Karlsruher Institut f¨ur Technologie Institut f¨ur Theorie der Kondensierten Materie Moderne Theoretische Physik III (Theorie F – Statistische Mechanik) SS 17
Prof. Dr. Alexander Mirlin Musterl¨osung: Blatt 9
PD Dr. Igor Gornyi, Janina Klier Besprechung: 23.06.2017
1. Ideales Fermi-Gas in zwei Dimensionen: (4+12+12=28 Punkte) Betrachten Sie ein freies Elektronengas mit der Dispersionsrelation
~p = |~p|2
2m (1)
in D = 2 r¨aumlichen Dimensionen (ein solches zweidimensionales Elektronengas kann z.B. in Halbleiterstrukturen realisiert werden).
(a) Berechnen Sie die Zustandsdichte ν() pro Spinprojektion.
L¨osung:
Hier ist es hilfreich, Polarkoordinaten zu benutzen, das Volumenelement ist dann d2p = dϕpdp. Die Zustandsdichte ergibt sich:
ν() = Z 2π
0
dϕ Z ∞
0
pdp (2π~)2δ
− p2 2m
= m
π~2 Z ∞
0
dp p δ p2−2m
= m
π~2 1 2√
2m Z ∞
0
dp p δ
p − √ 2m
dk +
Z ∞ 0
dp p δ
p + √ 2m
= m
2π~2
, (2)
wobei das zweite Integral wegf¨allt, da dort die Deltafunktion um ein negatives k zentriert ist und hier nur von [0,∞) integriert wird.
Wichtiges Ergebnis: Offenbar ist die Zustandsdichte in zwei Dimensionen konstant.
(b) Gegeben sei der Fermi-Impuls pF. Berechnen Sie die Gesamtteilchenzahl N, die innere Energie U, das großkanonische Potential Ω und den Druck P des Elektro- nengases im Volumen V bei T = 0. Verwenden Sie die erhaltenen Werte von Ω, U und N und ¨uberpr¨ufen Sie, dass diese Werte die Beziehung Ω =U −T S−µN erf¨ullen.
L¨osung:
Wir betrachten ein Fermi-Gas bei T = 0. Aus der Vorlesung ist bekannt, dass sich die Fermi-Funktion nF() = hnλi zu nF() = θ(µ−) reduziert. Dabei ist auch bekannt, dass das chemische Potential µ des Fermi-Gases bei T = 0 gerade der Fermi-EnergieF =p2F/2m entspricht, mit dem Fermi-Impuls pF.
In dieser Aufgabe erweist es sich als vorteilhaft, die Summen als Integrale ¨uber die Zustandsdichte auszudr¨ucken:
X
~ p
f(~p) → V (2π~)2
Z
d2p f(~p) = V Z
d ν()f()
wovon man sich durch Einsetzen der Definition der Zustandssichte ¨uberzeugen kann.
Die Gesamtteilchenzahl ist im großkanonischen Ensemble durch N = X
λ
hnλi = X
λ
nF(λ) = X
σ
X
~ p
nF(~p) T==0 X
σ
X
~ p
θ(F − ~p)
= (2s+ 1)X
~ p
θ(F − ~p),
gegeben, wobei wir hier auch den Spin der Fermionen ber¨ucksichtigt haben (s= 1/2 f¨ur Elektronen). Wir ersetzen nun P
~
p durch ein Integral ¨uber die Zustandsdichte:
N = (2s+ 1)V
∞
Z
0
dν()θ(F − ) (2)= (2s+ 1)V m 2π~2
F
Z
0
d·1
= (2s+ 1)V mF 2π~2
= (2s+ 1)V p2F 4π~2
.
Wir berechnen die innere Energie im großkanonischen Ensemble:
U = hEi = X
λ
λWλ(λ) = X
λ
λ
Zλe−β(λ−µ). Mit dem bekannten Ausdruck f¨urZλ ergibt das:
U=X
λ
λe−β(λ−µ)
1 + e−β(λ−µ) =X
λ
λ
eβ(λ−µ) + 1 =X
λ
λnF(λ)T==0 X
λ
λθ(F − λ).
(3) Analog zum vorigen Aufgabenteil berechnen wir diese Summe wieder als Integral
¨
uber die Zustandsdichte:
U = (2s+ 1)V
∞
Z
0
d ν() θ(F − ) = (2s+ 1)V m 2π~2
F
Z
0
d
= (2s+ 1)V m2F
4π~2 = (2s+ 1)V p4F 16mπ~2.
