• Keine Ergebnisse gefunden

Pathologisch-anatomische und histologische Untersuchungen an Gelenken und Fußballen bei Puten der Linie B.U.T. Big 6 bei der Haltung mit und ohne Außenklimabereich

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Pathologisch-anatomische und histologische Untersuchungen an Gelenken und Fußballen bei Puten der Linie B.U.T. Big 6 bei der Haltung mit und ohne Außenklimabereich"

Copied!
225
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Tierärztliche Hochschule Hannover

Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie

Pathologisch-anatomische und histologische Untersuchungen an Gelenken und Fußballen bei Puten der Linie B.U.T. Big 6 bei der

Haltung mit und ohne Außenklimabereich

INAUGURAL-DISSERTATION

Zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

Vorgelegt von Birgit Spindler

(Hannover)

Hannover 2007

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. J. Hartung

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. J. Hartung 2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. H. Gasse

Tag der mündlichen Prüfung: 25.05.2007

Dieses Forschungsvorhaben wurde gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

(3)

Gut Ding will Weile haben...

(4)
(5)

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG ...1

2 LITERATURÜBERSICHT ...4

2.1 ABSTAMMUNG,ZUCHT UND HALTUNG VON PUTEN...4

2.1.1 Außenklimabereich (AKB) ...7

2.2 AUFBAU DES BEWEGUNGSAPPARATES DER PUTE...8

2.2.1 Knochen der Beckengliedmaße ...8

2.2.2 Aufbau der Gelenke und Epiphysenfugen (makroskopisch und mikroskopisch)...9

2.2.2.1 Aufbau der Gelenke ...9

2.2.2.2 Aufbau der Epiphysenfugen...11

2.2.3 Aufbau der Metatarsalballen (makroskopisch und histologisch)...12

2.3 HALTUNGS- UND ZUCHTBEDINGTE ERKRANKUNGEN...13

2.3.1 Kannibalismus und Federpicken...14

2.3.2 Brusthautveränderungen ...24

2.3.3 Erkrankungen am Bewegungsapparat der Pute ...28

2.3.3.1 Beinschwäche-Syndrom...28

2.3.3.2 Perosis ...35

2.3.3.3 Tibiatorsion ...36

2.3.3.4 Osteochondrosen...38

2.3.3.5 Schliffusuren am Gelenkknorpel ...53

2.3.3.6 Hämarthros...53

2.3.3.7 Gelenkgicht ...54

2.3.3.8 Oberschenkelbruch...54

2.3.3.9 Infektiöse Erkrankungen am Bewegungsapparat...55

2.3.3.10 Pododermatitis ...61

2.3.4 Herz-Kreislauferkrankungen...67

2.3.4.1 Aortenruptur...68

2.3.4.2 Plötzliches Herzkreislaufversagen (SDS) ...69

2.3.4.3 Spontane Kardiomyopathie...70

2.3.5 Infektiöse Erkrankungen der inneren Organe ...72

2.3.5.1 Erkrankungen der Atemwege und der serösen Häute...72

2.3.5.2 Erkrankungen des Magen-Darmtrakts ...73

3 EIGENE UNTERSUCHUNGEN...76

3.1 TIERE,MATERIALUNDMETHODEN ...76

3.1.1 Untersuchungszeitraum, Tiere und Haltungsformen ...76

(6)

3.1.4.1 Kontrollgelenke...81

3.1.4.2 Anfertigung der histologischen Schnitte von den Gelenken...81

3.1.5 Makroskopische Untersuchung des Tibiotarsus auf TD ...83

3.1.6 Makroskopische Untersuchung der Fußballen (Metatarsalballen) ...85

3.1.7 Histologische Untersuchung der Fußballen (Metatarsalballen)...86

3.1.8 Beurteilung der inneren Organe...87

3.1.9 Bakteriologische Untersuchung ...87

3.1.10 Parasitologische Untersuchungen im Bereich des Magendarmtraktes ...88

3.1.11 Statistische Auswertung...88

3.2 ERGEBNISSE ...89

3.2.1 Mortalität...89

3.2.2 Gewichte ...90

3.2.3 Verlustursachen...95

3.2.4 Vorkommen von Brusthautveränderungen ...98

3.2.5 Vorkommen von Kannibalismus- und Federpickverletzungen ...100

3.2.6 Vorkommen von pathologisch-anatomischen Gelenkveränderungen ...104

3.2.6.1 Makroskopische Befunde an Hüft-, Knie- und Intertarsalgelenken ...105

3.2.7 Bakteriologische Untersuchung veränderter Synoviaflüssigkeit ...109

3.2.8 Vorkommen von TD (makroskopisch) proximal am Tibiotarsus...110

3.2.9 Vorkommen von histologischen Befunden bei den untersuchten Gelenken ...113

3.2.9.1 Histologische Befunde am proximalen Femurende/Femurkopf ...113

3.2.9.2 Histologische Befunde am Femorotibialgelenk (Kniegelenk)...118

3.2.9.3 Histologische Befunde am Intertarsalgelenk (Sprunggelenk, IT)...122

3.2.10 Vorkommen von Frakturen, Muskelabszessen und Sehnenscheidenentzündungen....127

3.2.11 Makroskopische Befunde an den Metatarsalballen (Pododermatitis)...129

3.2.11.1 Auftreten von Pododermatitis im Mastverlauf (makroskopisch)...129

3.2.11.2 Auftreten von Pododermatitis zum Schlachtzeitpunkt (makroskopisch)...130

3.2.12 Histologische Befunde an den Metatarsalballen...132

3.2.12.1 Histologische Merkmalsausprägung bei makroskopisch unauffälligen Metatarsalballen . ...133

3.2.12.2 Histologische Merkmalsausprägung bei geringgradiger Pododermatitis ...135

(7)

3.2.12.3 Histologische Merkmalsausprägung bei mittelgradiger Pododermatitis ...137

3.2.12.4 Histologische Merkmalsausprägung bei hochgradiger Pododermatitis...139

3.2.13 Entzündliche Veränderungen der inneren Organe ...142

3.2.13.1 Veränderungen der Leber und der Milz...142

3.2.13.2 Veränderungen an Herz und Herzbeutel...142

3.2.13.3 Veränderungen am Atmungsapparat und an den serösen Häuten...143

3.2.13.4 Darmentzündung...144

3.2.14 Orientierende Untersuchung zum Salmonellen-, Campylobacter- und Mycoplasmenstatus der Tiere ...145

3.2.14.1 Salmonellennachweis...145

3.2.14.2 Campylobacternachweis ...145

3.2.14.3 Mycoplasmenantikörpernachweis...146

3.2.15 Orientierende Untersuchung zum Parasitenstatus der Tiere ...147

4 DISKUSSION ...148

4.1 TIERVERLUSTE...148

4.2 TIERGEWICHTE...149

4.3 HERZ-KREISLAUFVERSAGEN...150

4.4 FEDERPICK- UND KANNIBALISMUSVERLETZUNGEN...151

4.5 BRUSTHAUTVERÄNDERUNGEN...152

4.6 VERÄNDERUNGEN AM BEWEGUNGSAPPARAT...153

4.7 ENTZÜNDLICHE VERÄNDERUNGEN AN INNEREN ORGANEN...156

5 SCHLUSSFOLGERUNGEN ...158

6 ZUSAMMENFASSUNG ...160

7 SUMMARY ...163

8 LITERATURVERZEICHNIS...166

9 ANHANG... I ABBILDUNGEN... I PUBLIKATIONEN... XXII

(8)

AKB Außenklimabereich

ATD Antitrochanterdegeneration B.U.T. British United Turkey

Cl Chlorid

DP Dyschondroplasie

ELISA Enzyme- linked Immunosorbent Assay FKN Femurkopfnekrose

EP Epiphyse

h Stunde

insb. insbesondere IT Intertarsalgelenk

K Kalium

KG Körpergewicht

LW Lebenswoche

lx Lux

MM Mycoplasma meleagridis MG Mycoplasma gallisepticum MS Mycoplasma synoviae

Na Natrium

n. s. nicht signifikant (p > 0,05)

OC Osteochondrose

OSM Osteomyelitis

ORT Ornithobacterium rhinotracheale p Signifikanzniveau

RWT Report on the welfare of Turkey PHS perirenales Hämorrhagiesyndrom Prox. Proximal

SDS Sudden Death Syndrome ssp. Subspecies

SSA Serum Schnellagglutination TD Tibiale Dyschondroplasie TEMP. Temperatur

TT Tibiotarsus

US Untersuchung

UV Ultraviolette Strahlen

WP Wachstumsplatte, Epiphysenfuge

♂ Männlich

♀ Weiblich

(9)

1 EINLEITUNG

Bei der in Deutschland praxisüblichen Putenmast in Bodenhaltung werden überwiegend schwere Putenlinien eingesetzt, die seit Jahrzehnten primär auf Schnellwüchsigkeit und einen hohen prozentualen Anteil an Brustmuskulatur selektiert wurden. Gleichzeitig werden in der Praxis bei der seit Jahren im Wesentlichen unveränderten Haltung in geschlossenen, unstrukturierten Ställen mit häufig hohen Besatzdichten zunehmend Gesundheitsprobleme beobachtet. Im Vordergrund stehen dabei Krankheitskomplexe wie Herz-Kreislauferkrankungen, Beinschwäche und Brusthautveränderungen (HAFEZ 1996; KRAUTWALD-JUNGHANNS 2003; GRASHORN und BESSEI 2004) sowie Verhaltensstörungen (Federpicken, Kannibalismus, Panikreaktionen).

