Roadpricing in Städten und Regionen
Mobilitätswende? Theoretische und angewandte Perspektiven auf die Transformation von Verkehr und Mobilität 27.05.2021 Dominik Suske
&
Tobias Krämer
Gliederung
1. Roadpricing
2. Status quo Stockholm 3. Wirkungen
4. ÖPNV 5. Akzeptanz
6. Kritik am Konzept “Roadpricing”
7. Gruppenarbeit - Citymaut in Frankfurt?
8. Literatur
Roadpricing
● Zählt zu den Maßnahmen der Verkehrs- und Netzbeeinflussung
● 1937 Golden Gate Bridge San Francisco
● 1956 erste Autobahnmauten in Italien
● 1975 erste Citymaut in Singapur
● 1986 Bergen Citymaut
● 1990 Oslo Citymaut
● 2003 London
● 2006 Stockholm
○ Ziele: Verkehrslenkung und Refinanzierung von Infrastruktur
Push and Pull
Quelle: TOPP: Autofreie Innenstädte -Bisherige Erfahrungen; SVT, 5/1992Bisherige Erfahrungen; SVT, 5/1992
Frage
Welche Wirkungen ergeben sich aus Maßnahmen im Sinne des Roadpricings und wie kann für derartige Maßnahmen Akzeptanz in der Bevölkerung geschaffen werden?
Roadpricing
Quelle: https://www.itsinternational.com/sites/ropl-its/files/29902.jpg
Quelle:
https://d3i71xaburhd42.cloudfront.net/31ad3090b053ac9315dabba25f37bf4784a095 81/12-Figure2-1.png
Status quo
Stockholm
Wirkungen
Quelle: Eliasson (2014)
Wirkungen
Auswirkungen auf Verkehr in Stockholm
Testphase und ursprüngliche Konzeption 2006-2015:
● Reduktion des Verkehrs durch die Mautstellen um etwa 21% in der Testphase
● Reduktion der gefahrenen Kilometer in der Innenstadt um etwa 16%
● kein signifikanter Anstieg des Verkehrs auf mautfreien Hauptstraßen zu erkennen
● Effekte bleiben auch nach permanenter Einführung 2007 stabil
● Deutliche Steigerung der Anzahl von “Green Cars” bis 2009 Nach Erhöhung der Preise und Ausweitung 2015:
- Weitere Reduktion des Verkehrs durch die Mautstellen um etwa 5% in 2015 und 2016
- keine mautfreies Durchfahren von Stockholm mehr möglich (Essinge Bypass ist nicht mehr kostenfrei)
Wirkungen
Kurzfristige Anpassungseffekte:
● Starke Reaktion auf Einführung der Maut in den ersten Monaten der Testphase
● Fast ein Viertel der Pendler*innen wechseln zum öffentlichen Verkehr
● Etwa 22% des Freizeitverkehrs verschwindet
● Etwa 15% des geschäftlichen Verkehrs wird verlagert Langfristige Anpassungseffekte:
● Längere Zeitspanne zur Anpassung an Maut nach permanenter Einführung ermöglicht Stabilisierung bzw.
Vergrößerung der Effekte trotz externer Faktoren (Bevölkerungswachstum etc.)
