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Archiv "Ausstellung „799 - Kunst und Kultur der Karolingerzeit“" (02.07.1999)

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ir werden die Tei- le hochkant trans- portieren, dann halten sie Er- schütterungen besser aus“, sagt Boris Meyer, Steinre- staurator des Berliner Mu- seums für Spätantike und By- zantinische Kunst. Er hockt in der Domschatzkammer zu Aachen vor den Bruch- stücken eines hochrangigen spätantiken Kunstwerks: des Sarkophags Karls des Gro- ßen. Der Sarkophag aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. gehört zum Kulturerbe der Unesco.

In Berlin sollen die schweren Marmorteile wieder fachge- recht zusammengefügt wer- den.

Der sogenannte Proserpi- na-Sarkophag hat eine be- wegte Geschichte. Noch zu seinen Lebzeiten ließ ihn Karl der Große aus Italien nach Aachen schaffen. Er wollte sich darin wie ein antiker römischer Herrscher bestatten lassen. Und so ge- schah es auch: Noch an sei- nem Todestag, dem 28. Janu- ar 814, wurde der Kaiser in diesem Sarkophag zur letzten Ruhe gebettet.

Man stellte den Sarko- phag jedoch nicht in einem Mausoleum auf, sondern ver- senkte ihn nach christlichem Brauch in ein Erdgrab. An- läßlich der Heiligsprechung Karls an Weihnachten 1165 wurde der Sarkophag freige- graben und geöffnet. Die Ge- beine wurden entnommen und in eine hölzerne Lade überführt. Seit 1215 ruhen sie in einem prächtigen goldenen Schrein. Dieser Karlsschrein ist heute mitten im Oktogon des Aachener Doms zu be- wundern.

Der Proserpina-Sarko- phag hatte seine eigentliche Bestimmung verloren, doch als erstes Grab des heiligen Karl erlangte er den Charak- ter einer Berührungsreliquie.

Man hob ihn aus dem Boden und stellte ihn als sichtbares Karlsmonument in der Kir- che auf. Als Ende des 18.

Jahrhunderts die französi- schen Heere das Rheinland

überfluteten, wurde auch Aa- chen besetzt. Den Proserpi- na-Sarkophag schaffte man 1794 nach Paris. Erst 21 Jahre später kehrte er nach Aachen zurück. Die wiederholten Be- wegungen und Transporte hatten dem schweren Mar- morkörper geschadet, „Kor- rekturen“ an den Reliefs der Längsseiten – einige freizügi- ge Details erregten damals Anstoß – taten dem Kunst- werk Gewalt an. In den Reli- efs ist der Raub der Perse- phone (lateinisch Proserpi- na), Tochter der Fruchtbar- keitsgöttin Demeter, darge- stellt. Hades (lateinisch Plu- to) entreißt Demeter die ge- liebte Tochter, um sie als sei- ne Braut in die Unterwelt zu entführen. Nach der Sage mußte Proserpina ein Drittel des Jahres bei ihrem Gatten

in der Unterwelt weilen, für zwei Drittel des Jahres aber durfte sie zu ihrer Mutter in die Oberwelt zurückkehren.

Der Mythos ist ein Gleichnis für das sich stetig wiederho-

lende Werden und Vergehen der Vegetation. Karl der Große mag sich für diesen Sarkophag entschieden ha- ben, weil er den antiken My- thos in christlicher Sichtweise als Allegorie für Tod und Auferstehung deutete.

1843 beschloß die Kirche, den als anstößig geltenden Sarkophag ins Obergeschoß der Nikolauskapelle zu ver- bannen, wo er den Blicken der Besucher entzogen wäre.

Doch das Hebeseil riß, der Sarkophag stürzte ab und zer- brach in mehrere Teile. Eher notdürftig fügte man die Bruchstücke wieder zusam- men, sicherte das fragile Ge- bilde durch Metallverbindun- gen. Lange Jahre ist der Sar- kophag dann im Schatten ver- blieben. Erst 1972 transpor- tierte man ihn mit größter

Vorsicht zur Ausstellung des Domschatzes in den Krö- nungssaal des Aachener Rat- hauses, danach in die Karls- kapelle des Doms. An seinen vorerst letzten Standort ge- langte er 1979: in der neuer- richteten Domschatzkammer.

Jetzt soll das Monument wieder fachgerecht instand gesetzt werden. Nach seiner Restaurierung in Berlin wird der Sarkophag nicht direkt nach Aachen zurückkehren.

Eine Zeitlang wird er im Erz- bischöflichen Diözesanmuse- um zu Paderborn stehen – Glanzstück der Ausstellung

„Kunst und Kultur der Karo- lingerzeit“. Die Ausstellung versammelt rund 300 Leihga- ben aus 180 Sammlungen der Welt und 600 archäologische Funde und historische Doku- mente. Die Stadt Paderborn verdankt dieses Ereignis ei- nem Datum, das 1999 genau zwölfhundert Jahre zurück- liegt: 799 trafen dort Karl der Große und Papst Leo III. zu Verhandlungen zusammen, die die Renaissance des west- römischen Kaisertums einlei- teten. An Weihnachten 800 krönte Leo III. den König der Franken in Rom zum Kaiser. Günther Dressler

A-1789 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 26, 2. Juli 1999 (53)

V A R I A FEUILLETON

Die Ausstellung „799 – Kunst und Kultur der Karo- lingerzeit“ ist vom 23. Juli bis 1. November zu sehen.

Informationen: Projektbüro Paderborn, Marienplatz 2a, 33098 Paderborn, Tel 0 52 51/88 29 86, Fax 88 29 90, E-Mail: projekt 99@paderborn.de, Inter- net: www. paderborn.de.

Abbildung oben: Der Sarkophag Karls des Großen, Proserpina-Sarkophag, Rom, Ende 2. Jahrhundert/Anfang 3. Jahrhundert n. Chr., Aachen, Dom

Der Proserpina-Sarkophag:

Glanzstück

einer Ausstellung

Ein Monument europäischer Geschichte wird endlich restauriert.

Foto: Ann Münchow

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