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La Cuenta por favor. Von Ukulele Zimmermann. Auszug aus Teil 4, Kapitel Insel-Olympiade

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Academic year: 2022

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La Cuenta por favor

Von Ukulele Zimmermann

Auszug aus Teil 4, Kapitel 57 - 59

© Ukulele Zimmermann

57. Insel-Olympiade

Fortsetzung: Unsere Parlamentssitzung muß heute ausfallen.

Tony hatte es rechtzeitig angekündigt, wir Zugereiste hatten es nicht wirklich zur Kenntnis genommen, ignoriert, wohl gar für einen Scherz gehalten. Aber Tatsache: Heute ist der Strand geschlossen. Geschlossen? Der Strand? Hier? Den ganzen Tag?

Geschlossen.

Denn das war der Grund, warum ich Cuenta endlich mal hatte überreden können, sich in die Öffentlichkeit zu begeben. Ich hatte bisher ja nie ein Bedürfnis verspürt, sie da draußen rumzuzeigen. Aber DAS Ereignis darf man sich auf der Insel einfach nicht entgehen lassen:

Heute ist Insel-Olympiade.

Seit Tagen schon ist die Insel deswegen mächtig plakatiert.

Aber da kuckt ja keiner hin, soweit kommts noch. Außer den Touris natürlich.

Und schon geht’s los.

(Einer seit etlichen Jahren um sich greifenden Unsitte bei Sportveranstaltungen folgend, werden auch bei diesen Insel- Olympischen Bewerben die Athleten mit krachig musikalischer Untermalung bei ihren Ausübungen angefeuert. Allerdings tuts dem Ohr hier nicht so arg weh wie die von mir vor Jahren unvorbereitet erlittene Tonkulisse beim Biathlon in Ruhpolding.

„Modern World“ wird zum Auftakt aufgelegt, von den Vibrators. (Und kein Lumpi weit und breit. Herrlich!)

Die erste Disziplin ist das Kohlblätter-Wackeln. Diese Sportart wurde erfunden in memoriam Stan Laurel, mithin seinem

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künstlerischen Andenken gewidmet. Dabei wird mit Kohlblättern gewackelt, die man sich auf die Ohren steckt, und beim Wackeln werden Botschaften in der Kodierung des Morse-Alphabet gesendet. Die Kohlsorte ist frei wählbar, viele Teams haben die Kohlblätter in den Landesfarben bemalt.

Wir sehen am Start: Rotkohl, mit zwei gelben Streifen (sí claro, Espana), Grünkohl (Oldenburger Land), Chinakohl (na wer wohl?), mit Sondergenehmigung sogar eine Mannschaft aus New Hampshire, auffallend kräftige Burschen, die ohne Hilfsmittel nur mit ihren Blumenkohlohren mitwackeln wollen, im Hauptsport sind sie Ringer, wird gemutmaßt. Die meisten Teams aber haben den good old Weißkohl gewählt, und es wird schnell offensichtlich warum: feste Konsistenz, und doch geschmeidig in der Handhabung, vulgo Ohrhabung; der wackelt sich am besten.

Als Titelverteidiger tritt eine Truppe aus Dithmarschen an, die es sich beim Einmarsch der Nationen nicht hat nehmen lassen, auf heimischen Treckern einzufahren. Führte natürlich zu Verzögerungen im Zeitplan, weil die Dinger mehrfach steckengeblieben sind im puderweichen Inselsand.

Der Strandsand hatte sich schon in der Nacht zuvor als wenig ideal erwiesen, beim Aufbau der gigantischen Sandburg, die als Zuschauertribüne für die Olympiade dient. Ohne die vielen freiwilligen fleißigen Hände von Helmuts Hologramm-Armada wäre das in einer einzigen der inselüblich kurzen Nächte gar nicht zu schaffen gewesen. Wie Helmut mir später mal erzählte, hat die Unsitte des Sandburgbauens solcherart ihren archaischen Ursprung in den allerersten Dezennien der Olympischen Spiele, die lange vor den antiken Griechen von den vor-antiken Höhlenmenschen der südlichen Inselwelten ausgetragen wurden.

Die Sandburgen hatten ursprünglich als Deiche gegen damals häufiger als heutzutage aufkommende Tsunamis gedient. Ob erfolgreich, ist leider nicht überliefert. Aber daß Bewohner von Höhlen, insbesondere von solchen ohne Hinterausgang, einen Heidenrespekt vor Tsunamis haben, ist nachvollziehbar.

