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Prof. Dr. Hans Jöchle (1892-1968) : ein Leben für den Hufbeschlag

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Prof. Dr. Hans Jöchle

(1892 – 1968)

Quellen und Materialien zur Geschichte der Tierärztlichen Fakultät der Universität München

Ein Leben für

den Hufbeschlag

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Prof. Dr. Hans Jöchle (1892-1968) - Ein Leben für den Hufbeschlag

Quellen und Materialien zur Geschichte der Tierärztlichen Fakultät der Universität München

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin (Dr. med. vet.)

durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

vorgelegt von Stefanie Albrecht

aus Ravensburg

Hannover 2006

(4)

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. Dr. habil. Johann Schäffer 2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. med. vet. Helmut Waibl

Tag der mündlichen Prüfung: 13.11.2006

ISBN 10: 3-939665-21-5 ISBN 13: 978-3-939665-21-2 1. Auflage 2006

© docupoint Verlag, Magdeburg

Herstellung: docupoint GmbH, Magdeburg Printed in Germany

Alle Rechte vorbehalten

(5)

For want of a nail the shoe is lost, For want of a shoe the horse is lost, For want of a horse the rider is lost, For want of the rider the battle is lost, For want of the battle the war is lost, For want of the war the nation is lost, All for the want of horseshoe nail.

George Herbert (1593-1633)

(6)
(7)

1 Einleitung 13

1.1 Forschungsstand 15

1.2 Quellen und Methodik 17

2 Biographie 20

2.1 Herkunft und Schulzeit 20

2.2 Kriegsstudium 24

2.2.1 Promotion 37

2.2.2 „Apollo“ 39

2.3 Assistent an der Universität 47

2.4 Wanderlehrer für Hufbeschlag 60

2.5 Ernennung zum Professor 82

2.6 Der Zweite Weltkrieg 87

2.7 Nachkriegszeit 97

2.7.1 „Und trotzdem werden Sie nie ein National-

sozialist werden“ - die Entnazifizierung 99

2.7.2 Wiedereinstieg? 102

2.8 Tierzuchtdirektor an der Staatlichen Hufbeschlagschule 106

2.9 Ruhestand 115

2.10 Tabellarischer Lebenslauf 121

3 Bibliographie 124

4 Im Dienste des Hufbeschlags 129

4.1 Die Staatliche Hufbeschlagschule München 133

4.1.1 Ausbildung der Hufschmiede 140

4.1.2 Widakstollen 145

4.2 Das Institut für Hufkunde 149

4.3 Der Hengst Maximilian 153

4.4 Die Hufbeschlagsfrage 156

(8)

5 Die Tierärztliche Fakultät in München 173

5.1 Vorgeschichte 173

5.2 Die Tierärztliche Fakultät München im Dritten Reich 177 5.2.1 Personalpolitik an der Tierärztlichen Fakultät

München 177

5.2.2 Die „Führer“ der Universität München 181

5.2.3 Professor Mosers Erbe 184

5.2.4 Fleischbeschau, Lebensmittelkunde und

Parasitologie 194

5.2.5 Die Theologische Fakultät in München 199 5.2.6 Schließung und Wiedereröffnung? 200 5.2.7 Die Heeresveterinärakademie Hannover und

andere tierärztliche Fakultäten 213

5.3 Nachkriegszeit in München 216

5.3.1 Die Tierärztliche Fakultät nach 1945 216 5.3.2 Professorenschaft und Entnazifizierung in

München 225

Reinhard Demoll 227

Wilhelm Ernst 228

Oskar Seifried 229

Hans Sedlmeier 231

Anton Otto Stoß 232

Walther Baier 235

Hugo Grau 237

Richard Abelein 237

Karl Hilz 240

Eugen Mennel 242

Johannes Nörr 244

Walter Koch 246

Fritz Stockklausner 248

Wilhelm Niklas 249

Melchior Westhues 251

Bilanz 257

(9)

5.3.4 Die Studentenschaft 260 5.3.5 Hans Jöchle und die Professur für Hufkunde 262

6 Schlussbetrachtung 270

7 Zusammenfassung/Summary 278

8 Quellen und Literatur 282

8.1 Quellen 282

8.2 Literatur 287

8.3 Zeitzeugen und Fachleute 310

8.4 Abbildungsnachweis 311

(10)

Abb. Abbildung ao. außerordentlich

ASchw Archiv Schwaiganger außerpla. außerplanmäßig

BArch Bundesarchiv Berlin

BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München BDC Berlin Document Center

BDM Bund Deutscher Mädel Briefw. Briefwechsel

DB Deutsche Burschenschaft

DVG Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft d. R. der Reserve

evtl. eventuell

h. c. honoris causa (ehrenhalber) H. Dv. Heeresdienstvorschrift HJ Hitlerjugend hrsg. herausgegeben

Hrsg. Herausgeber

HVV Heeresveterinärvorschrift IfZ Institut für Zeitgeschichte, München

IGTM Institut für Palaeoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin, München

JV Jungvolk Kap. Kapitel

LMU Ludwig-Maximilians-Universität München L.-R. Landwirtschaftsrat

mdl. mündlich

MF (Bayerisches) Finanzministerium

MInn (Bayerisches) Innenministerium Mitt. Mitteilung

MK (Bayerisches) Kultusministerium

MKr Bayerisches Hauptstaatsarchiv München - Kriegsarchiv ML (Bayerisches) Landwirtschaftsministerium NS nationalsozialistisch, Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

NSDB Nationalsozialistischer Dozentenbund NSDStB Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund NSLB Nationalsozialistischer Lehrerbund NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt

(11)

o. Sign. ohne Signatur

Obb. Oberbayern OKH Oberkommando des Heeres pla. planmäßig

PrivAMJ Privatarchiv Manfred Jöchle PrivAWJ Privatarchiv Wolfgang Jöchle RM Reichsmark

SA Sturmabteilung der NSDAP schriftl. schriftlich

sog. so genannte/r

SpkA K Spruchkammerakten Karton SS Schutzstaffel der NSDAP SS Sommersemester StAM Staatsarchiv München

TH Technische Hochschule

TiHo Tierärztliche Hochschule Hannover

TiHoA Archiv der Tierärztlichen Hochschule Hannover u. a. und andere

u. dergl. und dergleichen u. s. w. und so weiter

UA HUB Universitätsarchiv der Humboldt-Universität Berlin UAM Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität München übers. übersetzt

uk unabkömmlich V. B. Völkischer Beobachter

VELF Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Vet. med. Fak. Veterinärmedizinische Fakultät

VMTA veterinärmedizinisch-technische Assistentin VO. Verordnung

vorl. vorläufig Wiedereinstell. Wiedereinstellung

WS Wintersemester z. Zt., z. Z. zur Zeit

(12)
(13)

und fertigte posthum nach Fotovorlagen die Büste an, die sich heute im Besitz des ältesten Sohnes, Wolfgang Jöchle, befindet.

(14)
(15)

1 Einleitung

„Wo immer Jöchle beruflich tätig war, hat er sich durch völlige Hingabe an sein Werk und durch wissenschaftliche Gründlichkeit ausgezeichnet. Er hat insbesondere im Bereich der Landwirtschafts- verwaltung die tierärztliche Wissenschaft und den tierärztlichen Stand würdig vertreten. Er hat als früher Zuchthygieniker auf die Erblichkeit von Hufmängeln hingewiesen und in der bayerischen Pferdezucht die Ausmerzung solcher Mängel mit Erfolg betrieben“

(Mehrle 1968, 234).

Mit diesen Worten fasste Franz Mehrle das Lebenswerk Jöchles nach dessen Tod im Jahr 1968 in der Deutschen tierärztlichen Wochenschrift zusammen. Der in Erkheim im Allgäu geborene Tiermediziner Hans Jöchle war ab Ende der 20er Jahre über drei Jahrzehnte eine der profiliertesten Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Hufkunde und des Hufbeschlags. Der Landesverband bayerischer Schmiedemeister und Fahrzeugbauer ernannte ihn deshalb auf dem Verbandstag 1957 zum Ehrenmitglied (Mehrle 1957, 442). Auch im Rahmen seines Einsatzes für die Entwicklung der bayerischen Landespferdezucht gebührt ihm ein ranghoher Platz. Die Biographie Jöchles ist eng mit der Geschichte der Tierärztlichen Fakultät der Universität München verbunden, die bisher weder in der Zeit des Dritten Reichs noch in der Nachkriegszeit hinreichend erforscht ist.1 Darüber hinaus gilt es, die den Hufbeschlag betreffenden fachlichen Differenzen Jöchles mit dem Veterinärinspekteur im Oberkommando des Heeres, Prof. Dr. Curt Schulze, zu analysieren, die - Gerüchten zufolge - 1939 zur Schließung der Münchner Fakultät geführt haben sollen.

Die Leistungen Jöchles liegen weniger im Bereich der Forschung als in der jahrzehntelangen Ausbildung der Hufschmiede in Bayern. Er war stets bemüht, ihnen neben dem Fachwissen auch die Grundbegriffe des Tierschutzes mit auf den Weg zu geben und Aufklärungsarbeit unter den Pferdebesitzern zu betreiben.

Eine Vielzahl an Aufsätzen und veterinärmedizinischen Dissertationen beschäftigt sich mit der Geschichte der tierärztlichen Ausbildung in Deutschland, die Zeit des Nationalsozialismus bleibt allerdings eine Randerscheinung, die kaum bearbeitet wurde. Das liegt unter anderem daran, dass diese Schriften oft als Jubiläums-Festschriften veröffentlicht

1 Siehe Schäffer, Brumme 1998.

(16)

wurden (Schimanski, Schäffer 2001a, 380) oder zur Ehrung einzelner Professoren oder Institute dienten. Die Autoren wagten nicht, das recht schwierige Thema des Nationalsozialismus anzugreifen, insbesondere solange noch direkt Beteiligte an den tierärztlichen Bildungsstätten lehrten.

