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Einstellungsänderungen durch Speed-Dating-Gespräche zwischen Landwirt:innen und Bürger:innen

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Academic year: 2022

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Notizen aus der Forschung Nr. 34 / November 2020

- Fachbereich Agrarwirtschaft, Soest - www4.fh-swf.de/cms/forschungsnotizen/

Einstellungsänderungen durch Speed-Dating-Gespräche zwischen Landwirt:innen und Bürger:innen

Jessica Berkes, Marcus Mergenthaler

Einleitung

Die Entfremdung zwischen Landwirtschaft und Bevölkerung hat mit der Intensivierung der Landwirtschaft und der Spezialisie- rung in den Lebensmittelversorgungsketten zugenommen. Die Einstellungen zu gängigen landwirtschaftlichen Praktiken gehen zwischen Landwirtschaft und Bevölkerung auseinander. Dialog- orientierte Kommunikationsformate stellen Versuche für ganz- heitlichere Strategien der landwirtschaftlichen Öffentlichkeits- arbeit dar. Sie zielen darauf ab, die Gesprächsdynamik zwischen Expert:in und Lai:in zu nivellieren und Vertrauen aufzubauen (MATOBA UND SCHEIBLE 2007). Dennoch setzen die meisten land- wirtschaftlichen Initiativen aufklärende Formate ohne gleichbe- rechtigten Austausch ein, um eine Veränderung der Einstellung der Bevölkerung zu erreichen und die Zustimmung der Bevölke- rung zu aktuellen landwirtschaftlichen Praktiken zu gewinnen.

Vertrauensaufbauende ohne primär auf eine Einstellungsände- rung abzielende Kommunikationsstrategien auf Augenhöhe im Umgang mit der Öffentlichkeit werden noch nicht ausreichend berücksichtigt (ALBERSMEIER, 2010). Die Hauptforschungsfrage der vorliegenden Teiluntersuchung ist, inwieweit Wissensver- mittlung bzw. der persönliche Austausch auf Augenhöhe dazu beiträgt, Einstellungen teilnehmender Personen zu verändern.

Daten und Methoden

In einem Speed-Dating-Format wurden kurze Gespräche zwi- schen Landwirt:innen und Bürger:innen organisiert (weitere De- tails bei BERKES UND MERGENTHALER 2020). Die Teilnehmenden wurden über ein Marktforschungsinstitut rekrutiert und finanzi- ell entschädigt. Die Speed-Datings fanden an vier neutralen, nicht öffentlichen und zuschauerfreien Orten im Juni und Juli 2019 in Nordrhein-Westfalen (NRW) statt. In fünf Gesprächsrun- den wurde jeweils ein Thema aus dem Bereich Landwirtschaft und Ernährung diskutiert. Jede der 46 teilnehmenden Personen (3 Standorte mit je 12 Personen und 1 Standort mit 10 Personen) führte jeweils 5 Gespräche mit einer Person der anderen Gruppe. Daraus ergaben sich insgesamt 110 spezifische The- men-Personen-Konstellationen jeweils mit einer Landwirtin o- der einem Landwirt und einer Bürgerin oder einem Bürger. Die teilnehmenden Personen saßen sich an einem Tisch direkt ge- genüber. Die Gespräche dauerten durchschnittlich 14 Minuten.

Nach jedem Gespräch wurden der Tisch und die Person gewech- selt. Alle Gespräche wurden als Audioaufzeichnung dokumen- tiert. Die Anzahl der objektiven und subjektiven Aussagen wurde für jedes Gespräch aus einer quantitativen Inhaltsanalyse der aufgezeichneten Gespräche extrahiert. Einstellungen wur- den über eine End-Punkt benannte Analog-Skala gemessen, be- vor die Personen zum Dialog kamen und vier Monate nach der Teilnahme in einer Finalbefragung. Nicht alle teilnehmenden Personen nahmen an der Finalbefragung teil, so dass die Anzahl der auswertbaren Gesprächskonstellationen in Zusammenhang mit den Einstellungsänderungen variiert. Für jedes der fünf The- men wurden 3-4 Einstellungsfragen verwendet. Unterschiede in der Einstellung wurden pro Person und Thema aggregiert. Für analytische Zwecke wurden die Teilnehmenden so gruppiert,

dass sie schwache, mittlere oder starke Einstellungsänderungen zwischen Vor- und Finalbefragung aufwiesen, wobei zusätzlich zwischen Landwirt:innen und Bürger:innen unterschieden wurde. In unserer bivariaten Analyse untersuchten wir den Zu- sammenhang zwischen Bildung (Unterscheidung zwischen Abi- tur und ohne Abitur), der Veränderung der Einstellung vor und vier Monate nach dem Gespräch und der Anzahl subjektiver o- der objektiver Aussagen.