Das Kohlblätter-Wackeln wird in 4er Teams ausgetragen, als

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eine Art Staffel. Der erste jeder Mannschaft muß eine pfiffige Botschaft erdenken und diese wackeln, der zweite sie empfangen und dekodieren, also verstehen, und dann die gegenteilige Bedeutung an den dritten weiterwackeln. Das hat intellektuellen Pfiff, denn – wer bis hier folgen konnte, hat es schon erkannt -, die Ursprungsbotschaft muß so beschaffen sein, daß eine „gegenteilige Bedeutung“ überhaupt möglich ist. Eine sinnvolle, versteht sich. Das ist nicht einfach.

Auch die Bewertung des Dargebotenen ist nicht ohne. Und entdeckt sich dem Zuschauer nicht sofort: Es gibt 1. für die ersten drei Durchgänge Haltungsnoten fürs Wackeln, 2.

Noten für die Originalität der ersten Botschaft, 3. Noten für die korrekte Dekodierung MIT korrekter gegenteiliger Bedeutung.

Der dritte Spieler ist also ganz besonders wichtig für die Gesamtwertung. Der vierte Spieler hat es auch nicht leicht:

Er muß entweder die erste Botschaft oder aber das Gegenteil, das kann er sich aussuchen, in eine andere lebende Sprache übersetzen und dieses Statement dann dem Publikum zuwackeln.

NACH dem letzten Wackler aller Teams liegt die Entscheidung beim Publikum: Welcher Vierte hat die Botschaft am klarsten und verständlichsten, und zudem sprachlich korrekt vorgetragen? Entscheidung per Akklamationslautstärke. In die Gesamtwertung geht das Votum der Zuschauer zwar nur mit 10% ein; dennoch: Im Vorfeld hat die Presse viel darüber berichtet, daß Willkürentscheidungen auf diese Weise Tür und Tor geöffnet wird: Was, wenn viele Zuschauer der gewählten Sprache der Übersetzung nicht mächtig sind? Oder das Morse-Alphabet gar nicht kennen? Oder sowieso parteiisch sind? Bestochen?

Gekauft? Jedenfalls ein Sport, der in die Zeit paßt.

Dann, immer wieder gern gesehen – DAS also haben in den letzten Tagen viele bis dato undefinierbare Neuankömmlinge an der Palmenbar unaufhörlich geübt: Zahnstochersortieren.

Sortiert werden muß nach Größe, nach Gewicht und nach der Zahl der Benutzungen.

(Musik dazu nun: Blur, There are too many of us)

Wie bitte? Aber ja. Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft, daß Zahnstocher auf einfachen Holztischen an den Bars in

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südlichen Ländern sämtlich frisch und unbenutzt sind? Wie oft habe ich früher selbst angelegentlich von sogenannten Urlaubsreisen nach erfolgreichem – freilich erst nach langen zahnfleischquälerischen Minuten erfolgreichem - Pulen und anschließender Säuberung über dem Aschenbecher entschieden: der ist noch gut, den kann man wiederbenutzen, und ihn mit einem herzlichen „Danke für den Fisch, und tschüß!“, verschwinden lassen in der anmutig in einem Schälchen aufgefächerten Schar von Kleinholz. Fraternisieren mit dem Gastgeberland nennt man das. Fair Tourismus.

Nachhaltigkeit großgeschrieben.

Natürlich müssen alle Eckwerte von den Sportlern geschätzt werden, da sieht man keine Waagen oder Millimeterlineale.

Die meisten der weltbesten Athleten dieser Sportart sind in ihrem bürgerlichen Leben weltweit anerkannte Koriphäen in der Nano-Technologie, denen es eine Ehre ist, hier in Helmutland mit ihrem Können gastieren zu dürfen.

Die Anzahl der Benutzungen der Stocherhölzer zu schätzen erfordert obendrein viel Intuition, und manche der Teilnehmer verfügen über einen ganz besonders gut ausgeprägten Geruchssinn.

