• Keine Ergebnisse gefunden

GESCHICHTE ISRAELS .

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "GESCHICHTE ISRAELS . "

Copied!
458
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)
(2)
(3)

V* > - so : f .

,%jb ,? fije ^ s

V.

: ■v

(4)
(5)

GESCHICHTE ISRAELS .

VON

J . WELLHAUSEN .

IN ZWEI BÄNDEN .

ERSTER BAND .

BERLIN .

DRUCK UND VERLAG VON G. REIMER . 1878 .

(6)
(7)
(8)
(9)

Inhaltsübersicht .

Einleitung . Ist das Gesetz Ausgangspunkt für die Geschichte des alten Israels oder des Judentums ? Letztere Möglichkeit wird durch die Geschichte des Kanons nicht von vornherein abgeschnitten . Gründe sie in Erwägung zu ziehen . De Wette , George , Vatke , Graf ( S. 1). Die drei Schichten des Pentateuchs : Deuteronomium , Priestercodex , Jehovist ( S . 6 ). Um den Priestercodex und seine geschichtliche Stellung handelt es sich. Methode der Untersuchung ( S. 10 ).

A. Geschichte des Cultus .

Kap. 1. Der Ort des Gottesdienstes . I. Die histor.und proph .Bücher ergeben für das hebr .Altertum keine Spur von einem ausschliesslich berechtigten Ueiligtumc (S. 1" ). Die Polemik der Propheten gegen die Cultusstätten . Der Fall Samariens . Josia's Reformation (S.23 ). Einfluss des babyl . Exils ( S. 28 ).

II. Der Jehovist (JE) sanktiouirt die Vielheit der Altäre ( S . 30 ). Das Deutero¬

nomium ( D) fordert die lokale Einheit des Gottesdienstes (S.33 ). Der Priester¬

codex ( QR) setzt sie voraus und überträgt sie mittelst der Stiftshütte in die Ur¬

zeit (S . 35 ). III. Die Stiftshütte als Centraiheiligtum und Obdach der Lade ist in der historischen Überlieferung nirgend aufzufinden ( S. 40 ). Unnahbarkeit der Ansicht Nöldeke 's (S . 48 ).

Kap . 2. Die Opfer . 1. Das Ritual ist nach QR Hauptgegenstand der mo¬

saischen Gesetzgebung , nach JE vormosaischer Gebrauch ; nach QR kommt es auf das Wie , nach JE und D auf das Wem an (S . 53 ). Mit JE stimmen die histor . Bücher , gegen QR zeugen insbes. die Propheten (S.57) bis auf Ezechiel

( S.62 ). II. Materielle Neuerungen von QR. Vorbemerkungen über Begriff , In¬

halt , Applicirung , sühnende Wirkung der Opfer (S . 04 ). Materielle und geistige Verfeinerung der Opfergaben in QR ( S. 67 ). Das Mahlopfer tritt zurück hinter dem Holokaustum ( S.71 ). Ausbildung der Sühnopfer (S.75 ). III. Durch die Centralisirung des Cultus in Jerusalem ist die Verbindung des Opfers mit den natürlichen Anlässen des Lebens zerstört und es hat seinen ursprünglichen Cha¬

rakter verloren ( S.78 ).

Kap. 3. Die Feste . I. In JE und D herrscht ein Turnus von drei Festen ; Ostern und Pfingsten feiern den Anfang und das Ende des Saatenschnitts , das Herbstfest die Lese und das Einheimsen des Korns von der Tenne . Mit dem Fest des Beginns der Mahd (Massoth ) ist, besonders in D, das Fest der Opferung der

(10)

männlichen Erstgeburten des Viehs (Pesab ) verbunden (S.84 ). Die Feste basiren auf der Darbringung der Aparehen von den Früchten des Feldes und der Heerde . Bedeutung des Landes und des Ackerbaues für die Religion ( S.91 ). II. In den historischen und proph . Bb . ist nur das Herbstfest deutlich bezeugt , das auch"in JE und D das wichtigste ist; von den übrigen finden sich nur schwache Spuren

(S.95 ). Aber die Natur der Feste ist die gleiche wie in JE xvndD (S . 99 ). III . In QR haben die Feste ihre Beziehung zur Ernte und zu den Aparchen ver¬

loren und sind dadurch im Wesen umgewandelt (S. 102 ). Diese Metamorphose ist durch die Centralisation des Cultus bewirkt und lässt sich über das Deutero - nomium und Ezechiel zu QR hinab verfolgen (S. 107 ). Zu den drei Festen kommt in QB der grosse Versöhnungstag hinzu, entstanden aus den Fasttagen desExils. Änderung des Jahresanfangs und der Monatsbezeichnung in QR (S . 111 ). IV. Der Sabbath , zusammenhängend mit dem Neumond , ist ursprünglich ein lunarischer Feiertag . Überspannung der Ruheforderung in QR (S.115 ). Sabbath - und Jobel - jahr ( S.119 ).

Kap. 4. Die Priester und Leviten . I. Nach Ez .44 sollen im Neuen Jerusalem nur die Leviten von Jerusalem , die Söhne Sadoks , Priester bleiben , die übrigen Leviten aber zu ihren Dienern degradirt und ihres Priesterrechts ent¬

kleidet werden . Nach QR haben die Leviten nie Priesterrecht gehabt , sondern immer nur die Söhne Aharons (S. 123 ), welche den Söhnen Sadoks entsprechen

(S. 127 ). II. In der ältesten Periode der Geschichte Israels findet sich die Schei¬

dung von Klerus und Laien nicht . Schlachten und opfern darf jeder , Berufs¬

priester fungiren nur an grösseren Heiligtümern . Priesterfamilien zu Silo und zu Dan. Keine Absonderung des Heiligen , z . B. der Lade ( S . 130 ). Die Reichs- tempel der Könige , Priester daran als königl . Beamte (S. 134 ). Bedeutung der nordisraelitischen Priesterschaft in der Königszeit (S. 13 (5). Die Familie Sadok zu Jerusalem (S. 142 ). III. In dem ältesten Teile von JE kommen keine Prie¬

ster vor, kein Aharon neben Mose (S.144 ). In D sind die Leviten Priester . Als solche kommen sie, abgesehen von Jud.18 f ., erst in der exilischen Literatur

vor. Ihre Abstammung von Mose oder Aharon . Der geistliche Stamm Levi und der weltliche Stamm Levi. Schwierigkeit sie zusammenzubringen (S. 145 ). Con- solidirung des geistlichen Stammes in QR; Scheidung der Leviten und der Prie¬

ster . Fortentwicklung des naehexilischen Klerus . Der Hohepriester als das Haupt der Theokratie ( S. 150 ).