Wir berechnen nun das großkanonische Potential Ω = −kBTln(ZG). Im Falle des idealen Fermi-Gases faktorisiert die Zustandssumme und man erh¨alt:
Ω = −kBT ln Y
λ
Zλ
!
= −kBT X
λ
ln 1 + e−β(λ−µ)
= −(2s+ 1)kBT V Z ∞
0
d ν() ln 1 + e−β(−µ) ,
wobei wir die Summe wieder in ein Integral umgeschrieben haben. Dieses Integral kann man nun partiell integrieren:
Ω = −(2s+ 1)kBT V
ln 1 + e−β(−µ) Z
0
d0ν(0) ∞
0
+ (2s+ 1)kBT V Z ∞
0
d Z
0
d0ν(0)
| {z }
m 2π~2
(−β) e−β(−µ) 1 + e−β(−µ)
| {z }
nF()
. (4)
Der erste Summand in (4) verschwindet f¨ur=∞, dae(...) →0 in diesem Limes. Er verschwindet auch f¨ur = 0 da R=0
0 d0ν(0) = 0 gilt. Im Limes T →0 gilt wieder nF() =θ(F −) und wir erhalten:
Ω = −(2s+ 1)V m 2π~2
Z F 0
d = −(2s+ 1)V m2F
4π~2 = −(2s+ 1)V p4F 16mπ~2. Hier berechnen wir den Druck des entarteten (T = 0) Fermigases aus der Relation
P =− ∂Ω
∂V T ,µ
: P(T = 0) = (2s+ 1) p4F 16π~2m =
π~2 2s+ 1
N V
2
. Wenn man das mit dem Ergebnis f¨ur ein klassiches Gas
P = kBTN V
vergleicht, so sieht man ein v¨ollig verschiedenes Tieftemperaturverhalten von dem des Quantengases.
Die Ergebnisse f¨ur Ω, U und N beiT = 0 waren:
Ω(T = 0) = − 1 16
(2s+ 1)V π~2
p4F
m = − 1 16A, U(T = 0) = 1
16
(2s+ 1)V π~2
p4F m = 1
16A, µN = 1
8
(2s+ 1)V π~2
p4F m = 1
8A, wobei
A= (2s+ 1)V π~2
p4F m. Die zu ¨uberpr¨ufende Relation
Ω =U −T S−µN gilt offensichtlich, weil
− 1 16 = 1
16− 1 8 und wir uns im GrenzfallT = 0 befinden.
(c) Betrachten Sie nun das freie Elektronengas bei tiefen TemperaturenT F/kB, wo- beiF =p2F/2mdie Fermi-Energie des Gases bezeichnet. Mit Hilfe der Sommerfeld- Entwicklung bestimmen Sie das f¨uhrende Tieftemperaturverhalten des chemischen Potentials µ(T). Finden Sie dabei die innere Energie U(T) und die W¨armekapa- zit¨at cV(T) des Elektronengases in niedrigster nichtverschwindender Ordnung in der Temperatur.
L¨osung:
Wir verwenden wie in der Vorlesung diskutiert die Sommerfeld-Entwicklung f¨ur das großkanonische Potential um das chemische Potential zu berechnen:
Ω(T, V, µ) =−(2s+ 1)V Z ∞
−∞
d b() [n0F()], (5)
wobei
a() = Z
0
d1ν(1) = m
2π~2, b() = Z ∞
0
d1a(1) = m2 4π~2. Mit
n0F() = 1 4kBT cosh2
−µ 2kBT
kann das Integral exakt berechnet werden. Mit den Relationen aus der Vorlesung lautet die L¨osung
Ω(T, V, µ) =−(2s+ 1)V m 4π~2
µ2+ π2
3 (kBT)2
. (6)
Das chemische Potential in Abh¨angigkeit der Teilchenzahl wird mit N = −∂µΩ berechnet. Mit der Sommerfeld-Entwicklung erh¨alt man
N = (2s+ 1)mV
2π~2 µ ⇒ µ= 2π~2 (2s+ 1)m
N V =F.
Die W¨armekapazit¨at wird mit Hilfe der inneren EnergieU(T) berechnet. Aus Gl. (3) und (4) sieht man, dass folgende Relation gilt
Ω(T) =−U(T).
