt konserva- tives’ beschrieben. Angesichts der Tradition von Individualismus und Liberalismus wurde erst spät, in den 30er Jahren, ein Sozialversicherungssystem eingeführt. Im Vergleich zum deutschen Modell, verfügt das französische über weniger Merkmale einer Versicherung und über mehr Elemente des Wohlfahrtsprinzips. Das französische Wohlfahrtssystem ist sehr komplex und unterteilt in verschiedene Bereiche und Unter- systeme, die verschiedene Bevölkerungsgruppen abdecken.

Schweden ist der Prototyp des modernen Wohlfahrtsstaates oder des ‘klassischen sozialdemokratischen’ Wohlfahrtstaates. In den 30er Jahren wurde die traditionelle Wohlfahrt für die Armen ersetzt durch eine Sozialpolitik, die sich auf den Idealen der sozialdemokratischen Partei gründete. Ihre zu Grunde liegenden Prinzipien sind Gleichheit, Rücksichtnahme, Zusammenarbeit und Unterstützung und die schwedische Sozialpolitik zielt ab auf Solidarität, um Konkurrenz und soziale Ungerechtigkeit zu vermindern. Das Wohlfahrtssystem ist auf die ganze Bevölkerung ausgerichtet. Ein zentrales Element der schwedischen Sozialsystems bildet die universelle, beitragsfreie staatliche Mindestrente.

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4.5. Rechtlicher Status der Zuwanderer/innen und der ethnischen Minderhei- tengruppen

Inwiefern ethnische Minderheitengruppen vom geltenden Sozialversicherungssystem erfasst oder ausgeschlossen werden, hängt größtenteils von ihrem rechtlichen Status ab. Im Allgemeinen gilt, dass wenn Menschen die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Landes besitzen, diese auch alle politischen und sozialen Rechte genießen und Zugang zum ganzen Spektrum an Sozialleistungen haben.

• Der rechtliche Status von Personen aus ethnischen Minderheitengruppen ist am besten in Großbritannien, wo die Mehrheit die britische Staatsangehörigkeit besitzt.

• In Deutschland sind die meisten Angehörigen von ethnischen Minderheiten Aus- länder/innen und genießen dementsprechend nur begrenzte politische Rechte. Spätaus- siedler/innen haben den Vorteil, als deutsche Staatsbürger/innen betrachtet zu werden.

Der Anteil eingebürgerter Personen ist nicht sehr hoch. (Man kann die deutsche Staatsbürgerschaft nach 8 Jahren beantragen, muss jedoch, um diese zu bekommen, die ursprüngliche Staatsbürgerschaft aufgeben.).

• In Frankreich gibt es eine größere Gruppe von eingebürgerten Personen aus eth- nischen Minderheitengruppen (rund 2,4 Millionen). Dennoch gibt es noch immer un- gefähr 3,3 Millionen Ausländer/innen mit sehr begrenzten politischen Rechten.

• In Schweden wurde die Mehrheit der Zuwanderer/innen eingebürgert (beispiels- weise besitzen 76% der Senioren/innen, die im Ausland geboren wurden, die schwedi- sche Staatsangehörigkeit).

5. Dienste für Senioren/innen

In allen vier SEEM Ländern wird zwischen der Erbringung von Gesundheits- und Sozialleis- tungen für Ältere unterschieden, was häufig zu Koordinierungs- und Versorgungsproblemen führt.

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• In Großbritannien ist ‚community care‘ für Ältere darauf ausgerichtet, älteren Menschen ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben in Freiheit und Würde zu gewährleisten. Der Erbringung von Diensten zu Hause wird Vorrang vor Institutionen eingeräumt. Im Vergleich zu Deutschland sind haushaltsbezogene Dienste viel weiter verbreitet. Für Menschen, die jedoch nicht mehr zu Hause leben können, gibt es eine Mischung aus Altenheim und Pflegeheim. Diese ‚Versorgungspakete‘ werden von den Nutzern/innen, der Gemeinde und dem Staat bezahlt. Obwohl die Gesetzgebung in Großbritannien darauf abzielt, die Erbringung von Diensten in den privaten und frei- willigen Sektor zu delegieren, ist der öffentliche Sektor nach wie vor der größte An- bieter von sozialen Diensten für Ältere.