Kap. 5. Die Ausstattung des Klerus . I. Die Opfergefälle werden in QU gesteigert (S. 157 ), die Aparchen werden Abgaben an die Priester und dabei noch verdoppelt ( S. 1G0 ). II. Levitenstädte (S. 164 ). Die historische Situation , welche den Priesteransprüchen in QR zu Grunde liegt (S. 170 ).

B . Geschichte der Tradition .

Kap. 6. Die Chronik . I. David wird ohne sein Zutun der Nachfolger Saids, ganz Israel ist von vornherein auf seiner Seite, namentlich die Priester und Leviten . Entstellung des urspr. Berichtes über die Überführung der' Lade nach Jerusalem . Auslassung der nicht erbaulichen Züge im Leben Davids ( S. 178 ). Vorbereitung des Tempelbaues . Schwelgen des Erzählers in Zahlen und Namen .

(11)

Inhaltsübersicht . VII in geistlichen Zutaten . Widerspruch gegen 1. Reg. Ii 2. Das Bild Davids in der Chronik (S.185 ). Salomo 's Opfer bei der Stiftshütte zuGibeon . Der Tempel -

bau . Retouehirung des Originalberichtes ( S. 159 ). II. Beurteilung des Verhält¬

nisses von Juda und Israel ; die Israeliten gehören nicht zum Tempel und also nicht zur Theokratie (S. 195 ). Levitische Idealisirung Juda' s. Auffassung der im B. der Könige getadelten und der gelobten Massnahmen der Herrscher im Tempelcultus . Conflikte mit der Erzählung der Quelle , Eintragung der Priester und Leviten (S . 198 ). Der göttliche Pragmatismus der heiligen Geschichte und seine Ausgeburten (S . 211 ). Durchschimmern desB .der Könige ( S . 219 ). III. Die genealogischen Verzeichnisse von 1 .Chr. 1 — 9. Die zehn Stämme ( S. 219 ). Juda und Levi (S.224 ). Die Chronik hat für die vorexil . Zeit keine anderen Quellen zu benutzen gehabt als die auch uns im Kanon erhaltenen historischen Bücher . Die Verschiedenheit der historischen Gesammtanschauung erklärt sich aus dem Einfluss des Gesetzes , bes. des Priestercodex . Der Midrasch (S. 231 ).

Kap.7. Richter Samuelis und Könige . I. Schematische Bearbeitung des Richterbuchs , chronologischer und religiöser Natur ( S.238 ). Verhältnis der¬

selben zum Stock der Überlieferung .lud.19 —21( S. 212 ). Gelegentliche Zusätze zu den ursprüngl.Erzählungen ( S . 247 ). Geistige Abstufung der letzteren (S . 250 ).

II. Die chronologische und religiöse Schematik imB .Samuelis (S . 256 ). Durch¬

greifende Umgestaltung der Geschichte über die Entstellung des Königstums , über die Erhebung Sauls ( S. 259) Sauls Verhältnis zu Samuel (S. 268 ). Davids Jugendgeschichte . Samuels Auffassung ist der Gradmesser für den Stand der Geschichte der Tradition . Saul und David (S.274 ). III. Die letzte religiös - chronologische Bearbeitung desB. Regum . Ihre Gleichartigkeit mit der der beiden früheren Bücher . Ihr judäischer und zwar deuteronomistischer Standpunkt . Ihr Verhältnis zu dem überlieferten Stoff ( S . 294 ). Unterschiede in der Haltung der Quellen (S.300 ). In der Chronik wird die Geschichte des alten Israel nach Massgabe des Priestercodex umgedichtet , in den älteren historischen Büchern wird sie nach der Norm des Deuteronomiums verurteilt (S . 309 ).

Kap .8. Pentateuch und Josua . I. Die Erzählung von Q läuft der von JE parallel , die eine muss auf der anderen beruhen ( S.312 ). II. Nacktheit des Planes in Q, Genealogie und Chronologie (S . 320 ). Die Patriarchengeschichte in Q und JE (S.326 ). Urkundliche Genauigkeit von Q in der Angabe von Zahlen und Namen . Fortschritt in technischer Civilisation ( S.326 ). III . Referat über

Gen . 1 ( S . 339 ), über Gen .2 .3 ( S. 342 ), Vergleichung der beiden Erzählungen

( S . 346 ). Grössere Naivetät des religiösen Glaubens in JE (S.352 ). IV . Stufen der Bundschliessung in Q(S. 356 ). Törichte Schlüsse daraus (S . 357 ). Zerstörung der Cultussage durch das Cultusgesetz ( S . 360 ). V. QR und JE im B. Josua

( S. 363 ). Vergleichung von J und E , Entstehungszeit der Sagen über die Vor¬

geschichte ( S.370 ). Ergebnis der Geschichte der Tradition ( S . 376 ).

C. Israel und das Judentum .

Kap .9. Abschluss der Kritik des Gesetzes . I. Das Veto der kri¬

tischen Analyse (S . 350 ). Die historischen Voraussetzungen des Deuteronomiums

( S.380 ). Die deuteronomistische Redaktion erstreckt sich nicht über den Priester -

(12)

codex ( S . 385 ), II. Die Endredaktion des Hexateuchs geht vom Priestercodex aus, wie aus Lev . 17ff .erhellt ( S.387 ). Untersuchung von Lev .26(S . 392 ). Verbindung von Gesetz und Erzählung (S . 396 ). III . Die Sprache des Priestercodex ( S . 397 ).