● Bürger*innen finden langfristig Wege mit der Maut umzugehen und verändern Verhalten
● Anschaffen von “CO²-armen Autos” (insbesondere bis 2009)
Vergleich ÖPNV 2006 mit 2005
● 197 zusätzliche neue Busse
● 12 neue Bus-Expressrouten
● 18 Busrouten mit erweiterter Bedienung
● Höhere Bedienfrequenz bei U-Bahnen und Zügen
● +40.000 Passagiere pro Tag im Schienenverkehr
● +25.000 Passagiere pro Tag im Busverkehr (+9 % im Vergleich zum Vorjahr)
ÖPNV
Quelle: https://www.sll.se Quelle:https://international.stockholm.se
Akzeptanz
Politische Akzeptanz:
● 2002: Stockholms sozialdemokratische Bürgermeisterin schließt “Roadpricing” in der Stadt aus
● Vor Testphase 2006: Nur Grüne für “Roadpricing”, Sozialdemokratische Partei führt Testphase nur aufgrund politischen Drucks durch den Koalitionspartner in der Stadt ein
● Nach Testphase 2006: Referendum über dauerhafte Einführung der “Stausteuer”
● Nach permanenter Einführung 2007: Alle etablierten, schwedischen Parteien für “Roadpricing”
Grund für politisches Umdenken: Klärung der zukünftigen Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen und Möglichkeit Investitionen in Verkehrsprojekte zu tätigen (Stockholm erhält neben den Mauteinnahmen weiterhin nationale Gelder) Allerdings: Weiterhin Debatten und Uneinigkeit über Verwendung der Gelder
=> Im Jahr 2009 bildet sich auch in Göteborg ein breiter politischer Konsens für “Roadpricing” und 2013 wird ebenfalls eine so genannte “Stausteuer” eingeführt
Akzeptanz
Entwicklung der Akzeptanz zu Gunsten von Roadpricing am Beispiel Stockholm:
Quelle: Börjesson, M. & I. Kristoffersson (2018)
Akzeptanz
Gründe für sinkende Akzeptanz vor der Testphase:
● Rolle der Politik bei Einführung der Testphase (Wortbruch von Bürgermeisterin Billström)
● Schwedische Medien stehen dem Projekt negativ gegenüber
● Bevölkerung befürchtet tiefgreifende Einschnitte in ihre Mobilität
● Framing als umweltfreundliches Projekt verhindert noch stärkeres Sinken der Akzeptanzwerte
Akzeptanz
Gründe für steigende Akzeptanz nach Testphase und Einführung:
● Bürger*innen können ihre Meinung anhand einer bereits umgesetzten Maßnahme bilden
● Positive Effekte sichtbar: Funktionierende Abwicklung an Mautstellen, Staureduktion, etc.
● Einschnitte in den Alltag der Bevölkerung geringer, als angenommen
● Große Teile der Bevölkerung akzeptiert Maßnahmen, die nicht mehr zu verhindern sind (“accept the unavoidable”)
● Schwedische Medien berichten positiver über die Maßnahme
Quelle:
https://www.aftonbladet.se/nyheter/a/G1yJ1B/
nu-har-folk-insett-fordelarna
Kritik
● Einnahmen wurden nicht nur zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs verwendet, sondern auch um Straßenbauprojekte umzusetzen (“The Stockholm Bypass”)
● Keine genau Transparenz bei der Umverteilung der Mauteinnahmen
● Autofahrer werden nicht genügend zu einem Umstieg auf andere Verkehrsmittel angeregt, sondern sollen Straßen nur effektiver nutzen => Mobilitätsmuster werden nicht stark genug verändert
● Definition von “Green Cars”, die von der Maut befreit waren, nicht passend
● Vermiedene Staus machen Autoverkehr attraktiver
● Ungleichheit bei der Möglichkeit zur Anpassung an die Maut (Einkommen, Wohnort, etc.)
● Vermeidung von Mobilitätsverhinderung
=> “[T]here is in the end no radical confrontation of private motorism.” (Richardson et al. 2010: 11)
Gruppenarbeit
Welche Argumente des Roadpricing könnten die Frankfurter von einer Einführung eines Roadpricing-Konzepts überzeugen?
1. Wie sollte die Politik zu Gunsten von Roadpricing argumentieren? (Gruppe 1)
2. Welche begleitenden Maßnahmen können die Akzeptanz für eine Umsetzung erhöhen? (Gruppe 2) 3. Wie könnte eine gerechte Maut aussehen und wie könnten diese Einnahmen verteilt werden? (Gruppe 3)
Artikel:
https://www.fnp.de/frankfurt/gruene-und-volt-planen-city-maut-in-frankfurt-90480213.html#:~:text=Ru nd%2011%2C50%20Euro%20pro,Anwohner%20zahlen%20nur%20zehn%20Prozent.
Literatur
Börjesson, M. et al. (2012): The Stockholm Congestion Charges - 5 years on. Effects, accepatibilty and lessons learnt. In: Transport Policy 20 (2012). S. 1-12.
Börjesson, M. & I. Kristoffersson (2018): The Swedish congestion charges: Ten years on. In: Transportation Research Part A: Policy and Practice 107. S. 35-51.
Eliasson, J. (2008): Lessons from the Stockholm congestion charging trial. In: Transport Policy 15 (2008). S. 395-404.
Eliasson, J. (2014): The Stockholm congestion charges: an overview. CTS Working Paper 2014:7.
Olsson, A. R. & D. E. Davis (2017): Expanding the Scope of Sustainability Planning: Lessons from Stockholm’s Congestion Charging Policy.
In: Urban Planning Vol. 2 Issue 4 (2017). S.81-92.
Richardson, T. et al. (2010): Changing Frames of Mobility through Radical Policy Interventions? The Stockholm Congestion Tax. In:
International Planning Studies Februar 2010.