• In Deutschland decken die sozialen Dienste für Ältere ebenfalls ein breites Spekt- rum ab. Wie in Großbritannien haben die Dienste auch das Ziel, ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben in Freiheit und Würde zu gewährleisten. Innerhalb der sozia- len Dienste wird generell unterschieden zwischen der sogenannten ‘offenen’ Altenhil- fe wie Freizeit- und Kulturangebote; ambulanten Dienste (Pflegedienste zu Hause);

stationären Dienste (institutionelle Pflege) und einer Kombination von ambulanten und stationären Diensten (teilstationär). Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips genießt die ambulante Pflege Vorrang vor der stationären Pflege. Dienste für ältere kranke Menschen (Gesundheitsfürsorge) und für ältere pflegebedürftige Menschen werden von Pflegedienstleistern und vom Gesundheitssystem erbracht, für die der Staat ver- antwortlich zeichnet. Beide finanzieren sich über Versicherungen (die Kranken- und Pflegeversicherung). Die Gesundheitsfürsorge wird vor allem vom privaten Sektor ge- leistet, beispielsweise von niedergelassenen Ärzten und von Krankenhäusern. Lang- fristige institutionelle Pflege wird in Pflegeheimen geleistet (die meistens von Wohl- fahrtsverbänden betrieben werden), langfristige ambulante Pflege wiederum wird von privaten ambulanten Dienstleistern und ambulanten Diensten der Wohlfahrtsverbände angeboten. Die meisten sozialen Dienste in Deutschland basieren auf dem Wohlfahrts- staatsystem und werden vom allgemeinen Steueraufkommen bezahlt. In der Bundesre- publik haben (bis auf den Zuständigkeitsbereich der Pflegeversicherung) nach dem Subsidiaritätsprinzip freigemeinnützige Träger einen bedingten Vorrang gegenüber öf- fentlichen Trägern. Folglich spielen Wohlfahrtsverbände als Träger von sozialen Diensten und Einrichtungen für Ältere eine herausragende Rolle. Verglichen mit ande- ren europäischen Ländern sind die Rolle der Wohlfahrtsverbänden einmalig. Diese

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bieten nicht nur Gemeindefürsorge für alle Altersgruppen an, sondern auch Beratungs- leistungen für Zuwanderer in den Migrationsberatungsstellen.

Frankreich hat eine große Vielfalt an Diensten, Hilfen und Institutionen für Älte- re, besonders haushaltsnahe und institutionelle Dienste. Teilstationäre Pflege ist nicht so weit verbreitet. Auch in Frankreich haben ältere Menschen die Möglichkeit, so lan- ge wie möglich zu Hause wohnen zu bleiben. Es gibt mehrere Dienste, die Älteren zu Hause Hilfestellungen leisten: Haushaltshilfen, ambulante Pflegedienste, Tageszentren und kommunale Begegnungsstätten. Senioren/innen, die nicht mehr zu Hause wohnen können, können Hilfe und Pflege in kommunal betriebenen Wohnanlagen sowie in Al- tenheimen und in Pflegeheimen in Anspruch nehmen.

Schweden verfolgt ebenfalls das Ziel, älteren Menschen die Möglichkeit zu bieten, so lange wie möglich ein unabhängiges Leben zu Hause zu führen. Es gibt eine große Vielfalt an Diensten, einschließlich Altenheime für sehr alte Menschen und haushalts- nahe Dienste, die seit den 60er Jahren noch ausgeweitet worden sind und nun rund 300.000 Rentner zugute kommen. Es gibt städtische Unterkünfte für Rentner/innen, die eine Zwischenform der Pflege zu Hause darstellen und auf einem hohen Maß an Selbsthilfe basieren.

6. Ansätze und Modelle von ‚good practice‘ in den Partnerstädten

Wegen der unterschiedlichen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen und politi- schen Kulturen unterscheiden sich sowohl die ‚good practice‘ Ansätze und Modelle in den vier untersuchten Städten wie auch das Problembewusstsein und der erreichte Fortschritt.