Kap. 10. Die mündliche und die schriftliche Thora . I. Kein ge¬

schriebenes Gesetz im alten Israel . Über den Dekalog und das Goethe 'sche Zwo¬

tafelgesetz ( S. 404 ). Die Thora Jahve's im Munde der Priester und der Pro¬

pheten (S . 408 ). Auffassung der Offenbarung bei Jeremia , Zacharia , dem Vf . von Jes.40 —66 (S. 414 ). II. Das Deuteronomium war das erste eigentliche Gesetz. Sein Durchdringen im Exil . Ende der Prophetie (S . 417 ). Ergänzung der reformirenden durch die restaurirende Gesetzgebung . Codifikation und Syste- matisirung der Cultusbräuche durch Ezechiel und seine Nachfolger . Der Priester¬

codex. Eingeführt durch Ezra (S . 420 ). Die Thora die Grundlage des Kanons . Erweiterung des ursprünglich an der Thora haftenden Begriffes auf andere Bücher

(S . 425 ).

Kap .11. Die Theokratie als Idee und als Anstalt . I. Frische und Natürlichkeit der alten israel. Geschichte (S . 427 ). Entstehung des Staates , Be¬

ziehung der Religion und der Gottheit auf das Leben des Staates und der Nation

( S.428 ). Die messianische Theokratie der älteren Propheten verlässt nicht die in dem wirklichen Gemeinwesen der Gegenwart gegebenen Grundlagen . Die Idee des Bundes (S . 430 ). II. Die Gründung der theokratischen Verfassung unter der Fremdherrschaft ( S .435). Das Gesetz und die Propheten ( S.439 ).

Berichtigungen .

S .95Z .14ist Osterfest -zu lesen statt Opferfest , S .230 Z .23 historisch - kritische statt historische kritische , S .339 Anm . Z .7 first statt firth. Andere Versehen , namentlich Inconsequenzen der Orthographie und Transkription , bitte ich zu entschuldigen .

(13)

aus, hing

97 ).

ge-

1V0- Pro- Vf . liehe zung

yste -

ster -

ons. icher und Be¬

ation t die Idee r der

sch - ndere bitte

Einleitung .

Das vorliegende Buch unterscheidet sich von seinesgleichen dadurch , dass die Kritik der Quellen darin einen ebenso breiten Raum einnimmt als die Darstellung der Geschichte . Warum es so angelegt worden , wird es selber ausweisen ; hier soll nur gesagt werden , um was es sich in diesem ersten , kritischen Teile handelt . Die Frage ist , ob das mosaische Gesetz der Ausgangspunkt sei für die Geschichte des alten Israel oder für die Geschichte des Judentums , d. h . der Sekte , welche das von Assyrern und Chaldäern vernichtete Volk überlebte .

1. Es ist eine verbreitete Ansicht , dass die Bücher des Alten Testaments , im Ganzen und Grossen, sich nicht bloss auf die vorexilische Periode beziehen , sondern auch aus ihr stammen . Es sind die Reste, meint man , welche die Juden aus der Li¬

teratur des alten Israel retteten , das Erbe der Vergangenheit , von dem sie in Ermangelung eigenen geistigen Lebens zehrten . Auch wenn man nicht grade mit der Dogmatik das Judentum einfach als ein Vacuum betrachtet , über welches hinweg das Alte Testament ins Neue mündet , hält man doch insgemein daran fest , dass dasselbe an der Hervorbringung der Schriften , welche es in die heilige Sammlungaufnahm , nur ausnahmsweise einen Anteil gehabt habe . Aber die Ausnahmen , die manin der jüngsten und in der mittleren Schicht des Kanons zugibt , sind nicht so ganz geringfügig . Von den Hagiographen ist bei weitem der grösste Teil erweislich nachexilisch , erweislich vorexilisch dagegen nichts ; der Daniel reicht hinunter bis zu den makka - bäischen Kriegen , Esther vielleicht noch tiefer . Auch die pro¬

phetischen Schriften fallen durchaus nicht alle noch in die Königszeit , sondern zu einem sehr beträchtlichen Teile über -

Wellhauson , Geschichte IsraelsI.

(14)

(schreiten sie diese Grenze ; die im Kanon damit unter gleichem Namen zusammengefassten Historienbücher sind , wie wir sie haben , nach dem Tode des gefangenen Königs Jeehonja verfasst , der noch eine Weile über das Jahr 560 hinaus gelebt haben

muss . Bringt man nun auch die älteren Quellen in Anschlag , welche in Judicum Samuelis und Eegum vielfach benutzt und meist wörtlich aufgenommen sind , so beläuft sich doch die vor - exilische Literatur , die uns im Alten Testamente abzüglich des Pentateuchs erhalten ist , auf nicht viel mehr als die Hälfte vom Umfange des Ganzen. Das Uebrige gehört der späteren Pe¬

riode an ; darunter nicht bloss kümmerlicher Nachwuchs aus halb erstorbenen Trieben von ehemals , sondern auch so wert¬

volle und originelle Erzeugnisse , wie Isa . 40 — 66 oder Ps . 73 . Wir kommen zum Gesetze. Ausdrückliche Angaben über den Verfasser und die Abfassungszeit fehlen , wie gewöhnlich ; um uns ungefähr zu orientiren , sind wir darauf angewiesen , aus der Analyse des Inhalts passende Daten zu gewinnen und sie zu dem , was wir anderweit vom Verlaufe der israelitischen Ge¬

schichte wissen , in eine Beziehung zu setzen. Hier aber pflegt man den zu vergleichenden historischen Zeitraum von vornherein so abzustecken , dass das babylonische Exil als eine ebenso un - überschreitbare Grenze nach unten gilt wie der Auszug aus Ägypten nach oben . Verleiht etwa die Geschichte des Kanons ein Recht dazu ? Es könnte so scheinen . Das Gesetz ist am frühesten kanonisch geworden , durch Esra und Nehemia ; die Propheten sind beträchtlich später hinzugekommen , am spätesten die Hagiographen . Es liegt nun nahe , aus der Stufenfolge der Kanonisirung dieser Schriften auf eine ungefähre Stufenfolge ihres Alters zu schliessen und demgemäss nicht nur die Pro¬

pheten den Hagiographen , sondern auch die fünf Bücher Mosis den Propheten voranzustellen : wenn schon diese zum grösseren Teile der vorexilischen Zeit angehören , wie vielmehrjene ! Aber so zulässig eine derartige Vergleichung zwischen der mittleren und der jüngsten Schicht des Kanons sein mag , so unzulässig ist sie zwischen der ersten Schicht und den beiden anderen . Nemlich der Begriff des Kanons haftet an der .Thora und ist von da erst auf die übrigen Bücher übertragen ; den letzteren wuchs allmählich und unter der Hand ein gewisser Anteil an der Geltung zu , welche die Thora durch einen öffentlichen und

