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Ueber Schem hammephorasch als Nachbildung eines
aramäischen Ausdrucks und über sprachliche Nach¬
bildungen überhaupt.
Von M. Griinbaum.
I.
Das Zeitwort ÜID hat bekanntlich im nachbibliscben Sprach¬
gebrauch — ähnlich wie die anderen Wörter, denen der Begriff des
Scheidens und Trennens zu Grunde liegt: ^j— jOjl^, ^p*^*,
"inc, niöD, wozu man auch das -im© Jud. 7, 15 zählen kann —
vorherrschend die Bedeutung Ex-plicare, Auseinander legen. Aus¬
legen, Erklären. Namenthch ist es das von der Pielform gebildete
Hauptwort, das in der talmudischen wie besonders in der naeb¬
talmudiscben Literatur Einem auf Schritt und Tritt begegnet; die
vielen Bücher, deren jedes den Titel lüi-i^D führt, sowie die vielen
Autoren, welche D'^iölBn genannt werden, bringen diese Bedeutung
des Wortes besonders oft in die Erinnerung.
Man könnte also auch das vielbesprochene uj-nsnr: Dia mit
„der erklärte Name" übersetzen >), denn Thatsache ist es , dass der
so benannte Name ganz besonders viele Erklärungen gefunden ; nur
wäre alsdann mehr die participielle Bedeutung fest zu halten : „der
Name, welcher erklärt wurde', was nicht ganz dasselbe besagt, was
„der erklärte Name" ausdrückt. Es sind eben die schwierigsten
Wörter, die am Meisten erklärt, und die dunkelsten Stellen und
Schriften, die am Meisten beleuchtet werden, womit aber natürlich
noch nicht gesagt ist, dass wirklich überall Licht und Klarheit das
frühere Dunkel verdrängt habe ; die vielen Lichter haben vielmehr
oft etwas Irrlichterlirendes und die von allen Seiten hereinfallende
Beleuchtung blendet oft mehr als sie erhellt , und ähnlich wie im
talmudischen Sprachgebrauche der Lichtreiche — "nM3 ■'50 — gerade
derjenige ist, der sich nach dem Lichte sehnt, der arm an Licht
ist '■'), und ebenso wie die nach Licht und Glanz benannten Schriften
Sohar und Bahir zu den dunkelsten Büchern gehören, die je ge¬
schrieben wurden — ebenso sind alle die Bücher, Stellen und
544 Grünbaum, üeber Schem hammephorasch etc.
Wörter, die am Meisten erklärt worden sind, noch keineswegs zur
allgemeinen Befriedigung aufgehellt, was namentUch daraus hervor¬
geht, dass stets neue Beleuchtungsversuche angestellt werden.
Kal TOV iuov ninlov ovSsig nw &vr]T6g antxäkvxptv —
so lauten die Worte, die auf der Inschrift des Tempels von Sais
auf das 'Ov xal iaofisvov folgten. Dasselbe lässt sich von vielen
andren Dingen sagen, aber auch — vom iBncnii cio. Auch der Gottes¬
name gehört zu den verborgenen und verhüllten Dingen, die sich
gegen jede EnthüUung sträuben ; auf ihn passt der Spruch .: nias
nan inon D"'rfbN (Prov. 25, 2). Vom Namen Gottes gilt dasselbe',
was bei der Einweihung des Tempels (1. Kön. 8, 12) Salomon von
Jahve selbst sagte: bsnya 13fflb Denn ebenso vne das
D-'MUN Ü"'BplD ""iiVn 1. Kön. 6, 4 — nach der Erklärung des Talmud
(Menachoth ' Ö6 b), des Chaldäers und Syrers (Levy, Chald. WB. s. v.
13, I, 110b, s. V. 15, p. 128a, Gesen. Thes. s. v. nuN p. 77a)
sowie Abülwalid's ((^-c»! iüLySsj äjcwIj — Kitäb al-
Usül ed. Neubauer p. 36, s. v. ars) — besagen soll, dass die
Penster des Tempels von aussen weit , von innen eng waren , weil
das Gotteshaus keines Lichtes bedarf, imd ebenso wie der Hohe¬
priester, wenn er am Versöhnungstage das — durch kein Licht
erhellte — Allerheiligste betrat, das Räucherwerk auf das Altar¬
feuer legte, damit die Rauchwolke das Kapporeth und die Cherubim
verhüUe , woselbst Gottes HerrUchkeit thronte — ebenso war der
heiUge Gottesname, den der Hohepriester an diesem Tage aussprach, von einem geheimnissvollen Dunkel umgeben ; wie das D"'TBlpfl ttsnp ein "ASvrov war, so soUte der heilige Name Gottes ein "Aggrj- tov sein.
Diese Benennung Gottes, Jehovah oder Jahve geschrieben, ist
eines derjenigen Wörter, die auch in nichthebräischen Schriften vor¬
kommen; das Wort gehört aber noch insbesondere zu denjenigen,
deren Bedeutsamkeit an den Klang gebunden ist, die bei jeder
neuen Form an Inhalt, bei jeder Umprägung an Gehalt verUeren
würden ; das dämmernde Halbdunkel des fremden Lautes büdet eine
Aureole , die bei einer Uebertragung verschwindet. Ebenso aber
wie dieser Name selbst, sp kommt auch dessen Bezeichnung als
,Schem hammephorasch' in vielen nichthebräischen Schriften vor.
Diese Aehnlichkeit, welche die Benennung mit dem Benannten,
Schem hammephorasch mit Jahve hat, steht aber auch in Zusammen¬
hang mit einer andren Eigenthümliehkeit , die beiden gemeinsam,
die aber allerdings mehr negativer Art ist; das Dunkel nämlich,
das den vierbucbstabigen Namen — oder den Namen, wie er als
Name xar' h^0X'>7V genannt wird — umgibt, umgibt auch die tal¬
mudische Benennung desselben; auch das Wort fflnsafi D© hat
schon mehrfache Erklärangen gefunden — das heisst also : Man
weiss immer noch nicht recht, was dieser Ausdrack eigentUch
bedeutet.
Grünbaum, Ueber Schem hammephorasch etc. 545
Sowie aber durch die verschiednen Beleuchtungen das Be¬
leuchtete zuweilen verdunkelt wird , so kann aber auch aus dem
Dunkel das Licht hervorgehen. Aus dem dunklen Gewölke, das
den Gottesnamen umhüllt, bricht ein Lichtstrahl hervor, der dessen
Benennung mit Schem hammephorasch beleuchtet; das Dunkel des
einen Namens wirft ein Licht auf die Bedeutung des andren.
Es hegt nämhch in der Natur der Sache, dass die Haupteigen-
thümUchkeit des Tetragrammaton in dessen Bezeichnung mit n©
Ta"nD73in ausgedrückt ist, und dass also Letzteres nichts Andres
bedeute als : der geheime, verborgene, nicht auszusprechende Name.
Von der Ansicht ausgehend, dass dieses die eigentliche Bedeutung
sein müsse, habe ich in einem früheren Aufsatze (ZDMG. XXXI, 225)
das Wort ©"nD73!n diö , von Geiger abweichend, mit ,den geheimen
Namen Gottes" übersetzt, imd in der Anmerkung (p. 321, N. 43)
die Ansicht ausgesprochen, dass iD~n373 DTO die Uebersetzung oder
Nachbildung von Nffli'iD Ntt© sei. Es war mir nun sehr erfreu¬
lich, in einem späteren Aufsatze des Herrn Dr. Nestle (XXXII, 505 f.)
dieselbe Ansicht ausgesprochen zu finden. In einem noch späteren
Aufsatze (XXXIII, 297 f.) wird von Herru Dr. Pürst wiederum die
Uebersetzung mit ,der ausdrückliche Name" für die richtige erklärt
und nach Anführung der Beweisstellen als Folgerung die Behaup¬
tung ausgesprochen : „Es kann also kein Zweifel obwalten , dass
©-nsuin Dia nichts Andres bedeutet als : „der ausdräcklich (nicht
mit Umschreibung) genannte Gottesname (Jhvh)." Ich beharre aber
trotzdem bei meiner früher ausgesprochenen Ansicht, und erlaube
mir, im Folgenden die in meinem vorigen Aufsatze nur in gedrängter Kürze angeführten Gründe etwas ausführlicher darzulegen.
Zur Motivirung der Uebersetzung von ©nDttri D© mit „der
ausdrückliche Name" , sagt Geiger (Urschrift p. 264 N.) : „iSlD
heisst nur im Kal und Hifil : absondem, hingegen in Piel und Pual :
genau bestimmen, daher ©'nbn im spätern Hebraismus und ©"ICU
im biblischen Chaidaismus: deuthch, ausdrücklich; nur das baby¬
lonische — nicht das palästinensische — Targmn hat ©ID auch
im Pael in der Bedeutung Absondern. Vom Gotteslästerer heisst
es daher (Sanh. 7, 5), er sei nicht straffällig D©n ©-iC© iy , bis
er den Namen deutlich ausspreche, und den ersten Zeugen fordert
das Gericht auf, ©T^isa ny?^©© rm 117;!«, sage, was du gehört
hast, deutlich .... ©"iiBJaü D© heisst daher: der deuthch aus¬
gesprochene Name Gottes im Gegensatze zu jeder für denselben
üblichen Umschreibung. Wenn die Syrer" .... (folgt die von
Nestle 1. c. p. 472 angeführte Stelle).
Mit dem hier Gesagten sind aber die Bedeutungen des Wortes
©ID noch nicht erschöpft. Wenn Geiger das ©id-'© ir mit „deut¬
lich sagen" und ©msan DiB mit „der deutlich ausgesprochene Name"
übersetzt, so geschah das wohl mit Bezug auf das bihhsche ©nD,
dessen Kal uud Pual auch in Ges. thes. (p. 1132 b) mit distinete
dixit wiedergegeben wird , und weil bei diesen Worten Einem uu-
4 I
546 Grünhaum, Ueber Schem hammephorasch etc.
willkürlich die so oft vorkommende Bedeutung „deutlich machen,
erklären" vorschwebt ; allein das ©"ns in den erwähnten beiden Ausdrücken kanu auch einfach „aussprechen" bedeuten, ausgehend
von der Grundbedeutung Trennen , Absondern und mit Bezug auf
das Heraustreten des Wortes aus der Innerlichkeit, im Gegensatze
zum Denken, zum izbn IBN, wie man ja auch in deutscher Sprache
„Aeussem , sich äussern", im Englischen „to utter' sagt , und wie
Ibn Ezra (zu Gen. 2, 5) die von der menschlichen Rede gebrauch¬
ten Ausdrücke n-<-0, ^yto, Jl'J'O, ai:, mit den ebenso benann¬
ten Zweigen, Aesten, Blättem und sonstigen Pflanzengebilden ver¬
gleicht, welche der Baum (oder die Erde) hervortreibt ^) („denn der
Mensch ist wie der Baum des Feldes', fügt Ibn Ezra •— nach Deut.
