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Doing Sciene - Doing Gender.

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Sandra Beaufays und Beate Krais

Doing Sciene - Doing Gender.

Die Produktion von Wissenschaftlerinnen

und die Reproduktion von Machtverhältnissen im wissenschaftlichen Feld

Bis heute haben Frauen in wissenschaftlichen Spitzenpositionen Seltenheitswert.

Auffällig ist, dass sie nicht nur bereits in den Eingangspositionen für wissenschaft- liche Karrieren im Verhältnis zu ihren männlichen Kollegen unterrepräsentiert sind, sondern auch von Karrierestufe zu Karrierestufe immer seltener werden.

Die deutschsprachige wie die internationale Forschungsliteratur der achtziger Jahre zum Thema »Frauen in der Wissenschaft« hat die Erklärung für die ausge-

prägte Unterrepräsentanz von Frauen, ebenso wie auch die Ausnahmeerschei- nung erfolgreicher weiblicher Karrieren, vor allem bei den Frauen selbst gesucht (Bock u.a. 1983; Nowotny 1986; Clemens u.a. 1986). Die Gründe wurden ver- mutet in Sozialisationsprozessen und biographischen Verläufen, es wurden spezi- fisch weibliche Identitätsentwicklung oder Konfliktbewältigung unterstellt oder auch ein besonderer Umgang von Frauen mit Problemen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Perspektive liegt zunächst durchaus nahe, gibt es doch keine formalen Barrieren, die Frauen daran hindern würden, eine wissenschaftli- che Karriere einzuschlagen; auch offene Diskriminierung spielt, jedenfalls nach den Aussagen der Frauen selbst, keine Rolle mehr. So sieht es ganz danach aus, als handle es sich bei diesen aus der Wissenschaft hinaus führenden Berufsverläufen um Prozesse der Selbstelimination, um eine Abfolge von — mehr oder weniger bewusst getroffenen, immer jedoch »freien« — Entscheidungen der jungen Frauen, die für sich eine andere Wahl als die einer Karriere in der Wissenschaft treffen.

Ein Ansatz aus dem angelsächsischen Forschungsraum, der der »Gendered O r - ganizations«, veränderte in den neunziger Jahren die Forschungslandschaft. Mit seiner Hilfe konnten Hochschulforscherinnen zeigen, dass die Universität eine Organisation ist, deren Funktionieren von einer asymmetrischen Konstruktion der Geschlechter abhängt (Geenen 1994; Roloff 1998 u. 2002; Allmendinger 1999; Matthies 2001; Wimbauer 1999). Es zeigte sich, dass das, was aussieht wie eine Folge von persönlichen Wahlen, von individuellen Entscheidungen gegen eine wissenschaftliche Laufbahn, in hohem Maße geprägt und beeinflusst ist von den Institutionen, Strukturen und sozialen Beziehungen im Wissenschaftssektor selbst.

Aber welche Aspekte von Wissenschaft, von akademischer Forschung und Lehre sind es, die zu diesem Ergebnis führen? Diese Frage blieb nach wie vor

Feministische Studien (© Lucius & Lucius, Stuttgart) 1 / 0 5

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ungeklärt. U m sie zu beantworten, ist es unumgänglich, einen dezidierten Blick auf das wissenschaftliche Alltagsgeschäft zu werfen, auf die »Wissenschaft als Pra- xis«. Damit wird ein Perspektivenwechsel in der Forschung vollzogen: D e r so- ziologische Blick richtet sich w e d e r auf die Frauen u n d ihre besonderen M e r k - male noch allein auf institutionelle Vorgaben f ü r wissenschaftliche Karrieren, Organisations- u n d Zeitstrukturen wissenschaftlicher Arbeit. In den Mittelpunkt wird vielmehr das gerückt, was oft als »Wissenschaftskultur« bezeichnet wird, also informelle Hierarchien, Sitten u n d G e b r ä u c h e der scientific community, K o m - munikationsformen, Interaktionsmuster zwischen den verschiedenen Akteuren, das Selbstverständnis der Wissenschaftler u n d Ahnliches mehr.

W i r schlagen damit gewissermaßen einen U m w e g ein: Statt direkt den »Fak- tor Geschlecht« u n t e r die Lupe zu n e h m e n , wird die Funktionsweise von W i s - senschaft in d e n Blick g e n o m m e n . Die Studie ist damit im Schnittpunkt von Wissenschaftsforschung u n d Frauen- und Geschlechterforschung angesiedelt.

In ihren avancierten Positionen hat die sozialwissenschaftliche Wissenschafts- forschung bislang die soziale Herstellung wissenschaftlicher O b j e k t e analysiert (Knorr-Cetina 1984; 2002 u.a.). W i r sind davon ausgegangen, dass auch die A k - teure der Wissenschaft keineswegs als gegeben vorausgesetzt werden k ö n n e n (vgl.

Engler 2001). Vielmehr ist der Prozess, in d e m aus Studierenden anerkannte Wis- senschaftler oder anerkannte Wissenschaftlerinnen werden, sozial hochselektiv.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass in diesen Konstruktions- und Entwicklungspro- zess Mechanismen eingelagert sind, die dazu beitragen, die Geschlechterhomoge- nität des wissenschaftlichen Feldes zu reproduzieren. Indem m a n die alltägliche Praxis der Wissenschaft untersucht, k o m m t man d e m praktischen Sinn der unter- schiedlichen Akteure auf die Spur u n d erfährt so, wie »science-in-the-making«

(Pickering 1992, S. 6) und »gender-in-the-making« H a n d in H a n d gehen.

Ein Analyseinstrument, das sich f ü r diese U n t e r s u c h u n g sehr gut eignet, ist das Konzept der sozialen Felder v o n Pierre Bourdieu. Konstitutiv f ü r soziale Felder ist die Professionalisierung einer ganz b e s t i m m t e n gesellschaftlichen Praxis, d. h . ein Feld konstituiert sich über Akteure, die sich in einem B e r u f etabliert haben (Krais 1989, 5 6 / 5 7 ) .1 Die D e n k - u n d Vorgehensweise Bourdieus hat einen e n t - scheidenden Vorteil. Sie macht nicht n u r die soziale Praxis z u m Ausgangspunkt der Analyse u n d ermittelt die ihr i n n e w o h n e n d e Logik, sondern stellt die A k - teure als Konstrukteure ihrer Realität ins Z e n t r u m (Engler 2001, 146/147).

1 Dabei dreht es sich keineswegs u m alle F o r m e n von B e r u f e n , sondern e b e n n u r u m solche, die gesellschaftliches Kapital — kulturelles, ökonomisches, soziales — akkumulieren, d. h. u m Profes- sionen, deren Kennzeichen ihre relative A u t o n o m i e im sozialen R a u m ist. I m wissenschaftlichen Feld beispielsweise wird das Feld von d e n Wissenschaftlern u n d Wissenschaftlerinnen bestimmt, insbesondere v o n Professorinnen u n d Professoren, nicht j e d o c h von den i h n e n zuarbeitenden Sekretärinnen, technischen Assistenten oder d e n von i h n e n unterrichteten Studierenden, o b - gleich diese zur Stabilisierung u n d Aufrechterhaltung der feldspezifischen Praxis entscheidend beitragen (können). Das hängt mit den f u r soziale Felder spezifischen M a c h t s t r u k t u r e n zusam- m e n . D i e A k t e u r e beziehen sich n u r auf solche anderen Akteure, die professionell das betreiben, was als konstitutiv f u r das jeweilige Feld gilt.