(15)

Einleitung . 3 ganz formellen Akt erlangt hatte , wodurch sie als die Magna Charta der jüdisehen Gemeinde eingeführt wurde , Nehem. 8— 10 . Bei jenen gehört der kanonische d. h. gesetzliche Charakter nicht zur Sache , sondern ist erst nachträglich hinzugetreten ; da muss ein längerer , kann ein sehr langer Zeitraum zwischen der Entstehung und der Sauktionirung gelegen haben . Dagegen der Thora ist der kanonische Charakter iu der Tat viel we¬

sentlicher ; die Annahme birgt Schwierigkeiten , dass das mosaische Gesetz im vorexilischen Altertum entstanden sei und dann erst viele Jahrhunderte später unter total veränderten Umständen Gesetzeskraft erlangt habe . "Wenigstens kann daraus , dass es die öffentliche Geltung als Gemeindebuch , die es beansprucht , früher gewonnen hat als Schriften , die darauf in keinerlei Weise angelegt sind , gewiss nicht gefolgert werden , dass es älteren Ursprungs sei als jene .

Somit lässt sich die Möglichkeit , dass das Gesetz des Juden¬

tums auch das Product des Judentums sei , nicht gleich vor der Türe abweisen , und es gibt dringende Gründe , sie in nähere Erwägung zu ziehen . Vielleicht schickt es sich , hier persönliche Erfahrung reden zu lassen . Im Anfange meiner Studien ward ich angezogen von den Erzählungen über Saul und David , über Elias und Ahab , und ergriffen von den Reden eines Arnos und Jesaia ; ich las mich in die prophetischen und geschichtlichen Bücher des Alten Testaments hinein . An der Hand der mir zugänglichen Hülfsmittel glaubte ich sie zwar leidlich zu ver¬

stehen , hatte aber dabei ein schlechtes Gewissen , als ob ich beim Dache statt beim Fundamente anfinge ; denn ich kannte das Gesetz nicht , von dem ich sagen hörte , es sei die Grundlage und Voraussetzung der übrigen Literatur . Endlich fasste ich einen Mut und arbeitete mich hindurch durch Exodus Leviticus und Numeri und sogar durch Knobel's Commentar dazu . Aber vergebens wartete ich auf das Licht , welches von hieraus auf die geschichtlichen und prophetischen Bücher sich ergiessen sollte . Vielmehr verdarb mir das Gesetz den Genuss jener Schriften ; es brachte sie mir nicht näher , sondern drängte sich störend ein , wie ein Gespenst , das zwar rumort , aber nicht sichtbar , nicht wirksam wird . Wo sich Berührungen fanden , da waren Differenzen damit verbunden und ich konnte mich nicht entschliessen , auf Seiten des Gesetzes das Ursprüngliche zu

(16)

sehen , z. B. die Weihung Simsons oder Samuels als fortge¬

schrittene Stufen des mosaischen Naziräats zu betrachten ; dunkel empfand ich einen allgemeinen Abstand zweier verschiedenen Welten . Jedoch zu einer klaren Anschauung gelangte ich keines¬

wegs , sondern nur zu einer unbehaglichen Confusion , die durch Ewald 's Erörterungen im zweiten Bande seiner Geschichte des Volkes Israel nur vermehrt wurde . Da erfuhr ich bei einem gelegentlichen Besuch in Göttingen im Sommer 1867 , dass Karl Heinrich Graf dem Gesetze seine Stelle hinter den Propheten anweise ; und beinah ohne noch die Begründung seiner Hypothese zu kennen , war ich für sie gewonnen : ich durfte mir gestehen , dass das hebräische Altertum ohne das Buch der Thora ver¬

standen werden könne .

Die Hypothese , die man nach K . H. Graf zu benennen pflegt , stammt nicht von ihm , sondern von Leopold George und Wilhelm Vatke . Diese sind ihrerseits von Martin Lebrecht de Wette aus¬

gegangen , dem epochemachenden ErÖffner der historischen Kritik auf diesem Gebiete *). Zu einer festen Position ist freilich de Wette nicht gelangt , aber er hat zuerst die Kluft deutlich empfunden und nachgewiesen , welche sich zwischen dem angeb¬

lichen Ausgangspunkte der israelitischen Geschichte und ihr selber auftut . Das in der Wüste auf so breiter Grundlage er¬

richtete Gebäude der religiösen Gemeinde , mit ihrem heiligen Mittelpunkt und ihrer uniformen Organisation , verschwindet spurlos , seit Israel landsässig und ein eigentliches Volk gewor¬

den ist. Die Kichterperiode stellt sich uns dar als ein buntes

') W. M. L. de "Wette , Beiträge zur Einleitung in das A.T ., Bd . I: Kri¬

tischer Versuch über die Glaubwürdigkeit der Bücher der Chronik , Bd .II : Kritik der Mosaischen Geschichte ; Halle 1806. 1807 . Was de Wette sonst geschrieben hat, ist weniger wichtig . J. F. L. George , die älteren Jü¬

dischen Feste mit einer Kritik der Gesetzgebung des Fentateuch ; Berlin 1835 (Vorrede vom 12. Oktober ). W. Vatke , die biblische Theologie wissenschaftlich dargestellt ; Berlin 1835 (Vorrede vom 18 .Oktober , nur der erste Teil des ersten Bandes ist erschienen). Vatke 's Buch ist der bedeu¬

tendste Beitrag , welcher überhaupt je zur Geschichte des alten Israel ge¬

leistet worden ist. — K. H. Graf , die geschichtliehen Bücher des A . T .; Leipzig 1866. Die beiden hier zusammengefassten Untersuchungen ent¬

sprechen genau denen im 1. und 2 .Bande von de Wette's Beiträgen . — Wenn im Folgenden einfach de Wette , George , Vatke , Graf citirt wird, so sind diese Bücher gemeint . Weitere Literaturangaben findet man in der

4. Aufl. von Bleek's Einl. ins A. T. §81ff.; auf dies Werk , so weit ich daran Anteil habe, sei überhaupt verwiesen zur Rechtfertigung gelegentlicher Behauptungen .

