Zur indischen Lexicographie.
Von 0. BShtiingk.
Dieser Tage beschenkte uns William Dwight Whitney, das
ehrwürdige Haupt der amerikanischen Sanskritologen mit einem
Anhange zu seiner Sanskrit-Grammatik , enthaltend die Wurzeln,
Verbalformen und primären Stämme der Sanskrit-Sprache. Dieses
gleichzeitig in enghscher und deutscher Sprache erschienene Werk
wird gewiss von allen Sanskritisten und Sprachvergleichem mit
dem grössten Danke aufgenommen werden, da es mit der uns am
Autor bekannten Akribie in übersichtUcher Weise die oben ge¬
nannten Formen der Sprache in möglichster Vollständigkeit auf¬
führt und zwar mit Angabe ihres relativen Alters, so weit sich
dieses nach der uns im Augenblick zugänglichen Literatur be¬
stimmen lässt. Die nachfolgenden Bemerkungen wird mein verehrter
Freund, wie ich hoffe, freundlich aufnehmen und bei einer zweiten
Auflage vielleicht hier und da berücksichtigen.
Die Wurzeln sind in der Form angesetzt, wie sie in des
Autors Sanskrit-Grammatik angenommen wurde. Darüber ob es
richtiger sei oder TS u. s. w. als Wurzel für „machen" u. s. w.
aufzusteUen, wird man lange streiten können ohne zum Ziele zu
gelangen. Practische Rücksichten scheinen mir für zu sprechen,
da Formen wie auTifn , T^TT und T^iT. sich leichter auf dieses
als auf W zurückführen lassen. Auf den Einwand , dass einem
flr^ nur nicht als Wurzel entsprechen würde, antworte
ich , dass einem W nur , nicht gegenübersteht. Formen wie
^T,j ^ sind nicht auf \5«rm^ und zurückzuführen, sondern
auf hutas und hnte , d. i. Ii mit folgender nasalis sonans. Auf¬
falleud ist es , dass neben T auch erscheint , während deu
übrigen Wurzeln auf ^ nicht die eutsprechende vollere Form bei¬
gefügt wird.
Für ftSTft ein ^> f«l>^, als Wurzel anzusetzen, lässt sieh
gar nicht rechtfertigen , da hier keine einzige Form ein ^ zeigt.
In diesem Falle kann man sich nicht einmal auf die indischeu
Grammatiker berufen, die aus rein practischen Gründen ^ als
Wurzel annehmen. Ebenso wenig berechtigt sind die beiden T,
^ u. s. w.
Zu bedauern ist es, dass bei Pormen, die bis jetzt nirgends
verzeichnet waren, auf die Whitney zuerst aufmerksam geworden
ist, nicht das genaue Citat angegeben vrird.
Ich gehe nun zur Besprechung der einzelnen Wurzeln über.
2. TT. In TE^iT^T RV. 10, 62, 7 ist ^ nach Roth Partie,
nicht das Zahlwort, da dieses iu der älteren Sprache am Anfange
eines Comp, stets als TET erscheint.
1. ^» Potent. t^T^ auch im Mahäbh.; s. meine
Chrestomathie 44, 27.
T^ „stu-". Da dieses sowohl „bewegen" als „sich bewegen"
bedeutet, hätte wohl intrans. beigefügt werden können. Der Ueber¬
setzer hat fälschlich „regen, bewegen". Es wäre vielleicht an¬
gemessen gewesen, wenn Whitney neben der englischen Bedeutung
auch die lateinische hinzugefügt hätte, da die englischen Verba
oft sehr verschiedene Bedeutungen haben.
TT „be quiet". Diese Bedeutung hat V«!I«lfn : X^SfH ist nur
in der Bedeutung „kommen" zu belegen.
f[T. Vielleicht steht diese Wurzel in verwandtschaftlichem
Verhältniss zu T^> T^ft gleichwie tYt zu f'IT.
t;;^. Eine Nebenform davon ist t^T mit dem Caus. ^[]TTft
Äpast. gr. 1, 16, 11.
T?5^. Die richtige Form ist T^?^. ; derselbe Fehler in der
Grammatik.
, TÄ . Fut. artishye könnte irre füliren, da nicht dieses,
sondern nur TTft^ vorkommt, welches auch nach Whitney eine
(metrisch gebotene) Contraction von TTTft^ ist.
TiT „drive , produce" , etc. „treiben , forttreiben", etc. Diese
Bedeutung hat nur das Caus., die Bedeutung des Simplex, das uicht
zu belegen ist, ist nach dem Dhätup. »{"^ und tWPT.