Eine besondere wirtschaftliche, aber auch tierschutzrelevante Bedeutung haben die Erkrankungen des Beinskeletts der Pute. Diese werden zusammenfassend auch als Beinschwäche-Syndrom bezeichnet, worunter verschiedene Erkrankungen des Bewegungsapparates verstanden werden, die zu morphologischen Abweichungen an den Beckengliedmaßen der Tiere, bevorzugt am Skelettsystem, an den Gelenken und Sehnenscheiden sowie den Fußballen führen (BERGMANN 1992d; HAFEZ 1996, 1999; JULIAN und GAZDZINSKY 2000).

Diese zum Teil mit erheblichen Bewegungsstörungen einhergehenden Veränderungen stellen aus Sicht des Tierschutzes ein gravierendes Problem in der Putenmast dar (HIRT 1998), da eine artgemäße Fortbewegung eingeschränkt sein kann (HIRT 1998; COTTIN 2004). Es besteht die Vermutung, dass diese Schäden auch Schmerzen bei den Tieren verursachen (JULIAN und BHATNAGAR 1985; DUNCAN et al. 1991; HAFEZ 1996, 1999; HOCKING et al. 1999; JULIAN und GAZDZINSKY 2000). Außerdem sind auch ökonomische Interessen betroffen, da mit der Beinschwäche höhere Tierverluste, Kümmern, verminderte Zunahmen und Schlacht- körperqualitätseinbußen verbunden sein können (HAFEZ 1999; BERK 2002).

Hinweise darauf, dass durch eine Haltungsoptimierung eine Reduktion der Beinschäden und anderer vorwiegend haltungsbedingter Erkrankungen bewirkt werden könnte, wurden zwar in den letzten Jahren oft diskutiert, aber kaum umgesetzt (SCHLUP et al. 1990; HAFEZ 1999; HIRT 1998;

BERK und HINZ 2002; BERK 2002; COTTIN 2004; WARTEMANN 2005). So liegen Erfahrungen mit einer Haltungsanreicherung z.B. in Form eines Außenklimabereiches (AKB) direkt am Stall nur vereinzelt und in kleineren Versuchseinheiten vor, obwohl ein AKB den Tieren Zugang zu Klimareizen verschafft, mehr Bewegungsfreiheit ermöglicht, zusätzlichen Platz bietet

(10)

und auch die Tiergesundheit positiv beeinflussen kann (BERK 2002; COTTIN 2004;

WARTEMANN 2005; VELDKAMP und VERMEIJ 2006 ). Allerdings wird eingewandt, dass diese mehr sporadischen Beobachtungen an verschiedenen Standorten mit unterschiedlichem Management nicht ohne weiteres mit der konventionellen Haltung verglichen werden können.

Es soll daher im Rahmen dieser Untersuchungen geprüft werden, inwieweit der Zugang zu einem Außenklimabereich einen Einfluss auf Gesundheit, Wohlbefinden und Leistung männlicher Mastputen der Linie B.U.T. Big 6 hat. Dazu stand eine praxisnahe und in allen Bereichen gut kontrollierbare Haltung mit zwei baugleichen Ställen zur Verfügung. In diese Ställe wurden Tiere gleichen Alters und gleicher Herkunft am gleichen Tag eingestallt und unter gleichen technischen Bedingungen (Versorgungseinrichtungen, Einstreu, Lüftung) parallel über den gleichen Zeitraum bei einheitlichem Management von denselben Personen betreut. Eine Tiergruppe hatte regelmäßig Zugang zu einem AKB, die andere nicht. Untersucht wurde besonders auf Häufigkeit und Schwere von Erkrankungen des Bewegungsapparates bei Tieren aus beiden Gruppen im Mastverlauf. Dabei wurden neben pathologisch-anatomischen Untersuchungen auch histologische Untersuchungsmethoden eingesetzt.

Daraus ergaben sich folgende Arbeitsziele für diese Arbeit:

• Kennzeichnung des Gesundheitsstatus der Puten in der Haltung mit und ohne AKB durch Erfassung von Art und Häufigkeit sowohl infektiöser als auch nichtinfektiöser Erkrankungen, von Leistungsparametern, Tierverlusten; soweit möglich sollen die Todesursachen ermittelt werden.

• Erfassung von Brusthautveränderungen sowie Federpick- und Kannibalismus- verletzungen bei den Tieren in beiden Systemen.

• Feststellung der Häufigkeit von Veränderungen am Beinskelett der Pute, insbesondere an den Gelenken, bei der Haltung mit und ohne AKB.

(11)

• Einschätzung der Häufigkeit und Ausprägung von Tibialer Dyschondroplasie bei Tieren in beiden Haltungsformen.

• Beurteilung der Fußballen hinsichtlich Auftreten und Schweregrad von Pododermatitis.

• Generelle Einschätzung der Haltung mit und ohne AKB im Hinblick auf Tiergesundheit, Tierleistung und Tierschutz.

(12)

2 LITERATURÜBERSICHT

2.1 Abstammung, Zucht und Haltung von Puten

Die Ausgangsform der Hausputen ist das südmexikanische Truthuhn (Meleagris gallopavo gallopava, TÜLLER 1984). Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet dieser Wildpute liegt in Nord- und Mittelamerika (USA und Teile von Mexiko). Das Habitat dieser Vögel sind Steppen, Waldränder und lichte Wälder. Sie leben dort in geschlechtergetrennten strukturierten sozialen Verbänden (OESTER et al. 1997). Laut GRZIMEK (1969) bewegen sich Wildputen lieber laufend als fliegend fort, obwohl sie gute Flieger sind. Sie erreichen im Lauf Geschwindigkeiten von bis zu 24 km/h (WISSEL et al. 1966, RAETHEL 1988). Die Länge der täglichen Wegstrecke ist dabei abhängig vom Futterangebot. Wildputengemeinschaften schlafen abends auf hohen Bäumen (WISSEL et al. 1966) und verlassen diese Schlafplätze zur Nahrungssuche am frühen Morgen (GRZIMEK 1969).

In Europa ist die mexikanische Pute seit der Entdeckung Amerikas bekannt. Die Zucht und Selektion erfolgte primär in England, wobei zuerst schwarze und später weiße Rassen entstanden.

Sie wurden durch die ersten europäischen Auswanderer aus England an die Ostküste Neuenglands

„Narragansett Bay“ in Rhode Island, USA gebracht, wo zwischen 1930 und 1940 die ersten bedeutungsvollen Kreuzungsversuche stattfanden (HAFEZ 1999). Der genetische Pool der Putenwirtschaft mit der Zucht von schweren, breitbemuskelten Puten liegt heute bei zwei großen Gesellschaften, der Aviagen Turkeys, mit den beiden Zuchtunternehmen Nicholas und B.U.T.

sowie Hendrix Genetics mit dem Zuchtunternehmen Hybrid (AVIAGEN 2006; MEYER 2007).

Weiter gibt es als eigenständiges Zuchtunternehmen noch Kelly-Turkeys mit der Zucht leichter Linien, die allerdings nur eine geringe Bedeutung auf dem Weltmarkt haben.

In Deutschland wurden 2002 von etwa 800 Putenhaltern 30,3 Millionen Puten in Bodenhaltung gehalten (VERBAND DEUTSCHER PUTENERZEUGER E.V. 2005). Es dominiert hier die Pute B.U.T. Big 6. Sie gehört zu den schweren Zuchtlinien und wird als so genannte Breitbrustpute bezeichnet, da sie eine breite, vollfleischige Brust und schnelle Zuwachsraten mit niedrigem Futteraufwand entwickelt.

Bei der Putenzucht ist eine kontinuierliche Steigerung der Wachstumsrate mit steigenden Mastendgewichten zu verzeichnen. So lag das Mastendgewicht der Hähne schwerer Linien (B.U.T.

(13)

Big 6) 1981 noch bei durchschnittlich 15,11 kg in der 21. Lebenswoche; bis zum Jahr 2005 ist es auf durchschnittlich 20,58 kg (BUT 2005) gestiegen. Nach FRANCIS (1994) hat die intensive Zuchtarbeit zu einer Wachstumssteigerung von 1 kg mehr Lebendmasse innerhalb von jeweils 5 Jahren geführt. Durchschnittlich 30 % des Körpergewichtes (B.U.T. Big 6 bzw. Hybrid Euro FP) entfällt auf die Brustmuskulatur (GRASHORN und BESSEI 2004; MEYER 2007).

