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Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens als Reformstrategie

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Heft 2 März/April 2018 D 7484

Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens als ReformstrategieZeitschrift für Pädagogik2/2018

n Thementeil

Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens als Reformstrategie

n Allgemeiner Teil

Education Made in Industry. Die Gestaltung physika- lischer Experimente für den Grundschulunterricht

Praktiken der Beziehungsgestaltung in Erziehungs stellen.

Rekonstruktionen der Relationierung von Nähe und Distanz in einem sozialpädagogischen Format der Hilfen zur Erziehung

Problemlagen und Beratungsbedarf in der Sekundar-

stufe I aus der Perspektive der Jugendlichen sowie

deren Eltern

(2)

I

Jahrgang 64 – Heft 2 März/April 2018

Inhaltsverzeichnis

Thementeil: Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens als Reformstrategie

Kerstin Rabenstein/Matthias Proske/Till-Sebastian Idel

Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens als Reformstrategie.

Zur Einführung in den Thementeil ... 147 Rita Stebler/Christine Pauli/Kurt Reusser

Personalisiertes Lernen – Zur Analyse eines Bildungsschlagwortes

und erste Ergebnisse aus der perLen-Studie ... 159 Kerstin Rabenstein/Till-Sebastian Idel/Sabine Reh/Norbert Ricken

Funktion und Bedeutung der Schulklasse im individualisierten Unterricht. Beobachtungen

zu Selbst-Anderen-Verhältnissen aus ethnographischen Fallstudien ... 179 Dennis Beach/Bettina Fritzsche

Die Auswirkungen individualisierender Tendenzen

im schwedischen Bildungssystem: Eine Meta-Ethnographie ... 198

Allgemeiner Teil Jochen Lange

Education Made in Industry. Die Gestaltung physikalischer Experimente

für den Grundschulunterricht ... 215 Maximilian Schäfer/Werner Thole

Praktiken der Beziehungsgestaltung in Erziehungsstellen.

Rekonstruktionen der Relationierung von Nähe und Distanz

in einem sozialpädagogischen Format der Hilfen zur Erziehung ... 232

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II

Problemlagen und Beratungsbedarf in der Sekundarstufe I

aus der Perspektive der Jugendlichen sowie deren Eltern ... 252

Besprechungen Heinz-Elmar Tenorth

Wortmann, Michael (2017): Der Freie Mann Friedrich August Eschen (1776 –  1800). Aus der Zeit ‚Grosser Klassiker‘.

Biografie Briefe Werke. Kontexte – Pädagogik – Rezeption ... 275 Wilfried Schubarth

Klaus Moegling (2017): Kultureller Transfer und Bildungsinnovation:

Wie Schulen die nächste Generation auf die Zukunft der Globalisierung

vorbereiten können ... 277

Dokumentation

Pädagogische Neuerscheinungen ... 280 Impressum ... U3

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III Table of Contents

Topic: Individualisation of Teaching and Learning as a Reform Strategy Kerstin Rabenstein/Matthias Proske/Till-Sebastian Idel

Individualisation of Teaching and Learning as a Reform Strategy:

An introduction ... 147 Rita Stebler/Christine Pauli/Kurt Reusser

Personalised Learning – On the analysis of an educational keyword

and first results from the ‚perLen‘-study ... 159 Kerstin Rabenstein/Till-Sebastian Idel/Sabine Reh/Norbert Ricken

Function and Meaning of the School Class in Individualised Learning Settings:

Observations of self and other relations from ethnographic case studies ... 179 Dennis Beach/Bettina Fritzsche

The Consequences of Individualising Tendencies

in the Swedish Education System: A meta-ethnography ... 198

Articles Jochen Lange

Education Made in Industry: The development of scientific teaching material

for primary school education ... 215 Maximilian Schäfer/Werner Thole

Practices of Arranging Relationships in ‘Erziehungsstellen’.

Reconstructions of closeness-distance-relations in an institution

of residential care ... 232 Petra Wagner

Challenges and Counseling Needs in Lower Secondary Schools

from the Perspective of Students and Parents ... 252

Book Reviews ... 275 New Books ... 280 Impressum ... U3

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IV

Geschäftsbericht der Redaktion zum Jahrgang 63 (2017)

Im Jahr 2017 wurden der Redaktion der Zeitschrift für Pädagogik 109 Manuskripte zu- gesandt, bei zwölf von diesen Manuskripten ist das Begutachtungsverfahren noch nicht abgeschlossen (Stand: 27. Februar 2018). Hinzu kommen 23 direkt bei den verantwort- lichen Betreuer_innen der Thementeile bzw. des Beiheftes eingereichte Manuskripte.