Bd. XXXIX. 3G
3 9 *
^T^, ^5. Die Bemerkung am Schluss .given by the gram¬
marians as two distinct roots , and not without some justification*
ist in dieser lakonischen Weise nicht recht verständlich.
^ hätte wohl eine Erwähnung verdient, da Pänini diese
Wurzel kennt, und da und ft^fZT im Nirukta nicht als
eine vereinfachte Schreibart von ^gfd und ft^ffffT angesehen
werden können. Die für ^ angegebene Bedeutung hat das Caus.,
das ja allein zu belegen ist. Aehnhche Ungenauigkeiten envähne
ich in der Folge nicht vrieder.
f. Der Absolutiv fT'«*M*i (ft:WRT:) gehört zu
WT. „be lean" „mager sein" ; genauer „mager werden, abmagern«.
SfT. Es wäre wohl der Mühe werth gewesen sein, die
Wurzel zu spalten, da sie verschieden flectirt wird: nur ^4ft
heisst „er zieht", und nur WTft „er pflügt".
JP\, Tf . Hier heisst es am Schluss „there seems to be no
good reason why the root should not be given as Diese
Bemerkung wird mir nur dadurch erklärUch, dass in der Grammatik
TT, Tf als Wurzel aufgesteUt wird; warum aber dieses dort ge¬
schieht, ist nicht recht ersichtlich. Soll ^T als primitive Wurzel
gelten, so müssen auch T^ (nicht T^) , ftT^ (nicht und
ft^il (uicht T>J) als Wurzeln auftreten.
TT „move" „bewegen". Der Uebersetzer hätte wohl wissen
müssen, dass „move" hier durch „sich bewegen" wiederzugeben war.
^ . Dass («rrft)WTTtt (bei Whitney mit einem Fragezeichen
versehen) und (ft)WTTTft (bei Whitney ohne Accent) nicht
hierher gehören, zeigt schon der Accent. Diese Formen stehen in
meinem Wtb. unter ft^ifTT an der richtigen Stelle.
TT. Eine solche Wurzel wegen Tfn«l^«»|fl, Vasishtha 1,23
und obendrein mit der dort ganz unpassenden Bedeutung „eat,
devour" aufzusteUen, ist doch gar zu gewagt. Ich habe statt dessen in
eben dieser Zeitschrift (oben S. 481. 488) Tft?[^TTfi: oder Tft-
ttlJTTft (von T) vermuthet.
\i VI
Tf ist wohl eher auf TT, TTf, wie das Pet. Wb. anuinnut,
als auf fT zurückzuführen.
3 9 *
«f^<R . Die Quelle von ^glf«(i7T ist im 2. Nachtrage zu meinem Wtb. u. d. W. angegeben.
7T^. Vielleicht ist rtifd am angeführten Orte gar kein
Verbum fin., sondem ein Fehler für »TftfTT „krach", das alsdann mit
dem folgendem «W^fn zu verbinden wäre.
Im Englischen heisst es .represented later by y Nf^'-
Die Uebersetzung „später als y Tt erscheinend" ist zweideutig. Gemeint
ist, dass ^ älter als Tt ist.
^tr. Beide Wurzeln werden eben so richtig und vielleicht
richtiger f?[T geschrieben, da , ^fqnjffi u. s. w. leichter
anf dieses zurückgeführt werden können. Von ^tr würde man,
nach der Analogie von ttT, f^^tr und ^tttTrft bilden müssen.
Aus der Länge in <{i^ kann man eben so wenig auf ^tr als auf
f|[T schliesseu. Auf 1. ^tr gehen nur die Nomina ^tr, "«(tTT.)
das sehr zweifelhafte ^tTT (vgl. ^TTi und das in meinem Wtb.
leider ohne Quellenangabe aufgeführte ^ftttT^ (daneben ^fqn,\)
zurück.
■JT habe ich in meinem Wtb. von ^|TT getrennt, weil dieses
kein regelrechtes Caus. von jenem ist.
TT. Das Caus. TTTTft kann nicht als Denomin. von TT
„Weg" gefasst werden. Woher sollte die Länge kommen?
T^ . Die erste Bedeutung ist nicht „go" „gehen", sondem „zu Fall kommen«.
ttr steht wohl mit ftr in einem verwandtschaftlichen Ver¬
hältniss; vgl. oben töf •
^ft ist einfach zu streichen , da ft TtT^ ein Fehler für
ft s^trrt ist.
Die Bedeutung „become" (so Lanman in seinem Glossar
zur Chr.) „werden" wäre genauer gewesen als „be" „sein*.
