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Flüchtlingsfrauen lernen Deutsch mit Physik und mit viel Spaß

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Die Ingenieurin

dib – deutscher ingenieurinnenbund – II-2020

„Ingenieurinnen weltweit“

Aktivitäten des dib für geflüchtete MINT-Frauen und -Migrantinnen

Flüchtlingsfrauen lernen Deutsch mit Physik und mit viel Spaß

von Maren Heinzerling

Das letzte Mal habe ich Euch von mei- ner „Zauberhaften Physik mit Sprach- und Sachkisten“ im Oktober 2016 be- richtet. Da hießen die Sprachkisten noch „Lesekisten“ und es ging um Flüchtlingskinder im Alter von 6 bis 12 Jahren. Wir waren 2016 gerade dabei, unsere Versuchsanleitungen so zu vereinfachen, dass auch Kinder mit schwachen Deutschkenntnissen anhand der vereinfachten Lesetex- te das beschriebene Experiment zu- sammenbauen können. In über 30 Unterrichtsstunden konnten wir un- sere Texte erproben und drehten so- gar einen Video-Clip mit Flüchtlings- kindern (siehe www.zauberhafte-phy- sik.net). Seither ist Einiges geschehen, unter anderem haben wir im Febru- ar den 100.000. Besucher auf unserer Webseite registrieren können.

Im November 2017 wurde mir der Deutsche Bürgerpreis in der Katego- rie Lebenswerk verliehen. Auf der Fei- er im Berliner ZDF Zollernhof lern- te ich den Geschäftsführer der Firma TeachCom edutainment kennen. Er bot mir an, seinen Deutschkurs für ge- flüchtete Frauen durch mein Projekt zu ergänzen, kostenlos, versteht sich, aber immerhin offiziell: http://www.

netzwerk-grossbeerenstrasse.de/news/

allgemein/683-maren-heinzerling-be- sucht-netzwerk-projekt.

Für die 1. Kursstunde wählte ich eine meiner einfachsten Sprachkisten:

„Die Papierspirale (1)“. Zehn Damen erschienen pünktlich und legten er- wartungsvoll ihre Kurshefte und Fe- dermäppchen vor sich auf den Tisch, bereit alles mitzuschreiben. Wir stell- ten uns gegenseitig vor: zwei syrische Mathematiklehrerinnen, eine Journa- listin aus Afghanistan, eine türkische Physiotherapeutin, einige Hausfrau- en mit viel Physikinteresse und eini- ge mit etwas weniger Physikaffinität.

Aber alle wollten Deutsch lernen, um in Deutschland arbeiten zu können.

Wir einigten uns auf die Anrede mit dem Vornamen und Du. Meine Klien- tinnen arbeiteten genau wie meine Grundschulkinder in Zweiergruppen.

Es wurde nur Deutsch gesprochen. Bei der Vorbereitung hatte ich die hohe Fingerfertigkeit und schnelle Auffas- sungsgabe unterschätzt: meine Schü- lerinnen hatten im Nu ihre Papierspi- ralen ausgeschnitten und ließen sie über einem brennenden Teelicht krei- sen. Die Beobachtung der aufsteigen- den, warmen Luft gaben sie vor allem pantomimisch und mit großer Entde- ckerfreude kund. Mit meinen so ge- nannten Zusatzversuchen wollte ich nach der Mittagspause die physikali- schen Erkenntnisse vertiefen. Die Ver- suchsmaterialien dazu hatte ich am anderen Ende des Tisches aufgestellt.

Auf dringende Nachfragen hin gab ich schon mal die zugehörigen Team- karten aus, nach denen je zwei Frauen sich einen Versuch erarbeiten sollten.

Doch nun stellten sich zwei Dinge he- raus, mit denen ich nicht gerechnet hatte:

• Die Damen wollten weitermachen, eine Mittagspause interessierte sie nicht. Sie fingen sofort an, sich auf die Zusatzversuche vorzubereiten.