6.1. Leeds

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In Leeds werden die Bedürfnisse der älteren Angehörigen ethnischer Minderheiten schon bei den Planungen des Stadtrates und der Gesundheitsorganisationen mitberücksichtigt. Die staat- liche Anti-Diskriminierungsgesetzgebung verlangt, dass alle Dienste Leistungsindikatoren für die Gleichberechtigung der ‚Rassen‘ haben: Regierungsinspektionen auf allen Ebenen müssen über Maßnahmen für und Fortschritte bei der Erbringung von Diensten für Angehörige ethni- scher Minderheiten berichten.

In Anlehnung an die Strategie des britischen Ausschusses für Gleichberechtigung der ethni- schen Gruppen (UK’s Commission for Racial Equality), hat Leeds es sich zum Ziel gesetzt, dass alle Dienste auch auf die Bedürfnisse der betagten Angehörigen von ethnischen Minder- heiten ausgerichtet sind und gleichzeitig eine Reihe von speziellen Diensten oder Sonder- diensten bereitgestellt werden, die sich auf die Bedürfnisse bestimmter Minderheitengruppen konzentrieren.

• Unter den 35 Nachbarschaftsprojekten, die Dienste wie Besuchsdienste, das Knüp- fen von sozialen Kontakten (“befriending”), Beratung und Information oder die Orga- nisation von sozialen Aktivitäten anbieten, gibt es 12 Projekte, die sich speziell den Bedürfnissen von älteren Angehörigen ethnischer Minderheiten widmen.

• Das Social Services Department finanziert zwei Pilotprojekte zur Mahlzeitenver- sorgung von älteren Angehörigen ethnischer Minderheitengruppen daheim. Damit soll älteren, an ihre Wohnung gebundenen Migranten/innen aus der Karibik und dem Kaschmir, die Möglichkeit gegeben werden, sich Mahlzeiten liefern zu lassen, die ih- ren kulturellen Eßgewohnheiten entsprechen.

• Die Rekrutierung von Pflegepersonal aus ethnischen Minderheitengruppen ist Be- standteil der Pflegestrategie der Stadt Leeds.

• Das Social Services Department betreibt zwei Altentagesstätten, die sich besonders an Senioren/innen aus ethnischen Minderheitengruppen wenden (das Frederick Hurdle Day Centre und das Apna Day Centre)

• Es gibt ein Altenheim des freiwilligen Sektors speziell für afro-karibische Senio- ren/innen (dieses bietet seit kurzem auch Kurzzeitpflege an).

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• Zur Verbesserung der Angebote von Betreutem Wohnen für betagte Angehörige ethnischer Minderheiten wurde eine Entwicklungsstelle im städtischen Housing De- partment eingerichtet. Eine Heimwerker- Agentur (Leeds Care and Repair) ist Haus- oder Wohnungsbesitzern mit niedrigen Einkommen (besonders Älteren und Angehöri- gen von ethnischen Minderheiten) bei der Reparatur, der Verschönerung und der Wohnraumanpassung ihrer Heime behilflich.

• In Bezug auf Konsultationen und Mitwirkung gibt es vor Ort eine Anzahl von Or- ganisationen, die sich neben ihrer allgemeinen Arbeit in der Altenhilfe auch aktiv für die Bedürfnisse von Senioren/innen aus ethnischen Minderheitengruppen einsetzen (z.

B. Leeds Older People’s Forum, Leeds Involvement Project).

• Im Augenblick wird daran gearbeitet, effektive Informationssysteme aufzubauen, damit ältere Angehörige ethnischer Minderheiten über die verschiedenen Angebote besser informiert werden und Zugang zu adäquaten Diensten und Leistungen finden.

Es muss noch erwähnt werden, dass Leeds im Allgemeinen und im Vergleich zu vielen briti- schen Städten einen sehr stark entwickelten gemeinnützigen Sektor hat, der aktiv und finan- ziell von der öffentlichen Hand gefördert wird. Leeds hat ebenfalls einen vergleichsweise stark entwickelten gemeinnützigen Sektor der ethnischen Minderheitengemeinschaften.