20, 19 — hinzu; übrigens wird auch in andren Sprachen Vieles
zum Worte , zum gesprochenen wie zum geschriebenen , gehörende
mit einem Ausdruck bezeichnet, welcher der Pflanzenwelt entnommen
ist), ons entspricht so dem hebräischen NUa, pronunciavit , in
Dincio Nuan, OTiciaa saa;, Naa^ (Lev. 5, 4. Num. 30, 7. 9), das
•-t: t:* '-t;* ^ ^
Onkelos und das jems. Targum mit ©ilE, N'^ncb, izinpi, die
Peschitob mit jtvS, jütioS) übersetzt. Dieses saa bezeichnet
eben nur das Aussprechen, pronunciavit. spec, temere, non consi¬
derate, effutivit bei Gesen. thes. s. v. So bezeichnet auch das tal¬
mudische BTE© Iiaa — wie aus Buxtorf und Levy zu erseheu —
das gedankenlose Aussprechen und kommt in diesem Sinne auch
im Sündenbekenntniss des Versöhnungstages vor. NOao ist, wie
Buxtorf bemerkt, das bei den jüdischen Grammatikem übliche Wort
für „Aussprache", entsprechend dem arabischen ^äJ , ejecit , de se
emisit , enunciavit , protulit verba. Hierher gehört auch das von
Buxtorf (col. 1851) und Levy (Chald. WB. II, 803) angeführte
'c'lT'E .. ©i-i:-.. als Uebersetzung^ C von iinciuTT: nois Ps. 21, 3. Ebenso
aber wie das durch dieSprache hörbar Gewordne, wird auch das
durch die Schriit sichtbar Gewordne mit ©-1D72 ausgedrückt ; so
das amn ■'mne Exod. 28, 11. 21, das beide Targumim mit 31E7:
wiedergeben spTJ'" qib;a ©-12731 pipn — -cwc ana , und ebenso
heisst es im jerus. Targum mit Bezug auf die Phylacterieu Exod.
13, 9 a-iE72i pipn y" ndi; "b Tfi, welcher Ausdruck zweimal
vorkommt. Mit air2© verbunden kommt ©-,2 auch im Midrasch
(Bereschith R. sect. 98) vor, wo von Jakob gesagt wird Nin C]N
lyi abiyb imab?: niaa a© -na -i7:ni iin2©a ©T'D.
In einem früheren Aufsatze dieser Zeitschrift (XXIII, 632)
habe ich, anknüpfend au das -iro:~ B©n der Samaritaner (worauf
auch Nestle p. 506 verweist) und unter Anführung einer ent¬
sprechenden Bemerkung Michaelis', die iVnsicht ausgesprochen, dass
wie secretum von secerno , so aus dem Begrift'e des Scheidens und
Absonderns der des Geheimen, Verborgenen uud auch Wunderbaren
hervorgehe, und dass namentlich dem Syrer, Samaritaner und dem
Targuui ,a))gesondert . verborgen , geheim , wunderbar' synonyme
i, 9
Grünhaum, Ueber Schem hammephorasch etc. 547
Begriffe seien. In der That sagt auch Buxtorf (s. v. II. ©lc,
col. 1856): que admiranda , illa separata sunt a communi
usu, et occulta separata sunt a notitia nostra. Ausser den dort
von mir angeführten Stellen können noch andre als Belege für das
Vicariren dieser Ausdrücke dienen. Das Nrc Deut. 17, 8 wird
von Onkelos und dem 1. jerus. Targum mit "Orni, vom 2. jerus.
Targum mit ■OIDD"', in der Peschitob mit joDSfco übersetzt; das
Nbcim Deut. 28, 59 übersetzt Onkelos mit ©nD', das jerus. Targum
mit -DS"', die Peschitob mit .»n'0>i für nNbcj ibid. 30, 11 haben
dieselben Uebersetzer N-DDi: , N©-iS7a und jooo. Auch die von
mir in derselben Stelle angeführten jüdischen Exegeten erkläreu die
verschiednen Formen von «bc mit „verborgen (bedeckt), getrennt,
geschieden' (bTüi73T ©nDi73 "Dir?;), und so bemerkt Raschi zu dem
«bc"' Deut. 17, 8, allen Formen des Stammes NbD hege der Begriff
der Sonderung und Abscheidung zu Grunde und der Ausdruck
"im "jTa'S NbDi 13 solle besagen: wenn die Sache von dir ab¬
gesondert und dir verborgen ist (na-in© r;©i-iDT nbian ^©b
yya noiD73T bia:). Ebenso erklärt Raschi — wie aus Buxtorf
col. 1847 zu ersehen — das -n; Nbcb Lev. 22, 21 mit ©nDnb
i-nana. Ihn Ezra mit ©iDb, entsprechend dem N©-iDb und N©nDNb
der Targumim. Dass auch das talmudische NbD, "»bD die Be¬
deutung „trennen , absondern' habe , zeigen die von Buxtorf (col.
1730) und Levy (Chald. WB. II, 264) angeführten Stelleu; Aruch
(s. V. bD, No. 2) gibt neben der Erklärung mit nbs auch die mit
pna, denen ebenfalls die Bedeutung Spalten, Trennen zu Grunde liegt.
Dass ©nr73 auch die Bedeutung „verborgen, geheim, wunder¬
bar' habe, zeigt sich am Entschiedensten in dem von Buxtorf
(col. 1856) angeführten ©no;:, womit das Targum das ^Nbc Jud.
13, 18 wiedergibt. Mit Bezug auf das ia©b bN©n nt r!7:b
(Keri ibc) ^NbD Nim , das der Engel auf die Frage nach seinem
Namen zur Antwort gibt, sagt Kimchi in seinem Wurzelwörter¬
buch s. V. NbD: „NibE Nim, das soll besagen, mein Name ist zu
wunderbar (geheimnissvoll, absonderlich), als dass ich ihn dir sageu
könnte, und ebenso sagte der Engel zu Jakob: Warum fragst du
nach meinem Namen? Denn die Eugel erschienen in Menschen¬
gestalt und wollten sich nicht als Eugel zu erkenneu gebeu, uud
desshalb sagten sie ihren Nainen nicht (a7a© D'niaT7: i^n Nb - jiDb);
ebenso ist -:bD iu ■':73bN i:bD (2 Kön. 6, 8, Ruth 4, 1) der, dessen
Name verborgen ist, oder deu der Rufende nicht bei seinem Nameu
nennen will'. Im Commentar z. St. führt Kimchi die Uebersetzung
des Chaldäers mit ©nD7D Nim an und erklärt das ^Nbc: ,Der Sinn
ist , der Name ist zu absonderlich und zu abgeschieden (von dem
Gewohnten zu verschieden) , als dass du ihn begreifen könntest
iniN "nJ'n73 bnai73i ©nci;: i:i:yi'. Diese beideu Ausdrücke ent¬
sprechen dem ..LaJ. iij womit Abülwalid im Kitäb al-U.sül s. v.
L) '
nbc (p. 573, Z. 10 fg.) das 'Nbc erklärt, nur wird letzteres nicht
g^g Griinbaum, Ueber Schem hammephorasch etc.
auf den Nainen, sondern auf die Prage bezogen, die eine sonderbare
genannt wird. Aehnlich erklärt Abülwaltd (ibid. Z. 21) das isbB
in dem Ausdrucke ■^ibs mit : ^J.iiA.iJt ^^^j ^_5l>Ji JääJJ!
8_x^^; dieser Erklärung analog ist die in der 8. Ausgabe von
Gesenius Handwörterbuch (p. 688a) gegebne: ,Stw. wahrscheinlich
nbE, absondem, trennen, dah. (vgl. Nbs, Wunder, eig. was jenseit
j j ''
der Kenntniss jemandes liegt) arab. Jj (alte Dialectform), hebr. isbE, ein gewisser, den ich nicht nennen kann'.
Das Wort NbE wird in Gesen. thes. (p. 1102), unter Ver¬
gleichung mit dem aram. •'bs , jy[3 sowie mit nbD , ibt , ibt , als
1) separavit, distinxit, 2) singularem, insignem fecit erklärt; die
Pielform wird mit separavit (cttpogi^eiv) , consecravit übersetzt.
In der That liegt auch dem Worte tSiTp der Begriff der Trennung
und Absondemng zu Grunde, wie von dieser Bedeutung ausgehend
Michaelis (Suppl. p. 2166, No. 2231) von dem lanp Jes. 40, 25
bemerkt: . . . „cui ergo me adsimilabitis, ut vere similis sim -|73N"'
■ainp dicit sanctus' (sine He articuli nominis proprii instar). Erit
hic Sanetus ab Omnibus aliis infinite separatus intervallo. Die¬
selbe Bedeutung hat auch its, und so wird der -iiT5 Num. 6, 4
mit rrrf fflnp bezeichnet; ©inp Dip72 — ' — ist ein ab¬
gesonderter, dem Profangebrauche entrückter Ort. Ebenso wird im
Talmud das Geld oder die Sache, die , vom Uebrigen abgesondert,
einem speciellen Zweck — gewöhnlich einem höheren — gewidmet
ist, 'Jjipn genannt. Der Ausdruck nuJN ianp73, der dem biblischen
niüN ©"IN entspricht, wird im Talmud in diesem Sinne erklärt,
weil sie ein fflnpn ist, die Verlobte ist jedem Andren verboten,
sie ist aus der Allgemeinheit herausgetreten uud hat ein gesondertes .03
Dasein, also wiederum entsprechend dem arabischen iüc.s«-, (»-s»"
(Lane s. v.). An ein Heiligen im gewöhnlichen Sinu des Wortes,
wie Levy (Chald. WB. II, 347, s. v. ©np) den Ausdruck erklärt,
ist dabei gewiss nicht zu denken. Das Correlat zu ©ip?: ©iNn
bildet manpn?: niaxn sowie n^Dp; n^Nn (Kidduschin 2 a). Die
auch von Buxtorf (col. 1978) angeführte erste Mischnah des danach
benannten Tr. iiTUinip lautet: nsiaai "lUiaa qosa n^ip: niONn,
Mulier desponsatur (emitur) tribus rebus, nummo argenti, scripto
et coitu. Dabei ist nun in der That sehr wenig HeiUgkeit. Die
Ehe selbst gilt als etwas Heihges aber die Trauung ist ein profaner
Act, eine Art Civiltrauung, und ich habe gelegentlich der samari¬
tanischen nainD (ZDMG. XXIII, 634) den dessfallsigen Unterschied
zwischen den Ansichten der Karäer und Samaritaner einer- und
denen des Talmud andrerseits des Näheren dargelegt. Wie nun
dem Worte lönp der Begriff" des Absondems zu Grande liegt, so
bezeichnet im Talmud ©np das Absondern, Ausscheiden zu einem
Grünbaum, Veher Schem hammephorasch etc. 549
speziellen Zweck. Diesem Sprachgebrauch gemäss erklärt auch
Raschi das T^taiji Gen. 38, 21 mit mnb n:73iTCT ncmp7:, die zur
Buhlerei gewidmet und bestimmt ist.