Ziel dieser Arbeit ist, neben der Biographie Jöchles auch sein Umfeld an der Tierärztlichen Fakultät München zu erforschen und die Rahmen- bedingungen für seine Tätigkeiten in Forschung und Lehre zu beleuchten.

Die dabei beteiligten Personen werden unter Berücksichtigung der Gesamt- umstände dieser Zeit beschrieben, es soll jedoch nicht über sie geurteilt werden. Ludwig Kotter2 erklärte zu diesem Thema in der Eröffnungs- ansprache zur Ringvorlesung „Die deutsche Universität im Dritten Reich“

am 18. November 1965 in München:

„Noch ein besonderes Wort an Sie, meine lieben Kommilitoninnen und Kommilitonen. Die Vorlesungen unseres Rings behandeln Ereignisse, die Sie selbst nicht erlebt haben. Damit sollen Sie nicht von der Pflicht zu einem kritischen Urteil entbunden werden. Die historische und menschliche Gerechtigkeit verlangt aber, daß man sich in die Umstände und die besonderen Notlagen der damaligen Zeit vorurteilslos hineinversetzt - nur so ist ein objektives Urteil möglich. Sie dürfen mir glauben: Nicht konformistisch zu sein, ist selbst unter den freiheitlichen Umständen unserer glücklicheren Zeit schwer genug. Wieviel mehr Mut gehörte im Dritten Reich dazu, gegen einen gewalttätigen und oft mörderischen Strom zu schwimmen [...]“ (Kotter 1965, 65).

Die Arbeit soll dazu beitragen, die Fakultätsgeschichtsschreibung zu vervollständigen und damit auch die Berufs- und Standesgeschichte der Tiermedizin ein kleines Stück voranzubringen. Die Verdienste Hans Jöchles um den Hufbeschlag und die Tierzucht, die leider nie entsprechend gewürdigt wurden, sollen in das Bewusstsein der Tierärztlichen Fakultät München zurückgerufen werden. Eine umfassende Bearbeitung der Geschichte der Tierärztlichen Fakultät München im Dritten Reich ist in dem Rahmen der vorliegenden Arbeit sicherlich nicht möglich, da die Biographie Jöchles den Schwerpunkt bildet. Es ist aber ein erster Schritt, sich ernsthaft mit diesem Teil der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

2 Professor an der Tierärztlichen Fakultät und Rektor der LMU München 1965/66.

(17)

1.1 Forschungsstand

Das Thema „Tiermedizin im Nationalsozialismus“ ist nach wie vor wenig bearbeitet (vgl. Schäffer, Brumme 1998, 13-21), auch wenn sich in den letzten Jahren auf diesem Gebiet einiges getan hat. Grundlegende Werke sind der Tagungsband „Veterinärmedizin im Dritten Reich“ der Fach- gruppe Geschichte der Veterinärmedizin der Deutschen Veterinär- medizinischen Gesellschaft3 und die in der Folge der Tagung entstanden Dissertationen zu dieser Thematik, die sich unter anderem mit der Tierärztlichen Hochschule Hannover im Nationalsozialismus (Schimanski 1997) oder mit der Problematik der jüdischen Tierärzte im Deutschen Reich (Möllers 2002) beschäftigt haben. Auch die Geschichte der veterinärmedizinischen Fakultäten in Gießen (1933-1957) und Leipzig (1933-1945) wurde in zwei Dissertationen erfasst (Orlob 2003; Riedel 2004).

Die Geschichte der Tierärztlichen Fakultät der LMU München zur Zeit des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit ist in der offiziellen Geschichtsschreibung der Fakultät bisher kaum bearbeitet worden4. Die wenigen vorhandenen Berichte bestehen vor allem aus Auflistungen der Lehrstuhlbesetzungen und der Gebäudeschäden nach dem Zweiten Weltkrieg und sie münden in die Darstellung des Wiederaufbaus der Tierärztlichen Fakultät, verbunden mit hagiographischen Würdigungen der daran beteiligten Personen (Pschorr 1950; Westhues 1965; Boessneck 1965; Boessneck 1972). Lediglich blumig umschreibende Zitate befassen sich mit der Schließung der Fakultät 1939 und deren Gründen. Eichhorn (1951, 74-75) berichtet in seiner Dissertation, das Reichserziehungs- ministerium habe eine möglichst große Anzahl von Hochschulen schließen wollen, und die Tierärztliche Fakultät München konnte trotz Überfüllung der anderen tierärztlichen Bildungsstätten und vielfältiger Bemühungen während des Krieges nicht wiedereröffnet werden. In der Festschrift zur 200-Jahrfeier der Fakultät wird die Zeit des Nationalsozialismus nur kurz in Form eines Zeitzeugenberichts abgehandelt (Gylstorff 1990, 31-37)5. Dabei wird die Berufung Jöchles auf den Lehrstuhl für Hufkunde anstelle

3 „Veterinärmedizin im Dritten Reich“, 5. Tagung der Fachgruppe Geschichte der Veterinärmedizin der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft am 14.-15.11.1997 in Hannover. – Publiziert von Johann Schäffer (Hrsg. 1998): Veterinärmedizin im Dritten Reich, 5. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte der Veterinärmedizin, 1997. Verlag der Deut- schen Veterinärmedizinischen Gesellschaft, Gießen.

4 Vgl. Heiber 1994, 204. Da Heiber eine Vielzahl an Universitäten beschreibt, kann er naturgemäß nur einen Überblick verschaffen, aber nicht auf die Details eingehen.

5 Augenzeugenbericht. Vgl. Schäffer, Gunther 1998, 278.

(18)

des von dem Veterinärinspekteur des Heeres, Prof. Dr. Curt Schulze, vorgeschlagenen Kandidaten als einer der ausschlaggebenden Gründe für die Schließung der Fakultät während des gesamten Krieges genannt. Eine Darstellung der Gesamtuniversität von 1933 bis 1936 geht ebenfalls kaum auf die Tierärztliche Fakultät ein (Böhm 1995) und Böhm gesteht ein,

„gerade die Zeit des Dritten Reichs blieb in der sonst gut erforschten Münchener Universitätsgeschichte bisher fast gänzlich ausgespart.“ Die Festschriften und die Fakultätenbände zu den Universitätsjubiläen streifen das Thema, wenn überhaupt, nur am Rande und die Biographien einzelner Persönlichkeiten und Berichte über den studentischen Widerstand be- arbeiten nur wenige Schwerpunkte (Böhm 1995, 15-16).

Zur Person von Prof. Hans Jöchle wurde bisher nichts veröffentlicht, was seiner Bedeutung als Landwirtschaftsrat für Hufbeschlag, Professor für Hufkrankheiten, Theorie des Hufbeschlags und Beschirrungslehre und Leiter der Staatlichen Hufbeschlagschule München auch nur im mindesten angemessen wäre. Die Erinnerungen von Walther Baier erwähnen Hans Jöchle nur am Rande als Assistenten unter Professor Moser (Baier 1990).

Erst nach Jöchles Tod 1968 widmete ihm die Jahreschronik der LMU einen 1-seitigen Lebenslauf (Fritsch 1970). Auch die Chroniken der Tierärztlichen Fakultät München enthalten nur Kurzbiographien in Form weniger Sätze, die Jöchle als Landwirtschaftsrat, außerordentlichen Professor und Leiter der Staatlichen Hufbeschlagschule darstellen (Boessneck 1972; Boessneck, von den Driesch 1990). In der Chronik der Chirurgischen Tierklinik, die das Institut für Huf- und Beschirrungskunde 1947 übernahm, ist Jöchle gänzlich ausgeklammert (Matis 1990).

Der Hufbeschlag wurde vor und während des Zweiten Weltkriegs in den einschlägigen Fachzeitschriften, von den Hufbeschlagsmethoden bis zur Nomenklatur, heftig diskutiert. Schon 1933 appellierte Friedrich in der Tierärztlichen Rundschau in mehreren Aufsätzen, die deutschen Hufbeschlaglehren zu vereinheitlichen (Friedrich 1933). Diese Ausein- andersetzungen wirkten sich auch auf die Vita von Hans Jöchle aus.

(19)

1.2 Quellen und Methodik

Die Arbeit basiert auf der historiographischen Erfassung, Dokumentation und Auswertung eines umfangreichen originären Quellenmaterials, zum einen aus dem persönlichen Nachlass von Hans Jöchle in Form von Urkunden, Dokumenten und Briefen, die sein Sohn, Prof. Dr. Wolfgang Jöchle (USA), zur Verfügung stellte. Zum Zweiten existiert aussage- kräftiges Archivmaterial aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv und Kriegsarchiv München, dem Universitätsarchiv München, dem Staats- archiv München, dem Stadtarchiv München und dem Archiv der TiHo Hannover.

