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Archiv "Sir John Pringle (1707–1782): Hilfe für die Verwundeten im Krieg" (13.09.2013)

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A 1680 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 37

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13. September 2013

SIR JOHN PRINGLE (1707–1782)

Hilfe für die Verwundeten im Krieg

Im Jahr 1743 sorgte Pringle für eine Vereinbarung zwischen den Kriegsparteien, die die Versorgung und Unantastbarkeit der Verwundeten beinhaltete.

V

or 270 Jahren, im Juni 1743, fand in der Nähe von Aschaf- fenburg im heutigen Karlstein am Main die „Schlacht von Dettingen“

statt. Dort kämpfte im österrei- chischen Erbfolgekrieg eine ver- bündete Armee von Österreichern, Briten und Hannoveranern gegen die Franzosen, um die „pragmati- sche Sanktion“ von Kaiser Karl VI.

(1685–1740) beziehungsweise den Thronfolgeanspruch Maria There - sias (1717–1780) als dessen erstge- borener Tochter durchzusetzen. Als Erinnerung an diese Schlacht ist der Nachwelt das „Dettinger Te Deum“

erhalten geblieben, ein liturgisches Chorwerk, das der damals in Lon- don lebende Georg Friedrich Hän- del (1685–1759) anlässlich des Sie- ges der „pragmatischen Armee“ für den in Schloss Herrenhausen in Hannover geborenen Georg II. Au- gust (1683–1760), den britischen König und Kurfürst von Braun- schweig-Lüneburg, komponierte.

Weniger bekannt ist hingegen, dass der in Schottland geborene John Pringle (1707–1782) als kurz zuvor berufener Militärarzt der britischen

Armee unter dem Kommando des schottischen Feldmarschalls John Dalrymple, dem zweiten Earl of Stair (1673–1747), an besagter

„Schlacht von Dettingen“ teilnahm und dort erstmals für die Verbesse- rung der humanitären Lage verwun- deter Soldaten eintrat (1).

John Pringle wurde 1744 zum lei- tenden Militärarzt der britischen Ar- mee ernannt und nahm an weiteren Feldzügen teil, bis der „Aachener Frieden“ im Jahr 1748 den österrei- chischen Erbfolgekrieg beendete.

1749 wurde John Pringle Leibarzt von Wilhelm August, dem dritten Sohn von König Georg II. August, und ab 1758 gehörte er dem „Royal College of Physicians“ in London an. 1772 wählte ihn die „Royal Society“, die seit dem Jahr 1660 bestehende, altehrwürdige Gelehr- tengesellschaft Londons, zu ihrem Präsidenten, und 1774 wurde Prin- gle Leibarzt des britischen Kö- nigs Georg III. Wilhelm Fried- rich (1738–1820), des Enkels von Georg II. August (3).

Von besonderer Bedeutung ist Pringles schriftstellerisches Erbe, seine Werke über Militär-Medizin und Militär-Hygiene, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Er ver- fasste 1750 eine Abhandlung über Ursachen und Heilung fieberhafter Durchfallerkrankungen, die in da- maliger Zeit häufig seuchenartig in Lazaretten und Gefängnissen auftra- ten (4). Fieber, das nicht nur über

„widernatürliche“ Körpertempera- tur, sondern vor allem über eine be- schleunigte Pulsfrequenz definiert wurde, verstand man im 18. Jahr- hundert noch als eigene Krankheit, Georg II. August,

hier in der Schlacht bei Dettingen (1743), war von 1727 bis 1760 König von Großbritannien und Irland.

Foto: picture alliance

1742 legte John Pringle seine Pro- fessur nieder, als der

in Flandern statio- nierte Befehlshaber der britischen Trup- pen ihn mit den Auf- gaben eines Armee-

arztes betraute (2). Foto: Wikimedia

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A 1682 Deutsches Ärzteblatt

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13. September 2013 nicht als Symptom (5). Leiden wie

„Entzündungsfieber, Wechselfieber, Gallenfieber, Sommerfieber, Herbst- fieber, Lazarettfieber und bösartige Fieber“, „Lungensucht“, „Rheuma- tismo“ und „Felddysenterie“, die heute nicht immer einer definierten Krankheit zugeordnet werden kön- nen, plagten die Soldaten des 18.

Jahrhunderts im Feld und wurden in Pringles berühmtem Werk „Obser- vations on the diseases of the army“

(1752) detailliert abgehandelt. Im Vorwort erläutert Pringle, dass der Earl of Stair auf seinen Vorschlag hin vor der „Schlacht von Dettin- gen“ mit dem französischen Mar- schall Adrien-Maurice de Noailles absprach, Feldlazarette als neutral zu erklären, um Verwundete nicht zusammen mit den Truppen immer wieder verlegen zu müssen und ih- nen damit bessere medizinische Hil- fe zukommen lassen zu können.