Das vom Engelnamen gebrauchte iNbs, das ebenso gut „geheim,
verborgen" wie auch „eigenthümlich, erhaben, wunderbar' bedeuten
kann, gilt auch — und in noch höherem Grade — vom Gottes¬
namen. Das Aequivalent des Wortes, nämhch das ©"1372 des Targum, ist also in der That auch in ■iniE7;r; 3"JJ enthalten.
Der unbekannte Gottesname war übrigens weithin bekannt,
d. h. man wusste, dass er unbekannt sei. So sagt Pompejus bei
Lucan (Phars. II, 592):
Cappadoces mea signa timent et dedita sacris
Incerti Judaea Dei.
Ausführhcher aber spricht Dio Cassius (1. 37, c. 16, ed. Dindorf
T. I, p. 211) von dieser Eigenthümhchkeit: ,. . . . iva Ss Tiva
la^vfjiiog oißovaiv, ovö' äyaXfia ovöiv iv avTOlg nore rotg hga-
(Tolvf^ioig ia-^ov, aggy^rov öi ö)) xal äetörj avtov voftiCovreg slvai
ntoiaaoTaxa ävd-gwnuiv ß-gtiaxavcvai". Es wäre nun gewi.ss
sehr merkwürdig , wenn bei Syrern und Samaritanern nicht nur,
sondern auch bei griechischen und römischen Autoren dieser Gottes¬
name ein unbekannter, nicht auszusprechender genannt wird, uud
wenn bei den Juden selbst aber keine einzige Benennuug vorkommen
sollte , welche diese Eigenthümliehkeit ausdrückt. Dieser Umstand
allein könnte als Beweis dafür dienen, dass die von Geiger gegebne
Erklärung von ffimSTin D\I5 als „der ausdrückliche Name' nicht die
richtige sei.
Die Uebersetzung von ömB73n a-o mit „der ausdrückliche Name'
oder „le nom distinctement prononcö' ist im Grunde eine sehr nahe
liegende, die kaum eines Beweises zu bedürfen scheint. Um so
auffallender ist es aber, dass sich diese Erkläinmg bei den Autoren
früherer Zeit nicht findet. Maimonides sagt allerdings in der
auch in Gesen. thes. p. 576 a angeführten Stelle (Mischneh Thora,
H. Tefilla u-Birkat Kohanim XIV, 10) Nim ian33 Dan riN l'oiNi
baa nv^nn ffl-)iD7:- c-a- Nin riTi Nn i"ni Nn i-fiz n;n:n aajn
ViiaTT: "jiNia ri'bi q'bNn Nin ii^iraa iniN di-d^in n:ii7J3i aip73
-aba •i5ip73a NbN lanaa a^n ns , d. h. nach Gesenius' Ueber¬
setzung (die ich mit einer kleinen Berichtigung wiedergebe) : „Pro-
nunciat (saeerdos in templo) nomen secundum scripturam ejus, atque
hoc est illud quod effertur per Jod , He , Waw , He , nempe iUud
Schem hammephorasch, cujus omnibus locis (Misehnae et Gemarae
seü.) mentio fit ; in provincia autem eft'erunt iUud per cognomen
ejus videlicet IN (Adonai) , neque enim pronunciant nomen illud
secundum scripturam ejus nisi in templo tantum'. Das im vorher¬
gehenden Satze von Gesenius angeführte CttJn PN n;inn nN
iTiiTiNa der Mischna übersetzt Maimonides an einer andern Stelle
(Porta Mosis p. 164) mit: jS> j^ÄJi Nn iNi Nn f'-^ L:>Ui:j aniE7:n DiO. Aus beiden Stelleu des Maimonides sciieint nun hervor-
Bd. X.XXIX. .S7
4 fl *
550 Grünbaum, Ueber Schem hammephorasch etc.
zugehen, dass er üJ'mDnM DO ebenfalls als „deutlich ausgesprochner
Name' auffasse ; das ist aber keineswegs der Fall, es soll hier mw
gesagt werden, der mit Jod, He, Waw, He ausgesprochne Name sei
das Tetragrammaton , das sonst auch — aber aus einem andren
(xrunde — onc^in DO genannt wird. Wenn beide Ausdrücke
congruent wären, so hätte Maimonides nur Einen gebraucht, näm¬
lich o-i-,-:i;ri dto und nicht ri5n:M oon. Letzteres ist, nach der
Analogie von ein von dem nann der Mischnah gebildetes
Passivum, welche Form aber ungebräuchlich ist und kaum irgendwo
sonst vorkommen dürfte. Noch viel deutlicher zeigt sich die Di¬
vergenz der beiden Ausdrücke in einzelnen Stellen des Moreh Ne¬
buchim (T. I, c. 61, Guide des Egares I, p. 267, 270, 272, Text
fol. 77 b, 78 a). Maimonides sagt hier, das Tetragrammaton sei ein
Jo»\j» . welchen Ausdruck Münk mit ,nom improvise' über¬
setzt , d. h. es sei ein Eigenname , der nur Gott allein zukommt,
und darum werde dasselbe onoTin BO genannt, welcher Ausdruck
besagt , dass der damit bezeichnete Name in evidenter Weise die
Existenz Gottes ausdrückt, und dass sich mit demselben keine
weiteren Nebenvorstellungen verbinden: o-nDi: DO esJjJ.
L^5 «iiLÄii! ^ i^-i-A-J '^-S^^ uf^*-*^' '^-^^^ vJjla; mid
femer : „Vielleicht auch .... ist in diesem Namen die Idee der noth¬
wendigen Existenz ausgesprochen; jedenfalls hat
derselbe desshalb eine so hohe Bedeutsamkeit und hütet mau
sich desshalb ihn auszusprechen, weil er die eigentliche Wesen¬
heit Gottes ausdiiickt, so zwar, dass keines der geschaffnen Wesen
an dieser Benennung participirt ( j ^>kjj.i.J:\.J! ^X»-\ ^^L.iXj 'b!
»jIJSiAJ! ii5ULj), wie denn auch unsre Lehrer mit Bezug auf das i'lffi (Num. 6, 27) sagen: ""b nm^Kn i7:o. Mein Name, d. h. der mir
ausschliesslich und allein zukommende Name'.
Hierzu bemerkt Münk (p. 267 N.) , oncirn DO habe ent¬
schieden die Bedeutung „le nom distinctement prononce", wie denn
auch das 2p: Lev. 24, 16 von Onkelos mit 0"1S übersetzt werde.
„Notre auteur" — fügt Münk hinzu — „entend le mot onsi; dans
ce sens que ce nom designe expressement I'essence divine , et
n'est point un homonyme, c'est-ä-dire, qu'il ne s'applique pas
ä la fois ä Dieu et ä d'autres 6tres. Cette interpretation du nom
OTiC: , adoptpe generalement par les theologiens qui ont suivi
Maimonide (cf Albo, Ikkarim, II, 28) n'etait certainemeut pas dans
la pensee des anciens rabbins'.
Die von Maimonides gegebne Erklärung von OTiCin DO ist
nuu allerdings eine viel zu abstracte ; um so auffallender muss es
aber erscheinen , dass er nicht d i e Bedeutung annahm , welche
4 0 *
Grünbaum, Ueber Sehern Immmephorasch etc. 551
SjnE'T an unzähligen Stellen hat, wie denn Maimonides selbst oft
das Wort in diesem Sinne gebraucht. Wahrscheinlich aber ging
Maimonides von der Ansicht aus, dass „der deutlich ausgesprochne
Name* unmöglich Bezeichnung eines Namens sein könne, der in der
Regel nicht ausgesprochen wird, und dass überhaupt ein nur
sporadisch vorkommender Umstand, der mit dem Wesen, mit der
Eigenthümliehkeit und Heiligkeit des Tetragrammaton in durchaus
keinem Zusammenhang steht, der vielmehr eine ganz untergeordnete
und secundäre Bedeutung hat, unmöghch ein stehendes Epitheton
des heiligen Gottesnamens sein könne. Vielmehr musste dem oiistt
der Begriff der Scheidung und Absonderung zu Grunde liegen, so
zwar, dass lanDirn DO dem nmii:n ao entspreche; denn in der
That ist ja doch doch das Private, Alleinstehende und Vereinzelte
auch immer zugleich das Abgesonderte. Das zeigt sich sprachlich
iu den Ausdrücken O-s , TiB, und ebenso wie das französische
SinguUer sowohl den Singular als auch das Absonderliche aus¬
drückt, so gebrauchen auch die jüdischen Grammatiker, analog der
arabischen Terminologie, das Wort t-D3 zur Bezeichnung des Sin¬
gular. So entspricht nabu, von ma separavit, dem talmudischen
ym, dem deutschen Ausser, dem englischen But (Holländisch buiten
bedeutet, im Gegensatz zu binnen, draussen, ausserhalb), dem roma¬
nischen fuori , fors (hors) , die alle das Draussenstehende , das Ab¬
gesonderte ausdrücken, wie ja auch die Conjunctionen „sondem"
und „allein" Synonyma sind.
Die von Münk erwähnte Stelle Albo's wird auch von Buxtorf
(s. V. DO col. 2433 f.) angeführt. Albo, durchaus dem Ideengang
Maimonides sich anschliessend, erklärt oiiDirn DO mit bna:n DOn,
nomen separatum. Auch im Kuzari (IV, 1 ed. Cassel 2 A. p. 300)
wird der Schem hammephorasch, der vierbuchstabige Name als
Eigenname Gottes aufgefasst, als ynij DO, welcher Ausdmck, wie
Cassel bemerkt, dem arab. ^Ji^ nachgebildet ist. (Vielleicht
stand letzterer Ausdruck im Original uud wurde vom üebersetzer
möglichst wortgetreu vnedergegeben). Was oHDian DO eigentlich
bedeute, wird nirgends gesagt, so oft der Ausdrack selbst auch
vorkommt. Das erste Mal, dass 'oMn DO im Kuzari vorkommt, ist
in der SteUe II, 2, p. 85. Hierzu bemerkt Cassel: ,. . . . Nur
Ein Mal im Jahre , nämlich am Versöhnungstage , sprach ihn (den
Namen) der Hohepriester im Allerheiligsten (Levit. 16, 30) nach
seinen wirklichen Lauten aus. Dieses Aussprechen heisst O'IB, und
daher oniBi:n DO , der ausgesprochene Name Gottes (Joma
66, a). Dies ist die einzig richtige Erklärung des Wortes onB':."