6 Durchgänge gibt es insgesamt, zunächst 3 für alle Teilnehmer, danach kommen die besten 8 in den Endkampf, und die haben 3 weitere Versuche. Der Erfinder der Regel war früher in der Leichtathletik für den Weitsprung zuständig, so hört man. Pro Durchgang müssen 12 Stocher zugeordnet werden. Und da sitzen sie nun und mustern die Zahnstocher mit röntgenähnlichen Blicken, und sie müssen sie in eine logische Reihung bringen, wohlgemerkt logisch unter Berücksichtigung der 3 Kriterien Größe, Gewicht, erlebte Benutzungen. Das läßt viel Spielraum für Entscheidungen der Wettkämpfer bezüglich ihrer Prioritäten für die Wertigkeit der Kriterien. Und gleichzeitig auch Spielraum für die Jury. Da diese Regeln nicht nur fürchterlich kompliziert klingen, sondern wahrhaftig auch kompliziert SIND, ist dieser Wettbewerb nicht wirklich ein Publikumsmagnet. Zumal es auch optisch nicht viel hermacht zuzusehen, wie 12 komplett verkopfte Männer an einem Tisch sitzen und Zahnstocher anstarren. (Theoretisch haben auch Frauen Startrecht, aber es haben keine gemeldet. Angeblich erarbeitet der

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Weltverband der Zahnstochersortiersportarten gerade eine für Damen attraktivere Variante des Wettkampfs. Befragungen haben ergeben, daß sie eher für eine Version zu begeistern wären, bei der ausschließlich fabrikneue Hölzer zum Einsatz kommen.)

Ich bin kein Freund der heutzutage bei jedem halbwegs auf sich haltenden sportlichen Bewerb aufgestellten Großbildleinwände, was man sich hier erfreulicherweise gespart hat. Könnt man ja gleich zu Hause bleiben und alles im Fern kucken. Bei dieser Sportart allerdings wäre so ein Gerät schon hilfreich, um überhaupt IRGENDWAS vom Verlauf des Geschehens mitzubekommen.

Action kommt dann aber auf, sobald der erste Wettkämpfer beginnt, die Dinger zu sortieren, weil dann auch die anderen ganz schnell nachzuziehen versuchen … Ich sollte erwähnen, daß natürlich auch die Zeit eine Rolle bei der Punktbewertung spielt. Und auch, daß die Regeln zu nichts anderem führen KÖNNEN als zu Streitereien unter den Punktrichtern, von denen ein jeder seine eigenen Vorstellungen der akzeptablen Prioritäten hat. Von den üblichen Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der vor Wettkampfbeginn ausgelobten Bestechungsgelder für die Jury mal ganz abgesehen.

Und am Ende mutiert diese inselolympische Disziplin dann doch noch zu einem Zuschauer-Highlight, wenn die Prügeleien zwischen den Sportlern und den Jurymitgliedern beginnen. Wo gibt es das sonst noch, in der fairness- triefenden friedenstiftenden Welt des Sports?

Jedenfalls nicht beim Fußball, dem König der Sporte. Da wäre dem HErrn sei Dank auch heute noch undenkbar, daß Jury- Ergebnisse durch unlautere Geldzahlungen zu beeinflussen versucht würde, daß es Spielregeln gäbe, die Raum für falsche Entscheidungen ließen, oder, gar, daß Schiedsrichter Handgreiflichkeiten und unerlaubte Hilfsmittel beim unvermeidlichen Zweikampf dank ihrer professionellen Ausbildung nicht sofort erkennen und unerbittlich ahnden würden. Oft schon im voraus, beim Stollen- und Bekleidungs- Check. Selbst ein Nigel de Jong durfte den Platz nie mit einem im Schienbeinschoner versteckten Schlagstock betreten.

Hier jedoch: Ist doch klar, daß ein Sportler, der seinen vom

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Verband zur Verfügung gestellten großzügigen Bestechungsetat beim vorabendlichen Geheimtreffen mit der Jury rigoros ausgereizt hat, um dann im Endergebnis doch wieder nur den ominösen undankbaren vierten Platz zu belegen, wenn schon nicht sein Geld zurück, so doch zumindest blutige Fingerwurzelknochen mit nach Hause nehmen möchte. Zur Überraschung unserer aber hallo selbstverständlich vollzählig versammelten Parlaments- abgeordnetenabordnung tut sich dabei ein eher gedrungen gebauter Sportler hervor, der seine Rotkohlblätter noch an den rosagebratenen Ohren trägt, angemalt mit dem dynamite- weißen Kreuz auf rotem Hintergrund, und in dem wir nun endlich unseren Faxe erkennen! Hehehe!, - der Mann kann Nahkampf. Sehr fair, daß er diese Talente nicht hat raushängen lassen bisher, bei unseren überaus liebenswert gemeinten Frotzeleien am Barparlament. Wir beschließen spontan und einstimmig: Faxe hat ein gewonnenes Abstimmungsergebnis gut.

(und natürlich gibt’s weiterhin anlaßgemäße Musike für die gute Stimmung: Public Image, This is not a Love Song)

58. Bananenschalenstolpern

Tribut dem Veranstalter: Bananenschalenstolpern. Der erklärte Lieblingssport aller – hahaha – Bananenrepubliken.