John Pringles Bestreben als Militär- arzt war es weiterhin, die Verpfle- gung, Ausstattung und Unterbrin- gung der Soldaten so weit wie mög- lich zu verbessern, um Erkrankun- gen zu verhindern. Soldaten sollten vor Hitze, Kälte und Nässe ge- schützt, feuchtes Stroh ausgewech- selt, ungesunde Luft, sumpfiges, ste- hendes Wasser vermieden werden (6). Diese Maßnahmen sind aus heu- tiger Sicht im Sinne der Hygiene und Vermeidung von Infektionen durchaus als sinnvoll zu erachten.

Pringle hielt Seuchen, wie das Lazarett- oder das Gefängnisfieber, die in unreinen, überfüllten und sti- ckigen Baracken, Zellen oder in

engen Transportschiffen regelmäßig ausbrachen, für „Krankheiten von einer faulen (septischen) und conta- giösen (ansteckenden) Natur“ und begann, ganz im Sinne eines Francis Bacons, mit systematischen Experi- menten zum Auffinden „septischer“

und „antiseptischer“ Substanzen, um auf der Grundlage eines natur- wissenschaftlich geprägten, medizi- nischen Konzeptes erfolgreich vor- beugen oder therapieren zu können.

Pringle führte Reihenuntersu- chungen durch, wobei er Fleisch- stückchen in Wasser mit und ohne Zusatz von mutmaßlich fäulniswid- rigen mineralischen, pflanzlichen oder tierischen Substanzen in Phio- len einlegte, diese verschloss und warmer Umgebungstemperatur aus- setzte. Er beobachtete dabei, ob be- ziehungsweise um welche Zeitspan- ne es länger dauerte, bis die Fäulnis des Fleisches olfaktorisch wahr- nehmbar wurde. Als antiseptische

„Standardsubstanz“ verwendete er Seesalz. Auf diese Weise erarbeitete er eine Skala „von den verhältnismä- ßigen Kräften der Salze in Wieder- stehung [sic!] der Fäulnis“, in der er die getesteten Substanzen mit 1+ bis 40+ kennzeichnete. Alaune erzielten beispielsweise einen 40+-Wert und galten Pringle damit als 40-mal so wirksam gegen Fäulnis wie Seesalz.

Außerdem bemerkte er, dass sowohl Säuren als auch Laugen starke fäul- niswidrige Kräfte besaßen, diese aber gemindert wurden oder gar ver- schwanden, wenn man sie durch Mischen neutralisierte. Die Ergeb- nisse seiner Experimente trug John

Pringle der Royal Society vor und gab sie seinem Werk „Observations on the diseases of the army“ als An- hang bei (6). Als hohe Anerkennung für die „experiments on septic and antiseptic substances“ verlieh man John Pringle 1752 die Copley-Me- daille der Royal Society. Es ist des- halb anzunehmen, dass eine als Pest- prophylaxe vielfach verwendete Es- sigzubereitung des „Codex Medica- mentarius Parisiensis“ (1758), die noch im Jahr 1748 bei gleicher Zu- sammensetzung als „Acetum Pro- phylacticum“ bezeichnet worden war, nicht zufällig in „Acetum Anti- septicum“ umbenannt wurde (7).

Unantastbarkeit der Verwundeten im Krieg Wenn auch Pringles Ansatz, „septi- sche“ Krankheiten durch Einnahme

„anti-septischer“ Substanzen wirk- sam bekämpfen zu können, hypo- thetisch blieb, so zeichnet ihn den- noch sein logisches, experimentel- les Vorgehen aus. Das auf Betreiben von Pringle zum Schutz der Ver- wundeten im Juni 1743 getroffene

„Gentlemen’s Agreement“ zwi- schen dem Earl of Stair und Adrien- Maurice de Noailles wurde im Juli 1743 in Frankfurt am Main als

„Treaty and convention for the sick, wounded, and prisoners of war […]“ zwischen Britannien und Frankreich beschlossen. Die Verein- barung beinhaltete nicht nur die Versorgung und Unantastbarkeit der Verwundeten, sondern auch Details zum Austausch und zur finanziellen Auslösung von Kriegsgefangenen (8). Dieses Abkommen kann wohl als erster Meilenstein eines langen Weges (im Februar 1863 wurde das

„Internationale Komitee vom Roten Kreuz“ gegründet) angesehen wer- den, der 1864 in die Verabschie- dung der ersten Genfer Konvention

„betreffend die Linderung des Lo- ses der im Felddienst verwundeten Militärpersonen“ mündete. Sir John Pringles Bemühungen um Verwun- dete formten somit den ersten Bau- stein humanitären Völkerrechts.