Damit erhalten wir in der Sommerfeld-Entwicklung U(T) = (2s+ 1)V m
4π~2
µ2+ π2
3 (kBT)2
⇒ cV(T) = ∂U
∂T = (2s+ 1)V mπ 6~2
kB2T.
Bemerkung:Die Sommerfeld-Entwicklung ergibt nicht das Niedrigtemperaturver- halten vonµ(T) f¨ur zweidimensionales Fermi-Gase, da die Zustandsdichte konstant ist, ∂ν(µ)/∂µ = 0, und die Korrekturen f¨uhrender Ordnung nur nicht-perturbativ berechnet werden k¨onnen. Dies kann mit der exakten Berechung des chemischen Potentials gezeigt werden (s. Zusatzaufgabe). Die Korrekturen in f¨uhrender Ord- nung ergeben sich aus = 0, wenn die Integrationsgrenze in Gl. (5) nicht durch
−∞ersetzt wird:
µ(T)≈F −kBT exp
− F
kBT
| {z }
nicht-perturbativ um T=0
.
2. Ultrarelativistisches Fermi-Gas: (8+8+6=22 Punkte) Wir betrachten ein ultrarelativistisches Elektronengas in D= 3 r¨aumlichen Dimensio- nen. Die Energie der Teilchen soll im Folgenden als groß im Vergleich zu mc2 ange- nommen werden, wobei m die Masse der Teilchen ist und c die Lichtgeschwindigkeit bezeichnet. In diesem Fall kann man die lineare Dispersionsrelation verwenden:
~p =c|~p|. (7)
Bemerkung: Der Einfachheit halber ignorieren wir die thermische Aktivierung von Antiteilchen (d.h. wir betrachten nur die Zust¨ande mit positiver Energie >0).
(a) Betrachten Sie das ultrarelativistischen Elektronengas mit dem linearen Spektrum (7) bei T = 0. Finden Sie den Fermi-Impuls pF, die Fermi-Energie F, die innere Energie des SystemsU und den Druck P in Abh¨angigkeit von dem Volumen V und der Dichten =N/V.
L¨osung:
BeiT = 0 haben wir gerade einen gef¨ullten Fermi-See. Die Relation zwischen Fermi- Impuls und der Dichte ist unabh¨angig vom jeweiligen Spektrum. Daraus folgt durch Z¨ahlen von ein-Teilchenzust¨anden (der Fakor 2 resultiert vom Spin: 2s+ 1 = 2)
n= 2 4πp3F
3(2π~)3, pF =~(3π2n)1/3 (8) Es gilt zudemF =cpF.
Die innere Energie und der Druck P =−∂U/∂V sind U = 4πV
Z pF
0
p2dp
(2π~)3cp= cp4F 8π2~3
= 3
4 3π21/3
~cN(N/V)1/3, (9)
P = U/3V. (10)
(b) F¨ur beliebige Temperaturen kann man die thermodynamische Gr¨oßen durch Inte- grale ¨uber die Fermi-Funktion ausdr¨ucken. Bestimmen Sie auf diesem Weg die innere EnergieU(T) und das großkanonische Potential Ω(T) (die explizite Berechnung der Integrale ¨uber die Fermi-Funktion ist nicht gefordert). ¨Uberpr¨ufen Sie außerdem, dass Ω =−U/3 gilt.
L¨osung:
F¨ur die folgenden Teilaufgaben wollen wir aus Gr¨unden der Bequemlichkeit nun wirklich die Zustandsdichteν() benutzen:
ν() = 1 V
X
p
δ(−p) =
Z d3p
(2π~)3δ(−cp) = 4π (2π~)3
Z ∞ 0
dp p2δ(−cp)
= 2
2π2(~c)3. (11)
Das großkanonische Potential ist dann durch
Ω = −2kBT
Z ∞ 0
d ν() ln 1 +e−β(−µ)
(11)= −2kBT 1 2π2(~c)3
Z ∞ 0
d2ln 1 +e−β(−µ)
part. Int.
= − 1
π2(~c)3 Z ∞
0
d 3 3
1
eβ(−µ)+ 1 (12)
gegeben. F¨ur die inenere Energie gilt:
U = X
λ
λf(λ) = 2X
p
p 1 eβ(p−µ)+ 1
= 2 Z ∞
0
d ν() 1 eβ(−µ)+ 1
(11)= 1 π2(~c)3
Z ∞ 0
d 3 1
eβ(−µ)+ 1. (13) Nun vergleichen wir Gl. (12) und Gl. (13):
Ω =−U/3.