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N i c h t n u r wissenschaftliche O b j e k t e - Erkenntnisse — werden erst in sozialen Aushandlungsprozessen zu wissenschaftlichen »Tatsachen«, auch die Erkenntnis- subjekte k ö n n e n nicht einfach vorausgesetzt werden. Die etablierten Akteure des wissenschaftlichen Feldes haben nicht nur b e s t i m m t e Vorstellungen davon, was gute wissenschaftliche Arbeit ist, sondern auch davon, wer als Mitspieler aner- k a n n t w e r d e n k a n n u n d wer nicht. U n d gerade diese beiden P u n k t e lassen sich durchaus nicht so sauber trennen, w i e dies v o n Wissenschaftlern selbst vorausge- setzt wird.

D i e Praxis des wissenschaftlichen Feldes spiegelt sich in der illusio der Akteure wider.2 D i e illusio oder der Glaube an das Feld leitet den »praktischen Sinn«, mit d e m die A k t e u r e ausgestattet sind. Dieser ist das soziale Organ, u m sich in e i n e m Feld zurechtzufinden u n d auch v o n den anderen A k t e u r e n als z u g e h ö r i g erkannt zu werden. In diesem Glauben liegen, das ist unsere These, die Ausschlussmecha- nismen b e g r ü n d e t , die dazu f u h r e n , dass Frauen seltener zu Mitspielerinnen i m wissenschaftlichen Feld werden.

U m die Verschränkungen von doing science u n d doing gender (vgl. H e i n t z u. a.

2004) zu analysieren und die Gleichzeitigkeit des Prozesses, in d e m Wissen- schaftler zu Wissenschaftlern w e r d e n und Frauen in diesem Vorgang »verloren gehen«, herauszuarbeiten, ziehen w i r Ergebnisse v o n zwei empirischen Studien an deutschen H o c h s c h u l e n u n d Forschungsinstituten heran, die u n t e r der Lei- t u n g von Beate Krais in den letzten Jahren d u r c h g e f ü h r t w o r d e n sind (Krais/

Beaufays 2005). Das erste Projekt richtete sich auf die außeruniversitäre For- schung. Das Sample umfasste n e u n Forschungsinstitute einer g r o ß e n deutschen Forschungsorganisation. Vertreten waren die Fächer Physik, C h e m i e , Biologie, Informatik, R e c h t u n d Geschichte. Das zweite Projekt konzentrierte sich in vier Fallstudien auf universitäre Institute der Fächer B i o c h e m i e u n d Geschichte. I m R a h m e n dieser ethnographisch angelegten U n t e r s u c h u n g w u r d e n qualitative Interviews mit Wissenschaftlerinnen aller Statusgruppen durchgeführt, z u m Teil w u r d e n sie in i h r e m Alltag begleitet oder fertigten selbst Protokolle von ihren Tagesabläufen an (Beaufays 2003).

Wissenschaft als Lebensform und verkörperte Arbeitshaltung

D i e Vorstellung v o n Wissenschaft als einer Lebensform, die kein anderes Engage- m e n t n e b e n sich duldet, ist ein Kernelement des Glaubens, der die wissenschaft-

2 Illusio ist nicht die Abkürzung von »Illusion«, wie das Wort im alltäglichen Sprachgebrauch ver- standen wird, sondern ist hergeleitet aus dem lateinischen ludus, also dem Spiel (Bourdieu/

Wacquant 1996, S. 128). Die illusio ist der Einsatz der Akteure, die Investition in das »Spiel« ei- nes Feldes, und gleichzeitig der Glaube daran, dass »der Einsatz lohnt« (Krais 2000, S. 40). (Die Spielmetapher sollte übrigens nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dabei u m die soziale Exis- tenz der Akteure geht.)

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liehe Arbeit trägt und stabilisiert — und zwar über alle untersuchten Fächer hin- weg. Dies zeigen die Interviews mit den Professoren, aber auch die Interviews mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs, ebenso wie autobiographische Doku- mente, Wissenschaftlerbiographien und ähnliches Material, das wir in unserer Studie ausgewertet haben.

Für den wissenschaftlichen Nachwuchs geht es darum, einen Habitus als Wis- senschaftler auszubilden. Diese Entwicklung ist verbunden mit einer intensiven Arbeit an der eigenen Person, die in den Interviews mit den Doktorandinnen und Doktoranden, Habilitandinnen und Habilitanden nachdrücklich geschildert wird. In dieser Phase müssen sie sich offensichtlich nicht allein mit ihrem For- schungsgegenstand auseinandersetzen, sondern auch mit den konkreten Bedin- gungen der Forschung, also mit räumlichen, sozialen und zeitlichen Strukturen, die sie nach und nach selbst inkorporieren.

Beispielhaft drücken sich diese Dimensionen in der Aussage eines promovie- renden Historikers aus, der feststellt, dass den »Primärquellen« in den Geschichts- wissenschaften nicht nur aus wissenschaftlich nachvollziehbaren Gründen eine hohe Bedeutung zugemessen wird:

»Also das fand ich schon sehr offensichtlich, dass dieses In-ein-Archiv-gehen, also diese Primärquellen gesehen zu haben und angesehen zu haben, (...) das ist ja vielleicht nur so ein Kriterium von Ackern, also man ist ein Baggerer, ein Archivbaggerer, und verwendet eben sehr viel Zeit (...) wirklich da in diesem Archiv zu sitzen und stundenlang eben nur diese Akten ins Laptop zu tippen und das mehrere Monate lang zu machen, so asketisch, das ist eher so das Wort, nur eine Stulle zwischendurch zu essen und eine Möhre.«

Die archivarische Quelle hat hier nicht nur die Bedeutung einer Arbeitsgrund- lage für den Historiker, ihre Bearbeitung stellt auch seine nahezu bedingungslose Leidenschaft für die wissenschaftliche Forschung unter Beweis. Und nicht nur der korrekte Umgang mit den Quellen, ihre methodisch und theoretisch ge- schulte Ausdeutung, wird von den anderen Wissenschaftlern anerkannt, es zählt auch, sich den widrigen Bedingungen der Archivrecherche ausgesetzt zu haben.

Die Anforderungen unterscheiden sich je nach Fach und damit zusammenhän- genden Tätigkeiten. So ist in der Biochemie das Labor als Arbeitsort zentral. Hier wird die Forschung vorangetrieben und die Anwesenheit eines jungen Wissen- schaftlers drückt seine Investition in die Zukunft aus: Wer sich hier aufhält, der will es wirklich wissen. Daher wird diese Anwesenheit als wesentliches Zeichen dafür gewertet, ob der Nachwuchs als hoffnungsvoll einzustufen ist oder nicht.

Tagesprotokolle, die wir von Habilitierenden erstellen ließen, zeigen, wie schwer eine übliche Unterscheidung von Arbeits- und Freizeit fällt. So gibt der Bioche- miker und Habilitand Artur P. beispielsweise an, gerne Samstags ins Labor zu ge- hen. Er begründet diese Praxis damit, besondere Ambitionen zu verfolgen:

»Einfach weil ich vorwärts kommen will, weil ich Dinge machen möchte. (...) so fünf, sechs Stunden am Samstag hier arbeiten ist ziemlich normal. Mach ich. U n d das ist unterschied- lich, w i e die Leute das handhaben. Meistens hat man zwei, drei Kollegen immer hier. (...)

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Arno M. (Doktorand) kommt in der Regel so gegen fünf dann rein und misst die Nacht durch irgendwie an einem Gerät. Augustus C. (Professor) triât man öfter mal. Alexander H.

(Privatdozent) kommt lieber am Sonntag rein, weil er den Sonnabend mit der Familie braucht. Aber für mich ist das eigentlich fast ein normaler Arbeitstag.«

Der Alltag einer Biochemie-Arbeitsgruppe zieht es nach sich, dass der Habili- tand seiner eigenen Forschungsarbeit während der Woche nicht ungestört nach- kommen kann. Am Wochenende jedoch halten sich technische Assistenten, die meisten Doktorandinnen und Studierende, all die, für die Artur P. eine gewisse Verantwortung trägt, nicht im Labor auf. Er trifft statt dessen auf folgende Ak- teure: Alexander H., einen Kollegen, der bereits habilitiert ist; Arno M., einen Doktoranden, der dafür bekannt ist, zu unorthodoxen Zeiten zu arbeiten und der besondere Anerkennung durch seine Kollegen genießt, weil er als »Metho- denheld« gilt (so ein anderer Doktorand in einem Interview über den Betreffen- den); Augustus C., den Chef der Arbeitsgruppe.

