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Vorlesungsnotizen von Prof. Engel-Doyle (Version: November 2007)

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Vorlesungsnotizen von Prof. Engel-Doyle (Version: November 2007)

1. Erklärung des Begriffes Erziehung in Gotthold Ephraim

Lessing

s

geschichtsphilosophischer Schrift:

Erziehung des Menschengeschlechts (1781)

1.1. geschichtsphilosophische Schrift => Erziehung = geschichtsphilosophischer Begriff analogisch zur Erziehung des einzelnen Menschen

ein von einem deistisch bzw. pantheistisch wirkenden Gott durch die Offenbarungen des Alten und Neuen Testamentes nachgeholfener

fortschreitender Erkenntnisprozess der Menschheit in und durch die Geschichte hindurch

= ein sich progressiv entwickelnder Bildungsprozess im Sinne des aufklärerischen Humanismus Resultat: Geschichte = Erziehungsgeschichte (für Lessing),

denn dieser geschichtliche Bildungs- oder Erziehungsprozess entspreche in seinen Stadien

und seinem Ziel der sinnvollen Abfolge der geschichtlichen Entwicklung (so wie Lessing sie versteht) 1.2. Was ist das Ziel/Endziel des erziehungs-geschichtlichen Prozesses nach Lessing?

Endziel der Erziehungsgeschichte / des Bildungsprozesses

= die vollkommene Ausbildung der Vernunft (die Lessing rein intellektuell, nicht religiös versteht!) => Bildung beziehungsweise Erziehung (für Lessing) =

= die Entwicklung der größten Helligkeit des Verstandes (N.B.: traditierte Religion reduziert auf erzieherische Rolle; Religion als Mittel zum Zweck;

ohne Wert darüber hinaus.) Es geht laut Lessing in der Geschichte also um

• die totale Erziehung

• der totalen Menschheit

• zur Totalität des Allwissens / der Allerkenntnis

(mittels der perfekt auszubildenden menschlichen Vernunft).

(2)

1.3. Manifestation der höchsten Erkenntnis des Menschen

(nach Lessing!)

= SITTLICHKEIT [Moralität]

(=orthopraktisches Bild des Allwissens)

Sittlichkeit (nach Lessing):

das

Gute um des Guten willen

zu tun,

OHNE dabei irgend an diesseitige oder jenseitige Belohnung oder Strafe zu denken (Dazu sei der einzelne Mensch ebenso wie die Menschheit erst

bei größter Helligkeit des Verstandes fähig,

die für Lessing--übrigensganz im Gegensatz zu Kant--das Böse ausschließt!)

(3)

1.4. Gang der Erziehung des Menschengeschlechtes zur Sittlichkeit (nach Lessing!) in Analogie zur Entwicklung des einzelnen Menschen!

Stufe 1:

Kindesreich

des Alten Testaments

Stufe 2:

Knabenalter

des Neuen Testaments

Stufe 3

= Endstufe = Erziehungsziel:

zukünftiges Erwachsenenalter der vollendeten Bildung

= "ein drittes Evangelium / Testament" / "ein drittes Reich"

das zunächst

primitive und barbarische Volk der Juden ist

noch nicht fähig,

abstrakte Konzepte zu fassen: die Erziehung, die Vermittlung von

Erkenntnissen erfolgte mittels von sinnlichen Bildern; sittliches

Handeln orientierte sich allenfalls an Strafen auf der gleichen Lebensstufe, im Diesseits

das Volk der Juden und von ihm angeleitet die Menschheit ist fähig,

gewisse abstrakte Konzepte zu begreifen wie zum Beispiel das des ewigen Lebens / eines Lebens im Jenseits zu

begreifen, und zwar als etwas, das das sittliche Leben

beeinflußt, als etwas, das höhere sittliche Werte

erfordert = Strafe/Belohnung auf späterer Lebenstufe, im Jenseits

die ganze Menschheit = ALLE Menschen!!!