^. Hier hätte auf f verwiesen werden können, wie dort
umgekehrt geschieht.
ftfi;, ftrr.- Dmckfehler für f^lÄf^..
TT.) T^. Das englische „reach" hat der Uebersetzer auf
sehr ungeschickte Weise durch „sich erstrecken , reichen* wieder¬
gegeben. Die wirklich gemeinte Bedeutung konnte, wenn dei'
36*
Uebersetzer sie nicht selbst kannte, aus dem Sanskrit-Wörterbuch ersehen werden.
2. 'ift. iNra (mit einem Fragezeichen versehen) ist zu streichen,
da gat. Br. 2, 2, 1, 16. 3, 8, 3, 20 Instr. Adv. gemeint
ist. Wäre das Wort Verbum fin., so müsste es als dritte Person
lauten. Auch der Comm., der iNl^T durch Ht«jf*(*l
erklärt, fasst das Wort ofFenbar als Adv.
Unter den davon abgeleiteten Wörtem ist ^f^«T. als
selbständiges Wort zu streichen, da dieses in den zuverlässigen
Bombayer Ausgaben ohne Ausnahme «ff'^'T. geschrieben wird,
während die Wurzel hier immer als erscheint. Tt^^T. „ehrend,
Ehrfurcht bezeugend' ist nur am Ende eines Comp, zu belegen
^ ,rear'. Die Schreibart ^fftt u. s. w. ist besser
beglaubigt.
^ „tum'. Dieses ist unbegreifhcher Weise durch „wenden,
drehen' wiedergegeben worden; es sollte heissen „sich drehen'.
"^y^. Die Schlussbemerkung „the asserted V 2.'^>ä „cuf (used
only of the navelstring) rests on a too narrow foundation to be ad¬
mitted ; it is probably a specialized application of this root' (nämlich
AVl^ ,grow') ist mir nicht ganz verständlich. Jetzt lassen sich noch
belegen : „abgeschnitten , in seiner Wurzel vemichtet' und das
Snbst. mit der v. 1. „ein abgeschnittenes Stück'; ferner tf^TT
„gezimmert (behauen)'. Hierher gehören auch T^Ni, T>äfti und
q>5f«(i1, „Zimmermann' ; vgl. «TT nebst seinen Derivaten.
ft^ „extend' und „ausdehnen, erweitern' geben doch
nicht die richtige Bedeutung.
^I^. Im kürzern Wtb. habe ich gleichfaUs zwei ITTf auf¬
gestellt, da diese sich nicht nur in der Bedeutung, sondem auch
in der Flexion unterscheiden.
9J^' „doubt" „schwanken, zweifeln'. Die Bedeutung „schwanken'
hätte unterbleiben können , da sie zum Glauben verleiten könnte,
als wenn bei diese sinnliche Bedeutung vorangehe.
»|f^ „cut in pieces'. Dieses ist sehr unpassend durch „zu-
■sammenhauen' wiedergegeben worden.
2. ?IT,. Intens, ^tljttft jetzt zii belegen durch Bälar. 136, 8.
^TT, ft- Am Schluss heisst es „divided by BK. into two
separate roots , with identical forms". Die Formen sind nur theil¬
weise identisch, die Bedeutungen aber ganz heterogen.
^tr. Für frrer hätte auch die Nebenform ftr erwähnt
werden können. Die ganz unregelmässige Form ftfOT Bhäg. P.
11, 22, 58.
TT>J. An der Richtigkeit der Formen tlVT^ffl u. s. w. und
Tft in JB. zweifle ich. Ich vermuthe TTtft u. s. w. und Tft?.
tft, Auch hier besteht eine Nebenform flfT.
A
ff^. «^»^1 in Apast. Dh. ist nicht vielleicht, sondern be¬
stimmt fehlerhaft für . Als Grundbedeutung habe ich in
dieser Zeitschrift oben S. 328 „stochern" aufgestellt.
TJfT, '^T' *yf*l' Es ist keine Form verzeichnet, die
auf ^ zurückzuführen wäre. Selbst der Dhätup. kennt weder
^ noch
^tr. Für %TTft ist auch eine Form ftiT anzunehmen.
f^. f^ erscheint Sarasvatlkanthäbharana 1,22 nach Aufrecht.
fT.- Das Caus. TTTTft ist doch offenbar ein Denomin. von
TTT imd deshalb in meinem Wtb. besonders aufgeführt. Wenn
bei tY bemerkt wird, dass das sogenannte Caus. TftWTft auf ein
nicht belegtes Partic. »Tl«!! zurückgehe, so wäre eine ähnliche Be¬
merkung auch hier am Platz gewesen, um so mehr, als das Partic.