Es ist für die Analyse von geringer Bedeutung, ob Artur P. tatsächlich immer am Wochenende ins Labor geht und dort ständig auf die genannten anderen trifft. Entscheidend ist vielmehr, dass er diese Praxis als »normal« bezeichnet, aber nur eine bestimmte Personengruppe nennt, für die sie zutrifft. Nicht jeder Dok- torand und jede Doktorandin sind samstags oder sonntags im Labor anzutreffen, sondern hier trifft sich die kleine Gemeinde derer, die »Dinge machen« wollen, und denen die Woche dazu nicht ausreicht. Es sind Personen, die aufgrund ihrer Positionen und ihrer Aufgaben besonders herausgehoben sind, und man darf an- nehmen, dass die, die es nicht sind (wie der Doktorand Arno M.), diese Positio- nen zukünftig anstreben.

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Diejenigen, die von Artur P. nicht genannt werden und die vielleicht auch nicht am Wochenende das Labor aufsuchen, werden da- her möglicherweise im Umkehrschluss als weniger ambitionierte Mitglieder der Arbeitsgruppe wahrgenommen. Man kann durchaus davon ausgehen, dass Mit- arbeiter, die am Wochenende dem Professor über den Weg laufen, auch von ihm als solche betrachtet werden, die »Dinge machen« wollen.

Die Frage ist nun, ob wir es hier mit Sachzwängen zu tun haben, ob es also für die wissenschaftliche Karriere notwendig ist, am Wochenende zu arbeiten oder bis zehn Uhr abends im Labor zu stehen, oder ob damit gleichzeitig ein

»soziales Ereignis« performiert wird, das eine symbolische Dimension bedient.

Ähnliche von vielen Interviewpartnern geschilderte symbolische Praktiken las- sen nämlich erkennen, dass nicht allein die Bearbeitung eines Problems, sondern die damit einhergehende auch körperliche Unterwerfung unter den Rhythmus der Forschung erst den Wissenschaftler ausmacht. Die Verkörperung der Sache, für die man sich einsetzt, die Aneignung und lebendige Ausübung dessen, was im

3 Tatsächlich erfuhren wir nach Abschluss der Feldforschung in dieser Arbeitsgruppe, dass Arno M. direkt im Anschluss an seine Promotion selbst für eine Post-Doc-Stelle gesorgt hatte, indem er einen neuen Projektantrag schrieb, den sein Chef einreichte. Er ist damit nach der P r o m o - tion in seiner AG geblieben und damit auch in der Forschung und an der Universität.

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wissenschaftlichen Feld etwas w e r t ist, lässt auch die Qualitäten des wissenschaft- lichen Akteurs selbst erkennen. D i e in diesem Sinne als »auserwählt« u n d ambi- tioniert geltenden Wissenschaftler zeichnen sich durch ihre Bereitschaft aus, ihr Leben in den Dienst der Sache zu stellen. Dabei ist nicht allein entscheidend, w i e viele S t u n d e n in der W o c h e sie letztlich arbeiten, sondern auch, ob sie in der Lage sind, den Eindruck überzeugend aufrecht zu erhalten, dass Wissenschaft der wichtigste Lebensinhalt ist. D i e Interviews d o k u m e n t i e r e n vor allem eines: W i e der m ü h s a m e Prozess des Selbstverständlich-Werdens, der I n k o r p o r i e r u n g von Arbeitsformen u n d Zeitstrukturen abläuft, w i e die j u n g e n Leute sich einen H a - bitus an-arbeiten, der sie z u m wissenschaftlichen N a c h w u c h s macht, d.h. zu I n - dividuen mit einer wissenschaftlichen Z u k u n f t .

Welch h o h e r Stellenwert dieser Zukunftsantizipation z u k o m m t , erfährt man gerade auch in den Gesprächen mit d e n Professorinnen u n d Professoren, den potenziellen Förderern wissenschaftlichen Nachwuchses. W i e sich herausstellt, formulieren die Hochschullehrer, i n d e m sie ihre eigene Praxis schildern, eine N o r m g r e n z e , hinter die nicht zurückgetreten werden kann.Verhält man sich a n - ders, befindet man sich schon nicht m e h r im legitimen Bereich, sondern muss aus der Wissenschaft aussteigen u n d braucht den B e r u f des Professors gar nicht erst anzustreben, denn m a n g e h ö r t nicht in die Universität, sondern auf den

»Fußballplatz« bzw. in den »Kegelklub«.4 D i e Nachwuchswissenschaftler stehen so tatsächlich unter einem besonderen Legitimationsdruck. Karriereaussichten werden direkt damit verknüpft, wie sie ihre Zeit verwenden.

»Denn es ist eindeutig so, dass die Leute, die sich fokussieren auf den Fluchtpunkt Professor, (...), dass die das ganz anders sehen. Für die ist am Sonntag die E r h o l u n g zu Hause eben dass sie Nature lesen oder irgend so was, nicht? W ä h r e n d die Leute, die sagen, ich will hier einen qualifizierten Abschluss, einen qualifizierten Titel haben u n d gehe d a n n also als Post-Doc u n d suche mir einen guten J o b aus, ne, die bestehen m e h r darauf a m Freitagabend: es ist weekend, ne? (...) Das muss m a n , glaube ich, unterscheiden. Es gibt unterschiedliche Berufs- ziele.« (Professor der Biochemie)

Verfügbarkeit wird durch solche symbolischen H a n d l u n g e n demonstriert u n d dargestellt, die letztlich die Distinktionsabsicht des Feldes zu bekräftigen ver- m ö g e n . Das heißt aber, sich a m W o c h e n e n d e oder bis zehn U h r Abends im La- b o r zu zeigen, an Freitagabenden Kolloquien o d e r Meetings abzuhalten, nach d e m M e e t i n g n o c h Geselligkeit mit anderen Wissenschaftlern u n d damit w i c h - tige N e t z w e r k e in der K n e i p e zu pflegen — dies alles sind weniger zweckdienli- che, s o n d e r n v o r w i e g e n d symbolische Praktiken, d e n e n sich zu u n t e r w e r f e n hat, w e r dazu gehören m ö c h t e .5

4 So drastisch wird geschildert, was Wissenschaft nicht ist u n d nicht n e b e n sich duldet. Hieraus lässt sich nicht zuletzt eine Distinktion g e g e n ü b e r der Praxis von anderen gesellschaftlichen G r u p p e n ablesen.

5 Im Ü b r i g e n handelt es sich nicht u m frei e r f u n d e n e , sondern an d e n v o n uns untersuchten Instituten beobachtete Praktiken.