(17)

Einleitung . 5

Chaos , aus dem allmählich eine zusammenfassende Ordnung her¬

vorgeht , unter dem Druck der äusseren Umstände , aber auf eine höchst natürliche Weise und ohne jegliche Reminisceuz an eine einheitliche heilige Verfassung , die einst zu Recht bestanden hätte . Hierokratische Neigungen hat das hebräische Altertum gar nicht; die Macht ist lediglich bei den Geschlechts - und Familienhäuptern und bei den Königen , sie verfügen auch über den Gottesdienst und setzen die Priester ein und ab . Der Ein -

fluss , den die letzteren, besitzen , ist bloss ein moralischer ; die Thora Gottes ist nicht ein ihre eigene Stellung garantirendes Dokument in ihren Händen , sondern eiue Unterweisung für andere in ihrem Munde; sie hat wie das Wort der Propheten nur gött¬

liche Autorität , gilt nur so weit als sie freiwillig anerkannt wird . Was endlich die Literatur betrifft , die uns aus der Königszeit überliefert ist , so wird es dem besten Willen schwer, ein paar zwei¬

deutige Anklänge an 's Gesetz aufzustöbern ,die gar nichts bedeuten , wenn man bedenkt , was Homer für die Griechen gewesen ist .

Um das Befremden auf die Spitze zu treiben , kommt nun noch hinzu , dass im nachexilischen Judentum der bis dahin latente Mosaismus plötzlich überall zum Vorschein kommt. Da haben wir das Buch als Grundlage des geistigen Lebens , die Leute der Schrift " wie der Koran sagt , da haben wir das Heilig¬

tum , die Priester und Leviten im Mittelpunkt und das Volk als Gemeinde darum gelagert , da haben wir den Cultus , die Brand- und Sündopfer , die Reinigungen und Enthaltungen , die Feste und Sabbate genau nach der Vorschrift des Gesetzes , als die Hauptsache des Daseins . Man nehme die Gemeinde des zweiten Tempels und vergleiche sie mit dem alten Volke Israel , so hat man auch den Abstand dieses letzteren vom sogenannten Mosais¬

mus . Die Juden selbst haben diesen Abstand sehr wol empfun¬

den. Die gegen Ende des babylonischen Exils unternommene Bearbeitung der Bücher Judicum Samuelis und Regum , die weit stärker eingreift als man gewöhnlich annimmt , verdammt die ganze Königszeit als häretisch . Später gestaltete man die mehr und mehr mit einem gewissen Nimbus umgebene Vergangenheit lieber einfach ins Legitime um , als dass man sie verurteilte : die Chronik zeigt , wie sich die Geschichte des Altertums ausnehmen müsste unter der Voraussetzung , dass die mosaische Hierokratie ihr Grundinstitut gewesen sei .

(18)

2. Diese kurzen Bemerkungen haben nur den Zweck zu

zeigen , dass es kein eingebildetes , sondern ein wirkliebes und unabweisbares Problem ist , um das wir uns bemühen . Dasselbe soll damit nur eingeleitet werden , zu erledigen ist es nicht so

leicht , im Gegenteil schwierig genug . So schlechthin lässt sich die Frage überhaupt gar nicht aufwerfen , welche geschichtliche Stellung das Gesetz einnehme . Denn das Gesetz , wenn wir darunter den ganzen Pentateuch verstehen , ist keine literarische Einheit und keine einfache geschichtliche Grösse . Seit Peyrerius und Spinoza hat die Kritik den complicirten Charakter dieses merkwürdigen Schriftwerkes erkannt und seit Jean Astruc sich mit Erfolg bemüht , die ursprünglichen Bestandteile aus ihrer Verschlingung zu lösen ; sie ist gegenwärtig zu einer Anzahl von Ergebnissen gelangt , die als gesichert gelten können . Folgende sind darunter die vornehmsten . Die fünf Bücher Mosis gehören mit dem Buche Josua zusammen , indem nicht der Tod Mose ' s, sondern vielmehr die Eroberung des verheissenen Landes den wahren Abschluss zu der Erzvätergeschichte der Ausführung aus Ägypten und der Wüstenwanderung bildet : man redet also literarisch richtiger vom Hexateuch als vom Pentateuch . Aus diesem Ganzen löst sich am einfachsten das Deuteronomiumab , als ein von Haus aus selbständiges Gesetzbuch . Im Uebrigen tritt am markirtesten die s. g. Grundschrift hervor , ehedem auch , wegen der Anwendung des Gottesnamens Elohim bis auf Mose , als der Elohist , von Ewald , nach der regelmässigen Form der Kapitelüberschriften in der Genesis, als das Buch der Ursprünge bezeichnet . Sie zeichnet sich aus durch ihre Neigung zu Zahl und Mass , überhaupt zum Schema , durch ihre starre pedantische Sprache , durch die beständige Wiederholung gewisser Ausdrücke und Wendungen , die sich im älteren Hebraismus sonst nicht

finden : sie hat die ausgesprochensten Charakterziige und ist daher am leichtesten und sichersten zu erkennen . Ihr Grund¬

stock ist der Leviticus nebst den verwandten Teilen der an¬

grenzenden Bücher, Exod . 25 — 40 mit Ausnahme von Kap . 32 bis

34 , und Num . 1 10 . 15 — 19 . 25 36 mit geringen Ausnahmen . Sie enthält demnach vorzugsweise Gesetzgebung und zwar be¬

zieht sich selbige wesentlich auf den Cultus der Stiftshütte und was damit zusammenhängt . Historisch ist nur die Form , sie dient dem gesetzlichen Stoff als Rahmen um ihn anzuordnen ,

(19)

Einleitung . 7 oder als Maske um ihn zu verkleiden . Gewöhnlich ist der Faden der Erzählung sehr dünn und häufig nur dazu da , der Zeit¬

rechnung als Vehikel zu dienen, die von Erschaffung der Welt an bis zum Auszug aus Aegypten lückenlos fortgeführt wird ; nur wo die anderweitigen Interessen einspielen , schwillt sie an, wie in der Genesis bei den drei Vorstufendes mosaischenBundes, die sich an die Namen Adam Noah und Abraham knüpfen . Scheidet man nun ausser dem Deuteronomium auch diese Grund¬

schrift aus , so bleibt das jehovistische Geschichtsbuch übrig, welches im Gegensatz zu jenen beiden wesentlich erzählender Natur ist und den Ueberlieferungsstoff recht mit Behagen aus¬

breitet . Die Patriarchengesehichte , die ihr beinah ganz angehört , charakterisirt diese Schrift am besten ; dieselbe erscheint hier nicht als kurz abzumachende Einleitung für das Wichtigere , was kommen soll , sondern als eine ausführliehst zu behandelnde Hauptsache . Legislative Elemente finden sich nur an einer Stelle aufgenommen , wo sie notwendig in den historischen Zu¬

sammenhang hineingehören , nemlich bei der Gesetzgebung auf dem Sinai Exod . 20 — 23 . 34 .