Wo immer aber 'b':— DO im Texte selbst vorkommt , übersetzt
Cassel dasselbe mit „der unaussprechliche Name". So z. B. in der¬
selben Stelle (II, 2, p. 85): „Die Namen Gottes sind aUe, mit Aus¬
nahme des Unaussprechhchen, Prädicate"; p. 87: „Die Prädicate ^—
mit Ausnahme des unaussprechhchen Namens — zerfallen in drei
.. -»
JI
562 Grünbaum, lieber Sehern hammephorasch etc.
Classen" p. 89 f. „Die Prädicate hingegen, die mit dem unaussprech¬
lichen Namen zusammenhängen , sind unmittelbare Schöpfungen".
Allerdings würde hier „der ausgesprochene Name" nicht passen,
dasselbe ist aber auch in vielen Talmud- und Midraschstellen der
Fall, in denen la-nci:— QO vorkommt. Die von Cassel angeführte
Talmudstelle ist die, auch von Geiger (Urschrift, p. 263) angeführte
Mischna (Joma VI, 2) in welcher es heisst: Und das Volk und
die Priester , die im Vorhofe standen , wenn sie den onD":ri Da
hörten, hervorgehend aus dem Munde des Hohenpriesters , bückten
sie sich und fielen auf ihr Angesicht nieder und sprachen: Gelobt
sei die Herrlichkeit seines Namens immer und ewig (ni33 DO
-[Vi Dbiyb imDb?:) Geiger übersetzt den betreflFenden Passus —
bns pD iDi: sjtTi sino ot.di:- do D^yino ttjod „Sobald sie
den ausdrücklichen Namen aussprechen hörten", allein die Ueber¬
setzung mit „den nicht auszusprechenden Namen" wäre mindestens
ebenso berechtigt üiese letztere Uebersetzung passt auch zu der
Fassung, welche diese Stelle bei Maimonides hat (Mischneh Thora,
Vom Gottesdienst am Versöhnungstag, II, 7) Wenn sie hörten den
O-nclln DO hervorgehend aus dem Munde des Hohenpriesters in
Heüigkeit imd Reinheit isi: NSii onD7:ri COM ns Di^:!© Dnoa
mri::ai nonpa b;" ""d. In der Liturgie für den Versöhnungs¬
tag kommt dieselbe Stelle vor , im Machsor nach sephardischem
Ritus übereinstimmend mit der bei Maimonides, im Machsor nach
deutschem und römischem Ritus heisst es Nm:m naD:n DOn.
Es entspricht nun der Weihe des Momentes auch onD'':n Don in
ähnhchem Sinne aufzufassen, entsprechend dem „hehren und furcht¬
baren Namen". o~TD';r; CO kommt noch in einer andren hala¬
chischen Stelle vor, und zwar in der von Maimonides (Guide des
egares, I, 272, Text fol. 79a) aus Sifti und Talmud angeführten.
Maimonides wiederholt die früher gegebne Erklärung des Wortes,
indem er sagt: „onsi:" DO heisst also der vierbuchstabige Name, welcher geschrieben aber nicht nach seinen Buchstaben ausgesprochen
)
wd !_ä_j y i^ciÄJl '^yi.Lt.l] mims yms p aoJl. So heisst es
im Sifri mit Bezug auf die Stelle Num. 6, 23: Also (ni:) sollt
ihr die Kinder Israels segnen — also, das will besagen, mit dem
omE7:r! do. Und ferner wird gesagt: ri:iT':3i lanaa oiptta
■i::Da , Im Heiligthum (im Tempel oder in der heiligen Stadt wie
Münk übersetzt, also ähnlich wie ^wJviUJ! «^^j, (j«AäJ!) spricht
man ihn aus so wie er geschrieben wird , in der Provinz hingegen
gebraucht man dafür das Epitheton". onD^ir; DO bedeutet hier
nicht „der deutlich ausgesprochene Name". Es ist an und für
sich nicht denkbar, dass Maimonides eine Stelle anführen sollte, die
seiner eignen Erkläruug oö'enbar widerspräche; aber auch aus der
angeführten Parallelstelle "rrzr o-p":2 geht hervor, dass DO
nicht diese Bedeutung haben kanu, mau würde alsdann einen
Grünbaum, Ueber Schein hammephorasch etc. 553
analogen Ausdruck gebrauchen : „der Name so wie er ausgesprochen
wird" — etwa Tiians oder imiSD oder i-iiaiaD. Ueberhaupt
aber wäre alsdann „der geschriebene Name", ansjn DOM, ähnhch
dem von Maimonides gebrauchten iwi^JOCJl, eine weit passendere
Benennung als \anD''2rt Dtan ; denn geschrieben wird dieser Name
immer, ausgesprochen nie.
Buxtorf (col. 2435) fiihrt ausser dieser Stelle noch eine Parallel¬
stelle (Bamidbar R. sect. 11 zu Num. 6, 23) an, in welcher statt
n:iT); und isnp';: die gleichbedeutenden -jibiaa — minnü nia vor¬
kommen. Die Midraschstelle lautet: "i^ia^^i "i'^lb TiDN onccr; DO;
das kann doch nicht wohl bedeuten: Den deutlich ausgesprochenen
Namen darf man in der Provinz nicht aussprechen? Buxtorf über¬
setzt diesen Passus: Prohibitum est pronunciare nomen Schemham-
phorasch in locis extra urbem (sanctam seil.). Diese üebersetzung ist nun entschieden die richtige, weil sie eben ©"niD^n anJ imerklärt
lässt; wenn man aber dieses 'cirin Dffi übersetzen wül, so muss
man dafür nomen secretum setzen, in der participialen und zugleich adjectivischen Bedeutung des lateinischen Wortes.
Ausser den halachischen Stellen kommt der 'cl^n Q113 auch in
hagadischen Stellen vor , in denen es sich nicht um Aussprechen
oder Nichtaussprechen handelt , in denen vielmehr vom Schem
hammephorasch gesagt werden kann isbs Ni!Ti: es ist ein wimder-
barer, wunderwirkender Name.
Das ist z. B. der Fall in den von Buxtorf (col. 2436. 2438)
angeführten Stellen, in denen das nirs nns Exod. 2, 14 dahin
gedeutet wird , dass Moses den Aegypter mit dem Worte, also
mit dem 'ci:" CO getödtet habe — Omci:" coa Uirrc. Ist das
etwa zu übersetzen : „Er tödtete ihn mit dem deutlich aus¬
gesprochenen Namen« ? Mit dem deutlich ausgesprochenen Namen
kann Niemand — auch Moses nicht — einen Menschen tödten. Der
Sinn ist vielmehr: Er tödtete ihn mit dem geheimen — oder un¬
aussprechlichen oder wunderbaren — Namen, denn OHE" kann alle
diese ohnedies synonymen Ausdrücke involviren *).
Das OHE'': ist ein epitheton ornans, das also ebenso gut weg¬
gelassen werden kann. So heisst es in derselben Midraschstelle in
einem der vorhergehenden Sätze, und ebenso im Midrasch Tan¬
chuma z. St.: nns ir-in-bn t:n:o i5-ir;T aon pn -rbv Ta;-
"iinn : Er sprach den Namen über ihn aus und tödtete ihn , wie
es heisst: Sagst du mich umzubringen? Auch in vielen andren
— hagadischen wie halachischen — Stellen steht einfach COn .
So z. B. in den von Geiger (ürschrift p. 266) erwähnten Talmud¬
steUen: hier heisst es (Joma 39b): Zehn Mal sprach der Hohe¬
priester am Versöhnungstage den Namen aus — "iiari: 011:^2 loy
aiia 13 aon n^? bn; ina, und ferner: Es kam vor, dass der
Hohepriester den Namen aussprach und seine Stimme in Jericho
gehört ward — -iniTa ib" yiroii Con t:s iaai . Auch in der
früher von mir augeführteu Erzählung von Aschmedai und dem
554 Grünbaum, Ueber Schem hammephorasch etc.
Schamir wird der mehrmals vorkommende Schem hammephorasch
immer mit DO bezeichnet: DO nbs p^pm Nnb^oiO — Nnpt»
DO nby pipm (Gittin 68 a , 68 b) Eine Kette — ein Siegelring
in dem der Name eingegraben war. DO ist ebenso gebräuchlich
wie 'oicn DO; wenn letzteres den deutlich ausgesprochenen Namen be¬
zeichnete, so könnte es nicht wohl weggelassen werden.
Das Geheimnissvolle des Schem hammephorasch wird aber —
und wiederum mit Bezug auf Moses — an einer Stelle ganz be¬
sonders hervorgehoben. So heisst es im Jalkut zu Exod. § 171:
Moses sagte zu Gott (i^rBb ii:« , gewöhnlich der Gottheit gegenüber
statt "iWN gebraucht) : Herr der Welten , lehre mich deinen
grossen und heiligen Namen , damit ich dich bei deinem Namen
anrufe und du mich erhörst. Und Gott that ihm das ION n^nx
rrriN kund, und als die Himmhschen sahen, dass Gott ihm den
OneWn DO mitgetheilt hatte (ib "IDIIO), da sprachen sie: Gelobt
sei Gott, der dem Menschen Wissen verleiht (nynn pin ''Na —
eine in der Liturgie vorkommende Benediction). Einige ZeUen
weiter heisst es : Gott sprach zu Moses : Du hast gewartet, bis ich
dir meine Mysterien und den oUDl^n DO mitgetheilt — nsnwn
OniBi:n doi "^bo liniüDW ^b iniOWO ny . Auch in diesen SteUen
ist 'sttn DO gewiss nicht mit ,der ausgesprochene, der ausdrück¬
liche, der deutUch ausgesprochene Name" zu übersetzen. So wird
auch im Midrasch Samuel (sect. 15) das ba nN ^inNb noi: na-^i
i"' i"ian (Exod. 4, 28) dahin gedeutet, dass Moses dem Aaron das
Geheimniss des Tetragrammaton mitgetheüt habe — DO ib nbs
onEwn .