6.2. Dortmund

Im Vergleich zu anderen deutschen Städten hat Dortmund schon relativ früh (Anfang der 90er Jahre) angefangen, sich um die besonderen Bedürfnisse von ausländischen Senioren/innen zu kümmern. In Dortmund verfolgt die kommunale Altenhilfe ebenfalls das Ziel, die Lebensqua- lität von älteren Angehörigen ethnischer Minderheiten zu verbessern. Eine kürzlich durchge- führte Studie in Dortmund untersuchte, inwiefern bestehende Dienste der offenen Altenhilfe

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noch den Bedürfnissen von älteren Angehörigen ethnischer Minderheiten gerecht werden und was unternommen werden muss, um die Dienste an sich verändernde Bedürfnisse anzupassen.

Hinsichtlich der Senioren/innen ethnischer Minderheiten kommt die Studie zum Schluss, dass die kommunalen Anstrengungen verstärkt werden sollten, ethnische Minderheitengruppen zu integrieren und angemessene Dienste in den Bereichen offene Gemeindefürsorge und ambu- lante Pflegedienste zu entwickeln.

Die folgenden Ansätze konzentrieren sich auf ältere Angehörige ethnischer Minderheiten:

• Die Stadt hat früher eine Altentagesstätte finanziert, die an bestimmten Tagen spe- zielle Dienste für Senioren/innen aus ethnischen Minderheitengruppen anbot. Die kommunale Finanzierung ist mittlerweile zurückgefahren worden, aber die Tagesstätte besteht weiterhin als ein ‚good practice‘-Modell und wird vom Verein für Internatio- nale Freundschaften geführt.

• 1996 richtete die Stadt auf das Ersuchen des Ausländerbeirats hin Grabstellen für Muslime/innen auf dem städtischen Friedhof ein.

• Die Stadt Dortmund hat eigene Gebetsräume für Muslime/innen in städtischen Krankenhäusern eingerichtet.

• Fast alle Wohlfahrtsverbände in Dortmund haben besondere Maßnahmen ergrif- fen, um ihre Regeldienste für ältere Angehörige ethnischer Minderheiten zu öffnen (zum Beispiel indem sie besondere Beratungsdienste anbieten, mehr Personal aus pas- senden ethnischen Gruppen anstellen und übersetztes Informationsmaterial bereit hal- ten).

• Die Jüdische Kultusgemeinde bietet ihren Mitgliedern eine Vielzahl an Diensten an und unterhält auch eine Tagesstätte, die fünf Tage in der Woche geöffnet hat. Eini- ge der Dienste konzentrieren sich besonders auf jüdische Senioren/innen.

• Es gibt zwei Selbsthilfeorganisationen ethnischer Minderheitengruppen, die sich ausschließlich um ältere Zuwanderer/innen kümmern.

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• Es gibt darüber hinaus viele andere Selbsthilfeorganisationen, die nicht ausschließ- lich Dienste für Ältere anbieten, sich aber generell um ihre Bedürfnisse kümmern.

Beispielsweise sind mehr als die Hälfte der Mitglieder islamischer Moscheevereini- gungen 60 Jahre und älter und für diese Personen fungieren diese Vereinigungen als Begegnungsstätten.

• Ein privater ambulanter Pflegedienst, der im Mai 2000 gegründet wurde, konzent- riert sich besonders auf ältere Angehörige ethnischer Minderheiten.

Im Vergleich zu den Gegebenheiten in Leeds fehlen grundsätzliche Strategien, ethnische Min- derheitengruppen zu konsultieren, es herrscht ein stärkerer Wettbewerb zwischen den ver- schiedenen gemeinnützigen Organisationen und Vereinen, es gibt auf Seite der verschiedenen Gruppen der ethnischen Minderheiten kaum Möglichkeiten der politischen Einflussnahme und spezielle Informationen und Beratungen zu den bestehenden Diensten sind weniger stark ent- wickelt.

6.3. Lille

Die Stadt Lille verfügt über eine Lokalcharta zur Bekämpfung von Rassismus. Eine eigene Arbeitsgruppe, die sich speziell den Bedürfnissen von Senioren/innen ausländischer Herkunft widmet, ist Teil des Ansatzes einer koordinierten Altenpolitik. In letzter Zeit hat die Stadt mehrere Projekte initiiert, um das gegenseitige Kennenlernen der Kulturen zu fördern, Infor- mationskampagnen zu starten sich einen persönlichen Ansatz bei der Altenhilfe zu Eigen zu machen. Diese sind im folgenden:

• Informationskampagnen zur Pensionierung direkt an der Haustür, namentlich in- dem ausländische Rentner/innen einbezogen wurden, die sonst oft Schwierigkeiten haben, herauszukommen und sich an Aktionen zu beteiligen.