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Das Konzept der wissenschaftlichen Leistung und das Spiel um Anerkennung

I m wissenschaftlichen Feld w i r d die Auffassung vertreten, es gebe einerseits wissenschaftliche Leistungen u n d andererseits das Spiel u m A n e r k e n n u n g und Prestige. Diese b e i d e n Prinzipien folgen angeblich einer v o l l k o m m e n g e t r e n n - t e n Logik. H i e r d u r c h k a n n der E i n d r u c k entstehen, Leistungen seien v o m U r - teil der Akteure u n a b h ä n g i g e u n d in ihrem Entstehungsprozess v o n sozialen B e d i n g u n g e n losgelöste Ergebnisse interessefreien Handelns. D a m i t Leistungen entstehen k ö n n e n , müssen j e d o c h bestimmte B e d i n g u n g e n gegeben sein, die u n t e r a n d e r e m auch zu der Vorstellung u n d d e m impliziten Wissen darüber bei- tragen, was ü b e r h a u p t als wissenschaftliche Leistung gelten kann. Dieser i m m e r schon eingelagerte Konstruktionsakt ist so selbstverständlich, dass er in der Pra- xis ebenso >vergessen< wird w i e der Akt, in d e m Leistungen Personen zuge- schrieben werden. Diese Amnesie f u h r t dazu, dass d e m Individuum, das u n t e r b e s t i m m t e n B e d i n g u n g e n als leistungsfähiges Subjekt hervorgebracht wird, eine b e s o n d e r e >Begabung< unterstellt wird. D i e »wissenschaftliche Persönlichkeit«, v o n der Steffani Engler (2001) schreibt, dass sie i m Z u g e v o n A n e r k e n n u n g s - u n d Zuschreibungsprozessen entsteht, wird so i m m e r schon vorausgesetzt. Leis- t u n g dagegen wird als funktionales Prinzip aufgefasst, mit d e m objektiv b e - s t i m m t werden k a n n , o b j e m a n d f ü r die Wissenschaft geeignet ist u n d wird damit als v o n sozialen B e d i n g u n g e n losgelöst verstanden.

Explizit wird Leistung auch in unserer U n t e r s u c h u n g als »objektiver« Maßstab f ü r die R e k r u t i e r u n g des Nachwuchses vorgestellt. Leistung ist j e d o c h zunächst selbst zu messen, bedarf eines Instrumentes, mit d e m ihre B e d e u t u n g , ihre Trag- weite f ü r die Wissenschaft erkannt werden kann. Was eine wissenschaftliche Leis- t u n g ist, entscheidet kein automatisches Wahlprogramm, sondern dies entschei- d e n letztlich die Wissenschaftler selbst durch peer-review. D i e Instrumente, die wissenschaftliche Leistungen messen, werden durch die Akteure verkörpert.

W a h r n e h m b a r ist dabei nicht Leistung als solche — w i e sollte das aussehen — son- d e r n i m m e r nur die Darstellung von Leistung, in welcher F o r m auch immer.

So finden sich u n t e r d e n Kriterien, die Hochschullehrerinnen u n d -lehrer6 in d e n Interviews angeben, w e n n sie sich zu den M e r k m a l e n vielversprechender j u n g e r Wissenschaftler i n n e n u n d Wissenschaftler ä u ß e r n , k a u m Beschreibungen

dessen, was eigentlich eine wissenschaftliche Leistung ausmacht. W ä h r e n d die ei- n e n ü b e r h a u p t nicht v o n wissenschaftlicher Leistung sprechen, sondern diese stillschweigend voraussetzen, sind andere davon überzeugt, dass es sich bei ihrem e i g e n e n Urteil über Kandidaten (und auch über Kandidatinnen) grundsätzlich u m «Bestenauslese» handele, so als seien sie selbst als Betreuer u n d R a t g e b e r , als

6 Tatsächlich lassen sich in diesem Punkt kaum Differenzen zwischen Professoren und Professo- rinnen ausmachen.

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Förderer, Anreger, Vermittler von Positionen und von Gelegenheiten öffentli- chen Auftretens gar nicht beteiligt und schauten lediglich einem naturwüchsig sich selbst regulierenden Vorgang zu. N e b e n fachlichen Voraussetzungen und fachspezifischen Schlüsselkompetenzen wird hier vor allem ein bestimmtes Per- sönlichkeitsprofil beschrieben, das sich von Fach zu Fach kaum unterscheidet.

Auffällig ist, dass in den Interviews vor allem Merkmale des Seins angeführt wer- den, nicht Merkmale des Könnens. Es werden also Indikatoren genannt, die für Leistungsfähigkeit sprechen, für ein Potenzial an künftig erwartbarer Leistung, nicht aber als Belege für bereits erbrachte Leistungen. An erster Stelle steht eine h o h e Frustrationstoleranz, auch Ausdauer und Belastbarkeit sind wichtig und Leistungs- und Einsatzwilligkeit.

Das Bild vom Wissenschaftler, das in diesen Indikatoren erkennbar wird, scheint völlig geschlechtsindifferent zu sein. Ausdauer, Disziplin, Einsatzbereit- schaft und Frustrationstoleranz könnten ebenso gut von einer Wissenschaftlerin verkörpert werden wie von einem Wissenschaftler. Mentoren müssten demnach diese Eigenschaften in ihren Doktorandinnen und Doktoranden gleich häufig entdecken. An den Aussagen einer R e i h e von interviewten Professoren lässt sich j e d o c h nachweisen, dass die genannten Eigenschaften geschlechtsspezifisch u n -

terschiedlich zugeschrieben werden. So können Frauen mit Kindern angeblich keine wirklich kreative Wissenschaft betreiben, weil ihnen dazu die nötige Zeit fehle; Durchhaltevermögen wird als männliche Potenz beschrieben, die bereits bei der Stellensuche sichtbar wird; u n d was die Leidenschaft und Leidensbereit- schaft für den Beruf angeht, wird Frauen diese eher abgesprochen, weil man im- mer andere Prioritäten in ihrem Leben vermutet. Es stellte sich heraus, dass Frauen gegenüber ein wesentlich größeres Misstrauen darüber besteht, ob sie den Anstrengungen und Widrigkeiten, aber auch den Herausforderungen einer wissenschaftlichen Karriere überhaupt gewachsen seien. Damit wird aber auch der unvoreingenommene Blick auf die Leistungsfähigkeit von Nachwuchswis- senschaftlerinnen verstellt. Dass ein wohlwollender Blick der bereits etablierten Akteure im wissenschaftlichen Feld für den Zugang der Nachwuchswissen- schaftlerinnen und -Wissenschaftler j e d o c h entscheidend sein kann, dies wissen implizit alle Beteiligten, die eine gewisse Erfahrung mit der Anerkennungspraxis der scientific community erworben haben. So bemerkt beispielsweise ein Histo- riker, kurz vor der Habilitation:

»Man ist ein guter Historiker nicht, weil man ein guter Historiker ist, sondern weil die an- deren sagen, dass man ein guter Historiker ist. Wenn ich mich selber hinstelle und sage, ich bin ein guter Historiker, lachen alle anderen guten Historiker. Wenn ein anderer guter His- toriker sagt, der Charlie P. ist ein guter Historiker, dann nicken alle anderen guten Histori- ker, zumindest, wenn sie aus dessen Schule stammen.«

Leistungen und somit die Qualität wissenschaftlicher Arbeit werden durch die Akteure verkörpert, Qualitätsurteile sind dabei gebunden an übereinstimmende Sichtweisen und Leistungen werden Personen zugeschrieben. U n t e r diesen Bedin-

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g u n g e n muss es n e u H i n z u k o m m e n d e n gelingen, als Akteure w a h r g e n o m m e n zu werden. U n d hier sind Frauen in größeren u n d anderen Schwierigkeiten als ihre männlichen Kollegen, das zeigt sich in unserem Material sehr deutlich.

U n s fiel auf, dass die D o k t o r a n d i n n e n an den außeruniversitären Forschungs- instituten ihre berufliche Situation deutlich positiver beschrieben als die W i s s e n - schaftlerinnen, die in ihrer wissenschaftlichen Laufbahn weiter fortgeschritten waren. D e n n o c h war es f u r die meisten D o k t o r a n d i n n e n klar, dass sie m i t der P r o m o t i o n ihre Tätigkeit in der Wissenschaft b e e n d e n w ü r d e n . W i r haben, u m diese Unterschiede in der Beschreibung der eigenen Situation zu erklären, die entsprechenden Ä u ß e r u n g e n in den Interviews sehr genau analysiert. D a b e i stellte sich heraus, dass die E b e n e der Face-to-Face-Interaktion eine Fülle v o n A k t e n symbolischer Gewalt enthält (vgl. dazu ausfuhrlicher Krais 1993, z u m Konzept der symbolischen Gewalt vgl. Bourdieu 1976, B o u r d i e u / W a c q u a n t 1996).