Im Universitätsarchiv der LMU München befinden sich Personal- und Berufungsakten des Akademischen Senats zu Hans Jöchle und zu anderen Professoren der Tierärztlichen Fakultät, sowie Akten des Verwaltungsaus- schusses der LMU München und Senatsprotokolle, die jedoch recht lückenhaft sind. Ein großer Teil der Akten der Tierärztlichen Fakultät ging im Zweiten Weltkrieg verloren (UAM 2004, schriftl. Mitt.). Sie werden ergänzt durch Akten zu Hans Jöchle, die sich im Bestand des Bayerischen Hauptstaatsarchivs befinden und von der Regierung von Oberbayern stammen. Das Bayerische Hauptstaatsarchiv besitzt außerdem Material aus dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und dem Innenministerium, das sich auf das Institut für Hufkunde, die Tierärztliche Fakultät und ihre Professoren, die Entnazifizierung und die Wieder- eröffnung bezieht. Die Akten des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zur Chirurgischen Tierklinik (BayHStA MK 69666) zwischen dem 5. und dem 30. Dezember 1947, sowie ein Teil der Akten zur ordentlichen Professur für Chirurgie und der Chirurgischen Klinik (BayHStA MK 69631) sind jedoch aus „Datenschutzgründen“ gesperrt. In anderen Akten fehlt jeglicher Inhalt aus der Zeit zwischen 1936 und 1945. Im Staatsarchiv München sind die Spruchkammerakten von Hans Jöchle und anderen Professoren der Tierärztlichen Fakultät erhalten. Die Spruchkammerakten sind jedoch hinsichtlich ihrer Glaubhaftigkeit recht kritisch zu behandeln.

Einige wenige Akten der Bundesarchive in Berlin ermöglichen eine Ergänzung der Thematik. Leider sind die Wehrmachtpersonalunterlagen von Hans Jöchle und Melchior Westhues in der Deutschen Dienststelle in Berlin nicht überliefert und so sind die Dienstzeiten nicht mehr nachzuvollziehen (Deutsche Dienststelle Berlin 2005, schriftl. Mitt.). Die Bücher sämtlicher bayerischer Hufbeschlagschulen werden im Archiv des Bayerischen Haupt- und Landgestüts Schwaiganger aufbewahrt, wo sich

(20)

heute die letzte Hufbeschlagschule Bayerns befindet (Wolpert6 2005, mdl.

Mitt.).

Eine dritte Quellenbasis bilden sowohl biographisch wertvolle Hinweise als auch streng fachbezogene, die Hufkunde und den Hufbeschlag betreffende Beiträge in veterinärmedizinischen Fachzeitschriften (Berliner und Münchener tierärztliche Wochenschrift, Deutsche tierärztliche Wo- chenschrift, Tierärztliche Umschau, Tierärztliche Mitteilungen, Deutsches Tierärzteblatt und verschiedene Zeitschriften für Tierzucht). Insbesondere die Zeitschriften

- „Der Hufschmied“ (1920-1944)7

- „Zeitschrift für Veterinärkunde“ (1916-1944)8 - „Bayerische Schmiedezeitung“ (1925-1941)9 - „Die Schmiede-Werkstatt“ (1947-1958)10 - „Zucht und Sport“ (1927-1934)11

- „Deutsches Kaltblut“ (1929-1936)

wurden systematisch ausgewertet, da sie das Wirken Jöchles im Bereich Hufbeschlag und Pferdezucht zu dokumentieren vermögen. Zur Ergänzung wurde das Personen- und Vorlesungsverzeichnis der Universität München herangezogen.

Die Sekundärliteratur in Form der oben genannten Chroniken der Universität München, aber auch Biographien sowie schriftlich festge- haltene Erinnerungen und Rückblicke von Zeitzeugen (Koch 1972; Baier 1990) ergänzen die Vita Jöchles und tragen dazu bei, den Zeitgeist zu erfassen (Koch 1973; Jäger 1989).

Hans Jöchle selbst publizierte in folgenden Periodika: Deutsches Tierärzteblatt, Deutsche landwirtschaftliche Tierzucht, Deutsches Kaltblut, Tierärztliche Rundschau, Wochenblatt der Landesbauernschaft Bayern, Zeitschrift für Gestütkunde und Pferdezucht, Zucht und Sport, Die Schmiede-Werkstatt und Der Bayerische Schmied. Außerdem ist die Dissertation von Hans Jöchle12 in der Bibliothek der Tierärztlichen Fakul-

6 Dr. Erwald Wolpert war von 1972 bis 1990 Gestütstierarzt und Leiter der Hufbeschlag- schule Schwaiganger.

7 1944 Erscheinen eingestellt.

8 1945 Erscheinen eingestellt.

9 1941 Erscheinen eingestellt.

10 Erster Jahrgang 1947.

11 1934 Erscheinen eingestellt.

12 Jöchle, Hans (1920): Versuche zur Bekämpfung der Dasselplage mit giftigen Gasen.

München, Ludwig-Maximilians-Universität, Tierärztliche Fakultät, Diss.

(21)

tät München erhalten, und auch sein Buch über Huf- und Klauenpflege13 liegt vor.

Leider sind aufgrund des großen zeitlichen Abstands zu den Haupt- geschehnissen in den 1930er und 40er Jahren kaum noch Zeitzeugen am Leben. Grundsätzlich bereitet es Schwierigkeiten, repräsentative und objektive Zeitzeugen für die „Oral History“ zu finden, zumal im Nachhinein vieles beschönigt wird oder unausgesprochen bleibt. Auch ein oft reduziertes Erinnerungsvermögen und ein sehr begrenztes Fakten- wissen drängen die Personenbefragung zu diesem Thema immer mehr in den Hintergrund und es bleibt nur das Aktenstudium als Quellenmaterial (Böhm 1995, 20).

13 Jöchle, Hans, und Fritz Stockklausner (1937): Huf- und Klauenpflege. Arbeiten des Reichsnährstandes. Band 28. Reichsnährstand Verlags-GmbH, Berlin.

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2 Biographie

2.1 Herkunft und Schulzeit

Am 29. März 1892 kam Hans Jöchle in Erkheim bei Memmingen auf dem Hof seiner Eltern, der Landwirtseheleute Wilhelm und Elisabeth Jöchle, zur Welt (UAM Sen-I-145, Lebenslauf). Sein Vater (geb. am 25. Juni 1855 in Erkheim) war Sohn des Söldners und Bauern Johannes Jöchle und seiner Ehefrau Theresia, geborene Huber. Er hatte den Hof Nr. 66 von seinem Vater übernommen und war zusätzlich noch für die Forstarbeiten in und um Erkheim verantwortlich. Elisabeth Jöchle kam am 18. Oktober 1854 im selben Ort als Tochter des Schusters Anton Zedelmayer und seiner Ehefrau Balbina, geborene Hörterich, zur Welt (UAM Sen-I-145, Abstammungs- nachweis von H. Jöchle 1938). Die Ehe schlossen die beiden am 13. Fe- bruar 1879 in Erkheim (Standesamt Erkheim). Die Familie hatte einen mittelgroßen Hof mit 79 Tagwerken zu bewirtschaften, der zwei Pferde, eine Rinderherde und einige Schweine umfasste (Jöchle, W. 2004, mdl.

Mitt).

Abb. 2: Das Geburtshaus von Hans Jöchle in Erkheim, Lerchenweg 1, (früher Nr. 66). Das Haus wurde 1961 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt.

(23)

Balbina

* 18.10.1878

† 18.03.1965

Johann Georg

* 27.01.1880

† 29.09.1950

Wilhelm

* 06.10.1881

† 07.11.1882

Johannes Jöchle

Wilhelm Jöchle

Theresia

* 15.01.1883

† 11.08.1976

* 27.09.1828

’

Theresia Huber

* 22.03.1837

* 25.06.1855

† 13.05.1932

Elisabetha

* 21.11.1884

† 18.06.1964

Anton Zedelmayer

* 16.05.1816

’

’ 14.02.1879

Elisabeth Zedelmayer

Kreszenzia

* 12.06.1886

† 03.08.1886

Balbina Hörterich

* 06.02.1820 in Siebnach

* 18.10.1854

† 18.08.1943

Barbara

* 09.10.1888

† 03.04.1969

Anton

* 05.02.1891

† 26.04.1971 Johannes

* 29.03.1892

† 26.02.1968 Maria

* 22.10.1897

† 10.12.1975

Abb. 3: Genealogie der Familie Jöchle. Alle Personen ohne gesondert vermerkten Geburtsort sind in Erkheim geboren.

(24)

Johannes Jöchle, später „Hans“ gerufen, war das neunte Kind der Familie (UAM Sen-I-145, Lebenslauf von H. Jöchle) und wurde nach seinem Großvater benannt. Die älteste Tochter war am 18. Oktober 1878 als uneheliches Kind zur Welt gekommen und wurde deshalb als Balbina Zedelmayer eingetragen. Das war im ländlichen Raum zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches und wurde akzeptiert, wenn die Vaterschaft feststand und das Kind später durch Heirat „legitimiert“ wurde. Das zweite Kind, Johann Georg, wurde erst nach der Hochzeit am 27. Januar 1880 in Erkheim geboren, das dritte, Wilhelm, am 6. Oktober 1881. Er verstarb schon im Alter von einem Jahr. Die Schwestern Theresia, Elisabetha und Kreszenzia folgten im Abstand von jeweils ein bis zwei Jahren, wobei die letztere schon nach zwei Monaten, im August 1886, verstarb. Wie alle Jöchle- Kinder wurden auch Barbara (9. Oktober 1888) und Anton (5. Februar 1891) in Erkheim geboren. Daraufhin folgten Johannes und am 22. Okto- ber 1897 Maria (Standesamt Erkheim; Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).

Der um ein Jahr ältere Bruder Anton war als Kind sehr schwach und forderte die volle Kraft der Mutter. Deshalb wurde Hans Jöchle als Säugling zu Verwandten auf einen Einödhof in Sankt Johann, in der Nähe Erkheims, gegeben und wuchs dort als Einzelkind auf (Dycke 2005, mdl.