Das in diesen Stellen vorkommende charakteristische nöW,
tradere, überüefem, kommt mit Bezug auf den Gottesnamen auch
in andren Stellen vor, wie z. B. in der von Geiger (1. c. p. 266),
allerdings nur flüchtig, erwähnten SteUe Kidduschin 21a, woselbst
gesagt wird , der vierbuchstabige Name niTiN yaiN bo DO sei
von den Weisen nur Einmal (oder Zweimal) wöchentlich ihren
Schülem überliefert worden (iniN i"ioi:). Es ist das dieselbe Tal-
umdsteUe, die der des Maimonides im Moreh Neb. I, cap. 62, Guide
1 p. 273) zu Gmnde liegt, welche letztere Stelle m Gesen. thes.
p. 576b angeführt wird. Maimonides setzt hinzu: „Es handelt
sich hier nicht nm- daram, wie der Name ausgesprochen sei, man
meint damit zugleich die Mittheilung des Begriffes der diesem Namen
zu Grande Uegt, worin gleicher Weise ein göttliches Geheimniss
verborgen war — ^\ ^^^5^*3 ^^.^„ii^ (f 79b); Maimonides
spricht das übrigens nur als seine subjective Ausicht aus (JtilXcl Lil.).
In derselben Talmudstelle wird dasselbe iD'): auch mit Bezug auf
deu 12- und 42buchstabigen Namen gebraucht (Guide p. 274);
dabei werden alle die Tugenden aufgezählt, die derjenige besitzen
nmsste, dem man diesen letzteren Namen — der dem Tetragrammaton übrigens an Heiligkeit nachstand —- überlieferte, namentlich musste
Gribnbaum, Ueber Schern hammephorasch etc. 555
er sanften , milden und nachgiebigen Charakters sem , damit er —
wie Raschi bemerkt — den heiligen Namen nicht dazu missbrauche,
um sich an seinem Feinde zu rächen. Ein solches Mysterium um¬
gibt alle diese Namen und insbesondre den \anDi:!i diu, imd dennoch
soll letzteres „der (deuthch) ausgesprochene Name' bedeuten, und
kein einziger Ausdruck vorhanden sem, der diese bedeutsame Eigen¬
schaft des Tetragrammaton ausdrücke?
In der (in meinem früheren Aufsatze iu dieser Ztschr. XXXI,
225 angeführten) Stelle des Midrasch Abchü- ist statt ioi: das Wort
nHb gebraucht. Die, auch von Geiger (Was hat Mohammed u. s. w.
p. 107) angefiihrte Originalstelle lautet: nnN nan iTnWia üNl t^iz
nsttiffl 131« -ib n"i7:N ■'b lyttTari -I'nN na t>3i» •\ni mao« rrnoi
nnwNTS nyoa y-p^b ia nbiy nnso oncttn do isnwbn» iy "jb
nbpbp Nbi ypib nnbyi iniN nniarn dia iniN niTab in-iaiT.
Geiger übersetzt diesen Passus folgendermassen: . . Da sah Scham-
chesai ein Mädchen, Namens Estehar, auf das warf er seine Augen
und sprach : gib mir doch Gehör, worauf sie : ich gebe dir nicht eher
Gehör, bis du mich den ausdrücklichen Nameu Gottes gelehrt, durch
dessen Erwähnung du in den Himmel steigst. Er lehrte sie diesen
Namen, den sie dann erwähnte und unbefleckt zum Himmel stieg'.
Man wird wohl gerne zugeben, dass „der ausdrückliche Name' nicht
in die Erzählung passt; überhaupt aber ist diese Uebersetzung von
lanci^n dia kein gangbarer Ausdruck ; man spricht von einem aus¬
drücklichen Wunsch, von einem ausdrücklichen Befehl — darunter
versteht man das ausdrückhch gewünschte oder befohlne; ein aus¬
drücklicher Name dürfte aber schwerhch irgendwo vorkommen;
„ausdrücklich' hat immer adverbiale Bedeutung. Aber auch le nom
distmctement prononce hat adverbiale oder participiale Pärbung und
kann also nicht Attribut eines Namens sein, den man nur in seltenen
Ausnahmsfällen ausspricht. Es ist in der That sehr zutrefi'end,
wenn Nestle alle derartige Erklärungen mit Lucus a non lucendo
vergleicht.
Dagegen aber kann dieses laiiO: als Adjeetiv — ähnhch wie
die vom Gottesnamen gebrauchten Nii:, naai (aSia: , bbn73 im
biblischen Sprachgebrauch) — auch da gebraucht werden, wo der
Gottesname in der That ausgesprochen wird. Es hegt kein Wider¬
spruch in dem ino: aiana "an^i der Samaritaner; dieser Aus¬
druck widerstreitet den Regeln der Grammatik wie des Sprach¬
gebrauchs, aber sachhch liegt kein Widerspruch darin, dass der
Priester den geheimen und verborgenen Namen ausspricht, ebenso
wenig wie es ein Widerspruch ist, wenn in einer (frülier angeführten) Stelle des Recanate gesagt wird : Schemchasai und Azael ven-iethen
das Geheimniss ihres Herm und Meisters (was sich allem Anschein
nach ebeufalls auf den Schem hammephorasch bezieht).
\anE'!:n oo oder NTaiDi: N'':\a ist also ganz analog den von
Buxtorf (s. V. Ni:© col. 2438 f.) aus den Targumim angeführteu
Nb^n-ii Niip' NWia, No^ipi Nai Ni;«, Ni^pii Nai tt"v:, Nai Ni:ia
566 Grünbaum, Ueber Schem hammephorasch etc.
— bei Jakob von Edessa (Nestle p. 481. 486. 490) jvOÄ |x>Jt,
I, . ..-N f» JvQ<JD jxUL. Und so entspricht "iJ-nB'!:n Di25 in der That dena -;o> )v>«
Das 12311B Dffl hingegen, das Jakob von Edessa als eine bei
den Juden gebräuchhche Benennung anführt (p. 481. 491) ist, wie
G. Hoffmann (ibid. p. 737) bemerkt, nach dem Gehör geschrieben.
Allerdings aber findet sich die Kaiform OTiB in einer Bedeutung
vor, die mit „heUig" synonym ist. So /. B. in der von Münk (Guide des egares I, 224 N.) angeführten Midraschstelle (Wajikra R. sect. 24),
in welcher es mit Bezug auf das i^nn Duanp (Lev. 19, 2) heisst
(Gott sagt zu Israel): irsis 01233 D^iaTiB Vnn "p lüiiE ^rNia oms T>nn D^ionp n'nn niiannp i^nn "^d njinp: So wie ich laiiB bin so sollt auch ihr DiiainB sein, so wie ich heilig bin, so soUt auch
ihr heüig sein , darum heisst es T'n- a^iamp . Dieses ittib kann
hier natürhch nicht „abgesondert" bedeuten, seine Bedeutung nähert
sich vielmehr der des Wortes lainp. Dieselbe emphatische Be¬
deutung hat lanB in der ^Benennung der Pharisäer mit D^iaTiB,
j f o> Diese DiiBl-iB scheinen, wie Geiger bemerkt (Urschrift
p. 103), eine Zeitlang „die Prommen" Dinion , genannt worden zu
sein. Das •j"'^"'"!^ "^^^ Mischna (Chagigah II, 4 f. 18 b) wird von
Raschi und in Maimonides' Mischnacommentar z. St. dahin erklärt,
dass darunter diejenigen zu verstehen sind, die — namentlich mit
Bezug auf Speisen — sich einer besondern Reinheit (und HeUig-
haltung) befleissen ; dieselbe Erklärung gibt Aruch , mit dem Be¬
merken, dass die niiöi-iB mit den niian (den Mitgliedern einer be¬
stimmten Genossenschaft — Geiger 1. c. p. 121 f.) identisch seien ^).
Sehr passeud vergleicht Albo (von Buxtorf col. 2434 angeführt)
diese Benennung mit dem Ausdrucke omBUn DIU .
Noch entschiedner und emphatischer tritt die Bedeutung „heilig"
in denjenigen Stellen auf, in denen iBTiB eine spottende Benennung
ist, wie i^p: lailB, lUaia winc und andre sehr bezeichnende und
drastische Benennungen die ausführlich von Aruch s. v. iBinc (auch
von Buxtorf und Levy s. v.) aufgezählt und erklärt werden , wie
denn auch Renan (Vie de Jesus, chap. XX, 13 ed. p. 340 fg. , in
den früheren Ausg. p. 328) manche dieser Benennungen sehr hübsch
wiedergibt. Dieses oina soll die also Benannten als „wunderliche
Heilige" kennzeichnen ; es liegt diesen Namen dieselbe spottende
Ironie zu Grunde wie dem Namen Cathari und andren früher von
mir erwähnten Benennungen (ZDMG. XVI, 410. XXIII, 620).
Wenn nuu aber die Kaiform lans in dieser emphatischen Be¬
deutung gebraucht wird , so kann man das um so mehr bei der
jedenfalls verstärkenden Pualform annehmen.
Die Benennung \l!"nB'':n Dw ist nun aucb ein noraen sepa¬
ratum, insofern als lams'; in dieser ^'erbindung eine andre Be¬
deutung als die gewöhnliche hat. ia"iiE"n tiö ist eben ein neu¬
gebildeter, besondrer Kunstausdruck.
Grünbauni, Ueber Schern hammephorasch etc. 557
So sind denn auch die von Buxtorf (s. v. n13ü5, col. 2438 f )
angefiihrten Stellen der Targumim verschiedentlich zu übersetzen.
Nonpi NSn NMO ffi"iDi:T pipn iinm (Exod. 28, 30) bedeutet
allerdings: In quibus sculptum est et expositum nomen maximum
et sanctissimum; das folgende itn'by p^pn N«-iDl: t<i:ia mm ist
aber zu übersetzen: in quibus nomen sanctum (secretum) erat
insculptum ; in der ebenfalls von Buxtorf angeführten Uebersetzung
des 1. jerus. Targum z. St. heisst es : p^pn Nlipii «an Ntti» mm
ma iS"iBi:i. Dieses NTpi Na-i NiiUJ entspricht dem NiaiBtt i*':©
im andem Targum, der Sinn der beiden Parallelstellen ist: der
heilige (oder der grosse und erhabene) Name war darin eingegraben.
Die erstere SteUe kann unmögUch bedeuten: in welcher (oder in
welchen, mit Bezug auf iiniTöila) der deutlich ausgesprocheue
Name eingegraben war. In der SteUe Lev. 24, 11 führt Buxtorf
£dle drei Targumim an: .... q^im ailB — NWia ni . . . ü3">1Bi
n-i . . . . qnm — ^i^oa ywon «nanwi NT-pii t<ai nwo ni . . .