• Verteilung von Informationsmaterial bei der Einführung des Euro in den Unter- künften der Migranten/innen.

• Mithilfe des ‚Expertenteams‘ der Stadt wurde ein Verein gegründet, der sich um Männer nordafrikanischer Herkunft kümmert.

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• Ein Club des dritten Alters namens ‘Französisch-Polnischer Austausch und Dis- kussion’ bietet polnische Musik und traditionelle Lieder, Mode und Rezepte.

• Ein muslimisches Grabfeld auf einem der städtischen Friedhöfe, auf dem nach den islamischen Bestattungsvorschriften bestattet werden kann.

• Die Organisation eines Treffens zwischen europäischen und nordafrikanischen Senioren/innen in einem Altenheim im Viertel ‘les Camanettes’.

• Im Stadtteil Lille-Süd, der einen hohen Anteil an Zuwanderern/innen aus Nordaf- rika aufweist, wurde eine Mahlzeit organisiert mit dem Ziel, die kulturelle und kulina- rische Tradition der nordafrikanischen Migranten/innen zu fördern.

In den letzten Jahren hat Lille erste vorsichtige Schritte unternommen, den Problemkreis älte- re Zuwanderer/innen anzugehen, und jetzt, mit der Unterstützung von SEEM, besteht die Ab- sicht, die Arbeit der einzelnen Anbieter zu koordinieren und weiterzuentwickeln sowie effekti- ve Modelle zu stärken.

6.4. Göteborg / Gunnared

Zum Teil wegen ihres Ansatzes der personenorientierten Dienstleistungserbringung sowie der noch kleinen Anzahl von Senioren/innen innerhalb der vielen kleinen ethnischen Gruppen hat die Stadt Göteborg bislang relativ wenig Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Be- reitstellung von sozialen Diensten für ältere Angehörige ethnischer Minderheiten gesammelt.

Sie hat um so mehr den Wunsch, aus den Erfahrungen der anderen Städte im SEEM Projekt zu lernen. Als ‚best practice‘ - Beispiele können die vier folgenden Zentren in Gunnared

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(welches eines der 16 Stadtteile von Göteborg ist) genannt werden, die Dienste für betagte Angehörige ethnischer Minderheiten anbieten:

Ilta Tähti - Aftonstjärnan (Der Abendstern), eine Altentagesstätte für finnische Senioren/innen. Sie wurde 1994 eröffnet und hat ungefähr 200 Mitglieder. Aftonstjär- nan hat montags bis freitags, von 9 bis 15 Uhr geöffnet.

Oliven (Die Olive), ein Treffpunkt für ältere Zuwanderer/innen, der Informationen und Gelegenheiten zum Networking bietet.

Hälsodisken (Gesundheitsinformationszentrum) in Gårdsten, ein Informationszent- rum zur Gesundheitsförderung. Fünf Kulturübersetzer/innen bieten Dienste auf ara- bisch, kurdisch, persisch, somalisch, kantonesisch, mandarinisch , serbisch, kroatisch und bosnisch an.

Finnische Gemeinschaftsunterkunft ”Rauhala”, die in ein größeres Altenheim integriert ist. Das Personal spricht finnisch und es werden finnisches Essen sowie fin- nische Kultur- und Freizeitaktivitäten angeboten.

Gunnared hat in kleinem Umfang Handlungsansätze entwickelt, was angesichts der kleinen Anzahl von Senioren/innen innerhalb der ethnischen Minderheitengruppe jedoch relativ schwierig war.

6.5. Strategien zur Öffnung und Entwicklung von geeigneten Diensten für Älte- re aus schwarzen und ethnischen Minderheitengruppen

Zusammenfassend kamen die folgenden Strategien zur Öffnung und Entwicklung von adä- quaten Diensten für ältere Angehörige ethnischer Minderheiten in den vier Städten zum Ein- satz:

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Aufsuchende Sozialarbeit, d.h. sich mit Senioren/innen aus ethnischen Minderhei- tengruppen in ihren Gemeindezentren in Verbindung setzen und nicht abzuwarten, bis diese von selbst zu den etablierten Anbietern von sozialen Diensten kommen.