Ergebnisse

Werden die Gespräche aus Sicht der Landwirt:innen und aus Sicht der Bürger:innen getrennt betrachtet und nach dem Aus- maß der Einstellungsänderung gruppiert, ist der Anteil mit ho- her Einstellungsänderung bei Bürger:innen größer (37%) als bei Landwirt:innen (23%). Bei geringen Einstellungsänderungen ver- hält es sich umgekehrt. Bei Gesprächen mit mittleren Einstel- lungsänderungen sind die Anteile der Gespräche von Bürger:in- nen- und Landwirt:innen sehr ähnlich (vgl. Abb. 1).

Abb.1: Mittlere Anzahl von objektiven und subjektiven Aussagen pro Gespräch nach Ausmaß der Einstellungsänderungen und nach Grup- penzugehörigkeit.

Die Anzahl der subjektiven Aussagen, die von den jeweiligen Ge- sprächspartner:innen verwendet wurden, ist zwischen Land- wirt:innen und Bürger:innenn mit 5-6 Aussagen pro Gespräch sehr ähnlich. Zwischen Gesprächen, die hier zu hohen und nied- rigen Einstellungsänderungen geführt haben, gibt es kleine Un- terschiede: Bei schwachen Meinungsänderungen durch das Ge- spräch ist die mittlere Anzahl subjektiver Aussagen bei Gesprä- chen von Landwirt:innen (5,1) und Bürger:innen (5,3) etwas ge- ringer als bei Gesprächen mit mittleren (5,9 vs. 5,9) und hohen (5,8 vs. 5,4) Einstellungsänderungen.

Bei objektiven Aussagen ist das Muster jedoch anders: Land- wirt:innen wurden mit deutlich weniger objektiven Aussagen von Bürger:innen konfrontiert als umgekehrt. Es konnten starke Einstellungsänderungen seitens der Bürger:innen verzeichnet werden, wenn Landwirt:innen vergleichsweise viele objektive Aussagen im Gespräch verwendeten (6,9 objektive Aussagen).

1.1 1.1 1.0

6.9 5.9

5.8 5.9 4.9

5.1 5.4 5.9

5.3

0 2 4 6 8

stark (n=25;

≙23%)

mittel (n=39;

≙36%)

schwach (n=45;

≙41%)

stark (n=39;

≙37%)

mittel (n=40;

≙38%)

schwach (n=26;

≙25%)

Landwirt:innen Verbraucher:innen

Durchscnittliche Anzhal der Aussagen je Gespräch durch Gesprächspartner:in

Einstellungsänderung zwischen Vor- und Finalbefragung Objektiv Subjektiv

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Notizen aus der Forschung Nr. 34 / November 2020

- Fachbereich Agrarwirtschaft, Soest - www4.fh-swf.de/cms/forschungsnotizen/

Im Vergleich: Gespräche mit geringen Einstellungsänderungen enthielten durchschnittlich 4,9 objektive Aussagen. Es ist kein Zusammenhang mit den Einstellungsänderungen seitens der Landwirt:innen erkennbar.

In Abbildung 2 wird zusätzlich zwischen Teilnehmenden mit und ohne Abitur unterschieden. Landwirt:innen mit höherem Bil- dungsgrad änderten eher ihre Meinung, wenn sie mit objektive- ren Aussagen konfrontiert wurden. Bei geringer gebildeten Landwirt:innen war es eher umgekehrt: Hier führten Gespräche mit wenig objektiven Aussagen eher zu hohen Einstellungsände- rungen. Bei den Bürger:innen ist das Muster anders: Unabhän- gig vom Bildungsgrad änderten sie ihre Meinung am stärksten, wenn der oder die Landwirt:in besonders viele objektive Aussa- gen machte. Bei schwachen Einstellungsänderungen seitens der Bürger:innen hingen die objektiven Aussagen der Landwirt:in- nen zusammen mit dem Bildungsgrad der Bürger:innen: Wäh- rend sie bei Bürger:innen mit geringerer Bildung hoch waren, war die Anzahl der von den Landwirt:innen verwendeten objek- tiven Aussagen bei Bürger:innen mit höherer Bildung deutlich geringer. Zusammenhänge zwischen subjektiven Aussagen, Ein- stellungsänderungen und Bildungsgrad sind weniger klar.

Diskussion

Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Einstellungsänderun- gen durch die Speed-Dating-Gespräche mehr durch objektive und weniger durch subjektive Aussagen beeinflusst werden. Ge- spräche, die verstärkt auf der persönlichen Ebene stattfanden, tendierten nur leicht dazu, Einstellungsänderungen hervorzuru- fen. Dies kann auf die erste und vergleichsweise kurze Begeg- nung mit einer unbekannten Person zurückzuführen sein, die eine vertiefende Vertrauensbildung erschwert (WÜST, 2012).