Mitt.). Das Anwesen umfasste einen landwirtschaftlichen Betrieb und eine Wirtschaft. Eine unverheiratete Tante, Josepha Fritz, geb. Jöchle (1880- 1965), die jüngste Schwester von Wilhelm Jöchle, übernahm dabei die Betreuung von Hans Jöchle. Hans hielt Josepha längere Zeit für seine Mutter (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.). Erst als er, um die Schule besuchen zu können, zurück nach Erkheim sollte, wurde ihm bewusst, dass er nicht im Elternhaus aufgewachsen war und eigentlich viele Geschwister hatte. Diese Erkenntnis war ein harter Schlag für ihn (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Seine Eltern sprach er, wie seine Geschwister auch, mit

„Ihr/Euch“ an (Jöchle, J. 2005, mdl. Mitt.; Jöchle, W. 2005, mdl. Mitt.).

Hans Jöchle besuchte vom 1. Mai 1898 bis zum 1. September 1905 die katholische Volksschule in Erkheim (PrivAWJ, Jöchle, H. 1951; Ver- zeichnis der Werktagsschule zu Erkheim pro 1904/05) und am 1. Mai 1905 trat er in die ortsansässige Sonntagsschule ein. Der Ort war damals streng in einen katholischen und einen protestantischen Teil getrennt, und so waren auch die Schulen getrennt14. Es war üblich, dass aus jeder größeren Landwirtsfamilie ein Kind einen geistlichen Weg einschlagen sollte. Da

14 Die konfessionelle Trennung war eine Folge des Augsburger Religionsfriedens von 1555 und wurde im gesamten „Deutschen Reich“ erst 1938 aufgehoben (Prestel 2002, 112; Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).

(25)

Hans Jöchle in der Schule sehr gute Leistungen erbrachte und nur knapp die Note 1 verpasst hatte, wurde er, nachdem er die siebenjährige Schul- pflicht absolvierte hatte, auserwählt, Pfarrer zu werden. Die ganze Familie investierte in diese Ausbildung, um ihn, auf Empfehlung des katholischen Ortspfarrers Joseph Rohrhirsch, nach Dillingen auf das humanistische Gymnasium, im Volksmund „Pfarrschmiede“, schicken zu können.

In Dillingen trat er am 20. September 1905 an (Lang 2005, mdl. Mitt.) und schloss am 14. Juli 1913 mit der Reifeprüfung ab (PrivAWJ, Jöchle, H.

1951; Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Das Internat in Dillingen war zu teuer, deshalb mietete er extern ein Zimmer bei einer Frau in Dillingen. „Aber ihm haben bald die Mädle besser gefallen als der Chorrock, und da kam dann der Umstieg in das tierärztliche Fach“ (Dycke 2005, mdl. Mitt.).

Durch einen Pfarrer in der Familie hatte man sich einen besseren Draht zum Himmel erhofft, aber zum Entsetzen der ganzen weiblichen Verwandtschaft verkündete Hans Jöchle (um 1910), dass er Tierarzt werden wolle und zog sich damit den Ärger all derer zu, die, um seine Schulbildung zu finanzieren, auf einiges hatten verzichten müssen (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Sein Vater akzeptierte jedoch diese Entscheidung und sagte ihm die finanzielle Unterstützung für das Studium zu. Das im Allgäu seit kurzem etablierte genossenschaftliche Molkereiwesen ver- schaffte den Bauern ein geregeltes Einkommen und damit die Möglichkeit der Finanzplanung (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).

Johann Georg ergriff den Beruf seines Vaters und auch die Schwestern wurden standesgemäß mit einem Landwirt verheiratet. Eine Ausnahme bildete Barbara Jöchle, die Näherin in Erkheim wurde. Sie blieb unver- heiratet und pflegte ihre Eltern bis zu deren Tod. Anton Jöchle ergriff den Beruf des Schmiedemeisters in Erkheim und gab Name und Beruf später auch an seinen Sohn weiter (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.; Jöchle, A. jun.

2005, mdl. Mitt.). Ob der Beruf seines älteren Bruders Hans Jöchle dazu anregte, sich im Hufschmiedegewerbe zu engagieren oder ob die Aussicht auf einen, aus damaliger Sicht, sicheren Arbeitsplatz bei der Wiederher- stellung bzw. Instandhaltung des Verkehrsmittels „Pferd“ den Ausschlag zur Berufswahl gaben, bleibt unklar.

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2.2 Kriegsstudium

Schon 1892 stellte Prinzregent Luitpold die Professoren der Tierärztlichen Hochschule München den Universitätsprofessoren gleich. Sie wurden in ordentliche und außerordentliche Professoren unterteilt. Das war an anderen Tierärztlichen Hochschulen in Deutschland noch nicht üblich. Ab dem 1. April 1903 wurde das Reifezeugnis eines Gymnasiums, Real- gymnasiums oder einer Oberrealschule Voraussetzung für das Studium der Veterinärmedizin. Die Münchner Tierärztliche Hochschule erhielt schließ- lich 1910 auch als erste das selbständige Promotionsrecht und setzte das Prädikat Dr. med. vet. durch. Die übrigen deutschen tierärztlichen Ausbil- dungsstätten folgten diesem Beispiel und mussten den in München geschaffenen Titel übernehmen. Schon im Frühjahr 1910 hatte München auch eine Habilitationsordnung erhalten (Boessneck 1972, 304-309). Am 1. April 1913 trat die 3. Prüfungsordnung in Kraft und führte das 8. Se- mester ein. Die Studierenden hatten damit eine tierärztliche Vorprüfung abzulegen, die einen naturwissenschaftlichen Teil nach dem dritten Semester und einen anatomisch-physiologischen Abschnitt nach dem vierten Semester umfasste. Nach dem 8. Semester war dann die tierärzt- liche Prüfung in sieben Fächern vorgesehen. Schon hier wurden Hufkunde und Hufbeschlagskunde der Chirurgie zugeordnet (Eichhorn 1951, 43-44;

Boessneck 1972, 309).

Die Tierärztliche Hochschule (die spätere Tierärztliche Fakultät) lag idyllisch am Rand des Englischen Gartens. Doch die Klänge der Schmie- dehämmer gaben der Nachbarschaft ständig Anlass zu Beschwerden.

Mitten im Hof standen zwei Holzbaracken, in einer davon wurden die Chemie-Kurse für die Studenten abgehalten. Die erforderlichen Neubauten wurden nicht genehmigt. Drumherum führte eine ovale Fahrstraße, auf der auch Pferde und Rinder bewegt und Lahmheitsuntersuchungen durch- geführt wurden. Teilweise fand hier auch der klinische Unterricht statt. Die anderen Gebäude waren rings um diesen Hof angeordnet (Koch 1972, 3-6).

Schon 1910 hatte der allgemeine Verband der Studierenden der Tierärztlichen Hochschule München an das Kultusministerium und den Landtag Petitionen gerichtet, in welchen die unhaltbaren Zustände in den einzelnen Instituten der Hochschule geschildert wurden, und hatte deren Beseitigung gefordert (Eichhorn 1951, 26). So stand die Tierärztliche Hochschule an letzter Stelle der deutschen Ausbildungsstätten. Lediglich der Freizeitwert lockte viele Studenten für die vorklinischen Semester nach München. In der näheren Umgebung der Hochschule hatten sich die Verbindungshäuser etabliert (Koch 1972, 2, 4).

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Hans Jöchle kam im WS 1913/14 an die Königliche Bayerische Tierärzt- liche Hochschule, an der sich die wesentlichen Rahmenbedingungen erst vor kurzem so grundlegend geändert hatten. In diesem Semester waren an der Tierärztlichen Hochschule 411 Studierende eingeschrieben (Eichhorn 1951, 42). Doch schon im Oktober 1914 (Voit 1926, 119) wurde die Hochschule durch besonderen Einsatz von Prinz Ludwig in die Universität eingegliedert. Die Universität wollte die Tierärztliche Fakultät aber nicht so recht als gleichwertige Fakultät anerkennen und so musste sie immer wieder als Beispiel für nichtwissenschaftliche, halb-akademische Arbeit herhalten. Auch in der Öffentlichkeit war die Veterinärmedizin wenig angesehen. Die im Geist des historisch-literarischen Humanismus erzogene Bürgerschicht hatte Probleme, die Veterinäre, die sich aus dem Milieu der Schmiede und Abdecker entwickelt hatten, als Akademiker anzuerkennen (Koch 1972, 1).

Die Studenten rekrutierten sich hauptsächlich aus Tierarzt- und Bauern- söhnen. Während der Tierarzt-Nachwuchs den Anschein erweckte, ohnehin alles - besser - zu wissen, waren die Bauernsöhne bestrebt, die ihnen er- möglichte Ausbildung zu nutzen und möglichst viel zu lernen. Dazwischen fanden sich einige Theologen, die umgesattelt hatten (Koch 1972, 13). Ein Großteil der Veterinärstudenten hatte sich einer Korporation ange- schlossen, meistens einer farbentragenden Verbindung, und verpflichtete sich damit zu einer Zugehörigkeit auf Lebenszeit (Baier 1990, 12).

Bevorzugt wurden die Burschenschaft „Alemannia“ und die Corps „Saxo- Thuringia“, „Suebo-Salingia“ und „Vandalia“. Für das Studium wurde eine möglichst aufs Praktische ausgerichtete Ausbildung angestrebt. Nur eine Minderheit der Studenten, meistens städtischer Herkunft, ergriff den Beruf, um kranken Tieren helfen zu können. Für die Mehrheit der meist vom Lande stammenden Studenten war „Tierschutz“ ein Fremdwort, und es standen eher die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund (Koch 1972, 14-15).