(aus rein abstrakten Vernunfts- gründen; aus rein abstrakter Humanität)

tun das Gute um des Guten willen ohne dabei irgend an diesseitige oder jenseitige Belohnung oder Strafe zu denken

=>das Ende von Geschichte als Erziehungsgeschichte!

=menschliches Allwissens

=menschliche Allerkenntnis

(4)

1.5. Welche Rolle spielen Jahve und Christus in der Erziehung des Menschgeschlechts nach Lessing?

Der Gott des Alten Testaments, Jahve also, und Christus werden verstanden als

• DIE GROSSEN ERZIEHER des Menschengeschlechtes, wobei ihnen

• wohl in Anlehnung an die Sokratisch-Platonisische Mäeutiklehre (Hebammen-Hypothese!) nurmehr die Funktion zukommt,

• die im Menschen schon angelegte, vorhandene Vernunft schneller zu entwickeln und zur Vollkommenheit zu bringen: "§4 Erziehung gibt dem Menschen nichts, was er nicht auch aus sich selbst haben könnte: sie gibt ihm das, was er aus sich selber haben könnte, nur geschwinder und leichter. Also gibt auch die Offenbarung dem Menschengeschlechte nichts, worauf die menschliche Vernunft, sich selbst überlassen, nicht auch kommen würde: sondern sie gab und gibt ihm die

wichtigsten dieser Dinge nur früher." (Lessing, Erziehung des Menschengeschlechtes)

=>Dementsprechend kann man auch von Er-Ziehung bei Lessing sprechen,

denn Gott zieht aus dem Menschen nur heraus, was ihn ihm schon vorhanden.

(Gott als Hebamme!)

1.6. Wie löst Lessing das Problem, dass seine postulierte totale Erziehung zur Totalität der Allerkenntnis wirklich die totale Menschheit umfasst und nicht nur die Menschen, die leben, wenn das "dritte Reich / Testament der vernünftigen Humanität" anbricht?

Lessing schlägt dazu den Gedanken an Metempsychosis [= Seelenwanderung] als Ausweg vor (siehe Teil 3 dieser Vorlesungsnotizen).

(5)

2. Was ist Lessings Offenbarungs-Begriff/Verständnis?

= Wie versteht Lessing die Offenbarung im Zusammenhang seiner Geschichtsphilosophie?

2.1. These: Lessings Offenbarungs-Verständnis ist un- beziehungsweise anti-judeo-christlich

immanentisiert und säkularisiert die Offenbarung des Alten sowie des Neuen Testaments, degradiert sie geradezu blasphemisch-häretisch von der ewig gültigen Offenbarung des

transzendenten Gottes beziehungsweise des transzendenten dreieinigen Gottes zu einem

Erziehungsmittel, ja gar zu einem zeitlich beschränkten Spielfeld der Erkenntnis für die menschliche Vernunft

2.2. Beweisführung:

judeo-christlich Auffassung Lessings Auffassung

Offen --gibt etwas dem transzendenten Bereich --die menschliche Vernunft ist keinerlei barung Zugehöriges dem menschlichen Blick frei, Beschränkungen unterworfen

tut dem Menschen etwas kund, was dieser --"die Offenbarung [gibt] dem Menschen- mittels seiner beschränkten Vernunft, eben geschlechte nichts, worauf die mensch- ohne Offenbarung, nicht hätte erkennen liche Vernunft, sich selbst überlassen, können, und der Mensch, indem ihm die nicht auch kommen würde: sondern sie Offenbarung zuteil wird, erkennt, dass er gab und gibt ihm die wichtigsten Dinge ohne Hilfe Gottes das Geoffenbarte nie nur früher" (§4)

hätte erkennen können (Auserwählung des --geoffenbarte Wahrheiten sind Volkes Israel; Sendung des Messias durch den "gleichsam das Facit, welches der Vatergott, Erlösungstat Christi und seine Rechenmeister seinen Schülern voraus Auferstehung von den Toten und Himmelfahrt, sagt, damit sie sich im Rechnen [...]

trinitarischer Gott, Unsterblichkeit der Seelen, darnach richten können" (§76)

Ankündigung des Jüngsten Tages und die [N.B.: das ist eine pseudowissenschaft- Auferstehung der Toten) liche Parabel Lessings!!!]