Wird auch in den Hotelanlagen abends nach dem unvermeidlichen Bingo gerne gespielt, aber in der Variante als Badeseifenflutschen, hilfsweise mitunter auch als Bettvorlegerausrutschen.

Auf die Fresse fliegen mit guten Haltungsnoten, ein echter Publikumsrenner. Angeblich schon 1896 in Athen bei der Neuauflage der Modernen Olympiade im Programm, damals als Olivenölschlittern, - das ist leider in Vergessenheit geraten. Oder es will keiner mehr wissen.

Sie ja vielleicht auch nicht, liebe Leser. Also weiter hier, und zwar so:

Nachdem in Athen (doch noch mal der Rekkurs, ganz kurz

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nur) jedem Athleten der Ölbaumkranz vorangetragen wurde, aus dem das zu bestolpernde Öl in den Weg getropft wurde, geht jedem Sportler in der modernen Variante ein Mägdelein voran, um ihm die Bananenschalen vor den Stolperlauf zu plazieren. Solcherart das zutiefst Zeremonielle des alten Brauchs beizubehalten, aber in der Interpretation einer zeitgemäßen Sinngebung. Wochen schon vor Beginn der Spiele hatte es einen Wettbewerb in den inseleigenen Kitas gegeben. Welches Kind kann am schönsten Bananenschalen streuen? Die einheimische Bevölkerung mit ins Boot nehmen bei solchen Ereignissen, heißt das Motto. Wenn die Leute sich die Tickets fürs Stadion schon nicht leisten können. Aber dieser Aspekt gilt hier froherweise nicht. Freikarten für alle Eingeborenen, so geht das hier. Und Parlamentarier, selbstredend. Zahlemann sind die Touris, na also, versteht sich, gut so.

(René Aubry, Anikouni)

Geübt hatten die reizenden Kleinen sicherlich schon monatelang. Irgendwas muß man ja machen den ganzen langen Tag, in so einer Kita. Wird auf der Insel auch als Grundkurs für die Ausbildung zum Blumenmädchenstreuen anerkannt. Als Sieger(innen, sí claro) haben sich in quälerischen Qualifizierungsrunden das ganze Frühjahr hindurch am Ende dann erwiesen: 1. Martina, eine scheue 5jährige, die auf dem linken Auge schielt und auf diese Weise den bei erwachsenen Chicas so überaus anmutig wirkenden Effekt erzielt, sie würde den Betrachter unablässig ansehen, egal in welchem Winkel er ihren Blick zu treffen versucht.

Vermutlich ist es ihrem dadurch entstehenden Blickwinkel auf ihre Umgebung zu danken, daß es ihr mit jedem Wurf gelingt, eine besonders anmutige Bananenschalenformation in den Sand zu streuen. Gibt aber keine Extrapunkte. 2. Carlotta, eine dunkelschwarzbezopfte 4jährige, nach deren gleichnamiger Urgroßmutter angeblich vor Generationen eine Insel in der weiteren Umgebung benannt worden ist. Ihre kräftigen Zöpfe sind so lang, daß sie damit während des Streuens der Bananenschalen gleichzeitig die Laufbahn für die Wettkämpfer durchharkt. Vermutlich deshalb hatte sie eine Wildcard fürs Mitmachen bekommen. Soweit die Streukinder.

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Fehlt noch 3. Vanessa-Veronica. Sie schält vor. Die Bananen.

Selbst bei nur flüchtigem Hinsehen wird schnell offensichtlich, warum sie und nur sie den Job der Schälerin übernehmen darf. Per Schälvorgang erhält man die für die Sportart unverzichtbaren Schalen, soweit ist das klar. Aber die Bananen müssen ja nicht nur geschält werden. Sondern man muß dann irgendwo hin damit. Sie bleiben übrig.–

Nicht so bei Vanessa-Veronica. Sie pfropft sich eine Banane nach der anderen in den Schlund, und das nicht etwa, weil sie gerade blitzschnell zu regenerieren versucht nach einem absolvierten Marathonlauf. Eine solche Vermutung käme angesichts der von ihr vorgehaltenen Körperfülle ganz sicher niemandem in den Sinn. Ihren absolut kitakindgemäßen Abmessungen in der Vertikalen stehen zu vermutende Messergebnisse in der Körperbreite gegenüber, die die Höhenzentimeter um ein etliches überschreiten. Ich drücke es mal anders aus: Ich habe noch nie zuvor ein so dickes Kind gesehen.