Dr. rer. nat. Ursula Lang, L.Ursula@t-online.de Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Sabine Anagnostou

@

Literatur im Internet www.aerzteblatt.de/lit3713 John Pringle wurde am 10. April 1707 in Stichill

in der schottischen Grafschaft Roxburghshire als jüngster Sohn eines Baronets geboren und erhielt in seiner Jugend eine humanistisch geprägte Ausbildung an der Universität St. Andrews. Nach- dem er anschließend in Edinburgh ein Jahr Medi- zin studiert hatte, wechselte er 1728 an die nie- derländische Universität Leiden, deren medizini- sche Fakultät Anziehungspunkt zahlreicher ange- hender Ärzte war. Dort hielt der in ganz Europa berühmte Hermann Boerhaave (1668–1738) Vor- lesungen in Botanik, Chemie und Medizin.

John Pringle wurde 1730 in Leiden im Fach Medizin promoviert und praktizierte einige Jahre als Arzt in Edinburgh. 1734 wurde er als Profes- sor für Moralphilosophie an die Universität Edin- burgh berufen. Pringle empfahl seinen Studenten das Studium von Schriften des britischen Philoso- phen Francis Bacon (1561–1626), der unvorein- genommene, vergleichende Beobachtung und planmäßiges Experimentieren als Weg zur Er- kenntnisgewinnung gelehrt hatte. Francis Bacon sollte sich wenige Jahre später als Vorbild für Pringles künftiges Wirken erweisen (2).

VERGLEICHENDE BEOBACHTUNG

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A 3 Deutsches Ärzteblatt

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13. September 2013

LITERATURVERZEICHNIS ZU HEFT XX SIR JOHN PRINGLE (1707–1781)

Einsatz für die Kriegsverwundeten

Im Jahr 1743 sorgte Pringle für eine Vereinbarung zwischen den Kriegsparteien,

LITERATURHINWEISE

1. Guillermand J: The contribution of army medical officers to the emergence of hu- manitarian law. International Review of the Red Cross 1989; 29: 306–32.

2. Selwyn S: Sir John Pringle: Hospital refor- mer, moral philosopher and pioneer of anti- septics. Medical History 1966; 10:

266–74.

3. Biographisches Lexikon der hervorragen- den Ärzte aller Zeiten und Völker. Bd. 4, 3.

Auflage, München / Berlin 1962. S.

676–77.

4. Pringle John: Observations on the nature and cure of hospital or jayl fevers. In a let- ter to Dr. Mead. London 1750.

5. De Haen Anton: Von den Fiebern. Copenha- gen 1763.

6. Pringle John: Observations on the Diseases of the Army in Camp and Garrison. In Three Parts. With an Appendix containing some Papers of Experiments upon septic and an- tiseptic substances; with remarks relating to their use in the theory of medicine: in se- veral Papers, read at the Royale Society.

London 1752. Sowie: Greding Johann Ernst: Herrn John Pringle‘s Beobachtungen über die Krankheiten der Armee, sowohl im Felde als in Garnison. In drey Theilen. Nebst einem Anhange, der einige Aufsätze über Versuche enthält, die der königlichen Ge- sellschaft bey verschiedenen Zusammen- künften vorgelesen wurden. Aus dem Engli- schen ins Deutsche übersetzt von Johann Ernst Greding. Altenburg 1754.

7. Lang U, Anagnostou S: „Wider alle Giffte“ – Arzneiessige gestern und heute. Geschichte der Pharmazie 2012; 64: 4.

8. William Augustus: Historical Memoirs of his Late Royal Highness William Augustus, Du- ke of Cumberland. Including the Military and Political History of Great-Britain, during that period. London 1767. S. 86–102. Spä- ter wurde das Abkommen zweisprachig ab- gedruckt unter dem Titel „Traité et conven- tions, pour les malades, blessés et prison- niers de guerre des troupes de terre, de Sa Majesté très Chrétienne, et de sa Majesté Britannique. = Treaty and convention, for the sick, wounded, and prisoners of war, of the land forces, of His Majesty the King of Great-Britain, and of His Most Christian Majesty“ . [London ?] [1759?]. Reprint Eighteenth Century Collection online. Far- mington Hills 2009.

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