Als Grundlage für die Haltung von Mastputen wurden 1999 bundeseinheitliche Eckwerte für die Haltung von Jungmasthühnern und Mastputen in Zusammenarbeit des Bundes mit Vertretern der deutschen Geflügelwirtschaft, der Länder und verschiedener Tierschutzorganisationen verabschiedet (BML 1999). Ziel dieser noch heute gültigen Vereinbarung war es, einen einheitlichen Haltungsstandard festzulegen, der praxisüblichen Anforderungen in möglichst allen Formen der Putenhaltung entspricht und gleichzeitig die allgemeinen Anforderungen des Tierschutzes konkretisiert, um langfristig eine Verbesserung und Weiterentwicklung der Haltungsbedingungen zu schaffen. In der Vereinbarung werden u. a. Empfehlungen zur Besatzdichte, zum so genannten Stallklima, zur Einstreu, zur Betreuung sowie zum Lichtregime und Management gegeben.

Die konventionelle Putenmast erfolgt in Deutschland überwiegend in frei belüfteten Ställen in Bodenhaltung mit Stroheinstreu und Tageslichteinfall. Die Be- und Entlüftung wird über etwa ein Meter hohe durchgehende Öffnungen an beiden Stallungslängsseiten und zusätzlichen Entlüftungsöffnungen im Dachbereich ermöglicht. Über Jalousien bzw. Zugklappen können diese graduell verschlossen werden, so dass eine abgestufte Lüftung möglich ist.

In Deutschland hat sich die geschlechtergetrennte Langmast durchgesetzt, wobei die Hähne 20 - 22 Wochen und die Hennen 16 Wochen gemästet werden. Bei der Intensivhaltung werden eine sechswöchige Aufzucht und eine daran anschließende Mastphase bis zur Schlachtung unterschieden.

Die Aufzuchtphase endet nach etwa sechs Wochen mit der vollständigen Befiederung der Tiere. Als Futter dient ein industriell gefertigtes 6-Phasen-Kraftfutter in granulierter bzw. pelletierter Form, welches den Tieren je nach Altersstufe angeboten wird (HAFEZ 1999; FELDHAUS und SIEVERDING 2001c).

Bei der üblichen Intensivhaltung der Mastputen in diesen Ställen erfolgen Intensität, Dauer und Qualität des natürlichen Lichteinfalls je nach Stand der Jalousien, in Abhängigkeit von der Tages- und Jahreszeit, und entspricht damit weitgehend der Außensituation, ist damit aber nur begrenzt

(14)

anpassbar. In den ersten Lebenstagen benötigen die Küken eine durchgehende und intensive Beleuchtung zur Sicherung der Futter- und Wasseraufnahme. Nach der ersten Lebenswoche liegt die Lichtdauer bei maximal 16 bis 18 Stunden, wobei eine Dunkelphase von mindestens 8 Stunden einzuhalten ist (BML 1999; HAFEZ 1999). Im Tierbereich soll über den Tag eine Lichtintensität von mindestens 20 Lux vorhanden sein (BML 1999).

Die Erwärmung des Stalles erfolgt i.d.R. mit Hilfe von Gasstrahlern. Beim Einstallen der Eintagsküken muss die Stalltemperatur bei etwa 35 °C liegen, die dann wöchentlich um 2 °C auf etwa 18 - 20 °C in der 6. Lebenswoche abgesenkt wird (HAFEZ 1999). Für ausgewachsene Tiere, besonders Hähne in der Endmast, stellen hohe Temperaturen eine Gefahr dar. Während langsam steigende Temperaturen relativ gut kompensiert werden, fordern plötzlich auftretende Temperaturanstiege auf über 35 °C jährlich hohe Verluste in den Betrieben. Zudem nehmen Hähne bei langen Hitzeperioden über 25 °C bis zu 2 kg im Mastverlauf weniger zu (FELDHAUS und SIEVERDING 2001e).

Am stärksten umstritten ist die Besatzdichte für Puten. Dies liegt daran, dass es weder eine gesetzlich bindende Regelung (nur eine freiwillige Vereinbarung) noch eine wissenschaftlich belastbare Aussage über den Flächenbedarf von Mastputen in Intensivtierhaltung gibt. Bekannt ist, dass hohe Besatzdichten zu schlechter Körpermassenzunahme, schlechter Gefiederbeschaffenheit und erhöhter Mortalität führen, während geringe Besatzdichten einen positiven Effekt haben können (KRAUTWALD- JUNGHANNS 2003, ELLERBROCK 2000; UCHTMANN 2004). In der freiwilligen Haltungsvereinbarung sind maximale Besatzdichten von bis zu 50 kg Lebendgewicht pro m² nutzbare Stallfläche bei Hähnen festgelegt, bei Erfüllung bestimmter Zusatzanforderungen sogar bis zu 58 kg/m². Bei Putenhennen betragen diese Grenzen in der Endmastphase maximal 45 kg/m², bei Erfüllung von Zusatzanforderungen bis 52 kg/m². Die Maximalwerte beziehen sich nur auf Stallungen mit optimalen Lüftungsverhältnissen und hervorragender Einstreuqualität und Pflege (BML 1999). Grundsätzlich sind bei der Berechnung der Besatzdichte die Lüftungskapazität und das Luftvolumen zu berücksichtigen. Problem hoher Besatzdichten sind überproportional feuchte Einstreuverhältnisse, die bei Erreichen der Höchstwerte in der Mittel- und Endmast tägliches Nachstreuen und eine gute Lüftung erfordern. Des Weiteren sollen sich die Tiere ungehindert frei bewegen können, die Möglichkeit zur Ausübung normalen Verhaltens und freien Zugang zu Wasser und Futter haben (BML 1999).

(15)

Ein erhebliches Tierschutzproblem stellt das Schnabelkürzen dar, das bei nahezu allen intensiv gehaltenen Puten praktiziert wird. Es ist grundsätzlich nach § 6 des Tierschutzgesetzes zugelassen, unterliegt aber einem Erlaubnisvorbehalt. Die Erlaubnis zu diesem Eingriff wird i.d.R. erteilt, da er zur Zeit immer noch die einzige bekannte Maßnahme darstellt, wie die oft verheerenden, wirtschaftlich und tierschutzrechtlich relevanten Folgen von Federfressen und Kannibalismus verringert werden können (HAFEZ 1996).

2.1.1 Außenklimabereich (AKB)

In jüngster Zeit wird Puten vermehrt ein überdachter Außenklimabereich, auch als Wintergarten oder Außenscharrraum bezeichnet, ab der 6. Lebenswoche, mit Beginn der Mastphase und vollständiger Befiederung der Tiere, angeboten. Damit haben sie direkten Zugang zur Außenluft und ihren Klimareizen und zusätzlichen Raum für die Ausübung arteigener Verhaltensweisen zur Verfügung, wodurch eine Verbesserung des Wohlbefindens und der Tiergesundheit erhofft wird.

Außerdem werden Haltungsformen, in denen die Tiere Zugang zur Außenluft haben, vom Verbraucher positiv bewertet (BERK 2002). Der AKB soll die reizarme und strukturlose Haltungsumwelt verbessern helfen, die Bewegungsaktivität fördern, den Bewegungsapparat stärken und damit die Lauffähigkeit positiv beeinflussen (BERK 2002; BERK und WARTEMANN 2006).

Genaue Zahlen über die Nutzung des AKB liegen nicht vor. Aus verschiedenen Beobachtungen ist bekannt, dass zwischen 13 % und 23 % der Tiere eines Stalles (COTTIN 2004) bzw. bis zu 40 % der Puten (VELDKAMP und VERMEIJ 2006) einen angebotenen AKB bis zum Ende der Mast intensiv nutzen. Ein tendenziell besserer Gefiederzustand bei der Haltung mit AKB wird von UCHTMANN (2004) gesehen, auch soll sowohl in Sommer- als auch in Winterdurchgängen die Mortalität zurückgehen (BERK und HINZ 2002; BERK und WARTEMANN 2006). Beim Verhalten wird über mehr raumgreifende Schritte, Fortbewegung und Flügelschlagen im AKB berichtet (WARTEMANN 2005). Aggressive Auseinandersetzungen scheinen generell durch das Angebot eines AKB, insbesondere in der Endmast, abzunehmen. Federpicken trat im AKB allerdings häufiger auf als im Innenstallbereich. Umstritten ist, ob der AKB gänzlich oder zur Hälfte bei der Besatzdichte angerechnet werden kann, um einen Anreiz für mehr Stallanlagen mit AKB zu schaffen (BERK 2002). So ist die Bedeutung des AKB für Tiergesundheit und Wohlbefinden weiter unklar.

(16)

2.2 Aufbau des Bewegungsapparates der Pute

Im Folgenden werden Aufbau und Struktur der Hintergliedmaßen der Pute näher beschrieben, soweit sie zum Verständnis der weiteren Untersuchungen von Bedeutung sind.

2.2.1 Knochen der Beckengliedmaße

Bei den Vogelarten, die sich primär laufend fortbewegen, wie die Pute, ist das Skelett der Beckengliedmaßen immer länger als das des Flügelskelettes (HIFNY et al. 1989; SINOWATZ 1992). Das Stützsystem der Hintergliedmaßen wird primär aus dem Oberschenkelbein (Femur), dem Unterschenkel (Tibiotarsus), dem Mittelfußknochen (Tarsometatarsus) und den Zehenknochen (Digiti pedis) gebildet (ABBILDUNG 1).