Und so verschwindet Banane auf Banane in ihrem schmatzenden Schlemmermund, in beinahe tatsächlich Hast- du-nicht-gesehen, die Kleine hats drauf. Sie hat es halt. Ob sie das wirklich auch alles bei sich behält? War den Organisatoren wohl zu umständlich, diese wertvollen Nahrungsmittel etwas sinnstiftender endzuverwerten in einer hungrigen Welt. Unsere Insel als Mikrokosmos eines fehlentwickelten Planeten? Olympia als Metapher alles Falschen in dieser Welt? Wenn Sie´s nicht doch lieber etwas kleiner nehmen würden – doch doch, irgendwie trifft es das, durchaus.

Aber da stolpern sie endlich!

(The Clash, Rock the Casbah)

Entgegen der Usancen im neugermanischen Fernsehen hatte es relativ wenig Anmeldungen für diese Sportart gegeben, bei der man außer Peinlichkeiten-Satt und den üblichen fragwürdigen Medaillen wenig erben kann. Somit starten wir ohne Quali gleich mit dem Finale. Und kommen schon früh ins Stolpern. Ob es der Anblick von Vanessa-Veronica ist?

oder die unebene Ebene? Nr. 4, der Athlet aus Chemnitz, fliegt schon auf der ersten Banane dermaßen achtkantig auf die Fresse, daß er gleich mit dem Abtransportwagen

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kielgeholt wird („ich dachte, das Ding zählt nich, weils aussah wie ne Gurke“, hat er angeblich auf der Bahre ins Mikro gegeben, der nahenden Kamera angesichtig noch schnell seine Vokuhila schüttelnd). Auch der Athlet auf Bahn 7 kommt nicht aufrecht durch die erste Kurve. Der startet aber nicht fürs Endlager aus dem Klischeekabinett, sondern für die Nation of Glory. Er stolpert auch nicht, - oder nicht nur -, über die von den süßen Kita-Mädels vorbildlich gestreuten Bananenschalen, sondern über seinen im Übereifer bereits für den Siegesjubel vorbereitend vor sich her getragenen Star Spangled Banner-Glory-Lappen, mit dem er und seine Landsleute ihre Siege so gerne feiern, und der ihm in seinem eigentlich wohltemperierten 4-4tel-Lauftakt zwischen die Haxen gerät. Das war wohl bißchen vorauseilend früh, Soldier. Es schlägt ihn lang hin.

(Rolling Stones, Gimme Shelter)

Und so dezimieren sie sich rasch, die sportiven Arschkarten dieser Olympiade. Am Ende bleibt ein Zweikampf auf der Zielgerade: Asi Sakazaidzke, ein aus Japan eingebürgerter Georgier, der für Surinam startet, ein schon lange nicht mehr existentes Staatskonstrukt, das auf diese Weise versucht, in den Aufmerksamkeitshorizont der Weltwahrnehmung zurückzurutschen (sic!!; - niemand weiß, wer eigentlich dahintersteckt). Moment. Ich hör grad, es existiert doch noch?

Manno, das nenn ich Geheimhaltung. Donnerwetter!

Sein finaler Gegner ist ein schnauzbärtig daherkommender Exilfranzose mit Namen Raimondo Polidori, der fragwürdigerweise ebenfalls für Surinam startet. Nationalsport dort, vielleicht? Bei einigen Umsitzenden auf der Tribüne versichere ich mir des Wahrheitsgehalts der im Programmheft inskribierten Behauptung, er sei schon acht Mal Zweiter dieses Bewerbs geworden, habe aber noch nie gewonnen.

Mein GOtt, wie furchtbar – das muß man sich mal vorstellen - ob er es diesmal endlich schafft? Ich drücke ihm ehrlichen Herzens alle meine Daumen – viele sind es ja leider nicht.

Doch da rutscht er, der in seiner Heimat wohl nicht umsonst den Spitznamen „Popo“ trägt, sowas von hinterrücks auf der Banane aus und auf seinem Selbigen mitten hinein ins Gülleglück, das die Dithmarscher Kohlblätterwackler als Gastgeschenk am Rand des Parcours verteilt haben, damit

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wir alle Anwesenden teilhaben können an diesem unvergleichlichen Landduft aus dem Norden Deutschlands.

Leider waren alle teilnehmenden Nationen aufgefordert worden, zur Eröffnungsfeier etwas Landestypisches beizusteuern, eine in diesem Jahr erstmalig eingeführte Versuchssitte, auf die zukünftig vermutlich wieder verzichtet werden wird.