--erlaubt ein Eindringen in diese Geheimnisse, nicht jedoch deren Durchdringung

(6)

Lessings Auffassung christliche Auffassung A l t e s --"Elementarbücher" (= einführende Textbücher), --Offenbarungen

und an denen sich der menschliche Verstand solange Neues wetzt, bis er schärfer und klarer geworden ist, T e s t a - und alles das, was einmal als geoffenbarte Wahr-

m e n t heiten galt, als Vernunftwahrheiten erkennt --das Neue Testament hebt das Alte --Neues Testament hebt Altes Testament auf Testament nicht auf, sondern führt es --wenn der menschliche Verstand über ihren weiter, fügt weitere Offenbarungen unmittelbaren Inhalt hinauswächst muss man hinzu

ihm das Elemenatarbuch (AT/NT = geoffenbarte --NT und AT werden bis zum Jüngsten Religion) wegnehmen = verbieten, weil es ihn Tag maßgeblich sein, nie als überholt

nicht weiterbringt gelten

[--Mittel zum Zweck, so/auf dass in der Menschheits-geschichte

"die Offenbarung zur Vernunft" komme (Beyschlag)]

[--Theologie / AT+NT werden

ersetzt durch Geschichtsphilosophie wie

zum Beispiel die von Fiori oder Lessings selbst]

2.3. Die Implikationen von Lessings säkularisierendem, immanentistischen Offenbarungs-Verständnis sind in letzter Konsequenz, die Lessing allerdings nie offen ausspricht, nur impliziert, atemberaubend:

Religion = Erziehung zur höchsten Klarheit der Vernunft vs. Erziehung zur Immitatio Christi und zur absoluten Sittlichkeit

religiös = was der Erziehung zur Vernunft dient vs. was einen Transzendenzbezug hat

s i t t l i c h = vernünfig vs. was Gott vorschreibt

=>das Gute als absoluter Begriff und absolute Sittlichkeit nehmen den Platz Gottes ein

(7)

E r - durch menschliche Allerkenntnis = Gnosis, vs. durch Christi einmalige Erlösungstat lösung =>Gnosis als Erlösungsmittel vs. Gnosis = der Sündenfall, der die

Austreibung aus dem Paradies bewirkte und Erlösung notwendig machte.

Ewiges --durch Metempsychosis = Seelenwanderung vs. Glaube an

Leben --nie endende Menschengeschichte vollendet die Auferstehung der Toten am immanentistisch auf dieser Erde / im Diesseits Jüngsten Tag und ein Weiterleben im "dritten Reich" der perfekten, absoluten im Jenseits (Himmel und Hölle) Vernunft=Sittlichkeit=Humanität=Menschlichkeit

--der Mensch als Gott vs. Gott = Existenzgrund des Menschen

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3. Lessings Seelenwanderungstheorie

Lessing prasentiert seine Seelenwanderungstheorie in Erziehung des Menschengeschlechts im Potentialis, als dezidierte Spekulation

a) um durch die Zensur zu kommen

b) um einen Teil seiner potentiellen Leserschaft nicht zu sehr 'vor den Kopf zu schlagen/stoßen'.

Wirklich aber ist Lessings Seelenwanderungstheorie

ein wesentlicher Bestandteil der immanentistischen Grundthese Lessings von einer

progressiven Entwicklung der Menschheit in der Geschichte, das heißt von seinem Postulat, dass es in der Geschichte um die totale Erziehung/Bildung der totalen Menschheit, das heißt der

Menschheit als Ganzer sowie jedes einzelnen Menschen, zur Totalität des Allwissens, der Allerkenntnis gehe, wobei sich diese zukünftige höchste Erkenntnis der Menschheit in absoluter Sittlichkeit

manifestieren werde, darin also, dass alle Menschen orthopraktisch das Gute um des Guten willen tun werden.