Lange Zeit hat man sich mit dieser Zweiteilung des nicht - deuteronomischen Hexateuchs begnügt , bis Hupfeld in gewissen Stücken der Genesis, die man bis dahin theils der Grundschrift theils dem Jehovisten zugewiesen hatte , eine dritte zusammen¬

hangende Quelleaufwies, den s . g .jüngeren Elohisten . Der Name ist darum gewählt , weil auch hier Elohim die regelmässige Be¬

zeichnung der Gottheit ist , ebenso wie es in der Grundschrift bis Exod . 6 der Fall ist ; doch bleibt der Zusatz der jüngere Elohist besser weg , da er ein unberechtigtes Präjudiz enthält und zur Unterscheidung von der Grundschrift nicht mehr nötig

ist , seit für sie der in der Tat unpassende Name Elohist auf¬

gegeben worden ist . Hupfeld nahm nun an , dass die drei Quellen neutral neben einander hergelaufen seien , bis ein Späterer sie allesammt zugleich zu einem Ganzen vereinigt habe . Aber dies ist eine unhaltbare Vorstellung , der Elohist ist nicht bloss im Stoffe und in der Anschauung dem Jehovisten nächstverwandt , sondern er ist uns nur als ein Ingrediens der jehovistischen Schrift erhalten , wie dies zuerst Nöldeke deutlich erkannt hat . Dann bleibt es also , trotz Hupfeld's Entdeckung , dennoch bei der alten Zweiteilung in zwei grosse Schichten . Zugleich frei -

(20)

lieh erscheint wenigstens die eine Schicht ihrerseits schon als ein complicirtes Gebilde : sie ist in Wirklichkeit noch etwas complicirter als Nöldeke angenommen hat , indem nicht bloss eine , sondern zwei ältere Schriften zu Grunde liegen ; ausser der , die Elohim

sagt , eine andere und wichtigere , die Jahve sagt , ebenso wie der Eedaktor des jehovistischen Geschichtsbuches selber . Inner¬

halb des letzteren erscheinen nemlich die elohistischen Stücke fast regelmässig mit völlig selbständigen jahvistischen Parallelen

verarbeitet , die der Verarbeiter doch unmöglich selber gemacht , sondern nur aus einer anderen Quelle entlehnt haben kann . Ebenso hat übrigens auch die Grundschrift keinen streng ein¬

heitlichen Charakter , wenigstens was ihren Hauptteil betrifft . In Bezug auf Lev . 17 — 26 ist dies anerkannt , es gilt aber viel allgemeiner . Die ganze Cultusgesetzgebung , wie wir sie haben , ist ein Conglomerat , gleichsam die Arbeit einer ganzen Schule . An einen zu Grunde liegenden Kern , der in der Genesis ziem¬

lich rein vorliegt , haben sich , abgesehen von der Einfügung- älterer Aufsätze, eine Menge secundärer und tertiärer Nachwüchse angesetzt , die formell nicht dazu gehören , freilich aber materiell völlig gleichartig sind , überall an den Kern anknüpfen und in Tendenzen und Vorstellungen , in Manieren aud Ausdrücken völlig damit übereinstimmen , so dass das Ganze zwar nicht als eine literarische , dennoch aber als eine geschichtliche Einheit betrachtet werden kann . In einer längeren Abhandlung habe ich meine Ansicht über die Composition des Hexateuchs aus¬

führlich entwickelt ; ich bemerke aber , dass ich die dort ge¬

wonnenen Ergebnisse keineswegs schlechtweg zur Voraussetzung der folgenden Untersuchungen mache , vielmehr nur das für aus¬

gemacht ansehe , was mit Fug und Kecht dafür gelten darf. ')

]) Hermann Hupfelcl , die Quellen der Genesis und die Art ihrer Zu¬

sammensetzung ; Berlin 1853. — Julius Popper , der biblische Bericht über die Stifshütte , ein Beitrag zur Geschichte der Composition und Diaskeue des Pentateuchs ; Leipzig 1862. — Theodor Nöldeke , die s.g. Grund - schrift des Pentateuchs , in den Untersuchungen zur Kritik des A . T .; Kiel 1869. — John "William Colenso , the Pentateuch and Book of Joshua critically examined , Part V .VI Lond . 1865. 72. — J .Wellhausen , die Composition des Hexateuchs , in den Jahrbüchern für Deutsche Theologie 1876 S .392450. 531 — 602 , 1877 S .407479. Ich bezeichne das jeho- vistische Geschichtsbuch mit JE , die Elohimquelle mit E, die Jahvcquelle mit J ; für den Kern der Grundschrift , der sich durch seine historische Systematik auszeichnet , wende ich die Sigle Q und die Bezeichnung Vier¬

bundesbuch an. Uber die Redaktionsstufen zu reden , ist hier noch nicht

.der Ort .

