POLITIK LEITARTIKEL
Arzneimittelbudget
Überschreitungen können auf 1995 übertragen werden
Mehr als ein Jahr lang hing die Drohung, aus eigenen Ho- norarmitteln eine eventuelle Überschreitung des Arzneimit- telbudgets ausgleichen zu müssen, wie ein Damoklesschwert über den niedergelassenen Kassenärzten. Jetzt ist die Ge- fahr fürs erste gebannt. Die Kassenärztliche Bundesvereini- gung und die Spitzenverbände der Krankenkassen haben sich darauf verständigt, Über- und Unterschreitungen auf das nächste Budgetjahr zu übertragen. Das heißt: Erst im
Jahr 1996 wird Bilanz gezogen — dann aber für den gesam- ten Zeitraum von 1994 bis 1995. Zugleich einigten sich die Vertragspartner auf ein neues Budget für Arznei- und Heil- mittel. Obwohl ein Ausgleich vorläufig entfällt, sieht die KBV keinen Anlaß zur Entwarnung. Unter dem massiven Druck des Arzneimittelbudgets seien die Wirtschaftlichkeitsreser- ven erschöpft. Spielraum für die Ausweitung der Verordnun- gen besteht also nicht, Sparsamkeit bleibt oberstes Gebot.
ange Zeit glich die Situation ei- nem Blindflug. Ohne auch nur über halbwegs konkrete Orien- ierungsdaten zu verfügen, stan- den die mehr als 100 000 Kassenärzte unter dem Zwang, ihre Ausgaben für die Verordnung von Arznei- und Heil- mitteln unter einer bestimmten Gren- ze zu halten: Bundesweit durften nicht mehr als 34,5 Milliarden DM für beide Verordnungsbereiche aus- gegeben werden. Bei Überschreitun- gen wären die Kassenärzte mit ihren Honoraren zum Ausgleich der Mehr- ausgaben herangezogen worden.
Was die allgemeine Unsicherheit noch erheblich verstärkte: Nach dem Willen des Gesetzgebers galt ab 1994 nicht mehr das Bundesbudget, bei dem regionale Unterschiede aufge- rechnet werden konnten, sondern maßgeblich waren allein die regiona- len Budgets. Über deren Höhe und den jeweiligen Grad ihrer Ausschöp- fung fehlten jedoch sämtliche Infor- mationen. Den Kassenärztlichen Ver- einigungen blieb somit nur das per- manente Mahnen, insgesamt äußerst sparsam zu verordnen.
Nach den bislang vorliegenden — noch nicht gesicherten — Zahlen ist es in keiner der westlichen Kassenärztli- chen Vereinigungen zu Budgetüber- schreitungen gekommen. Lediglich das Heilmittelbudget in Berlin wurde mit rund einem Prozent überschrit- ten. Anders sieht es bei den Ost-KVen
aus. Dort muß in fast allen Fällen mit Überschreitungen gerechnet werden.
Daß dies keine unmittelbaren Folgen für die betroffenen Ärzte ha- ben wird, ist einer Vereinbarung zu verdanken, die jetzt von der KBV mit den Spitzenverbänden der Kranken- kassen getroffen worden ist. Danach haben sich die Vertragspartner darauf verständigt, daß Überschreitungen des Budgets 1994 ins nächste Jahr (al- so nach 1995) übertragen werden können. Das heißt: Die Ärzte, in de- ren KV-Bereich Überschreitungen in 1994 festgestellt worden sind, haben die Chance, durch entsprechende Einsparungen im laufenden Jahr ei- nen Ausgleich zu vermeiden.
Fortschreibung auf niedrigem Niveau Die Vereinbarung zwischen der KBV und den Kassen gesteht ferner die Übertragung von Unterschreitun- gen zu, und zwar bis zu einer Größen- ordnung von maximal zwei Prozent des jeweiligen regionalen Budgets.
Die Übertragung ist auf das Jahr 1995 befristet und wirkt sich für dieses Jahr als Budgeterhöhung in entsprechen- der Größenordnung aus. Trotz dieses Zugeständnisses zeigten sich die Kas- sen bei den Verhandlungen um die Budgetfortschreibung wenig flexibel.
So gingen sie bei der Preisentwicklung
von einem „Nullwachstum" aus — nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die für Mitte dieses Jahres zu erwartende Einführung von Festbeträgen für ACE-Hemmer. Die Innovationskom- ponente wollten die Krankenkassen ebenfalls nicht berücksichtigen, ledig- lich die demographische Entwicklung soll mit 0,3 Prozent zu Buche schlagen.
Das Arznei- und Heilmittelbud- get für die westlichen Bundesländer wird aufgrund der voraussichtlichen Veränderungsrate der beitragspflich- tigen Einnahmen um rund 1,7 Prozent von bislang 27,8 Milliarden auf 28,3 Milliarden DM erhöht. In den neuen Bundesländern konnte die Kas- senärztliche Bundesvereinigung auf- grund eines strukturellen Nachholbe- darfs eine zusätzliche Anhebung des Heilmittelbudgets um 7,5 Prozent (560 Millionen DM) durchsetzen.
Dort liegt das Arznei- und Heilmittel- budget jetzt bei 6,8 Millarden DM.
Fazit: Daß ein sofortiger Aus- gleich durch die Anrechnung auf das Budgetjahr 1995 vermieden werden konnte, ist sicherlich als Erfolg zu werten. Andererseits setzt die Fort- schreibung des Budgets auf einer äußerst niedrigen Grundlohnsum- men-Entwicklung auf. Wirtschaftlich- keitsreserven dürften — wenn über- haupt — nur noch im geringen Umfan- ge vorhanden sein, so daß auch das Budgetjahr 1995 unter erheblichen Sparzwängen steht. Josef Maus Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 10, 10. März 1995 (15) A-657