Dabei ist Lessings Seelenwanderungstheorie die deus-ex-machina-hafte rein immanentische Auflösung des DILEMMAS, das sich daraus ergibt, dass die von ihm postulierte

geschichtliche Entwicklung sehr, sehr langsam vorgeht, ja in der Spanne eines Menschenlebens so gut wie gar nicht merkbar ist.

Erst Seelenwanderung hier auf dieser Erde garantiert, dass jeder einzelne Mensch, jedes kleine Rädchen im Getriebe des großen Rades der Geschichte im Diesseits die gleiche Bahn durchläuft wie das Rad der Geschichte selbst (§92ff), also zum gleichen Ziel fortschreitet: dem dritten neuen, ewigen Reich der Allerkenntnis und absoluten Sittlichkeit, wobei im Laufe dieser Progression das Böse angeblich immer weiter ausgeschlossen werde, bis schließlich nur das Gute als Absolutum übrigbleibe [--eine rationale Vorstellung, die gefährliche dialektische Austauschbarkeit dieser zwei Begriffe völlig außer acht läßt!!!].

Bei Lessing geht es also im Wiedergeburtsprozeß um die Vervollkommnung der einzelnen Menschen ebenso wie der Menschheit als Ganzer, das Erreichen von Allwissen, die Gestaltung eines irdischen Paradieses. Dabei gilt nun, dass Lessings Seelenwanderungstheorie ebenso immanentistisch konzipiert ist, wie seine Vorstellung von der Zeit des dritten Evangelium, vom dritten Reich eine rein diesseitige ist.

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Transzendentale Vorstellungen und ein Jenseits zieht Lessing also eigentlich nie wirklich in Betracht, um der (Welt- oder Menschen-) Geschichte einen Sinn zu geben. Darüber kann weder sein Gebrauch des Begriffs Gott, noch seine Antwort auf die Frage: "§ 98 Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? . . ." hinwegtäuschen, die lautet: "§

100 Oder, weil so zu viel Zeit für mich verloren gehen würde? -- Verloren? -- Und was habe ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?" Hier verwechsel Lessing nämlich wohl doch Ewigkeit mit Unendlichkeit. Die "Ewigkeit", von der er hier spricht, ist ja nichts weiter als das immanente, diesseitige dritte Reich, zu dem die Geschichte aufsteigt und das Geschichte aufhebt, in dem aber doch der Ricorso der Wiedergeburten unendlich weitergehen muss, es sei denn Lessing hätte gedacht, dass die Menschen plötzlich unsterblich würden, was doch wohl kaum wahrscheinlich für ihn ist. Bei Lessing ist also die Erde der Platz der Wiedergeburten, und seine Wiedergeburtstheorie ist ein unendlicher, immanentistischer Ricorso auf das rein diesseitige, irdisch-paradiesische 3. Reich hin und in diesem.

(N.B.: Im Unterschied zu anderen Geschichtsphilosophen der Zeit mit Seelenwanderungstheorien geht es bei Lessing eigentlich zuerst und vorrangig um einen metempsychotischen Vernünftig-ungsprozess einen Ver-sittlich-ungsprozess hin auf absolute Sittlichkeit und nur insofern um einen Vergeistigungsprozeß.

Schließlich kann noch gesagt werden, dass Lessing zu seiner Wiedergeburtstheorie aufgrund begrifflich- konzeptueller menschen-geschichtsphilosophischer Spekulationen kommt: für Lessing ist der

Wiedergeburtsgedanke die Folge von geschichtsphilosophisch vernünfigem, wenn auch spekulativem Denken, nicht von naturwissenschaftlich-evolutionären Extrapolationen.)

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