(21)

Einleitung . 9 Das Gesetz nun , nach dessen geschichtlicher Stellung wir fragen , ist die s. g. Grundschrift , die nach ihrem Inhalt und Ursprung der Priestercodex zu heissen verdient und so auch hinfort genannt werden soll . Der Priestercodex prävalirt nicht bloss in Umfang , sondern auch in Geltung über die anderweitige Gesetzgebung , er gibt in allen Hauptsachen Mass und Ausschlag . Nach seinem Muster haben die Juden unter Esra ihre heilige Gemeinde eingerichtet und stellen auch wir uns die mosaische Theokratie vor : mit der Stiftshütte im Centrum , dem Hohen¬

priester als Haupt , den Priestern und Leviten als Organen , dem legitimen Cultus als ihrer regelmässigen Funktion . Dies Gesetz im eminenten Sinne ist es nun auch grade , welches in jene Schwierigkeiten verwickelt , die unser Problem begründen . Und nur hier herrscht der grosse Zwiespalt über die Entstehungs -

zeit . Bei der jehovistischen Schrift ist man in erfreulicher Weise darüber einverstanden, dass sie , ihrem Hauptbestande nach , durch Sprache Gesichtskreis und übrige Voraussetzungen der goldenen Periode der hebräischen Literatur zugewiesen wird , aus der die schönsten Stücke der Bücher Judicum Samuelis und Regum und die ältesten der uns erhaltenen prophetischen Schriften her¬

rühren , der Zeit der Könige und Propheten , die der Auflösung der beiden israelitischen Eeiche durch die Assyrer vorhergeht . Ueber den Ursprung des Deuteronomiums herrscht noch weniger Zweifel ; in allen Kreisen , wo überhaupt auf Anerkennung wissen¬

schaftlicher Resultate zu rechnen ist , wird anerkannt , dass es in der Zeit verfasst ist , in der es entdeckt und der Reformation des Königs Josia zu Grunde gelegt wurde : diese letztere ward etwa eine Generation vor der Zerstörung Jerusalems durch die Chaldäer durchgeführt . Nur beim Priestercodex gehen die An¬

sichten weit auseinander . Derselbe sucht nemlich mit Fleiss das Kostüm der mosaischen Zeit einzuhalten und seine eigene , so viel es immer geht , zu maskiren . Das Deuteronomium tut dies bei weitem nicht in dem Grade , lässt vielmehr die wirkliche Situation , die Periode , wo nach der Zerstörung Samariens nur das Reich Juda allein noch fortbestand , sehr deutlich durch die angenommene hindurchscheinen 12 , 8. 19 , 8. Der Jehovist nun gar will kein mosaisches Gesetz , sondern ein simples Geschichts¬

buch sein ; der Abstand der Gegenwart von der Vergangenheit , über die gehandelt wird , wird nicht im mindesten verdeckt ; hier

(22)

finden sich alle jene Bemerkungen , die zuerst Abenezra 's und später Spinoza's Aufmerksamkeit erregten , wie Gen . 12 ,6 : da¬

mals wohnten nemlich die Kanaaniter im Lande ; Gen . 36 , 31: das sind die Könige , welche in Edom herrschten , ehe die Kinder Israel einen König hatten ; Num . 12 , 6.7. Deut . 34 ,10 : es stand fürder kein Prophet in Israel auf , der Mose gleich gekommen wäre . Dahingegen der Priestercodex hütet sich vor jeder Hin¬

weisung auf die spätere Zeit , auf das ansässige Lehen im Lande Kanaan , welches sowohl im jehovistischen Bundeshuch Exod . 21 bis 23 wie im Deuteronomium die ausgesprochene Basis der Gesetzgebung ist ; er hält sich formell streng innerhalb der Situation der Wüstenwanderung und will allen Ernstes eine Wüstengesetzgebung sein . Es ist ihm wirklich gelungen , mit dem beweglichen Tabernakel , mit dem Wanderlager und dem übrigen archaistischen Schein seine wahre Abfassungszeit so zu verschleiern , dass die vielen materiellen Widersprüche gegen das uns anderweit bekannte vorexilische Altertum , die er ent¬

hält , nur als Zeichen davon aufgefasst werden , wie er über alle historische Zeit weit hinausrage und vor lauter Unvordenklichkeit kaum noch in einer Berührung damit stehe . Der Priestercodex also gibt uns das Rätsel auf .

3. Es war ein richtiger Instinct , dass die Kritik von dem zuerst in de Wette 's Geist aufgestiegenen und bestimmter von George und Vatke erfassten geschichtlichen Probleme vorläufig Abstand nahm und zunächst mit der Composition des Pentateuchs einigermassen ins Reine zu kommen suchte . Es war aber ein Irrtum , dass man mit dem Ausscheiden der Quellen — wobei man ganz sachgemäss die Hauptaufmerksamkeit immer nur auf die Genesis richtete — bei Wege lang auch jene grosse histo¬

rische Frage erledigt zu haben glaubte . In Wahrheit hatte man sie nur in Schlaf gesungen : es ist Grafs Verdienst , nach einer langen Zeit sie wiedererweckt zu haben . Seinerseits igno- rirte er dabei freilich , nicht zu seinem Vorteil , den Fortschritt der Secirarbeit und verwickelte sich dadurch in eine Verlegen¬

heitsannahme , die völlig unhaltbar war , indessen auch gar nicht mit der eigentlichen Hypothese zusammenhing und auf dem Stande , zu dem Hupfeld inzwischen die Quellenkritik gefördert hatte , von selbst wegfiel . Graf folgte nemlich anfangs der älteren besonders durch Friedrich Tuch vertretenen Meinung , dass der

(23)

Einleitung . 11 Priestercodex in der Genesis , mit seinem so nackt hervortre¬

tenden Skelett , die Grundschrift sei , der Jehovist aher der Er¬

gänzer und als solcher natürlich jünger ; da er nun die Cultus - gesetzgebung der mittleren Bücher umgekehrt für weit jünger hielt als den Jehovisten , so musste er dieselbe wol oder übel von ihrer Einleitung in der Genesis losreissen und das eng Zu¬

sammengehörige durch einen Zeitraum von einem halben Jahr¬

tausend trennen . Aber längst hatte Hupfeld zur Anerkennung gebracht , dass der Jehovist kein Ergänzer sei , sondern Verfasser eines vollkommen selbständigen Schriftwerks , und dass die Stücke , die wie Gen . 20 22 vorzugsweise als Beispiele jehovistischer Ueberarbeitung der Grundschrift vorgeführt wurden , in Wirklich¬

keit einer ganz anderen Quelle , dem Elohisten , angehörten . Da¬

durch war der Anstoss, über den Graf gestrauchelt war , bereits im Voraus beseitigt , eine unerwartete Bundesgenossin hatte ihm die Wege geebnet . Dem Winke A. Kuenens folgend , zögerte er nicht ihre Hand anzunehmen , er widerrief die gewaltsame Zersplitterung des Priestercodex und zog nun unbehindert aus den Ergebnissen , die er für den gesetzlichen Hauptteil gewonnen hatte , die Consequenz auch für den erzählenden Teil in der Genesis' ).