Abb. 1: Schematische Darstellung der rechten Beckengliedmaße einer Pute (modifiziert nach ABOURACHID 1993)

Coxofemoralgelenk Femur

Femorotibialgelenk

Tibiotarsus

Intertarsalgelenk Tarsometatarsus

Ossa digitorum pedis

(17)

Der Femur ist dem Rumpf seitlich angeschmiegt und schräg nach vorne und unten geneigt. Sein proximales Endstück mit dem Caput ossis femoris und dem Ligamentum capitis femoris artikuliert mit der Hüftgelenkspfanne (Acetabulum). Der Trochanter major des proximalen Femurendes artikuliert mit dem Antitrochanter, der caudo-dorsal des Acetabulums liegt (VOLLMERHAUS 1992). Zusammen bilden sie das Hüftgelenk (Articulatio coxae).

Die alleinige Stütze des Unterschenkels wird vom Tibiotarsus (Schienbein) gebildet, der durch die Verschmelzung der Tibia mit der proximalen Reihe der Tarsalknochen entstanden ist. Die Fibula (Wadenbein) ist lediglich als Rudiment vorhanden (MAIERL et al. 2001; VOLLMERHAUS 1992).

Das proximale Endstück ist stark entwickelt. Es bildet zusammen mit dem distalen Endstück des Femurs, der Fibula und der Patella das Kniegelenk (Articulatio genus). Zwischen den Kondylen des Femurs und den Unterschenkelknochen sind zwei Menisken eingeschoben (VOLLMERHAUS 1992).

Der Tarsometatarsus (Mittelfußknochen) ist ein Verschmelzungsprodukt aus den zentralen und distalen Tarsalknochen und den Metatarsalknochen II bis IV. Das proximale Endstück des Tarsometatarsus bildet zusammen mit dem distalen Tibiotarsus das Sprunggelenk (Intertarsalgelenk).

An allen vier Zehen ist ein Grundgelenk ausgebildet (Articulationes metatarsophalangeales), welches bei der zweiten bis vierten Zehe bodenwärts von einem tiefen Fettpolster (Corpus adiposum plantare profundum) geschützt wird (VOLLMERHAUS 1992).

2.2.2 Aufbau der Gelenke und Epiphysenfugen (makroskopisch und mikroskopisch)

2.2.2.1 Aufbau der Gelenke

Nach SCHULZ und DÄMMRICH (1991) bilden die dreischichtig aufgebaute Gelenkkapsel und der Gelenkknorpel eine funktionelle Einheit.

Die Gelenkkapsel besteht aus dem die Gelenkhöhle auskleidenden Stratum synoviale, dem daran anschließenden Stratum subsynoviale und dem äußeren Stratum fibrosum. Das Stratum synoviale (Synovialis) wird von einer ein- bis mehrschichtigen Lage von Deckzellen, die die Gelenkhöhle auskleiden, gebildet. Eine Basalmembran fehlt. Das daran anschließende Stratum subsynoviale

(18)

(Subsynovialis) wechselt in seiner Struktur je nach Gelenkabschnitt. Ein fibröser Typ ist in den zugbelasteten Abschnitten der Kapsel zu finden. Der adipöse Typ kommt vermehrt in Bereichen der Beugung und Streckung als Verschiebepolster vor. Ein areolärer Typ ist für die für Ultrafiltration mit Schlingenkapillaren zuständig. Als dritte Schicht ist das Stratum fibrosum, bestehend aus kollagenem Bindegewebe, darstellbar.

Die Gelenkflüssigkeit (Synovia) wird von Zellen des Stratum synoviale gebildet. Ihre Viskosität beruht auf dem Gehalt an Hyaluronsäure. Sie ist inkompressibel, vermindert den Gleitwiderstand, hält die Kapsel auf Spannung und dient zudem der Ernährung der Chondrozyten, wobei bei einer Pannusbildung oder auch bei Gelenkblutungen eine Ernährung des Knorpels über die Synovia nicht mehr gewährleistet ist (SCHULZ und DÄMMRICH 1991).

Der hyaline Gelenkknorpel besteht aus einem hohen Anteil extrazellulärer Matrix und einer dünnen Lage geflechtartig angeordneter Fasern sowie einer geringen Anzahl eingelagerter, flacher Knorpelzellen (SCHULZ und DÄMMRICH 1991; LIEBICH 1993; KORFMANN 2003). Die Chondrozyten liegen hier in kleinen mehrzelligen Chondronen parallel zur Oberfläche (SMOLLICH 1990).

SCHULZ und DÄMMRICH (1991) beschreiben vier pathophysiologische Besonderheiten. Zum einen neigt der Knorpel zum Verlust der Elastizität und Gleitfähigkeit bei Störungen der Gelenkperfusion (Neigung zu arthrotischen Veränderungen). Mit fortschreitendem Alter nimmt zudem der Gehalt an Chondroitinsulfat ab, so dass es zur Abnahme des Wasserbindungsvermögens kommt. Des Weiteren ist eine leichte Keimbesiedlung über den Perfusionsstrom möglich. Die Erreger sind hier schwierig zu eliminieren, so dass eine Erregerpersistenz häufig die Folge ist. Eine weitere Besonderheit besteht in der Gefäßlosigkeit des Gelenkknorpels, wodurch dieser nur eingeschränkt regenerationsfähig ist. Die Regeneration erfolgt vom Nachbargewebe (Synovialgewebe). Es kommt zu einer seitlich beginnenden, den Knorpel abdeckenden Granulationsgewebsbildung (Pannus).

(19)

2.2.2.2 Aufbau der Epiphysenfugen

Die Wachstumsplatte (Epiphysenfuge) der langen Röhrenknochen stellt sich am längs gesägten Knochen als graue, opalescierende Knorpelschicht dar (GYLSTORFF 1982). Histologisch lassen sich mehrere Zonen an der Wachstumsplatte der Vögel unterscheiden. Im Allgemeinen werden drei bis fünf Zonen beschrieben (WISE und JENNINGS 1972; HOWLETT 1980; RIDDELL 1980;

GYLSTORFF 1982; DÄMMRICH 1991; THORP 1994; GÜNTHER 1997).

Die erste, als Ruhezone (germinative Zone) bezeichnete schmale Zone besteht aus den Stammzellen. Die eosinophil anfärbbaren, kleinen dicht gelagerten Chondrozyten bewirken durch eine fortschreitende Teilung einen Vorschub der Zellen in Richtung Diaphyse. Der Übergang in die Epiphyse sowie an die angrenzende Proliferationszone (Flachzellzone) der Wachstumsplatte ist fließend. Die Chondrozyten sind in dieser Zone flach und ebenfalls dicht gepackt. Sie ordnen sich aufgrund der hauptsächlich in longitudinaler Richtung erfolgenden Zellteilungen säulenartig an (DÄMMRICH 1991; PINES et al. 1995).

Die daran anschließende avaskuläre prähypertrophe Zone (Übergangszone) ist aufgrund des Fehlens von Gefäßen noch unmineralisiert. In dieser Zone befinden sich sowohl reifende als auch junge hypertrophe Knorpelzellen (THORP 1988a; DÄMMRICH 1991). Die Mineralisation beginnt in der daran angrenzenden hypertrophen Zone. Kennzeichen sind hier ein völliger Verlust der Säulenanordnung sowie das Eindringen von Gefäßen (GYLSTORFF 1982). Die Chondrozyten stellen sich histologisch als hypertrophe, runde zytoplasmareiche Zellen dar (THORP 1988). In dieser Zone findet die Ostoidanreicherung durch einwandernde Osteoblasten statt. Die beginnende Degeneration der Chondrozyten bewirkt ein fingerartiges Gerüst. An diesem Gerüst schreitet der periphere Ab- bzw. Umbau zu Knochengewebe bis zur vollständigen Resorption weiter fort (BARRETO und WILSMAN 1994). Der Übergang zu der Ossifikationszone (ossifizierende hypertrophe Zone) ist somit fließend. Osteoblasten bilden hier Osteoid, wodurch diese basophilen Zellen eingemauert werden und dann als Osteozyten bezeichnet werden (HOWLETT 1980). Durch die Mineralisation des Osteoids entstehen jugendliche Knochenbälkchen.

Die histologische Struktur der Wachstumsplatte (WP) beim Vogel unterscheidet sich von der der Säugetiere durch eine wesentlich höhere Zelldichte (DÄMMRICH 1991; PINES et al. 1995;

RANDALL und REECE 1996). Die Grundsubstanz hingegen ist vermindert. Dadurch ist die Säulenanordnung weniger deutlich. Diese zeigt sich ausschließlich in der Proliferationszone, die

(20)

sich bei der Pute etwa doppelt so dick wie bei den Säugetieren darstellt (KORFMANN 2003). Der Übergang zur Zone des reifenden Knorpels (ossifizierende hypertrophe Zone) erfolgt, im Gegensatz zu dem der Säugetiere, ohne deutliche Grenze. Die unregelmäßige Anordnung bleibt auch im Bereich des Blasenknorpels erhalten. Die Grundsubstanz zwischen den vergrößerten Zellhöhlen, die geschrumpfte Zellen enthalten, nimmt an Menge ab. Die Degeneration und Mineralisation der hypertrophen Chondrozyten erfolgt im Gegensatz zu den Säugetieren weniger abrupt, so dass persistierende, fingerartige Chondrozyten stehen bleiben (BARRETO und WILSMAN 1994). Des Weiteren ist die knorpelige Epiphysenfuge bei den Vögeln stärker bzw. tiefer von Gefäßen durchzogen (DÄMMRICH 1991; PINES et al. 1995).