• Ich hatte drei unterschiedliche Zu- satzversuche mitgebracht. Es gab aber fünf Zweiergruppen und jede Zweiergruppe bestand wortreich darauf, sich einen eigenen Versuch zu erarbeiten, d. h. wir brauchten zwei weitere Versuche. Also muss- te Luise Hilmers, die Projekt-Betreu- erin, eilends hinunter in die Küche laufen und heißes Wasser, Eiswür- fel und zwei hart gekochte Eier be- schaffen. Zum Glück arbeite ich in der Zauberhaften Physik mit All- tagsmaterialien.

Wir haben hinreißend experimentiert.

Am Schluss der Stunde bat mich eine Teilnehmerin, ausgerechnet die völ- lig in Schwarz gekleidete, ganz ver- schämt um zwei Teebeutel, weil sie diesen Versuch ihrer Familie zeigen wolle. Da wurde mir klar, dass dieses Projekt drei Vorzüge hat:

1. Flüchtlingsfrauen haben Spaß dar- an, Deutsch kombiniert mit Physik- versuchen zu erlernen; so können sie die neuen Begriffe im wahrsten Sinne des Wortes b-e-g-r-e-i-f-e-n.

2. „Deutsch lernen mit Physik“ trägt Physikkenntnisse in die Familien

Sprachkiste Das Bechertelefon + Sachkiste Akustik B5 Konferenzschaltung Fotos: Luise Hilmers

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Die Ingenieurin

dib – deutscher ingenieurinnenbund – II-2020

„Ingenieurinnen weltweit“

Aktivitäten des dib für geflüchtete MINT-Frauen und -Migrantinnen

und damit Kenntnisse, die auch bei einer Rückkehr ins Heimatland von Vorteil sind.

3. Durch die hinzu gewonnenen Ex- perimentier-Erfahrungen wird die Reputation der Frauen in ihren Fa- milien gehoben.

Ich konnte noch drei weitere Sprach- und Sachkistenstunden in diesem Kreis geben: „Das Bechertelefon (5)“,

„Der Papierflieger (6)“ und „Der Ge- wichtheber (8)“ .

Ich bin Jahrgang 1938; meine Kapa- zität ist begrenzt. Die Arbeit mit den Frauen machte mir zwar riesigen Spaß, aber dafür durfte ich doch mei- ne Grundschulkinder nicht einfach aufgeben. Also wollte ich die Sprach- und Sachstunden an eine Physikpatin

übergeben. Doch dann stellte sich he- raus, dass sie das Projekt aus persön- lichen Gründen nicht weiterverfolgen konnte.

Nun habe ich den Frauen gegenüber ein schlechtes Gewissen. Sie hatten so viel Hoffnung in mich gesetzt, hat- ten sich mir gegenüber geöffnet. Wir hatten auf Augenhöhe mit einander gearbeitet, zwei hatten mich gefragt, ob ich sie nicht in meine Schulstun- den als Patinnen mitnehmen könne.

Wir haben Privates wie Geburtenkon- trolle, Kindererziehung und die Inter- dependenz zwischen Mann und Frau besprochen und viel mit einander ge- lacht. Zum Schluss jeder Stunde ha- ben sie mich stets umarmt.

Nun bin ich Kira Stein und dem Re- daktionsteam sehr dankbar, dass sie

mir die Gelegenheit geben, ein wun- derbares DAZ-Projekt mit diesem Artikel bekannt zu machen (DAZ=

Deutsch als Zweitsprache).

Ich hoffe nämlich, dass ich die eine oder andere unter Euch für diese Idee gewinnen kann. Wir könnten so vie- len Flüchtlingsfrauen bei der Integra- tion helfen. „Deutsch lernen mit Phy- sik“ ist auch in Kirchengemeinden an- wendbar. Wenn wir selbst nicht ge- nug Zeit haben, können wir vielleicht einige Gemeindemitglieder dazu ani- mieren, denn für meine Sprach- und Sachkisten bedarf es keiner physi- kalischen Fachkenntnisse. Hat man MINT-ferne Menschen erst einmal an die Physikversuche herangeführt, ma- chen sie in der Regel begeistert wei- ter. Ich baue auf Euch!

Sprachkiste Gewichtheber (8) G5 Erprobung Sprachkiste Papierspirale + Sachkiste Warme Luft P8 Zusatzversuch: Eierfahrstuhl

Referenzen

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