So m a c h e n j u n g e (und auch ältere) Wissenschaftlerinnen die Erfahrung, dass ihr Wort nicht das gleiche G e w i c h t hat wie das ihrer männlichen Kollegen. Ihre R e d e b e i t r ä g e werden nicht beachtet, beiseite geschoben; Frauen werden häufi- ger unterbrochen, ihre Leistungen werden angezweifelt, nicht a u f g e n o m m e n in den Kreis der »wirklich substanziellen« Arbeiten des Instituts, auf die m a n sich dann bezieht. Werden ihre Beiträge und A r g u m e n t e in der Diskussion auf- g e n o m m e n , geschieht dies u m den Preis des Verlustes der Urheberschaft: Sie werden männlichen R e d n e r n zugeschrieben. Frauen haben »wesentlich weniger impact« in Diskussionen, w i e dies Charlotte P. (Postdoc an e i n e m naturwissen- schaftlichen Forschungsinstitut) ausdrückte. D i e Botschaft, die in diesen I n t e r a k - t i o n e n vermittelt wird, heißt: Sie gehören nicht hierher, d e n n Sie haben nicht das Z e u g dazu.

Es gibt n o c h eine zweite Botschaft, die in die gleiche R i c h t u n g geht. Diese lautet: W e n n Sie wirklich eine Frau sein, d. h. auch Kinder h a b e n wollen, dann ist Ihr O r t i m H e i m u n d a m H e r d . Damit w e r d e n Frauen i m m e r wieder auf eine R o l l e verwiesen, die sie m i t i h r e m Engagement in der Forschung, und sei es

>nur< der erste Schritt in F o r m der Promotion, f ü r sich bereits — und f ü r alle sichtbar — abgelehnt haben. Diese Botschaft wird gerne i m aufgeregten Small Talk über Karrieremöglichkeiten, die neuesten B e r u f u n g e n u n d demnächst n e u zu besetzende Positionen vermittelt, wie er unter Kollegen üblich ist. D o c h nicht nur K o n k u r r e n t e n u m knappe Positionen definieren i m m e r wieder — m e h r oder weniger offen — Weiblichkeit oder Wissenschaft als ausweglose Alternative für Wissenschaftlerinnen, auch Vorgesetzte stimmen in diesen C h o r ein. Beispiel- haft soll hier der Fall einer Postdoktorandin angeführt w e r d e n , über d e n eine D o k t o r a n d i n im Interview berichtete:

»Also z.B. die Frau F., die ja jetzt ein Kind bekommt, sie hatte diese sehr gute Veröffentli- chung kürzlich und daraufhin wurde wohl mein Chef angeschrieben, ob er nicht Lust hätte, auch irgendwie noch einen Review-Artikel zu schreiben. U n d nun wäre es ja irgendwie das

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Fairste gewesen, er hätte jetzt sie mal gefragt, aus dem einen Grund, dass er den ersten Über- sichts-Artikel (...) schon mit dem anderen Postdoc geschrieben hat, und aus dem zweiten Grund, weil er ja diese Einladung fur diesen Artikel eigentlich erst aufgrund der Veröffentli- chung von Frau F. gekriegt hat, nicht? (...) Auf jeden Fall, als sie dann selber ihren Chef auch darauf hingewiesen hat, dann könnten wir das mal zusammen schreiben, das hat sie ihm, glaube ich, sogar ein bisschen empfohlen, also auf eine nette höfliche Art, denke ich mal, und da meinte er dann so: Nein, nein, Sie haben dann ja andere Dinge im Kopf - nämlich das Kind.«

Diese Schilderung macht noch etwas anderes deutlich, was oft übersehen wird.

Interaktionen spielen sich nicht nur zwischen den unmittelbar Beteiligten ab, haben also nicht nur eine Wirkung auf die jeweiligen Interaktionspartner, sie haben auch den Charakter einer Aufführung. Es gibt immer auch Beobachter des Geschehens, Zuschauer und Zuschauerinnen, die vermittelt über die Auf- fuhrung sozialen Handelns lernen, welche Regeln in einem bestimmten sozia- len Kontext gelten, und auch, wer welche Regeln beachten muss und wer sie verletzen darf. So haben Vorfalle wie der oben berichtete Folgen, die weit über die unmittelbar Beteiligten hinausgehen. Die Doktorandinnen beispielsweise bekommen damit vorgeführt, wie es einer Wissenschaftlerin ergeht, die ein Kind bekommt: Sie wird als Wissenschaftlerin negiert, die Anerkennung als

»Mitspielerin« im wissenschaftlichen Feld wird ihr verweigert. Dieser Aspekt der Aufführung sozialen Handelns in der unmittelbaren Interaktion vermag dann auch zu erklären, weshalb die Doktorandinnen, die begeistert über ihre wissenschaftliche Arbeit berichteten und sich nichts Schöneres vorstellen konn- ten als diese Arbeit, für sich dennoch keine Zukunft in der Wissenschaft sahen und diese nach Abschluss der Dissertation verlassen wollten.

Die subtilen und weniger subtilen Akte der Missachtung, mit denen Wissen- schaftlerinnen im Arbeitsalltag konfrontiert sind, sind ebenso wie der in der Face-to-Face-Interaktion immer wieder zu erfahrende Rekurs auf das Ge- schlecht der Wissenschaftlerin und nicht auf ihre Leistung als Akte symbolischer Gewalt anzusehen. Ihr Sinn ist, den Frauen klar zu machen, dass sie Frauen sind und als solche keinen Platz in der Wissenschaft, genauer: in leitenden Positionen der Wissenschaft, haben. In den Interviews mit den männlichen Kollegen der befragten Wissenschaftlerinnen ist an keiner Stelle von entsprechenden Erfah- rungen die Rede. Auch die ständige Rede von der Unvereinbarkeit von Wissen- schaft und Familie, mit der gerade junge Wissenschaftlerinnen in Deutschland

— und dort insbesondere in den alten Bundesländern — von allen Seiten traktiert werden, fügt sich in diesen Strom unterschwellig wirksamer Akte symbolischer Gewalt. Faktisch werden damit Prozesse der Entmutigung, des >Cooling out< in Gang gesetzt, jene Prozesse, die schließlich zu dem führen, was als Selbst-Elimi- nierung der Frauen aus der Forschung wahrgenommen wird.

Mit der Zuschreibung von wissenschaftlichen Leistungen geht also auch die

Konstruktion von Geschlecht einher. Wenn die Urteilenden auch darauf beste-

hen, unabhängig vom Geschlecht nur auf Leistungen zu schauen, muss ihnen

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entgegengehalten werden, wie Leistungen wahrgenommen werden und wie sie verquickt sind mit den Akteuren, die sie erbringen.

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Da Leistungsurteile nicht unabhängig von Personen existieren (Beurteilte und Beurteilende) und Perso- nen wiederum nicht unabhängig von ihrem Geschlecht wahrgenommen werden können, geht in die Evaluation wissenschaftlicher Arbeit immer auch der Ge- schlechteraspekt ein. N u n kommt es darauf an, welchen »Wert« dieser Aspekt hat und ob er in der Wahrnehmung der Akteure immer als Herabstufungsmodus funktioniert.Wir konnten feststellen, dass dies nicht pauschal zu beantworten ist, sondern mit der Eigenart der Akteure zusammenhängt, mit ihrem »spezifischen Habitus«. Hierzu müssen wir noch eine Ebene tiefer gehen und fragen, wie die Gewissheit entsteht, mit der bestimmten Personen erwartbare Leistungen zuge- schrieben werden.

