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Ingrid Sehrbrock Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Deutschland braucht ein starkes BAföG

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Ingrid Sehrbrock

Stellvertretende Vorsitzende

des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Deutschland braucht ein starkes BAföG

Es gilt das gesprochene Wort!

Berlin, 9. Dezember 2009

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Sehr geehrte Damen und Herren,

mehr als ein Jahr nach dem ersten Bildungsgipfel und wenige Tage vor dem Bildungsgipfel II am 16. Dezember müssen wir feststellen: Von einer Bildungsrepublik ist Deutschland noch weit entfernt. Immer noch hängt der Bildungserfolg junger Menschen in Deutschland sehr stark mit ihrer sozialen Herkunft zusammen. Das deutsche Bildungssystem ist eines der so- zial selektivsten weltweit. Dies gilt in besonderem Maße für die Hochschulen.

Eine aktuelle Studie des Hochschul-Informationssystems (HIS) hat gefragt, warum rund 86.000 potenzielle Studierende nach dem Abitur kein Studium beginnen. Ein Drittel dieser jungen Menschen gab an, dass ihnen schlicht das Geld dafür fehlt.

Gerade deshalb ist ein starkes BAföG der Schlüssel für Chancengleichheit im Hochschulsys- tem. Rund vier Millionen Menschen aus einkommensschwachen Familien konnten seit den siebziger Jahren dank der staatlichen Studienförderung studieren. Eine echte bildungspoliti- sche Erfolgsgeschichte.

Wie wichtig das BAföG ist, zeigt ein Blick in die 80er Jahre. Damals hat die Regierung Hel- mut Kohl das BAföG auf ein Volldarlehen umgestellt. Das Ergebnis: Der Anteil der Studie- renden aus einkommensschwachen Familien sank dramatisch, die Regierung musste 1988 gegensteuern.

Gerade diese Erfahrung zeigt: Wir müssen das BAföG hegen und pflegen. Doch in diesem Jahrzehnt wurde das BAföG sträflich vernachlässigt. Lediglich zwei Erhöhungen gab es bis- her – und das trotz deutlichen Anstiegs der Lebenshaltungskosten. Die Hochschulen wurden durch die Umstellung auf Bachelor und Master grundlegend umgekrempelt – doch das BA- föG ist noch immer nicht Bologna-tauglich. Und in Sonntagsreden wird immer wieder die Be- deutung des lebenslangen Lernens hervorgehoben, doch die BAföG-Förderung endet mit dem 30. Lebensjahr.

Der DGB begrüßt es deshalb ausdrücklich, dass die neue Bundesregierung das BAföG zum 1. Oktober 2010 erhöhen will. Wir brauchen eine Erhöhung der Fördersätze und Freibeträge sowie eine echte Strukturreform, die das BAföG Bologna-kompatibel macht, die Altersgrenze abschafft und endlich auch ein Teilzeitstudium fördert.

Der DGB präsentiert heute gemeinsam mit dem Deutschen Studentenwerk zehn Eckpunkte für ein starkes BAföG. Ich möchte aus Sicht der Gewerkschaften vier Punkte hervorheben.

Erstens: Wir brauchen eine deutliche Anhebung der Fördersätze (4%) und der Freibe- träge (5%).

Die Studierenden haben durch die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge kaum noch Zeit, nebenbei zu jobben. Und viele Eltern können das Studium nicht mehr mitfinanzie- ren. Eine Familie aus der unteren Einkommensschicht mit drei Kindern, von denen zwei Kin- der studieren - das ist heute fast nicht mehr möglich. Deshalb brauchen wir dringend eine Erhöhung der BAföG-Sätze und der Freibeträge für die Elterneinkommen.

Wir haben bei den Bedarfssätzen und den Freibeträgen dringenden Nachholbedarf, da es zwischen 2002 und 2008 sechs Nullrunden gegeben hat – während die Preise weiter gestie- gen sind. Die BAföG-Anhebung 2008 (10 Prozent bei den Bedarfssätzen und 8 Prozent bei den Freibeträgen) hat diese sechs langen Jahre ohne BAföG-Erhöhung nicht kompensieren können. Wir müssen deshalb bei der Neuberechnung der BAföG-Sätze die Preissteigerun- gen ab dem Jahr 2007 mit einkalkulieren. Das macht: bis zu 4 Prozent bei den Bedarfssät- zen und bis zu 5 Prozent bei den Freibeträgen.

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Mehr als ein halbes Jahrzehnt ohne BAföG-Erhöhung sollten wir den Studierenden nicht mehr zumuten. Die BAföG-Sätze sind deshalb künftig wieder regelmäßig und dynamisch an die Preis- und Einkommensentwicklung anzupassen – und das mindestens alle zwei Jahre bei Veröffentlichung des BAföG-Berichts. Die Bundesregierung darf sich nicht mehr mit Hin- weis auf die öffentlichen Haushalte aus der Verantwortung stehlen.

Zweitens: Wir wollen das BAföG Bologna-tauglich machen.