(c) Mit Hilfe der Sommerfeld-Entwicklung bestimmen Sie das f¨uhrende Tieftempera- turverhalten der EntropieS(T) des entarteten ultrarelativistischen Fermi-Gas.
L¨osung:
Um das Tieftemperaturverhalten der W¨armekapazit¨at zu bestimmen, f¨uhren wir die Sommerfeld-Entwicklung des großkanoischen Potentials Ω f¨ur unser System durch (s. Vorlesung)
Ω(T, V, µ)'Ω(T = 0, V, µ)− π2
3 V ν(µ)(kBT)2 (14) Die Entropie lautet
S(T, V, µ)' 2π2
3 V ν(µ)k2BT. (15) An diesem Punkt sollten wir im Prinzip das chemische Potential dieses Systems als Funktion vonT, V, undN schreiben: µ(T, V, N). Allerdings bemerken wir, dass es ausreichend ist das chemische Potentialµ(T, V, N) an seinem Wert f¨ur T = 0,
µ(T = 0, V, N) =F(n),
zu betrachten. Die temperaturabh¨angigen Terme in µ(T, V, N) werden nur kleine Korrekturen zum Endresultat liefern. Die Zustandsdichte wurde in der letzten Auf- gabe berechnet
ν(F) = 2F 2π2(~c)3. Wir erhalten:
S(T, V, N) ' 2π2
3 V 2F
2π2(~c)3k2BT = 1 3(~c)3V
"
c~
3π2N V
1/3#2
| {z }
2F=c2p2F
kB2T
= kB π2N2/3 (3V)1/3
~c kBT. (16)
Bemerkung:Das lineare Spektrum findet sich auch in sogenannten Weyl-Halbmetallen.
Bonusaufgabe. Elektronen in Graphen: (10 Bonuspunkte) Betrachten Sie ein ultrarelativistisches Elektronengas mit linearen Dispersionsrelation (7) im zweidimensionalen Volumen V (wie in Aufgabe 2 ignorieren Sie die Zust¨ande mit negativer Energie).
Zeigen Sie, dass f¨ur einen adiabatischen Prozess
P Vγ = konst, P Tδ = konst
gilt, wobei P der Druck des Gases bezeichnet und T die Temperatur ist. Bestimmen Sie die Exponenten γ und δ.
Hinweis: Die Bestimmung dieser Exponenten erfordert keine explizite Berechnung von Integralen ¨uber die Fermi-Funktion.
L¨osung:
Hierzu verwenden wir das großkanonische Potential (Faktor 2 wegen Spin) Ω =−2kBTX
~ p
ln 1 +e−β(p~−µ)
=−2kBT V (2π~)2
Z
d2pln 1 +e−β(~p−µ)
=−kBT 4πV (2π~)2c2
Z ∞ 0
dln 1 +e−β(−µ)
= V
β3f(βµ), (17) wobei
f(y) = − 1 π~2c2
Z ∞ 0
dxxln 1−e−x+y
. (18)
Die Entropie berechnet sich zu S =−∂Ω
∂T =kBβ2∂Ω
∂β =−3kBV
β2 f(βµ) + kBV µ
β f0(βµ) =kBV
β2 g(βµ), (19) mit
g(y) =−3f(y) +yf0(y). (20) Die Teilchenzahl l¨asst sich ebenfalls ¨uber Ω bestimmen:
N =−∂Ω
∂µ = V
β2f0(βµ). (21)
Da ein adiabatischer Prozess (S = konst. undN = konst.) betrachtet wird, ergibt sich S
N =kBg(βµ)
f0(βµ) = konst., (22)
und somit
βµ = konst. (23)
Es folgt dann aus Gl. (21):
N
V T2 = konst ⇒ V T2 = konst. (24)
Des Weiteren gilt
Ω =−P V =T3V k3Bf(βµ)
| {z }
konst.
⇒ P
T3 = konst. (25)
Somit ist
P ∝T3 ∝V−3/2 ⇒ P V3/2 = konst. (26) Die gesuchten Exponenten sind also durch
γ = 3
2, δ=−3 (27)
gegeben.