Rausgerutscht ist er also, einbiegend auf die Zielgerade noch auf Platz 1 liegend, und wieder wird er wohl nur Zweiter, der Raimondo. Es hat eine Tragik. Aber: Auch Asi knallt noch hin aufs Geläuf, kurz vor dem Ziel, ebenso wie „Popo“ aus seiner Gülle rappelt sich auch Asi wieder auf, die Zuschauer springen aus den Sitzen, recken die Hälse, um den Schlußspurt ja nicht zu verpassen. Beide Wettkämpfer stolpern dem Zielband entgegen, schon ziemlich entkräftet, abwechselnd auf Güllespuren und den letzten im Weg grinsenden Bananenschalen ausrutschend. Wer knackt den Jackpot namens Sieg?

Wer es immer noch nicht gemerkt hat: Diese Sportart ist selbstverständlich dem Andenken und künstlerischen Schaffen John Cleese´ gewidmet. Und der schlußendliche Sieger – das würde auch John gefallen – tut überhaupt nichts zur Sache.

Es geht schon aufs Finale zu.

Das Beutelrutschen!

Doch flugs zuvor noch, die Spannung erreicht unerträgliche Intensität, als Einlagewettbewerb, ohne Startnummern, und ohne Medaillenvergabe: Yorkshire-Terrier-Füttern.

(Quiet Village, Victoria´s Secret)

Heißt nur so, weil diese Nummer erfunden wurde in einem Teil Englands, der auf den schönen Namen Yorkshire hört. (In dem auch – wer ahnt es? – die Yorkshire-Terrier als solche erfunden wurden. Präzise gesagt: ihnen ihr Name verliehen wurde. - Ist dies hier hoffentlich das Kapitel mit den meisten überflüssigen Brüllern? Einer muß es ja machen, sagte der Hacker.)

Gefüttert werden nämlich keine Yorkis, denn solche gibt es hier auf der Insel wohl gar nicht. Vielleicht ist mal einer dabei, dann wohl ein Touri-Yorki, oder es ist mal einer „drin“ in einer der Promenadenmischungen, die jetzt durch den Sand

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sausen und nach den Leckerlis schnappen, die in der gekonnten Flughaltung bester Kölscher Kamelle aus dem Publikum geworfen werden. Ein großartiger Brauch, den ein früherer Inselchef einst eingeführt hatte, und wonach wenigstens einmal im Jahr die Inselhunde auf der Promenade (Brüller, Brüller, Brüller …) eingesammelt und auf den Strand gelassen werden. Wo sie normal ganz klar verboten sind, was die Hunde auch wissen und selbstverständlich respektieren.

Heute aber, zur Feier der Olympiade, gibt’s erlesenste Köstlichkeiten satt statt der üblichen Fußtritte für unsere 4beinigen Mitmenschen, Fleischragout für alle; was einer fängt aus dem Kamelleflug, das bleibt sein oder ihr und wird sogleich vor Ort genüßlich verschlungen, unter Hörbarmachung erheblicher Schmatz- und Kaugeräusche.

(Aproppo Fleischragout: Böse Zungen behaupten – und jetzt alle Yorki-Fans bitte weglesen -, also GANZ BESONDERS böse Zungen behaupten, - GANZ BESONDERS DOLL weglesen bitte -, der Ursprung dieses schönen Brauchs gehe auf von Seeräubern abstammende Einwanderer aus dem 19.

Jahrhundert zurück, die damals die auf der Insel streunenden wilden Hunde mit Yorkshire Terriern gefüttert haben, die zuvor beim Kapern einer nordenglischen Schaluppe unbemerkt an Bord der Piratendschunke gelangt waren, und – denn so ein paar Yorkis allein hätten diese schrecklichen Kerle ja gar nicht besonders genervt -, sich in der Folge in nur eineinhalb Jahren auf hoher See dermaßen rasant vermehrt hatten, daß bei einem kurzen Stopover im erstbesten nächsten Hafen auf der Insel Carlotta sogar die Schiffsratten laut fluchend von Bord reißaus genommen hatten ob der Verfressenheit der niedlichen Yorki-Bande. Die aus eben demselben Grund auch den Matrosen mächtig auf den Keks gegangen war. Nicht mal Kekse hatten sie übrig gelassen. So heißt es.

Ich bin ganz sicher: Dies ist einfach nur ein ganz ganz besonders blödes Gerücht.)

59. Das Beutelrutschen

Doch dann der Höhepunkt, endlich.