NiaiBi; »iyo. Auch hier ist das N'ffl'nB'': Ni:iB durchaus paraUel
dem N'iipil Nai NWiU und der Sinn ist: er lästerte den heiligen
(oder den unaussprechhchen) Namen. Wenn — wie in dieser SteUe
— vom Lästern des Namens Gottes die Rede ist, so kann doch
unmöghch gesagt werden : Er lästerte den deutlich ausgesprochenen
Namen; der ausgesprochene oder geschriebene Name wird nicht
gelästert, wohl aber der heUige oder unaussprechliche Name; der
Zusatz iBlanW"! soll nun besagen, dass es nicht der Name Adonai,
sondem dor Name Jahveh war, wie er denselben am Berge Sinai
(von Gott selbst wahrscheinlich, d. h. im Decalog) aussprechen gehört
hatte. Eine andre von Buxtorf angeführte SteUe ist die des Targum
zum hohen Lied 2, 17. NUO nia pipm iini:iT ]ipn ni rpilnNi
ini:o -jiyaiaa oidi: Nai: Als die Iraeliten das goldne Kalb ver¬
fertigten, wurden sie des Schmuckes der Krone entblösst (verloren
sie die Krone), auf welcher der grosse Name eingegraben war, in
ihren siebzig Namen übersetzt '•) (oder erklärt ; wahrscheinlich sind
liier die 70 Sprachen gemeint und nicht, wie Buxtorf annimmt,
der Name von 72 Buchstaben). Dieses Targum entspricht der
Stelle in Bamidbar R. sect. 12: DOT i:iDa bNIOib napn ■jn;
Iiby ama OliBrn — R. Simon b. Jochai sagte: Auf dem Berge
Sinai gab Gott dem Volke Israel eine Krone, auf welcher der
heihge Name gescbrieben war '). pi:© i'y aoa 01B7: hat natür¬
lich wieder die gewöhnliche Bedeutung von OIDi:, geschrieben,
ausgeprägt, hier wahrscheinlich: erklärt d. h. übersetzt. Dieselbe
Bedeutung „ausgeprägt" hat oiDi: auch in der folgenden von Bux¬
torf angeführten Stelle (zu Kohel. 3, 11): mm Nai Ni:o pi r]N
NMO laN by 01B7:i a-na . Eine ähnliche Stelle wird von Buxtorf
s. v. Nino (col. 2541) angeführt und zwar aus dem bereits er¬
wähnten Targum zu Exod. 28, 30: nnno "aNa onBi:T pipm ;
in beiden SteUen ist oiiEi: nur die Verstärkung von aina oder
pipn .
558 Grünbaum, Ueber Schem hammephoraach etc.
Derselbe ünterschied besteht nun auch bei den von Dr. Füi-st
angeführten SteUen, die ja überhaupt mit den von Buxtorf (und
Geiger) angeführten Stellen identisch sind. Das t<\ais7: ni;© mm
■jinibs pipn müsste man nach Fürst übersetzen: auf welchen der
ausdrückUch ausgesprochene Gottesname eingegraben war; diese
Stelle könnte eher als Gegenbeweis dienen, dass nämhch 'fi2n DIB
nicht die Bedeutung haben kann ,der ausdrücklich , deutlich aus¬
gesprochene Gottesname Jhvh'.
Ebenso ist aber auch ein ünterschied zu machen zwischen
den Ausdrücken Dfflfl rS« tST^e und DiDH nt< Iidth, mit Bezug
auf welche Dr. Fürst sagt, der erstere Ausdruck sei nur eine Ara¬
maisirung des zweiten Ausdrucks. Es ist überhaupt fraghch, ob
man Dion nN •O'Vt als aramäisch betrachten kann, da auch das
bibUsche ©IE distinete dixit bedeutet; davon aber abgesehen, so
bezieht sich das Diön nN laiDi© "W das Geiger anführt so wie das
VCca ni 1D11C des Targum immer auf das Aussprechen des Tetra¬
grammaton, während DOn TN I^DTn in aUgemeinerem Sinne ge¬
braucht wird , vom Aussprechen eines jeden Gottesnamens. So
z. B. heisst es in der oben angeführten SteUe, der Hohepriester
habe am Versöhnungstage zehnmal den Gottesnamen ausgesprochen
Dlia 13 DOn DN bna pa IidtW D-iWSE iiay . Geiger bezieht nun
allerdings (ürschrift p. 266) diese Stelle auf das Aussprechen des
Tetragrammaton, was auch der Darstelluug im jerus. Talmud (Joma
III, 7) zu entsprechen scheint; in der Zeitschrift Ozar Nechmad
(1860, ni, 119) weist hingegen Geiger nach, dass der Hohepriester
nicht zehnmal, sondern nur Ein Mal den eigentlichen Gottesnamen
ausgesprochen, und zwar am Schlüsse des dritten Sündenbekennt-
nisses. üeberhaupt aber ist im biblischen wie im talmudischen
Sprachgebrauch DO l-atn der stehende Ausdruck für „einen Namen
aussprechen , einen Namen erwähnen', zuweilen wird auch die Kai¬
form gebraucht. So heisst es auch mit Bezug auf die Namen der
Götter (Exod. 23, 13): il-iaTn Nb DnnN DTibN DOi. So wird
anch im Talmud das Erwähnen eines Namens oder einer Person,
was ja eigentlich dasselbe ist, mit liaTM ausgedrückt. Mehrere
Beispiele hiervon bieten die Stellen Joma 37 a, 38 a. Mit Bezug
auf die Mischna (III, 8 i. 35b), woselbst gesagt wird, dass nach
dem Sündenbekenntnisse des Hohenpriesters die Aussenstehenden
sagten: nyi Dbiyb imabi: ni3D do -iia wird in der Gemara
(37a) die SteUe Deut. 25, 3 angeführt, und dazu bemerkt: Moses
sagte zu den Israeliten, wenn ich den Namen des Hochgebenedeiten ausspreche so verherrUcbt seinen Nameu i"o "iiaii: i:NO nyoa
bma ian dpn napn bo. Unmittelbar darauf wird die Stelle
naiab p-ns "idt (Prov. 10, 7) in demselben Sinne gedeutet: Der
Prophet sagte zu Israel : Wenn ich den Namen des ewig Gerechten
(Gottes) erwähne, so lobpreiset ihn — pinis mar: ■':no nyoa
nala un an« O^wbiy. In der Mischna (ibid. 37 a, 38 a) werden
mehrere Personen erwähnt , von einigen derselben werden lobens-
Grünbaum, Ueber Scham hammephorasch etc.
werthe , von andren tadelnswerthe Handlungen erzählt , und dazu
wird bemerkt: Diese erwähnte man lobend, jene tadelnd: T^m
"iN:ib .... nnob imN "p-i-ai"; zugleich wird wiederum der Vers
— aber hier nach der gewöhnlichen Auffassung — angeführt:
apli niyai aoi nalab pini: nai. In diesem Verse steht "laT
dem '''CID parallel, ebenso in dem besonders hierher gehörigen itto-riT
-n nnb naT nii obyb Exod. 3, 15 sowie Ps. 135, 13 tmd in
vielen andren Stellen. An andren Stellen kommen beide Wörter
nebeneinander vor, oder iat wird im Sinne von Dffl gebraucht, wie
z. B. Tnaibi yz'Oh Jes. 26, 8, Tna; mni Hos. 12, 6, iarb imm
iiunp Ps. 30, 5 imd in mehreren andren Stellen, die Michaelis
(Suppl. s. V. IDT, No. 623) anführt, worunter auch iidt: Jes.
26, 13, das die LXX mit to ovofid aov övofidCofisv übersetzen;
denn der Name eines Menschen ist ja zugleich auch sein Andenken,
die Erinnerung an ihn; wenn man den Namen ausspricht, so wird
damit die Erinnerung an die so benannte Sache geweckt, "iiam
Bisn ist also durchaus analog dem deutschen ,den Namen erwähnen",
dem lateinischen mentionem alicujus facere, da auch Erwähnen so
viel bedeutet wie Erinnern (mhd. wehenen, ahd. wänan, gedenken)
und Mentio der weitverbreiteten Pamihe angehört, welcher auch
memini, mens, fii/J.ova, das deutsche Minne, Mahnen, Mann und
noch viele andre Wörter angehören, denen die Bedeutung „gedenken'
zu Grunde hegt. DUJ niam kommt so auch in der oben erwähnten
Stelle Kimchi's vor: Ci:iB Diliati: iin Nb, ebenso in der früher
von mir angeführten Stelle des M. Abchir iiniafl: p DainiWiB, sie
werden eure Namen aussprechen und so noch in unzähligen andren
Stellen.
Die allgemeinere Bedeutung des Wortes niaTn zeigt sich
namentlich auch in dem talmudischen nnaTN. Dr. Pürst sagt
(p. 300), MjniDi:n aia sei die Uebertragung von nnaTN in das Spät¬
hehräische. Beide Wortformen sind nun aber keineswegs congruent,
zunächst hinsichtlich der Porm , da nnaTN eiu Nomen actionis ist,
dann aber auch bezüglich des Inhalts. Die Porm nnaTS, statt
nnatn, ist wahrscheinlich mit Anschluss au das biblische nnatN
gewählt, keineswegs aber wird darunter ausschhesshch das Tetra¬
grammaton verstanden, wie Dr. Pürst annimmt ; das Wort hat viel¬
mehr dieselbe allgemeine Bedeutung wie niain in Dia niaxn. Bux¬
torf (s. V. na", col. 670) übersetzt mnaTN richtig mit nomina
divina. Diese allgemeinere Bedeutung ergibt sich namentlich aus
der von Buxtorf angeführten Stelle (Synhedrin 102 b), in welcher
von König Achazjah erzählt wird: fy aniai ninaTN nnip nin
""rnn, fuit delens divina nomina et scripsit nomina idolorum, wie
Buxtorf richtig übersetzt — während er allerdings ma'N mit
Nomen Dei Tetragrammaton , eo quod est Memoriale Dei essentiae
et naturae aeternae erklärt. Ohne Zweifel sind in der angeführten
Talmudstelle alle Gottesnamen gemeint; wenn Achazjah dem Namen
Gottes die Göttemamen substituirte, so that er das auch bei Elohim
560 Grünbaum, Veber Schern hammephorasch etc.
und den andren Namen. Buxtorf führt noch eine ähnliche Stelle
mit Bezug auf Achab an: anai miDTSn ns pn5: bNlUJi '^b?: asn«
bsan DO pTinn. Diese Stelle ist dem Thischbi Levita's (s. v. -,aT,
p. 97) entnommen. Levita, der aus dem Gedächtuiss citirt — wie
denn auch die TalmudsteUe nicht näher angegeben wird — hat
Achazjah und Achab mit einander verwechselt, was aUerdings sehr
verzeihlich ist. Ausserdem aber führt Levita — wiederum ohne
nähere Angabe — eine Midraschstelle an, in welcher gesagt wird,
dass von dem ersten Worte der Genesis angefangen bis zu dem
DINn O-iaii Gen. 3, 24 — also in den drei ersten Capiteln —
71 maiN vorkommen, entsprechend den 71 Mitghedem des Sy¬
nedrium. Diese Midraschstelle findet sich in Bereschith R. sect. 20
und Bamidbar R. sect. 14, woselbst es heisst, dass von niONia
angefangen bis zu dem Satze nNT nioy ia (3, 14) 71 miaTN vor¬
kommen. Wer sich die Mühe nimmt nachzuzählen, wird finden,
dass von Gen. 1, 1 angefangen bis zu Gen. 3, 14 das Tetra¬
grammaton nur 17 Mal vorkommt, und dass man die 71 miaTN
nur dann erhält, wenn man auch den Namen aiMbN mit hinzu
zählt S).
