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ie Folgen der von der gro- ßen Koalition angestreb- ten Föderalismusreform wer- den die Medizinischen Fa- kultäten vor zahlreiche Pro- bleme stellen. Darauf hat der ehemalige Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Prof. Dr.med. Karl M. Einhäupl, auf dem diesjährigen Medizini- schen Fakultätentag Mitte Ju- ni in Greifswald hingewiesen.
Wenn sich der Bund von bisherigen Gemeinschaftsauf- gaben wie Hochschulbau und Förderung wissenschaftlicher Forschung zurückziehe, wer- de es vor allem den ärme- ren Bundesländern schwer fallen, den „enormen Rück- stand“ an Investitionen auf- zuholen, sagte Einhäupl. Für Bauten, aber auch für For- schung und Lehre an Me- dizinischen Fakultäten stün- den in Zukunft weniger Mit- tel zur Verfügung. Diese könnten dann noch schlechter mit außer-universitären For- schungseinrichtungen kon- kurrieren. Der Neurologe rief dazu auf, die Einheit von For-
schung und Lehre beizubehal- ten. „Ein Arzt, der in die Praxis entlassen wird, muss in der La- ge sein, Wissensfragen tief- gründig zu durchschauen“, be- fand er. Allerdings müssten sich die Medizinischen Fakul- täten bewegen: „Wir müssen den Wettbewerb massiv er- höhen.“ Forschungsgelder der Länder sollten in Zukunft statt zu drei Prozent besser zu 40
Prozent leistungsorientiert ver- geben werden. Wer nicht for- sche, solle keine Mittel und kein Personal dafür beanspru- chen können.
Rankings befürwortet Ein- häupl: „Wir werden nur Spit- zen aufzeigen können, wenn wir auch bereit sind, Täler zu zeigen.“ Lehrstühle sollte man besser eine Zeit lang un- besetzt lassen, statt auf Exzel- lenz zu verzichten. Auch in der Lehre bestehe erhebli- cher Verbesserungsbedarf.Rie
Arzneimittelbewertung
Industrie will Mitsprache
Pharmaverband bietet Zusammenarbeit mit Bundesausschuss an.
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er Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) hat vorgeschlagen, hochpreisige Spezialmedika- mente bis zum wissenschaftli- chen Beleg ihrer Wirksamkeit nur noch von Fachärzten und Schwerpunktpraxen verord- nen zu lassen. Denkbar wäre auch, dass in diesem Zeitraum Hausärzte erst nach Rückspra- che mit fachärztlichen Kolle- gen besonders teure neue Me- dikamente verordnen dürfen, sagte VFA-Hauptgeschäfts- führerin Cornelia Yzer in Berlin. Eine solche Neurege- lung im Rahmen der anste- henden Gesundheitsreform müsse aber eng mit der Ärz- teschaft abgestimmt werden.Mit ihrem Vorschlag gehen die forschenden Arzneimit- telhersteller auf den Gesetz- geber zu, von dem sie im Ge- genzug eine stärkere Einbin- dung bei der Nutzenbewer- tung von Medikamenten ver- langen. Mit Blick auf die an- stehende Gesundheitsreform kritisierte Yzer die „Zweitbe-
wertungspraxis“ der Wirksam- keit von Arzneimittel durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesund- heitswesen (IQWiG). Damit werde lediglich das Zulas- sungsverfahren, bei dem oh- nehin Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit nach- gewiesen werden müssten, dupliziert. Zudem würden die Arzneimittelhersteller schon jetzt direkt nach der Markt- einführung gezielte Überwa- chungsmaßnahmen wie Ko- hortenstudien und Anwen- dungsuntersuchungen vor- nehmen. Yzer schlug vor, die- se Studien sowie den Unter- suchungszeitraum künftig mit dem Gemeinsamen Bundes- ausschuss und dessen beauf- tragten Expertengremien wie dem IQWiG, der Arzneimit- telkommission der deutschen Ärzteschaft oder dem Deut- schen Institut für Medizini- sche Dokumentation und In- formation abzustimmen. SR
Aufklärungspflicht
Urteil zu
„Robodoc“-OP
BGH: Ärzte müssen auf besondere Risiken neuer Methoden hinweisen.
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er Bundesgerichtshof (BGH) hat die Klage ei- ner Patientin abgewiesen, die bei einer computergestützten„Robodoc“-Hüftoperation ei- ne operationsbedingte Nerv- schädigung erlitten hatte. Der BGH wies jedoch in dem Mu- sterprozess grundsätzlich dar- auf hin, dass Patienten vor der Verwendung neuer medizini- scher Verfahren unmissver- ständlich auf damit verbunde- ne, noch nicht abschließend geklärte Risiken hingewiesen werden müssen. In dem ver- handelten Fall wurde der An- spruch der Klägerin auf Scha- denersatz verneint, weil sie vor der Operation über das Risiko einer Nervschädigung nach dem herkömmlichen Verfah- ren aufgeklärt worden war. TG A K T U E L L
Krankenkassen
Kritik an Zwang zu Fusionen
BKK gegen Großkassen
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ie Zwangsvereinigung klei- nerer Krankenkassen zu einigen großen würde nach Ansicht des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) kein einziges Pro- blem der Gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) lö- sen helfen. Die vom Bun- desgesundheitsministeriumherausgegebene Statistik zei- ge zudem, dass die durch- schnittlichen Verwaltungs- kosten pro Mitglied mit der Kassengröße stiegen, heißt es einer Stellungnahme des Verbandes. So betrugen die Nettoverwaltungskosten je Mitglied im Jahr 2005 bei den BKK 122 Euro, bei den Innungskrankenkassen 158, bei der AOK 170 und bei den Angestellten-Ersatzkas- sen 176 Euro.
In den letzten zehn Jahren habe die Zahl der Kran- kenkassen bereits um mehr als 70 Prozent abgenommen, heißt es weiter: „Dies zeigt,
dass der Markt seit Jahren in Bewegung ist.“ EB
Entwicklung der Anzahl der Krankenkassen in der GKV
(jeweils im Januar)
Kassenarten 1994 2000 2006
AOK 236 17 17
BKK 706 337 199
EAN 7 7 7
EAR 8 5 3
IKK 165 32 16
Sonstige 24 22 11 GKV 1146 420 253 Quelle: BKK
A
A1712 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 25⏐⏐23. Juni 2006
Föderalismusreform
Herausforderung für Fakultäten
Einhäupl: mehr Wett- bewerb, weniger Geld
Karl M. Einhäupl
Foto:Georg J.Lopata