Wenn einem begabten süddeutschen, katholischen Bauernsohn das Studium ermöglicht wurde, war es selbstverständlich, dass er Theologie studierte und Pfarrer wurde. Erst wenn Probleme mit dem Zölibat auf- tauchten, wurde oft umgesattelt. Die Humanmedizin wurde auf dem Land von örtlichen Heilkundigen ausgeübt. Dem „studierten Doktor“ wurde eher misstraut. Ein Jurist lebte vom Betrug, das war nichts für einen ehrlichen Bauernsohn. Und Lehrer und Beamte waren aus Sicht der Bauern schlecht bezahlte Knechte. So blieb nur die Tiermedizin: Einen Tierarzt, „den braucht man, und der wird gut bezahlt. Man kann ja sehen, daß Tierärzte,

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soweit sie nicht saufen, bald einen stattlichen Hof sich erwerben können“

(Koch 1972, 37-38). Das war die weit verbreitete Meinung.

Der Besuch der Universität war mit einigen Opfern verbunden, denn an jeden Professor musste, abhängig von der Stundenzahl und Art der Lehr- veranstaltung, ein „Honorar-Betrag mit Dienergeld, Praktikums-Beitrag und Instituts-Gebühr“ bezahlt werden. Die Beträge variierten zwischen 25,- und 80,- RM pro Semester (PrivAWJ, Kollegienbuch Hans Jöchle 1919). Der Studierende hatte sich zunächst in die für die betreffende Vorlesung oder Übung ausliegende Inskriptionsliste einzutragen. Diese Listen lagen vom 15. Oktober bis 15. November und vom 15. April bis zum 15. Mai aus. Die Eintragung in die Inskriptionsliste verpflichtete zur Bezahlung des Kollegiengeldes für die jeweilige Vorlesung oder Übung, wenn der Eintrag nicht bis zu einem Stichtag wieder gestrichen wurde. Die Ausgabe von Hörsaalkarten, gegebenenfalls mit Platznummern, teilte den Hörern bestimmte Plätze zu und ermöglichte den Aufruf der Hörer in einer bestimmten Reihenfolge (PrivAWJ, Kollegienbuch Hans Jöchle 1914- 1919).

Der Kriegsbeginn unterbrach das Studium Jöchles. Nach der deutschen Kriegserklärung an Russland und Frankreich drängten sich die jungen Männer vor den Rekrutierungsbüros. Im Zuge der allgemeinen Euphorie konnten sie es kaum erwarten, in den Krieg zu ziehen (Large 1998, 82).

Jöchle kam als Einjährig-Freiwilliger zum Dritten Artillerie-Regiment in München, in dem auch sein Vater und seine Brüder gedient hatten.

Aufgrund des großen Andrangs wurde Jöchle vom Regiment entlassen und durfte die Truppe seiner Wahl ansprechen, das Erste Bayerische Schwere Reiter-Regiment am Oberwiesenfeld (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).

Der Krieg forderte von Hans Jöchle zweimal die Unterbrechung des Studiums (PrivAWJ, Jöchle, H. 1951). Er war vom Winterhalbjahr 1914/15 bis einschließlich Winterhalbjahr 1915/16 beurlaubt, weil er im Heer stand. Erst zur Tierärztlichen Vorprüfung, die er am 22. Juli 1916 bestand (MKr OP 15233), wurde er nach München abkommandiert. Daran schloss sich ein erstes klinisches Semester in Uniform an (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt). Vom Winterhalbjahr 1916/17 bis einschließlich Winterhalbjahr 1918/19 wurde er erneut beurlaubt, um seinen Heeresdienst abzuleisten (PrivAWJ, Kollegienbuch Hans Jöchle 1914-1919).

Am 2. August 1914 trat Hans Jöchle als Kriegsfreiwilliger beim Ersten Schwere Reiter-Regiment der Bayerischen Kavallerie-Division in Mün-

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chen ein (PrivAWJ, Lebenslauf von H. Jöchle, ca. 1927). Dort erhielt er im Herbst 1914 seine Grundausbildung im Reiten (Jöchle, W. 2004, mdl.

Mitt.) und wurde „militärisch mit Karab. 96 und der Stahlrohrlanze ausgebildet“ (MKr OP 15233). Schießen lernte Jöchle erst, „als 1915 abgesessen wurde und es in die Schützengräben der erstarrten Westfront ging“ (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Schon am 3. November 1914 ging er als Reiter mit der Ersatz-Eskadron ins Feld15 und am 11. Juli 1915 wurde er zum Gefreiten befördert (MKr OP 15233).

Beim Einsatz an der Ostfront erlitt Jöchle am 29. Juli 1915 durch einen Schuss eine leichte Verwundung des linken Oberarms16 (MKr OP 15233;

UAM Sen-I-145) und zwei Monate später wurde ihm im Namen seiner Majestät des Deutschen Kaisers Wilhelm II., König von Preußen, das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen. Daraufhin wurde er am 18. Oktober 1915 zum Unteroffizier befördert und konnte vom 4. Dezember 1915 bis zum 12. Februar 1916 am Übungskurs für Fahnenjunker und Offiziers- aspiranten in Grafenwöhr teilnehmen. Dort beurteilte man ihn als gereiften, zuverlässigen Charakter von guten Umgangsformen und guter Erziehung, der auch aus militärischer Sicht die besten Führungseigenschaften vereinte (MKr OP 15233). So konnte er am 11. Februar 1916 als Vizewachtmeister zur Ersatz-Eskadron des Ersten Schweren Reiter-Regiments München zurückkehren (PrivAWJ, Lebenslauf von H. Jöchle, ca. 1927).

„Im Frühsommer 1916 versuchte die deutsche Heeresleitung durch eine massive Kavallerieattacke, zu der drei Kavalleriedivisionen wieder in den Sattel gesetzt worden waren, die Ostfront aufzu- brechen. Jöchle hat diese Attacke mitgeritten, die unmittelbar vor den russischen Linien abgebrochen wurde [...]. Der Plan der Deutschen war verraten worden und die Russen hatten auf der ganzen geplanten Durchbruchstelle schwere Maschinengewehre in Stellung gebracht. Gegenspionage hatte das in letzter Minute aufgedeckt. So ist ein unvorstellbares Massaker vermieden worden.

Danach ist die deutsche Kavallerie bis auf Restverbände endgültig abgesessen“ (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).

15 Vom 12. bis 24. November 1914 wurde er bei der Schlacht bei Ypern eingesetzt (UAM E- II-1898).

16 Nach einem Vormerkungsbogen von 1940 aus der Personalakte des Akademischen Senats zu Jöchle wurde er erst am 31. Juli 1915 verwundet, was durchaus möglich wäre, da er vom 30. Juli bis 7. August 1915 im Kampfgebiet um Kupischki eingesetzt wurde (UAM E-II- 1898).

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Wegen des inzwischen eingetretenen Mangels an Truppenveterinären wurde Jöchle ab März 1916 ausschließlich zum Veterinärdienst heran- gezogen. Es erfolgte deshalb auch Ostern 1916 die Kommandierung zur Ersatz-Eskadron nach München, wo er für sechs Monate zur klinischen Ausbildung an den tierärztlichen Instituten der Universität freigestellt wurde17 (PrivAWJ, Lebenslauf von H. Jöchle, ca. 1927) und am 22. Juli 1916 die Tierärztliche Vorprüfung ablegte (MKr OP 15233).

„Nach den Mobilmachungsvorarbeiten hatten die Generalkom- mandos den Bedarf an Veterinären für die Kriegsstellen, für die der Bestand an Veterinären des aktiven und Beurlaubtenstandes nicht ausreichte, durch Verpflichtung nicht dienstpflichtiger Tierärzte sichergestellt. Der unerwartet große Bedarf machte jedoch weitergehende Maßnahmen notwendig. Die Generalkommandos wurden daher ermächtigt, die anfangs August Dienst mit der Waffe tuenden, approbierten Tierärzte ohne Rücksicht auf die zurückgelegte Dienstzeit zu Unterveterinären zu befördern, einerlei ob sie als Freiwillige eingestellt oder als Mannschaften des Beurlaubtenstandes oder Ersatzreserve einberufen waren. Ebenso können Studierende der Tierheilkunde, die 5 Semester studiert und die naturwissenschaftliche Prüfung bestanden haben, von den Generalkommandos zu Feldunterveterinären befördert werden“

(MKr 10653, Übersicht über die Beförderungs- und Besoldungs- verhältnisse der Veterinäre während des Krieges, ca. Oktober 1914).

So wurde auch Jöchle am 3. Oktober 1916 zum Feldunterveterinär ernannt und es wurde ihm im Zuge der Kriegseinteilung der Veterinäre befohlen, sich „nach beschleunigter Erledigung seiner Vorbereitungen sofort nach Biala bei Brest-Litowsk in Marsch zu setzen, wo er bei dortiger Bahnhofskommandantur näheren Befehl über seinen Weitermarsch zu erholen hat“ (MKr 10684). Auf diesem Wege gelangte die Feld- postnummer 776 (Anonym 1917, 38) zur Bayerischen Minenwerfer- Kompagnie 200 der Bayerischen Kavallerie-Division (MKr OP 15233).

17 Der Mangel an Veterinären ging so weit, dass in Erwägung gezogen wurde, den bayerischen Feldunterveterinären während des SS 1916 das Studium in München und am Ende die Ablegung der Fachprüfung zu ermöglichen. Dazu sollte die Kommandierung der Betreffenden zum Pferdelazarett des „st. Gen. Kdos. I. A.K.“ (Generalkommando I.