Dieselbe aUgemeine Bedeutung hat das Wort maTN auch in
andren Stellen. So iu der von Buxtorf 1. c. — vrie es scheint
uach Maimonides (Mischneh Thora, H. Jessode ha-Thora VI, 8) —
angeführten SteUe, derzufolge eine von einem ya geschriebene Ge-
setzesroUe mitsammt den darin vorkommenden miaTN verbrannt
werden soll, so auch in einer TalmudsteUe (Sabbath 116 a), woselbst
R. Jose sagt, dass man aus den Büchern der aiji73, bevor man sie
verbrennt, zuerst die miaTN herausschneiden soll, während R. Tar-
fon sich dahin ausspricht , dass er ein solches Buch , wenn es ihm
in die Hände käme, mitsammt den m-iaTN in demselben verbrennen
würde. Im Allgemeinen ist es nämlich verboten , die miDTN zu
vemichten; dieses Verbot erstreckt sich aber nicht nur auf das
Tetragrammaton, es gilt auch von mxait, ino, ninN "lON ninN
und andren Bezeichnungen Gottes, wie das ausdrücklich an mehreren
Stellen gesagt wird (Mischna Soferim IV, 1, Schebuoth 35 a, Sifri
zu Deut. 12, 3, Maimonides 1. c. VI, 2). Die Gottesnamen sind
alle heilig, und nur in einzelnen Pällen bemerkt die Massorah zu
DinbN oder i:nN, dass an der betreflFenden Stelle das Wort —
weil keine Beneimung Gottes — bnn , d. h. nicht heilig sei. In
dieser Beziehung, also auch hinsichthch des Verbots der Vernich¬
tung, ist zwischen dem Tetragrammaton uud den übrigen Namen
kein Unterschied.
Nur mit Bezug auf das Nichtaussprechen nimmt das Tetra¬
grammaton einen höheren Rang und eine gesonderte SteUung ein,
und eben desshalb heisst dasselbe oncnn DO, der verborgne, nicht
auszusprechende Name. ,Der deutlicb ausgesprochene Name" würde
raehr zu Elobim oder einem andren Namen passen, der in der That
ausgesprocheu wird. Eher noch könnte man sich mit „der aus-
Grünhaum, Veher Schem hammephorasch etc. 561
drückliche Name" befreunden, wie Geiger in der Stelle des M. Ab- chii' sowie in der „Urschrift" (p. 264) das Wort übersetzt, wenn
damit gesagt werden soll, dass dieser Name die deutliche adäquate
Benennung Gottes sei, also im Sinne des französischen „prononce"
and entsprechend dem „qu'il indique expressement I'essence de Dieu"
wie Münk (Guide I, 268) die oben angeführte Stelle des Maimonides
übersetzt. Allein Geiger will das nicht sagen; in der Note zur
„Urschrift" a. a. ü. wird onoWn DO mit „der deutlich ausgesprochene
Name Gottes" übersetzt. An einer andren Stelle (p. 261) sagt
Geiger vom vierbucbstabigen Nameu Gottes, derselbe als der volle
Eigenname Gottes sei, vrie Gott selbst, unnahbar, unaussprech¬
bar. Merkwürdig aber bleibt es alsdann immer, dass nirgends
eine Benennung des Tetragrammaton vorkommen solle, welche diese
wichtige und frmdamentale Eigenschaft desselben ausdrückt.
Die von Nestle (p. 505) gegebene Erklärung mit nomen sepa¬
ratum, i. e. distinctum = ausgesondert, ausgezeicbnet, reservirt,
einzigartig passt nur dann, wenn man usnci: im Sinne von tdieii:,
oder als Nachbildung des aramäischen Ausdrucks auffasst. Alsdann
kann ffi-nsrn no auch — wie ich das (ZDMG. XXXI, 321, N. 43)
bemerkt habe — den BegrifF des Grossen, Wunderbaren (^Jic^t
involviren, Nm;m nasDn non, wie es Deut. 28, 58 heisst; die
eigentliche Bedeutung des Ausdrucks ist aber immer „der geheime,
nicht auszusprechende Name".
Dass nrm aber der Gottesname nicht ausgesprocheu werden
solle, wird nicht als talmudische Satzung dargestellt, vielmehr
musste bei der Wichtigkeit des Verbotes und bei seinem Zusammen¬
hang mit der rehgiösen Anschauuug überhaupt, dasselbe im Fen¬
tateuch selbst wenigstens angedeutet sein. So ist — wie ich früher
(ZDMG. XVI, 398. 401) bemerkt habe — das apbi Lev. 24, 11 fg.
nicht aus Aengstlichkeit mit „Aussprechen" übersetzt worden, son¬
dem weil man den Ausdruck in der That in diesem Sinne auf¬
fasste "). Femer wird die Stelle IT -nb inzT nn nbjb ino T\\
(Exod. 3,15) auf das Nichtaussprechen des Tetragrammaton bezogen ;
das defective geschriebne nbyb wird nbyb gelesen und die Wieder¬
holung desselben Gedankens in zwei verschiednen Sätzen '") wird dahin erklärt, dass damit der Unterschied zwischen der Schreibung
und der Aussprache des Gottesnamens hervorgehoben werden soll
Mein Name — sagt Gott — vrird anders geschrieben und anders
gelesen , (ausgesprochen) ; geschrieben wird er mit Jod He (Jahve)
und gelesen mit Aleph Daleth (Adonai) — N-ip: irst ans: •':no3 Nb
nb- :|bNa N-ip:T ^~ m^n -:n ana:") (Kidduschin 71 a). Aehulich
heisst es im Midrasch z. St. (Schemoth ß. sect. 3): Bei nbyb fehlt
das Waw (um damit zu sagen) , dass man den Namen nicht nach
seinen Buchstaben aussprechen soll — nan-" Nbo INI -lOn nbyb
i-mimNa CO~ nN mN, der Satz m -nb i-ia- nn wird darauf
bezogen, dass man statt des Gottesnamens nur ein Epitheton (gleich- 4 1
562 Grünbaum, Ueber Schem hammephorasch etc.
sam eine blosse Erinnermig an den eigentlichen Namen) gebrauchen
soll — iiDiDa Nbs imt< -ims i;-«.
Mit dem Nichtaussprechen des göttlichen Namens steht eine
andre Ansicht in Zusammenhang, nämlich die, dass Gott überhaupt
namenlos sei, welche VorsteUung — wie ich das in demselben Auf¬
satze (Ztschr. XVI, 397) erwähnt habe — bei PhUo und den
Alexandrinern sowohl als auch im Midrasch und bei den Kirchen¬
vätern vorkommt. In der bereits erwähnten Midraschstelle (Schemoth
R. 1. c.) wird das niHN na« nins Exod. 3, 14 dahin gedeutet,
dass Gott keinen eigentlichen Namen habe, dass je nach den ver¬
schiednen Seiten seines Wirkens auch sein Name wechsle. „Gott
sprach zu Moses: Meinen Namen wülst du wissen? Ich werde je
nach meinem Thim benannt (S"ip3 ''WV ^Db), als Richter der
Welt heisse ich Elohim, als ErbarmungsvoUer heisse ich Jahve, als
kriegführender Zebaoth .... darum heisst es nTit< "iiüN rT>nN,
d. h. ich werde je nach meinen Handlungen benannt'.
Dieses N-ip: i;« -«lay;; icb , das durchaus Dem entspricht, was
Justinus Martyr (in der von mir 1. c. angeführten SteUe) mit Be¬
zug auf -d-Eog , KvQiog etc. sagt: Ovx ovofiarcc kanv äXX' kx
Ttäv tvnouwv xal ^gyatv ngoarjoug — kommt auch in ähnlicher
Weise in der hagadischen Erklärung von Gen. 32, 30 und Jud.
13, 18 vor. Dass nämlich der Engel auf die Frage wie er heisse
sowohl dem Jakob wie auch dem Manoach die Antwort gibt:
vysh bNTon nT mab, bei Letzterem noch mit dem Zusätze Nim
iNbo (im Midrasch wird immer diese Form statt -«bE augeführt) —
diese Namenlosigkeit der Engel wird damit erklärt, dass jeder Engel,
je nach dem verschiednen Zweck seiner Sendung , jedes Mal einen
andren Namen habe (Bamidbar R. sect. 10, Bereschith R. s. 78,
Jalkut Jes. § 310). In der ersteren MidraschsteUe wird dieses
iNbD gleichzeitig mit „verborgen' und „wunderbar' (unter Ver¬
gleichung mit" nN^bD Ps. 139, 6) erklärt und —• mit Bezug auf
das D-nbs T't: (Jud. 13, 5) — mit NibEi Num. 6, 2 in Verbindung
gebracht.
Der Ausdruck ninn TiüN n^nN wird aber noch in andrer
Weise erklärt. So heisst es in derselben Stelle des Schemoth R.
(s. 3): „R. Jizchak sagt : Gott sprach zu Moses : Sage ihnen, dass
ich es bin welcher war, welcher ist und welcher sein wird —
Nab "iTiyb Nin tni iioas Nin i3Ni Tinno i3N, und darum kommt
das Wort n^nN dreimal (in demselben Verse) vor'. Eine andre
Deutung des wiederholten n^nN ist (ibid. und Berachoth 9 b) :
„Gott sprach: So wie ich in diesem Leiden mit dem Volke Israel
bin, so werde ich auch in all seinen späteren Leiden mit ihm sein.
Darauf antwortete Moses: Herr der Welt, es ist genug der Noth
zu ihrer Stunde, (nnyoa n"isb n^T — warum zu der jetzigen
Drangsal noch die zukünftige erwähnen ?) Gott sprach alsdann :
(Nun so) gehe und sage ihnen (nur) , n^nN hat mich zu euch
gesandt'.