Bereitstellung von passendem Informationsmaterial für ältere Angehörige ethni- scher Minderheiten, um sicherzustellen, dass diese über bestehende soziale Dienste informiert sind.

Einsatz von professionellen Übersetzer- und Dolmetscherdiensten bei Sozial- oder Gesundheitsdiensten für ältere Angehörige ethnischer Minderheiten.

Übernahme von Anwaltschaft, d.h. ältere Angehörige ethnischer Minderheiten aktiv darin unterstützen, ihre Bedürfnisse und Forderungen den Erbringern von Gesund- heits- und Sozialdiensten gegenüber zu artikulieren und dabei nicht für sie sprechen, sondern ihnen helfen, für sich selbst zu sprechen.

Zusammenarbeit mit Universitäten und Durchführung von Studien, d.h. Univer- sitäten und andere Experten/innen und Berater/innen beauftragen, Studien über die Lebenslagen von älteren Angehörigen ethnischer Minderheiten, ihre Bedürfnisse und Bedarfe zu erstellen.

Evaluierung von bestehenden Diensten, um zu überprüfen, inwiefern sie den Be- dürfnissen aller Älteren und speziell denen der älteren Angehörigen von ethnischen Minderheiten gerecht werden.

Rekrutierung von Personal aus ethnischen Minderheitengruppen im Bemühen, die ethnische Zusammensetzung der Belegschaft der Gesundheits- und Sozialdienste an die der lokalen ethnischen Minderheitengemeinden anzugleichen.

Durchführung von “Ethnic Monitoring” des Personals und der Nutzer/innen von Diensten, um sich Anforderungen und Diskrepanzen bewusst zu werden.

(22)

Hilfestellung bei der Organisationsentwicklung von Vereinen ethnischer Min- derheiten, d.h. Minderheitengruppen informieren, beraten und unterstützen, um Selbsthilfepotentiale zu stärken.

Durchführung von ‚Cultural Awareness’-Kursen für alle im Pflegesektor Beschäf- tigten, in denen Informationen über verschiedene Kulturen vermittelt und Strategien aufgezeigt werden, wie Dienste in einer kultursensibel erbracht werden können.

7. Wege in die Zukunft – Handlungsempfehlungen

• Aus denselben Gründen, die es unmöglich machen, Lösungen ohne Weiteres von ei- nem Land auf das andere zu übertragen, ist es auch schwierig, allgemeine Empfehlun- gen zu geben, wie das Thema auf Ebene einzelner Regierungen am besten angegangen werden soll.

• Die SEEM Partner haben sich aber dennoch auf eine Reihe von Empfehlungen geei- nigt, die sich an verschiedene Ebenen der Politik und der Erbringung von Diensten wenden und die abstrakter und allgemeiner sind als die jeweiligen Ansätze in jeder der Städte.

• Die Empfehlungen sind nicht an die Ebene der Regierungen gerichtet, sondern an die praktische Ebene der Planung und Erbringung von Diensten sowie an die höhere Ebe- ne der EU.

7.1. Planung und Auftragsvergabe von Diensten für Ältere auf kommunaler Ebene

(23)

1. Bei der Planung von Diensten ist es notwendig:

zu gewährleisten, dass die besonderen Bedürfnisse von älteren Angehörigen ethnischer Minderheiten in den Dokumenten der kommunalen Bedarfsplanung für gesundheitsbezoge- ne und soziale Dienste berücksichtigt werden und bedacht wird, dass die unterschiedlichen ethnischen Gruppen in sich sehr veschiedenartig sind über unterschiedliche Bedürfnisse und Bedarfe verfügen

sicherzustellen, dass ältere Angehörige ethnischer Minderheiten wirksam eingebunden und konsultiert werden

die Verbindungen zu und die Zusammenarbeit mit Gemeinschaften und Organisationen ethnischer Minderheiten vor Ort zu verbessern