Die spezifische illusio wissenschaftlicher Mentoren

Gerade in Deutschland kommt den Professoren — wir nennen sie hier im Hin- blick auf ihre Beziehung zum wissenschaftlichen Nachwuchs Mentoren — eine entscheidende Rolle bei der Integration des Nachwuchses in das wissenschaftli- che Feld und damit fur deren Karriere zu. Das hat etwas damit zu tun, dass der Weg zur Professur, d. h. zu einer selbstständigen Position in der Wissenschaft, mit den beiden Hürden der Promotion und dann der Habilitation sehr lang ist. Und dieser Weg ist nicht nur lang, er impliziert auch eine lange Phase der Abhängig- keit von einem Mentor.

8

Will man nicht auf der vordergründigen Ebene von >Beziehungen< und >Seil- schaften< bleiben, ist zu fragen, wie es dazu kommt, dass ein Hochschullehrer oder eine Hochschullehrerin jemanden als »zu beachtlichen wissenschaftlichen Leistungen fähig« anerkennt und daher auch in seiner bzw. ihrer wissenschaftli- chen Karriere unterstützt. Auch hier haben wir wieder einen Umweg genom- men und sind zunächst der allgemeinen Frage nach den Bedingungen der Aner- kennung bestimmter Individuen durch den Mentor nachgegangen, bevor wir uns der zweiten Frage zuwandten, die lautet: Wie kommt es, dass einige Hoch-

7 A u f einer anderen E b e n e zeigt dies auch die U n t e r s u c h u n g der Schwedinnen Christine W e n - nerâs u n d Agnes W o l d (2000) über das Gutachterwesen des schwedischen Medical Research Council, einer Institution zur Forschungsfbrderung in der Biomedizin. D i e beiden A u t o r i n n e n f a n d e n heraus, dass M ä n n e r u n d Personen, die d e m Gutachterkreis b e k a n n t waren, in deren Be- w e r t u n g besser abschnitten als Frauen u n d solche Personen, die in k e i n e m Verhältnis z u m G u t - achter standen. Weiterhin stellen die A u t o r i n n e n fest, ihre Ergebnisse legten unmissverständlich nahe, »dass Gutachter wissenschaftliche Leistung nicht unabhängig v o m Geschlecht beurteilen können.« (108)

8 D u r c h die neue Möglichkeit der Juniorprofessuren wird die Abhängigkeit in gewissem M a ß e geringer. D a sie j e d o c h n o c h i m m e r einen ungesicherten Stellenwert haben, k a n n zur Zeit n o c h nicht von einer »Uberwindung« des Habilitationsmodells gesprochen werden. Z u K a r r i e - repolitiken im deutschen Universitätssystem vergleiche auch R e i c h e r t z (2003).

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Doing science - doing gender 93

schullehrer Frauen zu ihrem wissenschaftlichen Nachwuchs zählen und andere nicht?

Wir haben uns die Beziehung zwischen den interviewten Hochschullehrern und ihrem wissenschaftlichen Nachwuchs genau angesehen und dabei festge- stellt, dass es sehr unterschiedliche Muster dieser Beziehung gibt. Es zeigt sich jedoch, dass die Basis des wechselseitigen Vertrauens und der Anerkennung eine gewisse Gleichgestimmtheit im Selbstverständnis als Wissenschaftler ist. Diese Konvergenz ist weder an den Qualitätsstandards der scientific community noch an allgemeinen oder fachspezifischen Vorstellungen davon festzumachen, welche Eigenschaften einen guten Wissenschaftler ausmachen. Gerade darin jedoch liegt die Grundlage dafür, dass Professoren - dies gilt für Professorinnen in gleicher Weise — Leistungen als solche überhaupt bei bestimmten Personen wahrnehmen können und Leistungsfähigkeit als solche interpretieren. Nicht die schematische Befolgung der häufig genannten Regeln für eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere bahnt den Akteuren ihren Weg ins wissenschaftliche Feld. Vielmehr werden »die Besten«, die leistungsfähigsten Wissenschaftler immer von denen ge- sehen, die in ihnen solche Qualitäten erkennen können. Auch bei noch so viel Fleiß oder Einsatz würde daher ein Mitarbeiter möglicherweise gar nicht als »der Beste« erkannt, weil sein Chef an ihm nicht die Habitus-Matrix erkennt, die ihn darauf hinweist. Als >Störvariablen< werden dagegen solche Eigenschaften wahr- genommen, die sich unterscheiden und daher nicht selbstverständlich sind. Wird die Gleichgestimmtheit im Selbstverständnis von Wissenschaft durch bemerk- bare und damit nicht mehr neutral erlebte andere Eigenschaften der Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen gestört, so richtet sich der Blick der Akteure nicht mehr auf >die Sache<, sondern auf die Störung. Das Merkmal >weiblich> fungiert offen- sichtlich im wissenschaftlichen Feld überwiegend als eine solche >Störvariable<

bei der Wahrnehmung von Leistungsfähigkeit. Unsere Frage wird somit präziser:

Wie kommt es, dass sich in einigen Fällen offenbar Gleichgestimmtheit auch zwischen männlichen Professoren und Wissenschaftlerinnen herstellt, in anderen jedoch nicht?

In beiden Untersuchungen, über die hier berichtet wird, gab es unter den be-

fragten Hochschullehrern bzw. Institutsdirektoren sowohl Personen, die noch

nie eine Frau bis zur Habilitation gebracht hatten, als auch solche, bei denen sich

immer wieder einmal junge Wissenschaftlerinnen bis zur Habilitation qualifizie-

ren konnten. Wir haben daher in unserer Mentoren-Stichprobe, in abgekürzter

und etwas salopper Formulierung, »Professoren mit Frauen« und »Professoren

ohne Frauen« unterschieden und uns die entsprechenden Konstellationen näher

angesehen. Man könnte vermuten, dass Wissenschaftlerinnen eher von Hoch-

schullehrern gefordert werden, die selbst in ihrer Disziplin Außenseiter-Positio-

nen innehaben, bestimmte Nischen oder Strömungen abseits des Mainstreams

besetzen. Dies ist jedoch nicht der Fall: Sowohl unter den »Professoren ohne

Frauen« als auch bei den »Professoren mit Frauen« waren in ihrer Fachgemein-

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schaft hoch angesehene, renommierte Hochschullehrer und solche, die eher et- was abseits v o m Mainstream agieren.

W i r verglichen Mentoren/Mentee-Konstellationen, u m an ihnen die spezifi- sche illusio der jeweiligen Akteure herauszuarbeiten.9 In dieser Hinsicht nämlich sind die Akteure im Feld nicht gleich, sondern unterscheiden sich — über ihre fachkulturellen Voraussetzungen hinaus - erheblich. Diese Differenzen sind nicht trivial, sondern bedingen den Zugang von Wissenschaftlerinnen zu höheren Po- sitionen der akademischen Laufbahn.

An einem Beispiel soll dies verdeutlicht werden, indem wir jeweils einen Pro- fessor und einen Assistenten sowie einen Professor und eine Assistentin aus zwei Disziplinen nebeneinanderstellen. Es sei bereits vorab gesagt, dass sich diese bei- den »Konstellationen« sehr stark unterscheiden, also kontrastive Beispiele ge- wählt werden.