2.2.3 Aufbau der Metatarsalballen (makroskopisch und histologisch)

Histologisch weist die nicht veränderte Haut des Metatarsalballens einen typischen Aufbau auf. Die Epidermis, in Form eines mehrschichtig verhornten Plattenepithels, bildet hier retikuläre Schuppen (Reticulate scales), die sich nicht überlappen. Die unter der Epidermis liegende bindegewebige Dermis (Lederhaut) formt als Äquivalent der epidermalen Schuppen einen deutlichen Papillarkörper mit Primärpapille aus, wodurch die typische makroskopisch sichtbare Schuppenstruktur („Zotten“) mit dazwischenliegenden Furchen entsteht (PLATT 2004). Grundsätzlich ist der Papillarkörper umso stärker ausgeprägt, je weniger ein oberflächlicher Schutz durch Federn vorhanden und je stärker die mechanische Beanspruchung ist (VOLLMERHAUS 1992; PLATT 2004).

Der Aufbau der retikulären Schuppen der Pute gleicht generell dem allgemein gültigen Erscheinungsbild der Vogelhaut (PLATT 2004). Die Epidermis wird aus dem äußeren Stratum corneum, bestehend aus eosinophilen, kernlosen, toten Hornzellen, die kontinuierlich abgeschilfert werden, und dem Stratum intermedium gebildet. Diese Schicht besteht aus etwa 6 bis 10 Lagen von Intermediärzellen und dem anschließenden einschichtigen Stratum basale gebildet (PLATT 2004).

Die Basalzellen sind mitosefähig und bilden so genannte Tochterzellen, die während der Keratinisierung zu den toten Hornzellen ausreifen (BUDA et al. 2002). Das Stratum intermedium sowie die Basalzellen zeigen eine mehr oder weniger ausgeprägte Basophilie. Ein Stratum granulosum kann lichtmikroskopisch nicht nachgewiesen werden und fehlt ebenso wie beim Huhn (PLATT 2004).

(21)

2.3 Haltungs- und zuchtbedingte Erkrankungen

Mehrere Autoren (CHEREL et al. 1991b; BERGMANN 1992d; HIRT et al. 1996; PETERMANN 1998; REITER und BESSEI 1998; HAFEZ 1999; SANOTRA et al. 2001; KRAUTWALD- JUNGHANNS 2003) berichten im Zusammenhang mit der intensiven Putenmast über haltungs- und zuchtbedingte Erkrankungen sowie Verhaltensstörungen. Eine kurze Übersicht findet sich in Tabelle 1. Ein besonderer Stellenwert wird den Verhaltensstörungen zugemessen. Dazu gehören Federpicken und Kannibalismus sowie besondere Schreckhaftigkeit einer Herde, die Panikreaktionen begünstigt. Gehäuft treten Erkrankungen der Atemwege wie Lungen- und Luftsackentzündungen sowie Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems auf. Dabei stehen Aortenrupturen, plötzliches Herz-Kreislaufversagen und subkapsuläre Nierenblutungen im Vordergrund. Von besonderer Bedeutung sind Brustblasen und Druckstellen im Bereich des Sternums, die die Schlachtkörperqualität erheblich beeinträchtigen können und somit auch relevant für den Verbraucherschutz sind. Als besonders häufig werden Erkrankungen des Bewegungsapparates, auch allgemein als Beinschwäche bezeichnet, eingeschätzt, was zu anhaltenden Diskussionen in der Öffentlichkeit über die Tiergerechtheit der modernen Putenhaltung geführt hat. Nicht zu vergessen sind auch die Parasitosen und andere Infektionserkrankungen, die regelmäßig in der intensiven Putenhaltung auftreten.

Tab. 1: Wichtigste haltungs- und zuchtbedingte Erkrankungen bei Mastputen (nach HAFEZ 1999, modifiziert)

Typ/Organsystem/Lokalisation Erkrankung/ Klinische Manifestation Verhaltensstörung Federpicken bzw. Kannibalismus

Panikreaktionen

Atemwege Luftsackentzündungen

Lungenentzündungen Bewegungsapparat Beinschwäche-Syndrom:

Chondrodystrophien, Arthritiden, Synovitiden,

Osteochondrosen, Beinverdrehungen/Statik, Pododermatitis, u.a.

Herz- Kreislaufsystem Aortenruptur

Plötzliches Herz-Kreislaufversagen Subkapsuläre Nierenblutungen

Sonstiges Brusthautveränderungen (Brustblasen, Druckstellen) Parasitosen

Gehäuftes Auftreten von Infektionskrankheiten

(22)

2.3.1 Kannibalismus und Federpicken

Federpicken stellt nach SAMBRAUS (1978) ein Picken gegen die Federn von Artgenossen dar.

Beim Kannibalismus greifen einzelne Herdenmitglieder ihre Artgenossen an und attackieren diese mit heftigen, gezielten Schnabelhieben (HEIDER 1992). Es kommt dabei auch zum An- und/oder Auffressen von Körperteilen oder ganzer Artgenossen (IMMELMANN 1982; MEYER 1984).

Gedeutet werden Federpicken und Kannibalismus als fehlgeleitete Handlungen und Verhaltensstörungen, die von vielen Autoren im Zusammenhang mit den Haltungsbedingungen gesehen werden (SCHLUP et al. 1990; CROWE und FORBES 1999; HAFEZ 1999 2000;

SHERWIN et al. 1999; MARTRENCHAR 1999; PETERMANN und FIEDLER 1999;

MARTRENCHAR et al. 2001; BERK 2002; BERK und HINZ 2002; BUCHWALDER und HUBER-EICHER 2004; FIEDLER und KÖNIG 2006). Faktisch stellt diese Verhaltensstörung, neben der Beinschwäche, das wohl gravierendste Tierschutzproblem in der intensiven Putenhaltung dar (HESTER et al. 1987; SHERWIN und KELLAND 1998; BML 1999; BUCHWALDER und HUBER-EICHER 2003; FIEDLER und KÖNIG 2006).

Bevorzugt werden das Gefieder und federlose Körperteile am Kopf und Hals von Artgenossen bepickt, was SCHLUP et al. (1990) als „Artgenossen-Picken“ bezeichnete. So sind dann auch die Verletzungen vorwiegend an Kopf, Hals und Nacken zu beobachten (HESTER et al 1987; SCHLUP et al. 1990; HAFEZ 2000b; FELDHAUS und SIEVERDING 2001d; BERK 2002). Betroffene Tiere weisen am Kopf großflächige, stark blutende Wunden auf, wobei in extremen Fällen völlig entblößte Schädel und eröffnete Schädeldecken auftreten können (HEIDER 1992). Die Folgen des Kannibalismus sind neben den Schmerzen und Leiden eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten und vermehrte Todesfälle (HAFEZ 1996, 2000b; HAFEZ und JODAS 1997c;

HAFEZ 2000b; FELDHAUS und SIEVERDING 2001d), so dass das Auftreten von Kannibalismus und Federpicken neben der Tierschutzrelevanz auch von ökonomischem Interesse ist (PETERMANN und FIEDLER 1999; BUCHWALDER und HUBER-EICHER 2005; FIEDLER und KÖNIG 2006). Bepickte Tiere müssen so schnell wie möglich ausgesondert, behandelt oder, je nach Schwere der Verletzungen, getötet werden (FELDHAUS und SIEVERDING 2001d). Die oftmals beim noch relativ harmlosen Federpicken und Federziehen austretenden roten Blutstropfen haben für Puten ebenso wie Wundflächen eine Signalwirkung (HEIDER 1992). Zur Ausbreitung des Kannibalismus in einer Herde trägt auch der Lerneffekt bei; die Tiere schauen sich die Handlungsweisen von den „Pickern“ ab (HEIDER 1992; SHERWIN et al. 1999; HAFEZ et al.

(23)

2000). Schon diese kurzen Erläuterungen zeigen, dass dem Auftreten von Federpicken/Kannibalismus ein multifaktorielles Geschehen mit endogenen und exogenen Faktoren zugrunde liegt. Zu den auslösenden Faktoren zählen, neben einem genetischen Einfluss, vorrangig Umweltfaktoren wie Stallklima, Sozialstress und Bewegungsmangel infolge der reizlosen, unstrukturierten Haltungsumwelt (HAFEZ 1999; BERK 2002). Eine zusammenfassende Darstellung fördernder und hemmender Faktoren sowie Bedingungen bezüglich des Auftretens von Kannibalismus und Federpicken bei Puten zeigt Tabelle 2.