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Nunja, so ein Höhepunkt darf ja nicht zu früh kommen, gell?

Und es kommt zunächst mal Freude auf. Freude als Vorfreude, sozusagen. Fiebrig erwarten alle im weiten Rund die Königsdisziplin. Und es geht ein Raunen durchs Stadion:

Es folgt das sagenumwobene BEUTELRUTSCHEN. Das legendäre.

(Quiet Village, Circus of Horror)

Die bloße Existenz dieser Sportart wurde lange Zeit nur hinter sehr gut versteckt vorgehaltener Hand kommuniziert. Und hat bisher noch allen Abwerbeversuchen der Marketingexperten aus Las Vegas getrotzt. Falls jemand irgendeinen Zweifel daran haben sollte, sei hier ausdrücklich angemerkt: Die Marketingexperten aus Las Vegas sind die absolut und undiskutierbar besten Marketingexperten aller momentan bekannten Welten. Eine Goldgrube machen aus einem schlappen Flecken sandigster Wüste – ich muß doch sehr bitten, Leute, dazu gehört schon was. Diese Leute wissen was sie tun. Respekt. Aber das Beutelrutschen haben sie nicht gekriegt.

Und das geht so, jetzt.

Endlich.

Also:

Quer und schräg und hin und her über den Strand wird eine sehr lange Wäscheleine gespannt, in ca 3 Meter 50 Höhe.

Darf sich aber nirgends überlappen. Stabil muß sie sein.

Jeder Wettkämpfer bekommt als Wettkampfgerät einen Turnbeutel zur Verfügung gestellt. Darin ein Paar Sportschuhe, es sind nicht seine eigenen, Sportshirt, eine Leggings, alles gebraucht und bißchen verschwitzt. Die Sportkleidung muß dem Sportler nicht passen, darf aber samt Beutel das Gewicht von 4 Kilogramm nicht überschreiten. Und nicht leichter sein als 3 Kilo. Der Besitzer der Sportkleidung darf dem Wettkämpfer nicht persönlich bekannt sein, die Beutel aus klassischem Turnbeutelstoff werden den Sportlern zugelost.

Nach Aushändigung der Sportgeräte an die Teilnehmer erfolgt die Startaufstellung der Beutel. Traditionsgemäß darf der Vertreter des Gastgeberlandes, also unserer Insel, als erster die Position wählen, an der er seinen Beutel aufhängt auf der Wäscheleine. Er wählt Startplatz 1, also ganz vorne

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auf der Leine. Die anderen maximal 11 Starter für die Königsdisziplin – die Olympische Weltjugend hat das mögliche Kontingent natürlich voll ausgereizt – dürfen die Startplätze für ihre Beutel in der Reihenfolge des Beutelbruttogewichts auswählen. Der Wettkämpfer mit dem leichtesten Beutel darf zuerst, getreu dem Motto „schwer rutscht gut“, kann also von hinten noch aufholen; er wählt Startplatz 2, der nächst Leichtgewichtige wählt dann Startplatz 3, und so fort. „Es nimmt nicht wunder, daß jeder den jeweils noch übrigen maximal möglichst weit vorne befindlichen Startplatz auswählt“, raunt mein Sitznachbar mir zu, und schiebt auf mein fragendes Augenbrauenrunzeln hinterher: „Zum ersten Mal beim Beutelrutschen, hm?“

Jetzt nehmen die Beutelsportler Aufstellung, und los geht’s.

Infernalische Anfeuerungstornados heben zeitgleich an mit dem Startschuß, das entfesselte Publikum sei in manchen Jahren bis auf einige Nachbarinseln zu hören, so heißt es, - Nachbarinseln, deren höchste Erhebungen man wohlgemerkt selbst mit einem globusgleich gekrümmten Fernrohr von hier nicht zu blicken vermag.

Unter der Leine mit den Beuteln jagen die Athleten durch den Sand, den Arm hocherhoben am Beutelende. Manche schieben von hinten, eine mittlerweile allerdings überholte Technik, die meisten ziehen von vorne und bewegen ihren Beutel solcherart auf die menschenmöglich flotteste Weise die Leine entlang. Schnell rückt der Inselsportsmann auf Position 1 weiter voran, gefolgt von Dänemark auf Platz 2, auf Position 3 legen die Inseln unter dem Winde einen knallharten Zwischenspurt ein, der den Abstand auf den aktuellen Faxe verkürzt, aber zu keiner Positionsverbesserung führt.