TTT wirklich vorhanden ist.
fT . Da wir keinen Grund sehen, warum die indischen Gram¬
matiker, wenn sie wie wii- nur ftft, »t vor Augen gehabt
hätten, nicht fT zur 4. Klasse gestellt, vielmehr eine Wurzel ft
angenommen haben , so können wir daraus sehliessen , dass ihaen
auch Pormen vorgelegen haben, die sich nur aus ft erklären lassen.
ft , impel" „antreiben". Zu dieser Wurzel wird hier und in
der Grammatik 674 ftwjfd und ftWTJ Ait. Br. 8, 28 gestellt.
Es ist nicht nur die Form abnorm, sondern auch die Bedeutung
will nicht recht passen, da die Stellen aus dem Mahäbh. im Pet.
Wtb., an denen fT mit T ungenau statt des Passivs im Sinne von
„weichen, schwinden" erscheint, wohl nicht zur Rechtfertigung dieser
Bedeutung angeführt werden dürfen. Aufrecht verzeichnet in seiner
Ausgabe des Ait. Br. (gewiss mit Recht) ftwft und ftTJT unter
der Rubrik „grammatische Ungethüme". Ich glaube nicht zu kühn
verfahren zu sein, wenn ich Ln meiner Chrestomathie die anstössigen
Formen durch (^«illd und ft*l Ifl ersetzte, indem ich ^ für ein
verlesenes TT hielt.
%5 • ttt^rfTT „schädigen, verletzen" finden wir Lalitavistarap.
524, '3. 13. 15. 17. 525, 5. erscheint ebend. 345, 16.
%T und Hier wäre eine Verweisung von der einen
Wurzel zur anderen wohl am Platz gewesen.
^^^^^
.refresh" .erquicken". «^I^fl bedeutet .sich abkühlen, sich erfrischen".
Whitney hat eine ganze Anzahl von im Dhätupätha ver¬
zeichneten Wurzeln als verdächtige, weil sie bis jetzt nicht belegt
werden konnten, weggelassen, wogegen sich nicht viel einwenden
lässt. Dafür sind aber, wenn auch mit einiger Zaghaftigkeit, zum
Zwecke von Etymologien neue Wurzeln aufgestellt worden, die
keine grössere Berechtigung haben als die von den indischen Gram¬
matikern erfundenen.
Einige Bemerkungen zu Baudhäjana's Dharmagästra.
(Zum ersten Mal lierausgegeben von E. Hultzsch.)
Von 0. Böhtlingk.
I, 1, 14. TVP^rft IWH «ftT TTW^ Wnrtri: kauu
nichts Anderes bedeuten als ,wie Wasser auf einem Steine Wind
und Sonne verschwinden machen würde', was natürlich Unsinn ist.
Mit Bühler anzunehmen, dass TTTTH^f Subject sei, und dass der
Autor aus metrischen Rücksichten den Singular statt des Duals
gebraucht habe, ist doch mehr als gewagt. Ueberdies ist zu be¬
achten, dass der Parallelismus TT^TT. als Subject verlangt. Ich
verbessere THSTT^ «»u ifl ffl und übersetze demnach: „wie Wasser
auf einem Steine im Winde und in der Sonne verschwindet'.
I, 3, 31. li<i<{Wl. ist hier wie IV, 1, 6 fgg. zusammen zu
schreiben; vgl. Patangali zu Pänini 5, 3, 42, Värtt. 1.
I, 3, 32. T«I«dS{^ verbindet Bühler mit 4JTq|i) und giebt
es durch „too close' wieder. Ich ziehe es seiner Stellung wegen
zu Tftn^'I'^ und gebe dem Worte die Bedeutung „in über¬
triebener Weise'.
1,3, 34. In Äpastamba's Qrautas. 15, 20, 18 heisst der
Wagen T^ffftn; n.
I, 4, 2. Besser überliefert bei Vasishtha 2, 12.
I, 6, 7. Vgl. Kätj. gr. 25, 5, 29 und Shadv. Br. 1, 6 am Ende.
I, 8, 34. Sollte nicht ^^«»iil , das eine Hdschr. nach TT-
TJWt hinzufügt, statt TTTHSTt gelesen werden müssen?
I, 8, 48. Bühler hat die Lesart T^jtwrT^JTrPrt vor Augen
gehabt, da er „which are agreeable to the eye and the nose' über¬
setzt. Dieses wftre aber »T^WTTt. Uebrigens wird auch der