Federpicken und Kannibalismus wird bei allen Zuchtlinien beobachtet (HAFEZ 1999). Nach KORTHAS (1986) ist jedoch der Hang zum Federpicken bei der Linie B.U.T. Big 6 ausgeprägter als bei anderen Herkünften. SCHLUP et al. (1990) sowie BIRCHER und SCHLUP (1991) sehen Kannibalismus vorwiegend in der Intensivhaltung, wo hingegen BESSEI (1995) und HAFEZ (1999 2000b) von einer nicht nur in der Intensivhaltung auftretenden Erscheinung sprechen. Besonders gefährdet sind Tiere etwa ab der 3. Lebenswoche mit dem Beginn des Schiebens der weißen Flügelfedern, die offenbar besonders zum Federpicken reizen (FELDHAUS und SIEVERDING 2001d). Allerdings soll es nach SHERWIN und KELLAND (1998) Federpicken bereits ab dem 5.

Lebenstag geben, wodurch es bei den noch sehr jungen Tieren infolge von Verletzungen zu Wärmeverlusten kommen kann.

SCHLUP et al. (1990) gehen davon aus, dass das relativ häufig auftretende „Artgenossen- Picken“ vorwiegend haltungsbedingt ist, wo hingegen BERK (2002) bei Kannibalismus und Federpicken primär von einer tierartspezifischen Verhaltensweise ausgeht, die nur begrenzt durch Haltungs- und Fütterungsmaßnahmen beeinflusst werden kann. Da Puten nach Kontrasten im Gefieder picken, führen Schmutz- und Kotpartikel zu einem verstärkten Pickreiz (SCHLUP et al.

1990). HEIDER (1992) sieht Kannibalismus als Folge chronischer Belastung der Tiere durch die Umwelt, wodurch es zur Steigerung der Erregbarkeit kommt, die beim Einwirken zusätzlicher äußerer Stressoren in Aggressivität umschlägt. Zu diesen Stressoren zählen die Besatzdichte und der eingeengte Lebensraum, die mangelnde Struktur des Stalles sowie zu hohe oder zu niedrige Umgebungstemperaturen und Luftfeuchten. Hinzu kommt der Bewegungsmangel. Der Zusammenhang zwischen Besatzdichte, Haltungsanreicherung und dem Auftreten von Kannibalismus und Federpicken beschäftigte eine Reihe von Autoren (SCHLUP et al. 1990;

BIRCHER et al. 1996; LEWIS et al. 1998; SHERWIN und KELLAND 1998; CROWE und FORBES 1999; MARTRENCHAR et al. 2001; BERK und HINZ 2002; COTTIN 2004;

(24)

WARTEMANN 2005). Immer wieder werden Besatzdichte, Gruppengröße und Licht sowie eine geeignete Strukturierung der Ställe genannt, mit denen das „Artgenossen-Picken“ (SCHLUP et al.

1990) verhindert werden kann. Daneben werden auch Fütterungseffekte wie eine falsche Mineralisierung des Futters oder zu energiereiches Futter diskutiert. Auslöser kann auch der Befall mit Ektoparasiten sein (FELDHAUS und SIEVERDING 2001d).

Ungeklärt ist der Einfluss der Gruppengröße. Immer wieder wird zu hohe Besatzdichte als Auslöser für gehäuftes Auftreten von aggressiven Pickaktionen genannt (ELLERBROCK 2000; HAFEZ 2000b; SHERWIN und KELLAND 1998; MARTRENCHAR 1999, BUCHWALDER und HUBER-EICHER 2004). Dies scheint auch für kleine Tiergruppen zu zutreffen. BUCHWALDER und HUBER-EICHER (2005) konnten in Kleingruppenhaltungen mit 6 Tieren signifikant höhere aggressive Pickaktionen als in Gruppen mit 30 Tieren feststellen.

Eine besondere Rolle scheint dem Licht zu zukommen. Es wird davon ausgegangen, dass die Lichtdauer, die Intensität und Helligkeit sowie die Flickerfusionsfrequenz des Lichtes beim Auftreten von Kannibalismus und Federpicken eine Rolle spielen (MARTRENCHAR 1999;

SHERWIN et al. 1999; KORBEL und STURM 2005). Mit einer Netzhaut mit über 90 % Zapfen nehmen Puten vermutlich helles Licht besonders intensiv wahr. Das Dämmerungssehen ist jedoch eingeschränkt (KORBEL und STURM 2005). Eine besondere Bedeutung hat der UV- Anteil (Fluoreszenz) des Lichtes auf das Verhalten von Puten (MOINARD und SHERWIN 1999;

KORBEL und STURM 2005). So konnten MOINARD und SHERWIN (1999) zeigen, dass Puten Licht mit UV- Anteil bevorzugen. Bei fehlendem UV- Spektrum des Lichtes, zum Beispiel bedingt durch Fensterscheiben, die nur UV- gefiltertes Tageslicht durchlassen, oder bei Kunstlicht ohne UV- Anteil kommt es zu einer vermehrten Reflektion im Federkleid, was möglicherweise verantwortlich für ein Ansteigen von Federpicken ist (KORBEL und STURM 2005). SHERWIN und KELLAND (1998) stellten fest, dass signifikant weniger Kannibalismus beim Einsatz von UV- Licht auftrat.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass Vögel Frequenzen von bis zu 180 Hz als

„Flackern“ wahrnehmen können, wo hingegen der Mensch maximal eine Frequenz von 15- 80 Hz wahrnimmt. Bei der Haltung von Puten mit Kunstlicht sollte daher auf den Einsatz von flickerfusionsfreien Lichtquellen geachtet werden (KORBEL und STURM 2005).

(25)

Untersuchungen von MOINARD et al. (2001) zur Auswirkung der Lichtintensität, der Lichtquelle und des Lichtregimes bei Puten zeigten, dass Fluoreszenzlicht, gedämpftes Licht und eine kurze Lichtdauer das Auftreten von Pickverletzungen verminderte.

Vorschläge zur räumlichen Strukturierung betreffen Sitzstangen, erhöhte Ebenen, Sichtschutz als Rückzugsmöglichkeit für schwächere Tiere und Beschäftigungsobjekte sowie einen AKB (BERK und HINZ 2002; BERK 2002; COTTIN 2004; WARTEMANN 2005). Einen Automatismus scheint es dabei aber nicht zu geben. Während COTTIN (2004) bei leichten Herkünften nach Haltungsanreicherung mit erhöhten Ebenen, Außenklimabereich und Strohballen sowie ELLERBROCK (2000) und BUCHWALDER und HUBER-EICHER (2004) nach Reduktion der Besatzdichte tendenziell eine Verringerung von agonistischen Pickaktionen beobachteten, sah WARTEMANN (2005) bei Einsatz eines Außenklimabereiches für die Puten signifikant häufiger Federpicken im Außenklimabereich als im Innenstallbereich. Dennoch erscheint es so, dass der Einsatz von Sichtschutz, UV- Licht (Fluoreszenz) und Substrat den Kannibalismus signifikant reduzieren kann (SHERWIN und KELLAND 1998). Trennwände zur Stallunterteilung haben sich nach BERK (2002) zwar bewährt, es ergeben sich jedoch arbeitswirtschaftliche Nachteile.

Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten für die Tiere eröffnen auch erhöhte Sitzgelegenheiten, vor allem in Form von Sitzstangen (BIRCHER et al. 1996). Allerdings wird deren Nutzung mit zunehmendem Alter, insbesondere bei schweren Herkünften, geringer; außerdem kann die Nutzung zu einem gehäuften Auftreten von Brustblasen, verbunden mit einer Nutzungsfrequenzabnahme, führen (BERK 2001). Gern von den Puten als Sitz- und Ruheort angenommen werden erhöhte Ebenen wie z.B. Strohballen, die zusätzlich noch Beschäftigungsmaterial bieten (BERK 2002; COTTIN 2004).

Allerdings nimmt das Interesse der Tiere und damit auch die Nutzung der Umweltelemente im Verlauf der Mast ab.

Ähnliches trifft auf die sonstigen Anreicherungselemente, die zur Ablenkung der Tiere eingesetzt werden, zu. So konnte verschiedentlich nach Einsatz von Plastikteilen (HAFEZ 1997c 1999;

FELDHAUS und SIEVERDING 2001d), Maissilage (HAFEZ 1997c), Metallplättchen und Stroh (CROWE und FORBES 1999; MARTRENCHAR et al. 2001) zwar eine niedrigere Frequenz aggressiven Pickens bei den Tieren beobachtet werden, die Tiere verloren aber meist relativ rasch das Interesse an den Elementen, so dass auch mit diesen Maßnahmen Federpicken und Kannibalismus nicht nachhaltig verhindert werden können (FRACKENPOHL und MEYER 2003).