Hier sind weiterreichende Analysen mit Kontrollgruppen zu empfehlen, die sich mit der Wechselwirkung zwischen Wissens- vermittlung und persönlichem Austausch befassen: Vielleicht erzielt Wissensvermittlung besonders dann eine vertrauensbil- dende Wirkung, wenn ein persönlicher Zugang (z.B. Erfahrungs- austausch) gefunden wird (FUCHS et al. 2016; CHESS et al. 1988).

Die Wissensvermittlung scheint beim Thema Landwirtschaft je- doch unabhängig von Gesprächslänge unumgänglich, um Ver- trauen, Annäherung und Einstellungsänderungen zu erzeugen (AKITSU UND AMINAKA 2012; BERKES UND MERGENTHALER 2020).

Da darüber hinaus je nach Bildungsstand und persönlicher Ein- stellung landwirtschaftliche (Bio-)Produkte von Verbrauchern unterschiedlich bewertet werden (ILLICHMANN UND ABDULAI, 2012), ist es empfehlenswert, zukünftige Dialogformate the- men- bzw. zielgruppenspezifisch zu gestalten (KLEINHÜCKELKOT- TEN, 2005). Damit könnte den Wissens- und Interessensgebieten der Teilnehmenden angemessen begegnet werden und Gesprä- che böten ein größeres Potential, Annäherung über Vertrauen und gegenseitiges Verständnis zu erreichen.

Danksagung/Finanzierung: Unser Dank gilt Christiane Wildraut, Carla Ollier und Lea Buzilowski für die Unterstützung im Projektverlauf und dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbrau- cherschutz (MULNV) des Landes Nordrhein-Westfalen für die finanzi- elle Förderung des Projektes.

Quellen

ALBERSMEIER,F. (2010). Reputationsmanagement im Agribusiness. Dok- torarbeit, Universität Göttingen).

AKITSU,M., UND AMINAKA,N. (2010). The development of farmer-con- sumer direct relationships in Japan: Focusing on the trade of or- ganic produce. Asian Rural Sociology, (4), 509-520.

BERKES,J. UND MERGENTHALER,M. (2020): Speed-Datings zwischen Men- schen aus der Landwirtschaft und der Gesellschaft als neues Dia- logformat. Beitrag bei der GEWISOLA, Halle (Saale), 23. bis 25. Sep- tember 2020.

CHESS,C.,HANCE,B.J.,&SANDMAN,P.M. (1988). Improving dialogue with communities: a short guide for government risk communication.

Division of Science and Research, New Jersey Department of Envi- ronmental Protection.

FUCHS,C.,SCHREIER,M.,KAISER,U.,& VAN OSSELAER,S.M.(2016). Reducing Consumer Alienation: the Effect of Making Product Producers Per- sonal. ACR North American Advances.

ILLICHMANN,R. UND ABDULAI,A. (2012). Einfluss des Vertrauens auf die Kaufentscheidung von Bio-Produkten. Schriftenreihe der Ag- rar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Univer- sität Kiel, No. 118.

KLEINHÜCKELKOTTEN,S.(2005). Suffizienz und Lebensstile. Ansätze für eine milieuorientierte Nachhaltigkeitskommunikation, 2.

MATOBA,K. UND SCHEIBLE,D. (2007). Interkulturelle und transkulturelle Kommunikation. Working Paper of International Society for Diver- sity Management eV, (3).

WÜST,C. (2012). Corporate Reputation Management–die kraftvolle Währung für Unternehmenserfolg. In Corporate reputation ma- nagement (pp. 3-56). Gabler Verlag, Wiesbaden.

Abb.2: Mittlere Anzahl von objektiven und subjektiven Aussagen pro Gespräch nach Ausmaß der Einstellungsänderungen, nach Gruppenzuge- hörigkeit und nach Bildungsniveau.

0.6 0.9 1.0

7.1 6.8 6.7

1.6 1.2 1.0

6.7

5.4

3.9 6.0

4.9 5.2 5.5 5.8 5.9

5.5 6.3

5.0 5.3 6.0

4.9

0 2 4 6 8

stark (n=25

23%;

mit Abi: 48%)

mittel (n=39 ≙36%;

mit Abi: 72%)

schwach (n=45 ≙41%;

mit Abi: 64%)

stark (n=39

37%;

mit Abi: 56%)

mittel (n=40 ≙38%;

mit Abi: 65%)

schwach (n=26 ≙25%;

mit Abi: 65%) Landwirt:innen (mit Abi: 63%) Verbraucher:innen (mit Abi: 62%) Durchscnittliche Anzhal der Aussagen je Gespräch durch Gesprächspartner:in

Einstellungsänderung zwischen Vor- und Finalbefragung

Objektiv - ohne Abi - mit Abi Subjektiv - ohne Abi - mit Abi

Referenzen

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