Armeekorps) erfolgen, das unter der Leitung des Universitätsprofessors Dr. Leonhard Vogel, Oberstabsveterinär d. L. (der Landwehr), stand. Außerdem war dort unter anderen der Universitätsprofessor Dr. Moser als Stabsveterinär auf Kriegsdauer tätig. Damit sollte die nötige Fachaufsicht und Förderung der Studierenden gewährleistet werden (MKr 10757, 25.1.1916).

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Abb. 4: Hans Jöchle als Feldunterveterinär (ca. 1916), mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet, das er im Stil der Zeit im Knopfloch der Jacke trägt.

Die Veterinäroffiziere standen nicht - wie die Sanitätsoffiziere - unter dem Schutz des Roten Kreuzes. Im Feld durften daher nur Veterinäroffiziere oder Unterveterinäre verwendet werden, aber nicht die vertraglich angestellten, nicht dienstpflichtigen Tierärzte, die wegen des großen Bedarfs beschäftigt wurden, aber kein militärisches Dienstverhältnis hatten. Das forcierte die schnelle Heranbildung des Nachwuchses und machte die Beförderung von mindestens zwei Monate in ihrem Dienstgrad stehenden Unterveterinären des Beurlaubtenstandes möglich. Aus diesem Grunde erfolgte auch schon am 23. Januar 1917 die Beförderung Hans

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Jöchles zum Feldhilfsveterinär (Offizier)18 (MKr OP 15233). Kurz darauf (29.01. - 10.7.1917) wurde er bei Stellungskämpfen am Stochod eingesetzt (UAM E-II-1898).

Abb. 5: Jöchle (links, mit Blick zum Betrachter) bei der Untersuchung eines lahmen Pferdes, im „Waldlager“ der Minenwerfer-Kompagnie 200, zwischen Herbst 1916 und Frühjahr 1917.

Anfang Juli 1917 wurde Jöchle als Abteilungsveterinär zur Ersten Bayerischen Maschinengewehr-Abteilung der Bayerischen Kavallerie- Division versetzt. „Seine Majestät der König haben Sich unterm 9. No- vember 1917 allergnädigst bewogen gefunden, dem Feld-Hilfsveterinär einer Maschinengewehr Abteilung Hans Jöchle das Militär-Verdienstkreuz 1. Klasse mit Schwertern zu verleihen“ und am 5. Juni 1918 erhielt er das

18 Wegen der Beförderung in den Offiziersrang musste Jöchle aus dem damals noch rein adligen Offizier-Korps des Ersten Bayerischen Schweren Reiter-Regiments (einem Garde- Regiment) ausscheiden und wurde für den Rest des Krieges einer bespannten Schweren Maschinengewehr-Abteilung zugeteilt. Diese Abteilungen waren eine „Geheimwaffe“, die trotzdem das Kriegsende nicht beeinflussen konnte (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).

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„Verwundeten-Abzeichen für einmalige Verwundung“ (BayHStA MK 43826). Jöchle blieb bei seiner Abteilung bis zur Rückkehr in die Heimat Weihnachten 1918 (MKr OP 15233). Das bedeutete, den Einbruch in die Ukraine (UAM E-II-1898), die Krim und den Kaukasus mitzumachen. Die Abteilung stand schon 100 km vor Baku (Aserbaidschan) am Kaspischen Meer, als am 9. November 1918 zum Rückzug geblasen wurde. Auf der Flucht, auch vor den Engländern, gelang es der Einheit, auf dem Seeweg Odessa und im Dezember 1918 Rumänien zu erreichen. Über Ungarn und Österreich gelangte Jöchle nach Passau. Bald danach kehrte er nach Erkheim im Allgäu zurück. Seit fast einem Jahr hatte die Familie nichts von ihm gehört. Sein Heimkommen galt fast als ein Wunder (Jöchle, W.

2004, mdl. Mitt.). Vom 2. bis zum 29. Januar 1919 war er im Ersatz- Pferde-Depot Bamberg tätig (MKr OP 15233).

Der Krieg stellte sehr hohe Anforderungen an die Veterinäre. Die Bekämpfung von Seuchen, die Behandlung kranker Pferde, aber auch die Gesunderhaltung der Pferde- und Viehbestände gehörten zu ihrem Aufga- benbereich. Aus den monatlichen Krankenrapporten und Seuchenberichten ist zu ersehen, dass im Februar 1917 insgesamt 235.492 Pferde, also 18 % des Bestandes, behandelt wurden. Aufgrund des Mangels an Veterinären waren aber nur 58 % der Veterinärstellen des Feldheeres besetzt. Ein guter Gesundheitszustand des Pferde- und Viehbestandes war aber für die Schlagfertigkeit und Beweglichkeit des Heeres von herausragender Bedeu- tung (MKr 10654, Brief des Generalquartiermeisters an das Königliche Kriegsministerium Berlin, 4. Mai 1917). Das veranlasste auch den Bundesbruder Keller, aus dem Feld an die Philisterzeitung der Burschen- schaft Apollo zu schreiben: „[...] müßt wissen, daß bei uns die Pferde - das einzige Beförderungsmittel - fast höher gewertet werden als die Menschen!“ (Keller 1914, 8).

Ein Brief des Allgemeinen Kriegs-Departments des Kriegsministeriums vom 31. August 1917 an die Bayerischen, Sächsischen und Württem- bergischen Kriegsministerien und an sämtliche Königlich Preußischen stellvertretenden Generalkommandos (MKr 10686) geht näher auf den

„großen Mangel an Veterinären im Feldheer und an Tierärzten in der Heimat“ ein. Deshalb sollte das Veterinär-Hilfspersonal im Feld- und Besatzungsheer eine bessere Ausbildung erhalten und vermehrt heran- gezogen werden. Die schnelle Versorgung selbst kleiner Wunden, um eine Verschlimmerung zu vermeiden, schien so wichtig, dass sogar die Befürchtung, solche Leute könnten sich später als Kurpfuscher betätigen, unwichtig wurde. Auch Veterinäroffiziere des Beurlaubtenstandes sollten

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neben dem „Veterinärdienst bei Formationen des Besatzungsheeres noch ihre bisherige Praxis ausüben können, soweit es der Truppendienst zuläßt“.

Alleine die 14. Bayerische Infanterie-Division hatte beispielsweise im Februar 1917 einen Bestand von 2.075 Pferden, davon 987 schwere Pferde (MKr 10733). Mit einem Krankenbestand von 150 Pferden Ende Januar wurden durch Zugänge im Februar 360 Pferde behandelt und davon 167 geheilt. Nicht nur die Seuchen machten den Pferden zu schaffen, sondern auch die Überforderung bei ungenügendem Futter und schlechter Unterkunft schwächte die Leistungsfähigkeit der oft sehr jungen oder sehr alten Tiere. Auch der Mangel an pferdekundigen Offizieren und Unter- offizieren machte sich bemerkbar. Trotz allem sei der Hufbeschlag in Ordnung gewesen und die angeforderten Arzneien und Instrumente wurden geliefert (MKr 10733, Februarbericht 1917 der 14. Bayerischen Infanterie- Division).

Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus meldete am 10. Februar 1919 an das Ministerium für militärische Angelegenheiten, dass in Bayern für alle Studierenden, auch die der Tierheilkunde, ein Zwischensemester für die Kriegsteilnehmer eingeschoben werde. Es hatte bereits am 4. Fe- bruar begonnen und sollte bis Mitte April dauern (MKr 10757). Doch die Revolution ließ an ein zügiges Beenden des Studiums nicht denken. Noch am 6. April hatten die Ausschüsse des Kriegsteilnehmerverbandes aller Fakultäten dem vorläufigen Studentenrat ihr Vertrauen ausgesprochen. Am nächsten Tag wurde in München dann die Räterepublik ausgerufen. Der revolutionäre Studentenrat ließ auf dem Universitätsgebäude eine rote Fahne hissen, doch „vor den gesperrten Toren der Universität sammelt sich während des ganzen Tages eine große Zahl von Studierenden - hauptsächlich Kriegsteilnehmer - an, welche ihrer Empörung über die Vergewaltigung der Universität durch die Gruppe der sozialistischen Akademiker in starken Worten Luft macht“ (Müller 1919, 1-2). Die Universität war vom revolutionären Studentenrat besetzt, Rektorat, der Senat und die Professoren wurden abgesetzt. Widerstand sollte mit Waffengewalt unterdrückt werden. Am 13. April wollten die „Räte“ die Universität schließen und den Lehrbetrieb beenden, um die Umgestaltung der Universität in die neue (revolutionäre) Hochschule einzuleiten, und am 25. April teilte das Rektorat mit, dass die Universität bis auf weiteres geschlossen bleibe (Müller 1919, 6, 11, 14). Das war ein harter Schlag für die Studenten, die, endlich aus dem Krieg zurückgekehrt, ihr Studium möglichst zügig beenden wollten. „Der Revolution und ihrem Gedanken- gut stand die von den Korporationen repräsentierte, völkisch orientierte

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Mehrheit zunehmend feindlich gegenüber“ (Seifert 1972, 330). Das führte zu regem Zulauf bei den diversen Freikorps.