Eine Erfolgsgarantie durch Anreicherungselemente gibt es nicht. Sie können möglicherweise sogar

(26)

den Nachahmeffekt fördern. In einer niederländischen Studie (KEULEN 1999) wurden verschiedene Spielobjekte (Nylonkordel, Kunststoffketten und Holzwollbälle) bei nichtschnabelgekürzten Tieren eingesetzt. Schon ab dem 3. Lebenstag konnten Pickverletzungen beobachtet werden. Die daraus resultierenden Verluste lagen bei den Hähnen ab der 5. LW im Durchschnitt bei 6,5 % und bei den Hennen bei 2 %. Tendenziell war mit dem Angebot der verschiedenen Spielobjekte eine Reduktion der Ausfallsrate verbunden. Ein Einfluss der Spielobjekte auf die Anzahl und Schweregrade der Verletzungen konnte jedoch nicht erhoben werden (KEULEN 1999). Eine fehlende Behandlung des Oberschnabels führt bei den Puten zu höheren Verlusten und Verletzungen durch gegenseitiges Picken (HAFEZ 1996, 1999; 2000;

HAFEZ et al. 2000; KEULEN 1999).

SCHNABELKÜRZEN

Als zootechnische Präventionsmaßnahme zur Vermeidung dieser Pickverletzungen wird nach wie vor das umstrittene Kürzen des Oberschnabels nach tierärztlicher Indikation durchgeführt, um Verletzungen mit erheblichen und unter Umständen lang anhaltenden Schmerzen, Leiden und Schäden bis zum Tod zu vermeiden. Allerdings kann das Schnabelkürzen die Kannibalismus- und Federpickfrequenz zwar reduzieren, aber nicht vollständig verhindern; das Kupieren der scharfen Schnabelspitze mildert jedoch die Schwere und Tiefe der Verletzungen, zumindest zu Beginn der Pickaktionen (HAFEZ 1999; HAFEZ 2000; HAFEZ et al. 2000).

Umstritten ist das Schnabelkürzen deshalb, weil die Kürzung des Oberschnabels erstens nach deutschem Tierschutzrecht einen Eingriff mit bleibendem Schaden am Tier darstellt und zweitens stets mit Schmerzen verbunden ist, da am Schnabel auch innervierte Teile entfernt werden (PETERMANN und FIEDLER 1999; FIEDLER 2006). Der EU-Bericht zum Tierschutz bei Puten (EU 1995) spricht von geringfügigen Veränderungen am Schnabel und kurzzeitigen Schmerzen, wo hingegen FIEDLER (2006) bei der üblichen Methode mittels Lichtbogen (Laser, Bio-beaker) sowie mittels Infrarotstrahl (PSP) von schwerwiegenden Schäden und lang anhaltenden erheblichen Schmerzen ausgeht. Die mechanisch-thermische Einwirkung bei der Anwendung des üblicherweise eingesetzten Lichtbogens führt neben einer Zerstörung von Teilen des Hornüberzuges des Oberschnabels mit massiven Blutungen zu einer Schädigung der darunter liegenden Dermis mit Nerven und Nervenendorganen sowie von Teilen des Knochens (PETERMANN und FIEDLER

(27)

1999; HAFEZ et al. 2002; FIEDLER 2006). Bei der Infrarotmethode, bei der Verbrennungen zweiten und dritten Grades auftreten (FIEDLER und KÖNIG 2006), konnten HAFEZ et al. (2002) keine Schädigung der knöchernen Strukturen feststellen. Bei diesem Verfahren liegen aber nach FIEDLER (2006) zum Teil Hinweise auf eine Neurombildung vor, was von HAFEZ et al. (2002) nicht bestätigt werden konnte. Bei beiden Verfahren ist der Schnabelschluss nicht immer gewährleistet, der Unterschnabel überragt den Oberschnabel zum Teil erheblich über mehr als 3 mm (FIEDLER 1993; FIEDLER und KÖNIG 2006). FIEDLER und KÖNIG (2006) konnten bei der Anwendung des Infrarotstrahls bei über 50 % ein Überragen des Unterschnabels von mehr als 3 mm feststellen. Bei über 90 % der Tiere war ein Schnabelschluss nicht mehr gewährleistet.

Tab. 2: Literaturangaben zum Auftreten von Kannibalismus und Federpicken bei Puten sowie fördernde und hemmende Faktoren, Maßnahmen und Bedingungen

Autor Art der Verhaltens- störung

Einfluss- grösse Versuchs- bedingung Vor- kommen

Fördernde Faktoren

Hemmende Faktoren

Kein Einfluss

KORTHAS 1986

FEDER- PICKEN

- Genetik - Linieneinfluss:

bei B.U.T. Big 6 ausgeprägter als bei anderen Linien

- Keine Angaben - Keine Angaben

FRANK et al.

1990a,b

KANNI- BALISMUS

- Mastputen (Nicholas und B.U.T)

- Schwere Beinfehl- stellungen, Osteo- myelitis

- Keine Angaben - Keine Angaben

SCHLUP et al.

1990

ART- GENOSSEN- PICKEN

- Besatz- dichte und Gruppen- größe

- Vorwiegend Intensivhaltung - Verkotete Ein- streu: arttypische Futtersuche erfolglos - Verschmutztes Gefieder: Schmutz bildet Kontrast im weißen Gefieder (Reiz)

- Besatzdichte: dicht beieinander liegende Tiere: andere Tiere werden als

„Beschäftigungs- objekt missbraucht“

- Verringerung der Besatzdichte - Verringerung der Gruppengröße - Geeignete Strukturierung

- Keine Angaben

(28)

Fortsetzung Tab. 2:

Autor Art der Verhaltens- störung

Einfluss- grösse Versuchs- bedingung Vor- kommen

Fördernde Faktoren

Hemmende Faktoren

Kein Einfluss

HEIDER 1992 KANNI- BALISMUS

- Keine Angaben

- Chronische Belastung/ äußere Stressoren wie z.B.:

- Eingeengter Lebensraum (hohe Besatzdichte) - eingeschränkte Fressplätze - Fehlende Stallstrukturierung - Zu hohe oder zu niedrige Umgebungs- temperaturen, - Hohe Licht- intensitäten - Gruppengröße - Bewegungsmangel - Fütterung, - Lerneffekt - rotfarbene Bluts- tropfen und Wund- flächen (Signal- wirkung)

- Art- und nutzungsgerechte Besatzdichte der Stallungen u. Aus- läufe (rigorose Ver- ringerung der Besatzdichte) - Optimierung der Klimaführung - Freß- und Tränkeflächen in ausreichender Anzahl

- Keine Angaben

HAFEZ 1997c 1999 2000

FEDER- PICKEN UND KANNI- BALISMUS

- Einsatz von ver- schiedenen Beschäft- igungsmat- erialien

- Genetik - Geschlecht - Lerneffekt - Stallstruktur - Hohe Temperaturen - Ungenügende Lüft- ung

- Hohe Lichtintensität - Hohe Besatzdichten - Schadhaftes Futter - Verlust des Interes- ses an Struktur- elementen

- Temporär:

Ablenkung der Tiere durch Einsatz von: Plastikteilen Maissilage - Verdunklung des Stalles

- Sowohl in der Auslaufhaltung als auch in der Inten- sivhaltung vor- kommend

SHERWIN und KELLAND 1998

FEDER- PICKVER- LETZUNGEN

- Gruppen- größe und Besatzdichte - Ab 5.

Lebenstag beobachtet

- Keine Angaben - Geringe Gruppen- größe und Besatz- dichte

(0,2 Tiere/m²) - Einsatz von UV- Licht (Floureszenz) Substrat

Sichtschutz

- Hohe Licht- intensität (60 lx) hatte hier keinen Einfluss auf das Vorkommen von Federpickverletz- ungen, bei nie- driger Besatz- dichte und Grup- pengröße

(29)

Fortsetzung Tab. 2:

Autor Art der Verhaltens- störung

Einfluss- grösse Versuchs- bedingung Vor- kommen

Fördernde Faktoren

Hemmende Faktoren

Kein Einfluss

CROWE und FORBES 1999

PICK- VERLETZ- UNGEN

- Einsatz von Beschäfti- gungsmat- erialien

- Intensive Haltung ohne Beschäftigung

- Metallplättchen Stroh

- Verstreuen von Getreidekörnern in der Einstreu

- Keine Angaben

KEULEN 1999 PICKVER- LETZUNGEN BEI UN- KUPIERTEN PUTEN

- Einsatz von Spiel- objekten, wie Holzwolle- bällen, Nylonseile, Kunststoff- ketten - Ab 4.

Lebenstag beobachtet

- Fehlende Behandlung des Oberschnabels führt zu höheren Verlusten und Verletzungen

- Tendenziell in Ställen mit Spiel- zeugangebot geringe Ausfalls- raten bei den Hennen

- Reduktion der Lichtstärke - und ein Lichtprogramm mit „Hell-Dunkel- Schema“ führte zu keine Reduktion - Kein Einfluss der angebotenen Spielobjekte auf die Anzahl und

Schwere der Verletzungen MARTREN-

CHAR 1999

ART- GENOSSEN PICKEN

- Besatz- dichte

- Keine Angaben - Keine Angaben - Keine konstanten Effekte der Besatzdichte auf das Verhalten SHERWIN et

al. 1999

FEDERPICK- VERLETZ- UNGEN

- Stallstruk- turierung

- Keine Angaben Bei ♂:

- Stroh

- Metallplättchen - Farbige Seile - Sichtschutz

- Keine Angaben

ELLERBROCK 2000

AGO- NISTISCHE PICK- AKTIONEN

- Besatz- dichte

- Höhere Besatzdichte - Keine Angaben - Zwischen ge- ringer und mittlerer Besatzdichte kein Unterschied FELDHAUS

und

SIEVERDING 2001d

FEDER- PICKEN UND KANNI- BALISMUS

- Haltungs- und Fütterungs- effekte - Ab der 3.