Forschung hinsichtlich der Bedürfnisse von älteren Angehörigen ethnischer Minderheiten- gruppen in Auftrag zu geben

mit anderen Anbietern von Diensten zu kooperieren, um zu gewährleisten, dass die Seni- oren/innen der verschiedenen ethnischen Minderheitengruppen bedarfsgerecht versorgt wer- den

offen und bereit zu sein, bestehende Grundsätze, Vorgehensweisen und Vereinbarungen zu ändern um verschiedene Arbeitsweisen und unterschiedliche Bedürfnisse in Einklang zu bringen

flexibel zu sein, d.h. einerseits durchaus Experimente zu wagen und neue Vorgehensweisen zu erproben, aber andererseits auch auf praktische Probleme und Sachzwänge zu reagieren und diese Strategien im Gleichgewicht zu halten

Dienste zu evaluieren und sich klare Zielvorgaben zu setzen, deren Verwirklichung regel- mäßig überwacht wird

Die ethnische Herkunft des Personals und der Nutzer/innen von Dienstleistungen statistisch zu erfassen und zu überwachen (‚Ethnic Monitoring‘)

2. Bei der Planung und Erbringung von Diensten müssen folgende Aspekte berücksichtigt

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werden:

Soziale Isolation

Geringes Einkommen

Sicherheit von Gemeinschaften ethnischer Minderheiten mit Blick auf rassistisch moti- vierte Überfällen und Verbrechen

Zugängliche und bezahlbare Verkehrsmittel

3. Der Zugang zu kultursensiblen gesundheitsbezogenen und sozialen Diensten muss gewähr- leistet sein, indem:

Die Infrastruktur der Organisationen ethnischer Minderheitengruppen unterstützt und entwickelt wird, um es Organisationen zu ermöglichen, zukunftsfähige Anbieter zu werden

Bedarfsgerechtes Informationsmaterial über Dienste älteren Angehörigen ethnischer Minderheiten, ihren Familien und Pflegern/innen zur Verfügung gestellt wird

Inanspruchnahme, Wissen und Information durch eine Vielzahl von aufsuchenden und anderen Maßnahmen, die sich formaler und informeller Netzwerke bedienen, erhöht und ge- stärkt werden

• Der Zugang zu Informationen, Unterstützung und Kurzzeitpflege für pflegende Angehörige aus ethnischen Minderheitengruppen sichergestellt wird

Adäquate, bezahlbare, warme und sichere Wohngelegenheiten für Ältere in oder in der Nähe der eigenen Gemeinde vorhanden sind

Geeignete Pflegeheime und Tagespflege verfügbar sind

• Unterstützungsdienste für pflegende Angehörige ethnischer Minderheitengruppen angebo- ten werden

4. Im Hinblick auf das Personal von gesundheitsbezogenen und sozialen Diensten:

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Ausbildung und Schulung des Pflegepersonals hinsichtlich der Kulturen und Bedürfnisse von älteren Zuwanderern/innen soll sichergestellt sein

Eindeutige berufliche Werdegänge, Weiterentwicklungsmöglichkeiten und zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen für Personal aus ethnischen Minderheitengruppen sollten entwi- ckelt werden

7.2. Empfehlungen für die Europäische Union betreffen die folgenden Punkte:

• Sich weiterhin um das Thema Senioren/innen aus ethnischen Minderheitengruppen küm- mern

• Weiteren Austausch von ‚good practice‘ zwischen den Mitgliedsstaaten ermöglichen

• Weiteren Austausch zwischen akademischen und Forschungsinstitutionen fördern

• Weiteren Austausch zwischen den Anbietern von Diensten ermöglichen

• International vergleichende Studien in Auftrag geben

• Empfehlungen für die Mitgliedsstaaten herausgeben

• Die Umsetzung der EU Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft überwachen (Richtlinie 2000/43/EG des Europäischen Rats vom 29.6.2000, Artikel 3c).

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ZUR BEACHTUNG:

Ein Literaturverzeichnis der Quellen für den SEEM Abschlussbericht (PHASE 1) ist dem Ab- schlussbericht von Dr. Vera Gerling beigefügt, der unter der Adresse www.leeds.gov.uk/seem herunter geladen werden kann

Referenzen

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