Die Mitglieder des Freikorps Epp (darunter Studenten, Bundesbrüder und Kriegsteilnehmer) hatten sich schon früher, erzürnt über die Misswirtschaft der Soldatenräte, dem „Obersten von Epp“ angeschlossen (Dinglreiter 1919, 40). Der hatte in Ohrdruf in Thüringen, unterstützt von den

„Preußen“, ein Lager errichtet, um sich gegen die Soldatenräte in Bayern zu rüsten. Doch noch betrachtete der Militärminister Bayerns die Freikorps als „Hochverräter“. So verging einige Zeit, bis der Reichswehrminister Noske das Eingreifen der Freikorps erbat (Dinglreiter 1919, 40). Die Freikorps, die Ministerpräsident Hoffmann aufmarschieren ließ, „waren nicht nur entschieden antikommunistisch gesinnt, sondern rekrutierten sich größtenteils aus militanten Antidemokraten und Rassisten“, zu einem guten Teil ausgediente Soldaten. Das wichtigste Bayerische Freikorps wurde von Franz Ritter von Epp geführt. Er unterhielt Kontakte zur Thule- Gesellschaft, die mit Geld und Kampfwilligen die Anti-Revolutions- truppen, die sich außerhalb Münchens sammelten, unterstützte. Trotz allem musste Hoffmann, entgegen seiner Überzeugung, die Hilfe des Reichs erbitten. Der Reichswehrminister schickte 20.000 Mann, darunter ein großer Anteil Preußen (Large 1998, 154).

Per Bahn ging es in Richtung Bayern und dann wurde marschiert. Am 1. Mai erreichte das Freikorps München. Auf dem Marsch durch die Ortschaften wurden die Truppen von der Bevölkerung begeistert begrüßt.

Von den Münchner Bürgern, die aufs Land geflohen waren, hatte man sich Verstärkung erhofft, doch die meisten beschränkten ihre Unterstützung auf heftiges Winken (Dinglreiter 1919, 40). Hans Jöchle war wohl einer derjenigen, die sich am 1. Mai dem Freikorps anschlossen19 (MKr OP 15233). Während der Kämpfe hatten sich die Räte zu Gewalttaten hinreißen lassen, unbeteiligte Geiseln wurden erschossen (Cornelissen, Holzbauer 1988, 27). Nun schlugen die „Weißen“ zurück. Die Häuserblocks wurden systematisch durchsucht und entwaffnet, mit den

„Roten“ wurde „kurzer Prozess gemacht. Her - und ab an die Wand“

(Dinglreiter 1919, 41)20. Bis zum 31. August 1919 war Jöchle beim Stab der zweiten Abteilung des Ersten Artillerie-Regiments des Freikorps Epp (Bayerisches Schützenkorps) (MKr OP 15233).

19 Nach einem Vormerkungsbogen aus der Personalakte des Akademischen Senats zu Jöchle trat er bereits am 22. April 1919 dem Freikorps bei (UAM E-II-1898).

20 Darstellung eines Mitkämpfers des Freikorps und Mitglied der Burschenschaft Apollo in der Philisterzeitung der Sudentenverbindung „Apollo“ vom Oktober 1919.

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„Nachdem sich in den letzten Tagen der Räterepublik viele Professoren verstecken mußten, um einer Geiselverhaftung zu entgehen, mochte der Einmarsch des Freikorps Epp und die folgende Welle des weißen Terrors als ‚Befreiung vom Joch unmöglicher Willkür und Fremdherrschaft‘

erscheinen ...“ (Seifert 1972, 333). Die Studenten waren vorwiegend von deutsch-nationalem Geist erfüllt, und auch der Senat gestattete Anfang Mai 1919 die Einrichtung einer Werbestelle des Freikorps Epp im Uni- versitätsgebäude. Wurde doch die Stärkung der Freikorps als dringliche Aufgabe angesehen (Seifert 1972, 334).

„Diese Formation [Freikorps Epp] war vom damaligen sozial- demokratischen Ministerpräsidenten Hoffmann als Schützenbrigade 21 aufgestellt worden und zwar zur Befreiung Münchens von der kommunistischen Räteherrschaft. Da auch 90 % der Münchner Einwohner damals die einrückenden Befreier von den Rucksack- spartakisten mit Jubel begrüssten, ist es absurd, aus diesem Dienst am Volke eine Belastung konstruieren zu wollen“ (UAM E-II-1898, Spruchkammer X in München, 18.12.1946).

Die Professoren der Universität München hatten im Kriegsnothalbjahr vom 15. Januar bis zum 15. April 1919 insbesondere den Kriegsteilnehmern ihre Beratung für das weitere Studium angeboten (Vorlesungsverzeichnis der LMU 1919, VII). Nach bestandenem Physikum mussten vier Studienhalbjahre bis zur Zulassung zur tierärztlichen Prüfung nachge- wiesen werden. Der Kriegsdienst wurde dafür bis zu einem halben Jahr angerechnet. Dabei war es völlig gleichgültig, ob der Dienst in dem entsprechenden Fachgebiet oder mit der Waffe im Feld geleistet wurde (Vorlesungsverzeichnis der LMU 1919, IX).

Im WS 1919/20 konnte Hans Jöchle sein Studium abschließen. Die Tierärztliche Approbation erlangte er am 5. März 1920 (PrivAWJ, Jöchle, H. 1948). Die Zahl der Studierenden an der Tierärztlichen Fakultät war nach dem Ersten Weltkrieg auf 246 gesunken und sollte 1925/26 mit 126 Studenten einen Tiefpunkt erreichen (Eichhorn 1951, 69-70).

Am 5. April 1922 stellte Jöchle, zu dieser Zeit Assistent an der Tierärzt- lichen Fakultät der Universität München, beim Bayerischen Wehrkreis- kommando VII die „Bitte um Verleihung des Charakters als Veterinär mit der Erlaubnis zum Tragen der Uniform“ des Veterinäroffiziers des beurlaubten Standes, die ihm im Juli dann auch gewährt wurde (MKr OP 15233).

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Abb. 6: Auszug aus dem Kollegienbuch von Hans Jöchle im Kriegsnotsemester 1919.

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Abb. 7: „Zeugnis zum Abgange von der Universität“ (20. Dezember 1919): Zwischen den beiden Blättern war das Kollegienbuch eingeheftet.

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2.2.1 Promotion

Nach der Approbation im Jahr 1920 war Hans Jöchle drei Monate als Praktikant am städtischen Schlacht- und Viehhof in München tätig. Er fertigte in dieser Zeit am Forschungsinstitut für angewandte Zoologie an der Universität in München auch seine Dissertation an, über „Versuche zur Bekämpfung der Dasselplage mit giftigen Gasen (Schwefeldioxyd)“

(PrivAWJ). Dieses Institut wurde von Prof. Karl Escherich geleitet und gehörte, wie auch das Fachgebiet der Bodenkunde und die angewandte Botanik zur Staatswirtschaftlichen Fakultät. So musste Hans Jöchle, wie auch die zahlreichen anderen Doktoranden aus dem naturwissenschaft- lichen Bereich, einen Doktorvater an seiner eigenen Fakultät suchen (Pechmann 1972, 181). Den fand er in Prof. Franz Schmitt aus der Medizinischen Tierklinik (Baier 1990, 49).

Dr. Wilhelm Pschorr, Oberregierungsrat im Bayerischen Staatsministerium des Innern, beurteilte die Leistungen Jöchles später wie folgt:

„Zuerst kam ich mit ihm in Berührung bei Ausarbeitung seiner Promotionsschrift über die Bekämpfung der Dassellarven beim Rind. Dieses Thema war seinerzeit noch wenig behandelt, obwohl die ungemein grossen Schädigungen der Häute durch die Dassellarven (Wirtschaft im Allgemeinen und lederverarbeitende Industrien im Besonderen) zu genaueren Untersuchungen hätte Anlass geben müssen. Dr. Jöchle gab durch seine Arbeit wertvolle Anregungen zu weiteren Untersuchungen, die dann im Gesetz zur Bekämpfung der Dasselfliege vom 7.12.1933 ihren Niederschlag fanden“ (PrivAWJ, Gutachten von Dr. Pschorr über Hans Jöchle vom 26.11.1945).

Aufgrund dieser Arbeit und des Rigorosums wurde Jöchle am 21. Mai 1920 von der Tierärztlichen Fakultät der Universität München mit der Note 1 zum Dr. med. vet. promoviert (PrivAWJ, Jöchle, H. ca. 1927).

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Abb. 8: Die Dissertation von Hans Jöchle (1920) ist in der Bibliothek der Tierärztlichen Fakultät München auszuleihen.

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2.2.2 „Apollo“

„Die wichtigste Sozialisationsinstanz des akademischen Milieus bildete im Kaiserreich und in der Weimarer Republik das studentische Verbindungs- wesen, die Korporationen.“ Nach dem Ersten Weltkrieg sank der Anteil der Korporationsstudenten deutlich, im Reichsdurchschnitt waren 1929 aber immer noch mehr als die Hälfte der männlichen Studenten Mitglied einer Verbindung, dieser Anteil variierte jedoch an den einzelnen Hochschulen beträchtlich (Schimanski 1997, 48).

Hans Jöchle trat am 28. Oktober 1913 in die schlagende, nicht- farbentragende, katholische Studentenverbindung Apollo ein (Cichlar 2004, schriftl. Mitt.; Jöchle, W. 2004, schriftl. Mitt.). Am 13. Januar 1914 wurde der „cand. med. vet.“ aus Erkheim offiziell aufgenommen (Anonym 1914, 23) und nach seiner Approbation im Juni 1920 philistriert (Anonym 1920b, 20). Besonders aktiv scheint er aber in der Verbindung nicht gewesen zu sein. Außerhalb der „Persönlichen Mitteilungen“ in der Philisterzeitung, die über das berufliche Fortkommen und den Familien- stand unterrichteten, wird er nur einmal, in der Anwesenheitsliste eines Ausflugs mit anschließendem Tanz anlässlich des Stiftungsfests 1921 erwähnt (Traeger 1921, 26).