Die Studierenden dürfen nicht für die schlechte Umsetzung des Bologna-Prozesses bestraft werden. Deshalb muss das BAföG an Bachelor und Master angepasst werden. Unterbre- chungen zwischen Bachelor und Master müssen möglich sein.

Drittens: Die Altersgrenze muss abgeschafft werden.

Lebenslanges Lernen nicht nur zu predigen, sondern auch zu praktizieren heißt beim BAföG:

Abschaffung der Altersgrenze von bisher 30 Jahren. Wer z.B. nach Berufstätigkeit oder Kin- dererziehung wieder an die Universität will, darf nicht an starren und lebensfernen Vorschrif- ten scheitern.

Viertens: Wir brauchen ein echtes ein Schüler-BAföG.

Die höchsten Hürden auf dem Weg zum Studium liegen noch immer vor der Hochschule. Vor allem Kinder aus einkommensschwachen Familien machen selten das Abitur. Leider können nur noch Jugendliche ein Schüler-BAföG bekommen, die nicht bei ihren Eltern wohnen, weil sie einen unzumutbar weiten Schulweg haben, wenn sie einen eigenen Haushalt führen, verheiratet sind oder ein Kind haben. Diese Einschränkung hat dazu geführt, dass kaum noch Schülerinnen und Schüler an Oberstufen eine BAföG-Förderung erhalten. Bundesweit bekommen gerade einmal 9.440 Schülerinnen und Schüler an allgemein bildenden Schulen BAföG. Die Last für Lehr- und Lernmittel und Exkursionen müssen die Eltern alleine schul- tern.

Wir haben in Deutschland in den letzten Jahren eine deutliche Ausweitung des Niedriglohn- sektors und einen zunehmenden Druck auf die Löhne gehabt. Vor allem ärmeren Eltern fällt es schwer, ihren Kindern den Besuch eines Gymnasiums zu ermöglichen. Wir brauchen deshalb wieder ein echtes Schüler-BAföG. Jugendliche brauchen das BAföG, auch wenn sie bei ihren Eltern wohnen. So können wir mehr jungen Menschen das Tor zur Hochschule öff- nen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wie soll das finanziert werden? Ich möchte eine Zahl nennen: Zurzeit geben Bund und Län- der gemeinsam für das BAföG 2,3 Milliarden Euro aus – der Bund trägt davon 1,5 Milliarden Euro. Nach unseren Berechnungen dürfte der Mehrbedarf für eine BAföG-Erhöhung bei höchstens 130 Millionen Euro liegen. Nach einer echten Strukturreform liegt der Bedarf noch immer bei unter 3 Milliarden Euro.

Im Vergleich zu den Steuersenkungen, die die neue Regierung verspricht, nimmt sich der Mehraufwand für ein gutes BAföG geradezu bescheiden aus. Letztlich müssen Union und FDP entscheiden, welche Prioritäten sie setzen. Steuersenkungen, Haushaltskonsolidierung und Zukunftsinvestitionen in Bildung gleichzeitig – das passt nicht zusammen und wäre die Quadratur des Kreises. Das hat gestern nicht zuletzt der Bundesrechnungshof deutlich ge- macht. Zugespitzt geht es um die Frage: Will die Bundesregierung eine Senkung der Mehr- wertsteuer für Hotels? Oder will sie mit einem starken BAföG mehr jungen Menschen aus ärmeren Familien den Weg zur Hochschule ebnen?

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Sehr geehrte Damen und Herren,

Herzstück einer staatlichen Studienförderung muss das BAföG bleiben. Ich kann die Bundes- regierung nur warnen, zu sehr auf Stipendien und vor allem auf Kredite zu setzen. Stipen- dien können das BAföG nur ergänzen. Sie sind – dieses Jahr hat das gerade gezeigt – kon- junkturanfällig. Vor allem ein Punkt macht den Unterschied: Bei Stipendien sind die jungen Menschen auf das Wohlwollen der Geldgeber angewiesen, BAföG ist ein Rechtsanspruch.

Wenn also Parteien heute „Bildung ist ein Bürgerrecht“ auf ihre Plakate schreiben, müssen sie ein starkes BAföG wollen.

Auch Studienkredite sind kein geeignetes Mittel: Wer sein Studium durch Kredite finanzieren muss, startet mit einem Schuldenberg ins Berufsleben. Bis zu 100.000 Euro müssen mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden. Das schreckt vor allem Kinder aus ärmeren Familien vom Studium ab.

Wenn Deutschland eine Bildungsrepublik werden will, muss es für Chancengleichheit im Bil- dungssystem sorgen. Dazu gehört, dass wir die zahlreichen sozialen Hürden auf dem Weg an die Hochschulen und an den Hochschulen abräumen. Mehr junge Menschen gerade aus einkommensschwächeren Haushalten für ein Hochschulstudium zu gewinnen, damit für mehr Chancengleichheit zu sorgen und zugleich den künftigen Bedarf an Hochqualifizierten zu decken - das schafft man nur mit einem starken BAföG.

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