Die Inhaber der herrschenden Meinung wehrten sich , so gut sie vermochten , sie waren aber vom langen Besitze her ein wenig erstarrt auf ihren Hefen . Sie erhüben gegen den Grundstürzer eine Reihe von Einwänden , die alle mehr oder weniger an dem Fehler litten , dass sie das erschütterte Fundament zur Basis hatten . Stellen aus Arnos und Hosea wurden vorgebracht , welche Bekanntschaft mit dem Priestercodex verraten sollten ; wer aber diesen für jünger hielt als jene , auf den konnten sie

') K. H. Graf , die s . g. Grundschrift des Pentateuchs , in Merx' Archiv 1869

S . 466 —477. Schon in einem Schreiben an Kuenen vom 12. Nov . 1866 hatte er geäussert : vous me faites pressentir une Solution de cette enigme ... c 'est que les partics elohistiques de la Genese seraient postericures aux parties jehovistiques . — A. Kuenen , de Godsdienst van Israel II, Haarlem 1870, bes. S. 89 — 102 . Derselbe , de priesterlijke Bestanddeelen van rentateuch en Josua , in der Leidener Theol . Tijdschrii't 1870 S .391 bis 426 (Bleek * S. 153ff'.). Kuenen , den die Hebräer den Goel Grafs nennen würden , hat zur definitiven Ausgestaltung der Hypothese das Meiste beigetragen . Als ein halbes Zugeständnis der grösseren Altertiimlichkeit von JE gegenüber Q wird man es betrachten dürfen , dass Ewald eine An¬

zahl Stücke vom dritten und vierten Erzähler (= E und J) losreisst und daraus das Buch der Bündnisse formt , welches er vor das Buch der Ur¬

sprünge (= Q) setzt; s. Bleek 4S. COAnm.

(24)

keinen Eindruck machen . Fast ungeberdig stellte man sich darüber , dass die Cultusgesetzgebung nun unter das Deutero - nomium hinabgertickt war : mau berief sich darauf , dass letzteres erstere ja benutze. Aber die Spuren erwiesen sich als äusserst problematisch , während umgekehrt die totale Abhängigkeit des Deuteronomiums vom Jehovisten mit der grössten Klarheit her¬

vortrat . Man wies auf die letzte Redaktion des hexateuchischen Gesammtwerkes hin , die anerkanntermassen deuteronomistisch sei — es stellte sich aber heraus , dass die deuteronomistische Redaktion bei den zum Priestercodex gehörigen Stücken nirgend aufzuspüren war . Auch die Sprachgeschichte musste gegen Graf herhalten ; sie war es leider gewohnt als wächserne Nase behandelt zu werden . Kurz die Argumente , die ins Feld ge¬

führt wurden , entlehnten insgemein ihre Kraft der moralischen Uberzeugung , dass die Cultusgesetzgebung alt sein müsse und nicht erst in der Periode des Judentums niedergeschrieben sein könne : wenn sie vorher nicht wirksam , ja unter den vorexi - lischen Verhältnissen unausführbar gewesen sei , so könne sie ja darum doch vorher existirt haben. Diese Uberzeugung war um so unerschütterlicher, je weniger sie auf Gründen beruhte .

Von der Stelle , wo das Feuer angelegt war , hielt sich die Löschmannschaft fern . Ich meine das Gebiet der gottesdienst - lichen Antiquitäten und der herrschenden Religionsideen , in dem ganzen Umfange , wie Vatke es in seiner biblischen Theologie behandelt hat . Nur hier aber , wo der Kampf eigentlich ent¬

brannt ist , kann er zum Austrage gebracht werden . Indem ich dazu gegenwärtig den Versuch mache , gehe ich aus von der Vergleichung der drei Schichten des Hexateuchs , des Priester¬

codex des Deuteronomiums und des Jehovisten . Allerdings ent¬

halten die ersteren beiden, wie wir gesehen haben , Gesetzgebung , der letztere Erzählung ; aber wie der Dekalog Exod . 20 , das Zwei¬

tafelgesetzExod . 34 , und das BundesbuchExod . 21 — 23 zeigen ,fehlt dem Jehovisten das legislative Element nicht ganz , und in noch weit stärkerem Masse ist das historische im Priestercodex und im Deuteronomium vertreten . Ausserdem spiegelt sich immer in der Darstellung der Geschichte der gesetzliche , in der Darstellung der Gesetze der geschichtliche Standpunkt ab : an directen und in - direeten Vergleichungspunkten mangelt es also in keiner Weise . Dass nun die drei Schichten erheblich von einander abstehen ,

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Im Rahmen der ASEAN+3-Initiativen, also der Zusammen- arbeit zwischen ASEAN sowie China, Japan und Südkorea, hat sich Seoul pro- filiert. In der Entwicklungshilfe engagiert sich

Selbst wenn der Iran sich zur Es- kalation entscheiden sollte, sind sich die Befürworter eines Militärschlags sicher, dass der Westen iranische Ge- genangriffe abwehren

In den siebziger Jahren hieß es über das EU- Parlament: „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa.“ Auch wenn das Par- lament nicht mehr der Altherrenverein ist, der es

Die USA können sich selbstsüchtig und beschränkt verhalten, den Interessen ande- rer Nationen in die Quere kommen oder sogar schaden – und tun es auch –, aber dass sich

„Statt, wie im ursprünglichen Konzept aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) noch vorgesehen, den Sicherstellungsauftrag den KVen, die ihn bislang

Zur Vertiefung der Thematik sind Blätter hin- zugefügt, die eine persönliche Auseinandersetzung ermöglichen und zur Selbstreflexion anregen. Das Material kann

Beim Turnen am Stufenbarren bekommt Sina eine Zwei. Mit neuen Klamotten wird Sport glatt noch zu meinem Lieblingsfach, denkt sie. Melli kauft sich einen super Bikini. Im Spiegel

Christopher Tuplin supposes that, in Herodotus’ view at least, the earth was specifically connected with the growth of food, that earth and water therefore symbolize the