Am 5. Dezember 1914 wurde der Universitätsprofessor Erwin Moser, der spätere Vorgesetzte Jöchles, wieder in die Verbindung aufgenommen (Abel 1915, 16) und philistriert (Anonym 1915, 16). Dr. phil. Erwin Moser war außerordentlicher Professor für Hufkrankheiten und Theorie des Hufbeschlags. Er leitete auch die Lehrschmiede, die bei der Angliederung an die Universität abgetrennt und der Regierung von Oberbayern unterstellt wurde (Boessneck 1972, 312). Weshalb er „wieder“ aufge- nommen wurde, also vorher wohl ausgetreten war, ist leider nicht mehr nachzuvollziehen.

Während des Krieges wurden in der „Philisterzeitung der Studenten- verbindung Apollo“ eifrig Feldadressen, Kriegserlebnisse und Briefe von Bundesbrüdern aus dem Feld veröffentlicht, bevorzugt über zufällige Zusammentreffen von Bundesbrüdern im Feld.

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Abb. 9: Hans Jöchle als Korporationsstudent, ca. 1914.

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Im Januar 1920 gründete die Studentenverbindung Apollo eine „Berufs- zentrale“. Sie sollte den Heimkehrern die durch den Krieg „verspätete und konkurrenzbedrohte Existenzgründung“ erleichtern, ohne aber zu „einem Versorgungsverein auf Gegenseitigkeit herabgedrückt zu werden“.

Aufgrund des Freundschaftsprinzips gehe es jedoch nicht an, in dieser schweren Zeit „bei gleicher Eignung und bei gleicher Tüchtigkeit den Fremden vor dem Bundesbruder zu bevorzugen oder aus Mangel an Kenntnis den Bundesbruder von der Bewerbung überhaupt auszu- schließen“ (Philistervertretung 1920, 2).

Die Mehrzahl der Menschen trauerte noch dem Kaiserreich nach und akzeptierte gezwungenermaßen die Demokratie der Weimarer Republik.

Sie wurde jedoch eher als die Auswirkung eines verlorenen Krieges als eine erstrebenswerte Staatsform betrachtet. Man fühlte sich „vaterländisch“

und dankte beim Festkommers anlässlich des Stiftungsfests im Juli 1921 im großen Saal der „Vier Jahreszeiten“ Ministerpräsident von Kahr, Polizeipräsident Pöhner und Forstrat Escherich, dass sie wieder für Ruhe und Ordnung im „engeren Vaterland“ gesorgt hatten21 (Traeger 1921, 25).

Im Dezember 1923 musste auch die Philisterzeitung aufgrund der allgemeinen Notlage sehr knapp gehalten und, um Papier zu sparen, sehr eng gedruckt werden. Da es vielen nicht mehr möglich war, die Fortsetzung ihres Studiums aus eigenen Mitteln zu bestreiten, wurde eine Notkasse gegründet und die Bundesbrüder wurden um Unterstützung gebeten (Anonym 1923, 7). Das Lebensbundprinzip der Korporationen festigte die Beziehungen zwischen den Tierärzten und führte vielerorts zu einem ausgeprägten Standesbewusstsein unter den Tierärzten (Schimanski, Schäffer 2001a, 380).

Der Student der Veterinärmedizin und Oberleutnant der Reserve aus Baienfurt bei Ravensburg, Franz Mehrle, Sohn eines Hufschmieds, wurde am 14. Dezember 1918 in diese Verbindung aufgenommen (Anonym 1919a, 12; Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.). Er wurde der Leibfuchs Jöchles und es entstand daraus eine enge Freundschaft, die ein Leben lang halten sollte (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.). Daran änderte auch seine Karriere nichts, die Mehrle als Praktischer Tierarzt in Buchau am Federsee begann. Nach einem Jahrzehnt Praxistätigkeit (ca. 1923-1933) wurde Mehrle um 1934 Kreistierarzt in Schwäbisch Hall und in den 50er Jahren

21 Forstrat Georg Escherich war der Begründer der Einwohnerwehren in Bayern 1919 („Orgesch“ = Organisation Escherich). Sein Bruder, Prof. Karl Escherich (Heiber 1994, 209), betreute die Dissertation von Hans Jöchle.

(44)

war er der Leiter des Veterinärwesens im Innenministerium in Baden- Württemberg (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).

Die Studentenverbindung Apollo wurde 1933 in „Burschenschaft Apollo“

umbenannt (Cichlar 2004, schriftl. Mitt.). Zwei Jahre später untersagte der Reichsjugendführer Baldur von Schirach allen Mitgliedern der Hitler- jugend die Korporationszugehörigkeit und auch der NSDStB und die SA verhängten ähnliche Verbote. Daraufhin schloss die Deutsche Burschen- schaft am 5. Oktober 1935 mit dem NSDStB22 das „Plauener Abkommen“, wonach die Burschenschaften geschlossen als Kameradschaften in den NSDStB übernommen werden sollten. Doch schon im Januar 1936 wurde das Abkommen hinfällig und der „Stellvertreter des Führers“, Rudolf Heß, untersagte den studierenden NSDAP-Angehörigen die Mitgliedschaft in einer Korporation. Bis zum Sommersemester 1936 hatten sich etliche Burschenschaften aufgelöst, aber zahlreiche Altherrenschaften bestanden weiter und weigerten sich weiterhin, den „Kameradschaften“ ihre Häuser zur Verfügung zu stellen. Das änderte sich erst, als der SS-Führer Dr. med.

Gustav Adolf Scheel 1938 zum Führer der Deutschen Studentenschaft und gleichzeitig auch zum Reichsführer des NSDStB ernannt wurde. Durch Konzessionen an die Tradition der Korporationen gelang es ihm, einige der Altherrenschaften zur Aufnahme von Kameradschaften in ihre Häuser zu bewegen.23 Vordergründig gaben die Verbindungen zwar nach und verwandelten ihre Häuser in „Wohnkameradschaften“, versuchten aber, unter dem neuen Deckmantel die alten Traditionen zu wahren. Das wurde dadurch begünstigt, dass einige der Alten Herren hohe Positionen in Staat und Wirtschaft inne hatten (Roegele 1966, 158).24

Anstatt der früheren lateinischen Namen wurden nun berühmte Personen der deutschen Geschichte als Namensgeber für die Kameradschaften aus- erwählt. So wurde „Apollo“ 1938 in „Kameradschaft Sepp Innerkofler“

umbenannt. Die Alten Herren wurden in der „NS-Studenten-Kampfhilfe“

vereinigt und ab 1938 im NS-Altherrenbund.

22 Schon im Januar 1926 wurde der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) in München gegründet.

23 Wreden, Ernst Wilhelm † (1998): Von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. In: Grundriss der burschenschaftlichen Geschichte: Auszug aus dem Handbuch der Deutschen Burschenschaft, S. 25. http://www.burschenschaft.de/geschichte/handbuch_

der_deutschen_burschenschaft.pdf.

24 Vgl. Grüttner 1995, 287-331.

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„Ich habe in einem Brief an den Reichsstudentenführer Pg. Scheel meinen Beitritt zu dem Altherrenbund der deutschen Studenten erklärt und dabei betont, dass ich diesen Schritt sowohl als Nationalsozialist als auch als alter Herr der früheren Burschenschaft

‚Apollo‘ getan habe. Ich erwarte von allen SS-Männern, die alte Herren der früheren studentischen Verbände waren, dass sie ebenfalls ihren Beitritt zu dem Altherrenbund der deutschen Studenten erklären. Der Reichsführer-SS, H. Himmler“ (IfZ MA 1164 Akz 4046/68, 13.11.1937).

Hans Jöchle gehörte immer noch der Burschenschaft Apollo an, als diese am 1. September 1938 korporativ in den NS-Altherrenbund übertrat (PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung, 15.1.1946), und auch als 1953 wieder der Name „Burschenschaft Apollo“ angenommen wurde, war Hans Jöchle offiziell noch Mitglied. 1970 fand dann die Fusion mit der

„Münchner Burschenschaft P. C. - Franco-Bavaria“ zur „Münchner Bur- schenschaft Franco-Bavaria“ statt. Leider sind bei dieser Fusion nahezu alle schriftlichen Unterlagen der Verbindung vernichtet worden (Cichlar 2004, schriftl. Mitt.). Auch der spätere Schwiegersohn von Hans Jöchle, der Apotheker Ernst Dycke, gehörte der Burschenschaft Apollo an (Dycke 2005, mdl. Mitt.).

„Erwähnenswerte Bundesbrüder aus der Nachkriegszeit [des Ersten Weltkrieges] waren unter anderem Dr. Weber, der spätere Reichs- tierärzteführer, und Heinrich Himmler, späterer Reichsführer SS.

Vor dem Ersten Weltkrieg studierte Himmler Landwirtschaft und Tierzucht und befasste sich mit Hühnergenetik. Er gehörte zu denen, die nach Krieg und Freikorpseinsatz den Einstieg ins Studium nicht wieder finden konnten und dann in die Politik drifteten, ohne das Studium abzuschließen. Himmler schloss sich frühzeitig an Hitler an und hat damals oft versucht, meinen Vater für die NSDAP anzuwerben, was ihm nicht gelang“ (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).

Gebhard Himmler war schon 1914 Mitglied der Studentenverbindung Apollo (Anonym 1914, 23; Anonym 1919b, 41). Er war Konrektor am Gymnasium Landshut und wurde 1919 zum Gymnasialrektor in Ingolstadt befördert (Anonym 1919b, 41). Am 22. November 1919 nahm die Verbindung auch seinen Sohn, Heinrich Himmler, „cand. agron.“ aus Ingolstadt auf (Anonym 1920a, 8), der am 14. Juli 1920 vollberechtigtes Mitglied wurde (Anonym 1920c, 33). Doch schon am 23. Juli wurde er bei der Verbindung wieder inaktiviert (Anonym 1920c, 33). Heinrich Himmler

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