LW mit Beginn des Schiebens der weißen Flügelfedern

- Direktes Sonnenlicht - Zu wenig Futter- und Wasserplätze

- Zu energiereiches Futter

- Ungünstige Mineralisierung des Futters

- Befall mit Ekto- parasiten

- Zu hohe Besatzdichte - Zu hohe

Temperaturen

- Häufig sind Tiere mit Beinschwäche

betroffen

- Verstreuen von grünen, fünf- markstückgroßen- bis handteller- großen Plastik- teilen im Stall - Einsatz von Magnesium- haltigen Präp- araten über das Trinkwasser

- Keine Angaben

(30)

Fortsetzung Tab. 2:

Autor Art der

Verhaltens- störung

Einfluss- grösse Versuchs- bedingung Vor- kommen

Fördernde Faktoren

Hemmende Faktoren

Kein Einfluss

MARTREN- CHAR et al.

2001

AGGRES- SIVES PICKEN UND PICKVER- LETZUNGEN

- Einsatz von Beschäfti- gungsmat- erialien

- Intensive Haltung ohne Beschäftigung - Geschlecht: ♂ Tiere

- Metallplättchen - Stroh

- Keine Angaben

MOINARD et al. 2001

PICKVER- LETZUNGEN

Aus- wirkung von:

- Licht- intensität/

- Lichtquelle

- Hohe Lichtintensität - Glühlampenlicht

- Vermindert durch: Fluores- zenzlicht - gedämpftes Licht (10 lx)

- Keine Effekte zwischen 5 und 10 lx bezüglich des Auftretens von Pickverletzungen

BERK 2002 PICKVER-

LETZUNGEN

- Stallstruk- turierung (Außen- klimabereich und

Sichtschutz)

- Keine Angaben - AKB subjektiv:

- Trennwände als Sichtschutz - Möglichkeiten zum Aufbaumen um Artgenossen aus dem Weg zu gehen

- Keine Angaben

FRACKEN- POHL und MEYER 2003

FEDER- PICKEN UND KANNI- BALISMUS

- Einsatz von ver- schiedenen Beschäft- igungs- materialien

- Verlust des Interesses - Ablenkung der Tiere durch Einsatz von verschiedenen Beschaftigungs- materialien aus Plastik

- Keine Angaben

BUCH- WALDER und HUBER- EICHER 2004

AGONIS- TISCHE PICK- AKTIONEN

- Gleiche Gruppen- größe mit unterschied- lich viel Platz (Besatz- dichte)

- Geringe Nutzfläche - Reduktion der Besatzdichte durch mehr nutz- bare Fläche - Größere Dis- tanzen zwischen den Tieren durch mehr Platz

- Keine Angaben

COTTIN 2004 KANNI- BALISMUS

- Stallstrukt- urierung - Einsatz von 2 schweren und 2 leichten Linien

- Nicht schnabelkupiert (leichte Linien):

vermehrt Verletzungen durch Artgenossen- picken

- Strukturierung der Haltungs- umwelt bei leichten Linien (AKB, Stroh- ballen, erhöhte Ebenen)

- Keine Angaben

(31)

Fortsetzung Tab. 2:

Autor Art der

Verhaltens- störung

Einfluss- grösse Versuchs- bedingung Vor- kommen

Fördernde Faktoren

Hemmende Faktoren

Kein Einfluss

BUCH- WALDER und HUBER- EICHER 2005

AGGRES- SIVES PICKEN

- Effekt der Gruppen- größe

Kleine Gruppen (6 Tiere)

Größere Gruppen (30 Tiere)

Keine Angaben

KORBEL und STURM 2005

FEDER- PICKEN

Auswirkung von:

- Lichtspek- trum - Lichtquelle

- Fehlender UV- Anteil im Licht

- Flickerfusions- frequenz von Kunstlicht

- Nutzung von UV-

emittierenden und

flickerfusions- freien Licht- quellen

- Keine Angaben

WARTEMANN 2005

FEDER- PICKEN AGGRES- SIVES PICKEN

- Außen- klimabereich (AKB)

Federpicken:

- Aufenthalt im AKB

- Keine Angaben - Aggressives Picken trat gleichermaßen bei der Haltung mit und ohne AKB auf

(32)

2.3.2 Brusthautveränderungen

Unter dem Begriff „Brusthautveränderungen“ wird eine Vielzahl von pathologischen Zuständen der Brusthaut der Pute (Brustschleimbeutelentzündung, Brustblasen, Knöpfchen, Druckstellen, Bursahygrom) zusammengefasst. Als allgemeine Ursache dieser Erkrankungen wird das Ruhen der Tiere über längere Zeiträume in Brustlage auf harter und verschmutzter Einstreu, auf Sitzstangen oder erhöhten Bereichen ohne weiche Unterlage angesehen. Hinzu kommen mit steigendem Alter Umfang und Gewicht der Brustmuskulatur, die den Druck erhöhen. So kommt es meist zunächst zu Druckstellen, die sich verfestigen und entzünden können.

Bei der Brustschleimbeutelentzündung (Bursitis praesternalis, Brustblasen) handelt es sich um eine umkapselte Umfangsvermehrung mit Entzündung der Haut im Brustbereich und des Schleimbeutels des Brustbeinkammes (Bursa praesternalis). In der Unterhaut sind ausgedehnte entzündliche Prozesse mit sulzig-blutigem Gewebe darstellbar. Der Inhalt des veränderten Schleimbeutels besteht aus gelblich-weißer fadenziehender Synovia, die im weiteren Verlauf käsig wird. Sekundär kann es zur Infektion mit Erregern, wie Salmonella spp., Pasteurella spp, E. coli, Streptococcus spp., Staphylococcus spp, und Mycoplasma spp. kommen (HILBRICH 1978a;

BODEN 1993a; HAFEZ 1997a, BERK 2002). NOLL und KAMYAB (2002) konnten jedoch zeigen, dass nur ein geringer Prozentsatz (9 %) der bakteriologisch untersuchten Brusthautveränderungen bakteriologisch positiv waren. Eine hochgradige, fluktuierende Umfangsvermehrung des Schleimbeutels (Wassergeschwulst), häufig ohne äußerlich sichtbare entzündliche Hautveränderungen, wird auch als Bursahygrom bezeichnet (KAMYAB 2001; BERK 2002;

NOLL und KAMYAB 2002).

Unter einer fokalen ulcerativen Dermatitis (Breast buttons, Knöpfchen, Druckstellen) werden runde bis ovale, chronisch aktive Geschwüre verstanden, die sich in der oberen Hautschicht befinden. Sie treten einzeln oder multipel im Bereich des Sternums auf; die schwarze, schorfige Oberfläche ist zum Zentrum hin eingezogen und kann ein käsiges Exsudat aufweisen (BERK 2002).

Eine Fistelkanalbildung ist möglich. Diese oberflächlichen Hautveränderungen können eine Größe von mehreren Zentimetern erreichen (BERK 2002, WARTEMANN 2005).

Die entzündlichen Veränderungen, insbesondere das Auftreten von Brustblasen und Bursahygromen, sind wirtschaftlich von Bedeutung, da es zu einer Minderbewertung des Schlachttierkörpers und zum Verwurf oder Teilentfernung kommen kann (GYLSTORFF 1982;

HAFEZ 1999, BERK und HAHN 1999; BERK 2002).

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

b) vormittags von April bis August mehr Sonne als nachmittags, im Friihjahr und im Herbst nachmit tags mehr Sonne als vormittags - mit einem Mini mum der Beschattung am

erkläre sich auch, das „alle ihrem Lande zuge- bildeten sinnlichen Völker dem Boden desselben so treu sind und sich von ihm unabtrennlich fühlen". Er sucht ihn zu fassen,

Beim Fokus auf die USA wird allerdings häufig vergessen, dass auch andere Länder aktuell wenig Interesse an multilateralen Lösungen zeigen.. Das sture Beharren

Sie soll dem Gericht helfen zu entscheiden, ob der jugendliche Täter schon die erforderliche Reife besitzt, um das Un- recht seines Handelns zu erkennen, also überhaupt

Um die Bedeutung der Automobilindustrie für den Standort Deutschland zu erfassen, analy- sieren die Schülerinnen und Schüler am Ende dieses Kapitels eine Statistik zu Deutschlands

17 Des Weiteren legte der Vertrag von Maastricht einen Zeitplan für die Einführung einer Wirtschafts- und. 18 Währungsunion fest und formulierte Kriterien, die Staaten

() Die Hauptkrankheit der Schlag- aderwände der Menschen der kli- matisch-gemäßigten Zonen unse- rer Erde ist natürlich die Arterio- sklerose. Sie ist nosologisch nicht einheitlich

die Ann-Arbor-Klassifikation für das Hodgkin-Lymphom, die Unter- teilung in „limited" und „exten- sive disease" für das kleinzellige Bronchialkarzinom, die Dukes-