Dithmarschen auf 4. Texas, nach dem Kohlblätterwackeln noch auf Position 1 gelegen, hält weiter Platz 5. Insgesamt sind in den ersten beiden Runden keinerlei Veränderungen der Plazierungen zu beobachten. Oftmals rutscht ein Beutel nahe heran an den vor ihm hängenden, aber es kommt zu keinem Überholmanöver. Auf der dritten Runde – von vieren – ziehen alle das Tempo nochmal kräftig an, was, wie mir aufmerksam zuschauend zu dämmern beginnt, nur deshalb möglich ist, weil der Inselmann auf Position 1 dies tut, und ihm der Zweite folgt usf usf. Selbst Vatikanstaat auf Position

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12 hält mit in einem an Dramatik nicht zu überbietenden Kopf- an-Kopf- will sagen Beutel-an-Beutel-Rennen, bei dem niemand auch nur einen Zentimeter zu verschenken bereit ist.

Unter vielfachem heftigen Zerren und Zotteln an der Leine, bei dem sich alle bis zur maximalen Erschöpfung verausgaben, kommen schließlich alle Teilnehmer nahezu zeitgleich ins Ziel, Beutel an Beutel, und natürlich in derselben Reihenfolge, in der sie gestartet waren.

Doch was ist das??? Nun stoppen alle Wettkämpfer, wie von Geisterhand befohlen, alle gleichzeitig ihr muskelnotwendig dringendes Auslaufen, rennen den Weg zum Anfang der Zielgeraden zurück, aber im Rückwärtsgang und Zeitraffertempo, wie zurückgespult, und zeigen den Endspurt auf der Zielgeraden dann noch einmal, jetzt aber wie in Zeitlupe. Für den Fall daß auf den beinah wie von Sinnen tobenden Zuschauerrängen zuvor nicht alle alles mitbekommen haben sollten.

Bei Fernsehübertragungen ist man schon seit langem dazu übergegangen, solche sogenannten Wiederholungen mit Hilfe einschlägiger technischer Hilfsmittel anzubieten. Kein Ding.

Hier jedoch wird das noch, wie zu Großvaters Zeiten, live angeboten! Alle Athleten, und seien sie noch so erschöpft, machen mit bei dieser halsbrecherischen Volte. Toller Service für die Zuschauer! Und da ist keiner dabei, der angelegentlich versucht, den vorigen Ablauf des Zielsprints nun unauffällig zu korrigieren. Der Beifall für diese mindestens Kunststück zu nennende Darbietung will nicht enden.

Und endlich verstehe ich: Dies ist die Ultima Ratio des Sports mit anderen Mitteln. Des Sports als solchem. Oder umgekehrt. Es geht nicht um den Sieg, ums Gewinnen. Den anderen zu schlagen. Ums Wettkämpfen geht’s. Streiten darum, es gut zu machen. Es zu richten. Den Beutel in Position zu halten. Nicht nachzulassen. Sein bestes zu geben. Rutschen rutschen rutschen. Bei sich zu sein, ganz.

Und es geht ums Dabeisein. Das nämlich alles ist. Da hatte der Baron de Huberty schon recht. Und der Seibeimich hat seine Freude.

(Donovan, Get thy Bearings)

Am Ende werden Siegerehrungen abgehalten, fragwürdige Siegerinterviews über den Stadionlautsprecher verbreitet und

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Medaillenspiegel ausgerechnet. Unsere Insel hat wieder den Gesamtsieg davongetragen. Es regen sich vereinzelte Kommentare von Schlachtenbummlern aus Gastnationen, die darauf abheben, man könnte ja mal – versuchsweise, mal sehn, wie es ankommt – bei der letzten Wettkampfart (dem Beutelrutschen, sprichs ruhig aus, wenn du dich traust) die Startposition 1 nicht von vornherein dem Gastgeber zubilligen. (Käme nicht gut an, das sag ich dir gleich. Nicht auf dieser Insel.) Nachdem die Cortezsippe im Zuge ihrer Regierungsübernahme verfügt hatte, daß der Sieger des letzten Bewerbs zugleich zwingend auch der Gesamtsieger der Spiele sein soll, hat es dem Vernehmen nach keine anderen Sieger gegeben als unsere Insel.

Na und? Schon mal was von Heimvorteil gehört?

Cuenta hat den Abend genossen. Kein Wunder: Nirgendwo wird nach dem pekuniären Begleichen von Verzehr gekräht.

Niemand bekommt eine Rechnung präsentiert. So könnte das Leben weitergehen.

Wird es aber nicht.

……

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