D i e erste Konstellation besteht aus dem Biochemieprofessor Franz N e u e n - haus und seinem Assistenten Michael Keller. Franz Neuenhaus beschreibt sich selbst als jemanden, der schon zu Studienzeiten »unbedingt Biochemie machen«

wollte. Er orientierte sich dabei an den berühmten M ä n n e r n dieses Faches und wechselte bereits nach dem Vordiplom in C h e m i e den Studienort, u m in die Ar- beitsgruppe eines damals »führenden Biochemiker(s)« zu gelangen. Dieser erhielt kurze Zeit darauf den Nobelpreis. D e r junge Forscher genießt die damit verbun- dene »internationale Atmosphäre« am Institut und fühlt sich durch sie angeregt und herausgefordert. Eine Herausforderung stellt auch die Arbeit dar, die er zu tun hat. Er behauptet, »natürlich Tag und Nacht gearbeitet« zu haben. Seine Doktorarbeit machte er nach eigenen Worten »völlig selbständig«. Er profitierte j e d o c h von den sozialen Netzwerken des Chefs. H e r r Neuenhaus selbst lässt sich recht gut durch seinen Ausspruch: »Also ich kenne wirklich fast alle« charakteri- sieren.

Sein Assistent, Michael Keller, tut es ihm nach. Kontakte zu pflegen, mit ande- ren zu kooperieren, Netzwerke aufzubauen, hält er für extrem wichtig. Wer diese Dimension wissenschaftlicher Arbeit vernachlässigt, der hat nach seiner Meinung etwas Wesentliches nicht verstanden. Wer auf Konferenzen gehe — u n d dies solle man möglichst regelmäßig tun — für den sei es wichtig, dass er »ein paar Leute da (...) kennt und nicht so als Mauerblümchen da irgendwo immer sitzt und weg ist, sondern (...) Teil eines Ganzen ist.« Herr Keller hat seine Laufbahn aus N e i - gung eingeschlagen und meint, sein Beruf sei auch sein Hobby. Sein Ziel war

9 H i e r ist eine m e t h o d i s c h e A n m e r k u n g angebracht: W i r haben die Professoren/Professorinnen u n d ihre Assistenten/Assistentinnen nicht in »Typen« eingeteilt. Die Einteilung in die Ver- gleichskonstellationen »Professoren mit Frauen« u n d »Professoren o h n e Frauen« diente d e m Z w e c k , herauszufinden, o b sich Unterschiede i m Selbstverständnis der Hochschullehrer u n d Nachwuchswissenschaftler ausmachen lassen, die zur Erklärung herangezogen w e r d e n k ö n n e n , w i e es dazu k o m m t , dass bestimmte A k t e u r e Frauen fördern, andere j e d o c h nicht.Typenbildung hat den erheblichen Nachteil, die Besonderheiten der Akteure, die wir gerade herausarbeiten wollen, zu nivellieren (vgl. zur Typenbildung: Kelle/Kluge 1999).

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Doing science - doing gender 95

nach eigener Darstellung schon früh die Universitätskarriere, seine Begründung:

»weil ich auch die Freiheit ein bisschen schätze (...), bloß, diese Freiheit führt meistens dazu, dass ich früher komme und später gehe.«

Von Michael Kellers Qualitäten zeigt sich Professor Neuenhaus begeistert, und was er über ihn zu sagen hat, deutet daraufhin, dass es sich bei seiner Bezie- hung zu ihm um ein fachlich gleichberechtigtes Vertrauensverhältnis handelt.

Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin auf Nachwuchsebene findet sich nicht am Lehrstuhl des Professor Neuenhaus. In seiner gesamten Laufbahn als Hoch- schullehrer memoriert er vier Doktorandinnen. Keine dieser vier hat sich jedoch eine eigene Arbeitsgruppe am Institut aufbauen können, um sich zu habilitieren.

Eberhard Friedrich, Professor für Neuere Geschichte, betrachtet seinen Wer- degang als »Kette von Zufällen«. Er hätte sich nach eigenen Worten auch einen anderen Beruf »gut vorstellen« können und betrachtet sich nicht als einen »in der Wolle gefärbte(n) Historiker«. Sein Entschluss, Geschichte zu studieren, er- folgte relativ spät im Studium, das er begann, nachdem er zunächst eine Berufs- ausbildung abgeschlossen hatte. Herr Friedrich legt Wert darauf, sich selbst als Hochschullehrer und nicht als Professor zu bezeichnen. Die Professoren seiner eigenen Studienzeit fand er indessen nie »übermäßig eindrucksvoll«, er wurde nach eigenen Worten »in kritischer Distanz« zu ihnen geprägt, was er mit seiner eigenen sozialen Herkunft begründet.

Marie Georg ist ähnlich wie ihr Chef eher unbeeindruckt vom akademischen Milieu. Sie empfindet dieses häufig als »treibhausmäßig«. Die Assistentin argu- mentiert pragmatisch, wenn sie erzählt, wie es dazu kam, dass sie nach der Pro- motion weiter an der Universität geblieben ist: »(I)ch wollte wissenschaftlich arbeiten und ich unterrichte gern, ich will aber auch eine bezahlte Stelle und unabhängig sein. Und hätte ich diese Förderung nicht gekriegt, also ich hätte mich nicht krumm gelegt für die Wissenschaft.«

Marie Georg ist darauf bedacht, einen Ausgleich zur Arbeit zu haben und glaubt von sich selbst, »faul« zu sein. Der ideale Historiker wäre in ihren Augen ein Mensch, der sich nicht nur für Geschichte interessiert. Die Protektion, die sie durch ihren erfolgreichen Chef genießt, sieht sie zweischneidig. Die Macht, die er auch über ihren eigenen Werdegang hat, versteht sie als »strukturelles Abhän- gigkeitsverhältnis«, das sie mit einer Vater-Tochter-Beziehung vergleicht.

Am Lehrstuhl von Professor Friedrich fanden sich zur Zeit meiner Feldfor- schung erstaunlich viele promovierte Frauen. Frau Georg war bereits habilitiert, zwei Kolleginnen waren auf dem Weg dorthin und eine Privatdozentin vertrat während einer zweisemestrigen Abwesenheit Friedrichs auf seine Empfehlung hin die Professur. Ihnen allen gemeinsam ist eine offen kritische Haltung ge- genüber universitären Gepflogenheiten und dem wissenschaftlichen Feld.

Vergleicht man Herrn Neuenhaus und Herrn Kellers Selbstdarstellungen mit

denen von Herrn Friedrich und Frau Georg, so springen diverse Kontraste ins

Auge, die sich nicht allein auf fachkulturelle Unterschiede zurückführen lassen:

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Die Biochemiker stellen sich als »früh Berufene«, als intrinsisch motivierte Wissenschaftler dar. Die Historiker hingegen definieren sich nicht ausschließlich über ihre Wissenschaft und betrachten ihre Berufswahl nicht als von ihrer inne- ren Neigung gesteuert, sondern von diversen anderen, äußeren Faktoren be- stimmt. Neuenhaus und Keller orientieren sich stark an großen Wissenschaftler- persönlichkeiten und verstehen sich als Teil eines Ganzen, als Punkte in dem Netzwerk ihrer scientific community. Die beiden anderen hingegen distanzieren sich vom akademischen Milieu und orientieren sich stark an der Sache.

Die Affinitäten, die hier auf der Ebene des Habitus deutlich werden, sind nicht auf das Geschlecht der Protagonisten zurückzufuhren. Dennoch lässt sich im Selbstverständnis von Neuenhaus und Keller eine Orientierung an einem fach- spezifisch geprägten traditionellen Wissenschaftlerbild, das wiederum von Inter- pretationsnormen traditioneller Männerbünde bestimmt wird, durchaus nachwei- sen (vgl. z.B. Peters 2004). Anerkennungs- und Zuschreibungsprozesse verlaufen hier in einer Welt, in der sich Männer auf Männer beziehen — und dies nicht ein- mal, weil es Männer sind, sondern weil die Akteure sich auf einer Ebene »verste- hen«, auf der bestimmte soziale Schemata wachgerufen werden. Die Anerken- nungs- und Zuschreibungsprozesse am Lehrstuhl von Professor Friedrich folgen ganz anderen Bewertungsschemata. Sie entspringen offensichtlich einer illusio, die mit dem Glauben des Feldes nicht unauflösbar verschmolzen ist — was nicht nur auf fachspezifische Unterschiede rückfuhrbar ist. Vielmehr zeigt sich eine andere Haltung zur wissenschaftlichen Praxis und den damit einhergehenden Selbstver- ständlichkeiten.