« 1
Grimbaum, Ueber Schem hammephorasch etc. 563
Diese Midraschstelle wird auch von Raschi zu Exod. 3, 14
angeführt. Mit Bezug hierauf sagt Nachmanides in seinem Commen¬
tar z. St. , der Sinn des Midrasch sei , dass Gott dem Moses ge¬
antwortet: Wozu brauchen sie nach meinera Namen und meinem
Sein zu fragen? Sie bedürfen keines andem Beweises für mein
Dasein und meine Fürsorge, da ich zu allen Zeiten rait ihnen sein
und sie erhören werde wenn sie in ihrer Noth mich anrufen. Die
Worte des R. Jizchak erklärt Nachmanides indem er sagt : Da vor
Gott die Vergangenheit und die Zukunft gleich gegenwärtig sind,
da bei Ihm keine Verändrang und kein Wechsel der Zeiten existirt,
so werden in seiner Benennung alle Zeiten in Einera Worte zu¬
sammengefasst, das die Nothwendigkeit des Seins ausdrückt —
mNi:£7:n m-n nma'^); ähnhch erkläre auch Saadias die Stelle des
Pentateuchs dahin, dass Gott der Erste und der Letzte ist, für den
es weder Vergangenheit noch Zukunft gibt, {r.^rtu ■^1B^5 rfriN
übersetzt Saadias mit i^jj ^ (^OJl .
Diese Erklärung des riTiN noN nTiN findet sich auch im
Kuzari (IV, 3, ed. Cassel p. 304): „Durch die Nennung dieses
Namens" — lautet die Stelle nach Cassels Uebersetzung — „wollte
Gott von dem Grübeln über sein wahres Wesen, dessen Erkenntniss
unmöglich ist, abhalten, und als Moses fragte und sprach: Wena
sie nun zu mir sagen, wie ist sein Name? antwortete ihm Gott:
„Was haben sie Etwas zu fragen, was sie doch nicht erfassen können
(gleich wie jener Engel sagte : Was fragst du nach meinem Naraen,
der ist wimderhch, Rieht. 13, 18), sage ihnen nur: n;riN „Ich bin', erklärt durch n-nt« niUN, „der ich bin", d. h. der Seiende, der für
sie da seiu wird, wenn sie mich suchen werden — lON Nli73:n
i:iap3io nra Dnb ni£7:n.
Nach Maimonides (Guide des egares I, 284, Text fol. 82 b)
sollte das TOO ni; besagen „Wer ist es, der, wie du sagst, dich
gesendet?" also die Frage nach dem Wesen Gottes enthalten.
Ebenso erklärt R. Tanchum Jeruschalmi in seinem Commentar zum
B. der Richter (ed. Haarbrücker p. 4) und unter Bezugnahme auf
dieses inia nn auch das -[no -n (Jud. 13, 17), das ja doch eigent¬
lich "itto nn heissen müsse , dahin , dass nicht nach dem Namen,
sondern nach dem Wesen des Engels gefragt worden sei und der¬
selbe habe mit Bezug d a rauf geantwortet, sein Wesen sei wunder¬
bar, geheimnissvoll — ''Hbt, welches Wort mit v_^a:S\£
erklärt wird, unter gleichzeitiger Anführang der Erklärang mit
^yj^ so wie des onsn, womit es der Chaldäer übersetzt.
In mehreren der oben angeführten Erklärungen findet sich der
Gedanke ausgesprochen , dass die Frage nach dem Namen Gottes
von Gott nicht beantwortet wurde. In ähnlicher aber doch ganz
eigenthüralicher Weise erklärt auch P. de Lagai'de (l'salterium juxta
564 Grünbaum, Ueber Scliem hammephoraach etc.
Hebraeos Hieronymi p. 156) die SteUe Exod. 3, 14 dahin, dass
das HTtN -IIBN nin« keineswegs die von Möses erwartete Antwort
auf seine Frage nach dem Namen Gottes enthalte '3). Nach einer
— später noch zu erwähnenden — Erklärung des Namens -Jahve
sagt Lagarde: Quae cum exposui soleo ad Exod. 3, 14 me con¬
vertere. ibi enim riTiN -iTBN M^nN non Jahvis nomeu rov ovra
significare indicat, sed quaerentem de nomine (id est natura) dei
Mosem ad modestiam hortatur, quasi diceret, qui sim, nihil ad te :
id noveris (l)is eum respondere vides) me eum esse qui patribus
promiserim certo tempore proli eorum me auxiUo venturum esse,
omnemque naturam meam bominibus in eo comprehendi scito, ut
me fidelem et niinarum et promissionum statorem esse credant.
rririN "ifflN n^riN explicandum e locis similibus his: Gen. 43, 14
inbniB inbDiB iond, Regn. I, 1, 24: -i;-: -ir:rn . . . Lagarde
führt noch viele andre ähnliche Stellen an — 35 an der Zahl —
und zwar aus der Bibel, aus Raschi, aus syrischen und arabischen
Schriftstellem. Hier wären nun vielleicht auch aus der 53. Sura
die SteUen L« b^vX-Jt ■3! — ^ ^sA-xj; ^\ ^J>-^
^j^^ 1-^ iP'Liois — (jT'*'-*:' (^^- anzuführen gewesen;
in den beiden ersteren ist es das UnaussprechUche, GeheimnissvoUe,
nicht zu Beschreibende, in der letzten das Bekannte (cf. Sur. 7, 82.
11, 84. 15, 74. 26, 173. 27, 59), dessen Wiederholung unnötliig
war; ähnUche Redeweisen kommen übrigens auch bei Tabari vor,
z. B. Lo j^.^ jl> Uli (Annales I, ^Af, Z. 14. 15), Jö
Lo iJ xJJt (ibid. p. OAf, Z. 18 fg.). Das inbsiB Tibaffl -HBND
kann aber schwerlich als Analogie für n^riN IIBN n^nN nach
Lagarde's Erklärang gelten , es ist vielmehr ganz ähnUch dem
imaN TinnN -iibndi (Esther 4, 16). Letzteres ist ein Ausdrack
der Resignation: Wenn ich verloren bin, so bin ich verloren —
ich habe das Meinige gethan, mag was immer die Folge davon
seiu, ich kann dagegen nichts thun. Wenn der Vordersatz im
Nachsatz wiederholt wird, so bedeutet das, dass die Sache keine
weitere Folgen hat — it is of no consequence , wie die Engländer
sagen. „Kommst du nicht, so kommst du nicht" soll besagen, dass
das Nichtkommen keine Bestrafung und auch keinen Verlust mit
sich brmgt. Ebenso wenig passt hierher das lyj "iy:m 1 Sam.
1, 24, welches dem -ly: Nim Gen. 37, 2 entspricht. Das femer
angeführte (nai) ISIN TON DN imN Ez. 12, 25 (im zweiten
Halbverse nan naiN) ist ganz analog dem iinN -lON nN TUm
Exod. 33, 19 und soll gewiss nicht besagen: einerlei was ich rede.
Mehr Analogie bieten andre Stellen, wie z. B. das aus Raschi Gen.
20, 13 angeführte DJ-ino n?2 DSin Dibp:nN; dieser Ausdi-uck
kommt in sehr vielen Stellen vor, in denen Raschi's Erklärung von
Grünbaum, Ueber Schern hammephorasch etc. 565
der Uebersetzung Onkelos" abweicht; ganz ähnlich heisst es in un¬
zähligen andren Stellen Raschi's: IIBIIID na iffln iSTnam, wenn
die Midraschstelle weiter nicht beräcksiebtigt wird. Femer führt
Lagarde an: c>JUc L« oJUc. fecit cum eo quae fecit =
quae non narrabo, obscena enim sunt; ganz ähnlich ist die in
jüdischen Schriften oft vorkommende Redeweise nfflyo n» no».
Dem femer angeführten vnJji U u5Ü vüJLä und jjLo Lo Lü ^io
ganz analog ist das, mit Bezug auf einen Zauberspmch gebrauchte,
-lUNT nu -lUN, welches im T. jerus. Synhediih VII, 16 dreimal
vorkommt, so wie das bezüghch der Zauberin von 'En-Dor ge¬
brauchte nUiNT nu mON maST nu mar (Wajikra R. sect. 26
zu Lev. 21, 1); anderswo (z. B. Sabbath 81b) heisst es dafiir
Nnbiu nut», er sagte Etwas Aber auch das, hier zimächst in Be¬
tracht zu ziehende, Zeitwort nin, kommt in der Redensart nn n-fli
niniffl oft bei jüdischen Autoren vor, also: Es geschehe alsdann
was da wolle. Das nu pii 2 Sam. 18, 22. 23 scheint eine Ab¬
breviatur dieses Ausdracks zu sein : Was hegt daran ? möge daraus
entstehen was da wolle. Dasselbe dräckt das persische, namentlich in Sprächwörtern oft vorkommende, (jLj lob) ob oLj i>^J> aus:
Ich thue Dies oder Jenes, geschehe was da wolle (e ciö che vuol
sia). Ebenso heisst es bei Cuche (Diet. s. v. u , p. Ilf) i\S L« Jls,
il a dit ce qu'il a dit und bei Delaporte (Principes de l'idiome
ai-abe en usage ä Alger, 3. ed. p. 59) (für ^jJi) ^\ o-^^'
qui que ce soit.
Alle diese Ausdräcke gehören der gewöhnUchen Umgangs¬
sprache an , es ist aber doch nicht wohl anzunehmen, dass auf die
Frage Moses' : Weuu ich zu ihneu sage, der Gott eurer Väter sendet
mich zu euch, und sie sagen, was ist sein Name, was soU ich ihnen
antworten V, dass auf diese Frage Gott geantwortet habe : Was liegt
dir darau wer ich bin? Die einfachste Erklärung von iiBN nin«
nin« ist doch wohl die, dass es nur die Umschreibung oder De¬
finition des unmittelbar (Vs. 15) darauf folgenden Jahve ist, welcher
Name hier feierlich verkündet und durch die poetische Passung der
Schlussworte n nb i'iar mi obyb inia nr noch eine besondre
Weihe erhält. Auch Ewald (Geschichte d. V. Israel II, 204) be¬
trachtet diese SteUe als eine Parallelstelle zu Exod. 6, 2—8.
In seinem Commentar zu letzterer Stelle bemerkt Raschi mit
Bezug auf mni (Vs. 2): „Dieser Ausdrack soll besagen , Ich
bin es, der denen, die vor mir wandeln, ihre Belohnung gibt, und
nicht umsoust schicke ich dich, soudern um die den Vätern gegebene
Verbeissung zu erfüllen , und auch anderswo kommt dieser Aus¬
drack vor um zu sagen, dass Gott das Versprochene getreulich
hält — "laiB Dbiab yo»:" '«).
Bd. XXXIX. 38
4 1 *