An allen Lehrstühlen und wissenschaftlichen Abteilungen, an denen sich min- destens eine Frau in weiterführender Position befand, ließ sich eine größere Of- fenheit gegenüber außeruniversitären Kreisen und Aktivitäten, eine gewisse Dis- tanz gegenüber dem traditionellen akademischen Milieu sowie die Betonung hoher Leistungsansprüche bei gleichzeitig geringer normativer Orientierung an Laufbahnmustern oder hierarchischen Konventionen ausmachen. Das heißt auch, dass die Orientierung an einem traditionellen Wissenschaftlerbild an die- sen Lehrstühlen nicht vorherrschte. Auf die eine oder andere Art distanzierten sich stattdessen die Professoren selbst von diesem Bild, oder waren aufgrund ih- rer eigenen Randposition im Wissenschaftsspiel offenbar eher in der Situation, Distanz zu wahren. Weiterhin kann man bei den Konstellationen, in denen Wis- senschaftlerinnen weiter als bis zu Doktorarbeit kamen, eine geringere Verein- nahmung der Assistentinnen und Assistenten durch die Mentoren konstatieren.

Das betrifft sowohl die Wahl von Forschungsthemen als auch das Ausmaß, in dem administrative Dienstleistungen von den Nachwuchswissenschaftlern er- wartet wurden. Mit der geringeren Inanspruchnahme der Jüngeren ging häufig eine aktive Förderungspraxis der Etablierten einher.

Es muss auch festgehalten werden, dass wir keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Geschlecht der Mentoren und der Förderung weiblichen wissen-

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Doing science - doing gender 91

schaftlichen Nachwuchses feststellen k o n n t e n . Z w a r waren Professorinnen h ä u - fig aus politischen G r ü n d e n davon überzeugt, dass Frauenförderung auch zu ihren eigenen Aufgaben g e h ö r t (dieser M e i n u n g war explizit keiner der befrag- ten Professoren), in der tatsächlichen F ö r d e r u n g v o n Wissenschaftler innen schlug sich diese Ansicht j e d o c h nicht n o t w e n d i g nieder. D e r G r u n d hierfür kann zu e i n e m g r o ß e n Teil durchaus darin gesehen werden, dass die Professorinnen, die wenig zur aktiven Förderung v o n j u n g e n Frauen beitrugen, häufig eine starke Verschmelzung mit der h e r r s c h e n d e n illusio des Feldes aufwiesen. Wissenschaft als Lebensform spielte hierbei eine ebenso große R o l l e wie strategisches Agieren in der scientific community.

Die zähe Reproduktion von Machtverhältnissen

N i c h t das Geschlecht ist als Faktor zu sehen, der allein zählt, w e n n es u m den Aus- schluss v o n Frauen aus der Wissenschaft geht. Dass Eberhard Friedrich N a c h - wuchswissenschaftlerinnen fördert, wird nicht durch sein oder ihr Geschlecht bestimmt. Entscheidend sind vielmehr andere soziale Voraussetzungen, die er m i t den Geförderten teilt. Ebenso verhält es sich u m g e k e h r t mit den Professoren, die keine Frauen bis zur Habilitation betreut haben. Schon allein deshalb ist die Frage, w a r u m Frauen aus der Wissenschaft v e r m e h r t herausfallen, nicht befriedi- g e n d zu lösen, w e n n bei der Analyse das Geschlecht als Kategorie in den Vorder- g r u n d gerückt wird.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass es sich bei d e m Ausschluss v o n Frauen aus der Wissenschaft u m einen höchst komplexen, vielschichtigen Vorgang handelt, der in d e m Prozess, in dem Wissenschaftlerinnen u n d Wissenschaftler zu Akteuren des Feldes werden, seine W i r k u n g entfaltet. H i e r k o m m e n durchaus Machtver- hältnisse z u m Tragen, die in das Verhältnis der Geschlechter eingelagert sind. Das wissenschaftliche Feld ist »männlich dominiert«, weil das Feld v o n Akteuren d o - miniert wird, die mit e i n e m Habitus ausgestattet sind, d e m ein männlicher W i s - senschaftler a m nächsten k o m m t . Dieser garantiert das Fortbestehen dessen, w o r u m es im Spiel der Wissenschaft geht. Das m a g sich tautologisch anhören, d o c h liegt es in der N a t u r v o n f u n k t i o n i e r e n d e n Reproduktionszyklen, dass sie sich selbst i m m e r aufs N e u e dazu verhelfen, das zu bleiben, was sie schon immer waren.

I m wissenschaftlichen Feld werden Wissenschaftler als »autonome Subjekte«

hervorgebracht u n d bringen sich selbst als solche hervor. Diese Idee der U n a b - hängigkeit von sozialen B e d i n g u n g e n u n d E i n b i n d u n g e n , des selbstständigen A r - beitens u n d d e r Originalität, kollidiert z u m Teil mit Eigenschaften, die Frauen zugeschrieben werden. D i e K o n s t r u k t i o n des a u t o n o m e n Wissenschaftlers ist j e - d o c h ein Mythos, der auf die Wissenschaftler im Feld sogar n o c h weniger zutrifft als aufWissenschaftlerinnen, die häufig tatsächlich o h n e M e n t o r u n d o h n e N e t z -

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w e r k e dastehen.1 0 D a h e r sind gerade männliche Akteure, die sich selbst U n a b - hängigkeit zuschreiben, alles andere als a u t o n o m . V i e l m e h r ist ihre v o l l k o m m e n e E i n b e t t u n g ins Kollektiv derart gelungen, dass sie paradoxerweise als von diesem Kollektiv unabhängige Akteure erscheinen.

Erst w e n n m a n wissenschaftliche Akteure nicht m e h r als neutrale u n d gleiche Forscher versteht, die sich auf Positionen vorarbeiten, die sie verdient haben, weil sie gute wissenschaftliche Leistungen erbringen u n d hart arbeiten k ö n n e n , w e r d e n Machtverhältnisse u n d soziale Ungleichheiten in der Wissenschaft sicht- bar. D a m i t wird j e d o c h ein Tabu berührt, das mit d e m Objektivitätsideal u n d der Idee der universalen Wissenschaftsgemeinschaft festgeschrieben ist. D e n n auch w e n n nur wenige Interviewpartner der M e i n u n g waren, allein die Leistung f ü h r e zum Erfolg u n d damit zur Professur, waren sich doch die meisten einig, dass i m G r u n d e alle, die guten Willens sind, auch die gleichen C h a n c e n haben.

Das fachspezifische I n s t r u m e n t a r i u m angemessen zu verkörpern, gilt als letztlich wichtigstes K r i t e r i u m dafür, o b j e m a n d ein guter Wissenschaftler oder eine gute Wissenschaftlerin ist. Schon mitgebrachte Dispositionen sowie die im Feld e r - w o r b e n e spezifische illusio sind jedoch, wie w i r gezeigt haben, entscheidend dafür, ob diese Eigenschaften überhaupt als solche erkannt werden.

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10 Christine W i m b a u e r (1999) arbeitet i n ihrer U n t e r s u c h u n g diese Konstruktion als »latent m ä n n l i c h e Selbständigkeitsnorm« heraus (S. 113 ff), die v o n ihr i n t e r v i e w t e Wissenschaftlerin- n e n als s c h w i e r i g einzuhalten e m p f i n d e n . W e n n man sich vor A u g e n fuhrt, dass gerade sie es sind, die diese » N o r m « unfreiwilligerweise einhalten, w u n d e r t man sich nicht über ihre S c h w i e r i g k e i t e n damit.

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Doing science - doing gender 99

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