Alle bei der Redaktion eingereichten Manuskripte wurden, wie bei der Zeitschrift für Pädagogik üblich, durch zwei unabhängige Gutachten geprüft. Auf deren Grundlage entschied die Redaktion über die Annahme oder Ablehnung eines Textes bzw. über Vor- schläge zu einer Überarbeitung der eingereichten Texte.

Nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens wurden neun Manuskripte nach Über- arbeitung für den Druck angenommen, sieben weitere werden erwartet. Bei 15 Manu- skripten steht eine grundlegende Überarbeitung noch aus. Insgesamt wurden 64 Ma- nuskripte zurückgewiesen.

Ferner sind im Jahr 2017 fünf Rezensionen erschienen. Die veröffentlichten Bespre- chungen setzen sich aus drei Einzelrezensionen und zwei Besprechungen zu jeweils zwei Veröffentlichungen zusammen. Insgesamt wurden im Jahrgang 2017 somit sieben Publikationen rezensiert.

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Z.f.Päd. – 64. Jahrgang 2018 – Heft 2

Thementeil

Kerstin Rabenstein/Matthias Proske/Till-Sebastian Idel

Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens als Reformstrategie

Zur Einführung in den Thementeil

Mit diesem Themenheft wird eine Reformstrategie von Unterricht und Schule zum Ge- genstand der Analyse gemacht, die seit einiger Zeit zunehmend als Antwort auf eine ganze Reihe von als dringlich angesehenen Problemen im Bildungssystem aufgerufen wird. Insbesondere gilt sie im Verbund mit einer Öffnung von Unterricht (vgl. Bohl, 2006) und Angeboten individueller Förderung (vgl. Klieme & Warwas, 2011) als ad- äquate Strategie, um einerseits auf veränderte Anforderungen von als heterogen wahr- genommenen Lerngruppen und andererseits auf gestiegene Ansprüche an Leistung und Leistungsbereitschaft von Schüler*innen im gesellschaftspolitischen und pädagogi- schen Nach-PISA-Diskurs zu reagieren (vgl. Wischer, 2014). Entsprechend wird ‚Indi- vidualisierung‘ als Mittel der Wahl aufgerufen, wenn es um eine angemessene Reaktion auf Probleme fehlender Leistung bzw. Leistungsbereitschaft, um kompensatorische Re- duktion von Chancenungleichheit sowie um inklusive Beschulung geht.

Die vielfältigen Erwartungen, die mit ‚Individualisierung‘ als Konzept der Unter- richtsreform verbunden sind, speisen ihre Überzeugungskraft im schulpädagogischen Diskurs vor allem aus zwei Quellen: Zum einen tritt es als Gegenentwurf zu klassen- förmig organisiertem ‚Lernen im Gleichschritt‘ auf. Dieses gilt in didaktischer bzw.

schulpädagogischer Perspektive seit jeher als Einschränkung, wenn nicht gar als Hin- dernis der Aneignungs- und Lernbemühungen des Einzelnen (vgl. Bräu & Schwerdt, 2005; Trautmann & Wischer, 2008). Und zum anderen betont es mit Bezügen zu kon- struktivistischen Lerntheorien, dass Lernen durch andere – durch Lehren – kaum her- gestellt, allenfalls stimuliert werden kann, aber vor allem als eine selbstständig zu ver- antwortende Aktivität des Individuums zu verstehen ist (vgl. Terhart, 1999). Beide Perspektiven profitieren nicht nur im Sinne wechselseitiger Legitimationsgewinne im Unterrichtsreformdiskurs voneinander (vgl. Bellmann & Waldow, 2007), sie treffen sich zudem in einer Art Versprechen, dass von größeren Spielräumen für die Selbsttätigkeit des lernenden Subjekts im Unterricht ein höherer Ertrag der Lernenden zu erwarten sei.

Mit Individualisierung als Reformstrategie für Unterricht ist dementsprechend ein breites Feld für die erziehungswissenschaftliche Forschung benannt. Es finden sich viel-

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fältige, kaum miteinander in Zusammenhang gesetzte und insgesamt noch wenig sys- tematisierte Forschungsaktivitäten, wie einige Sammelpublikationen der letzten Jahre zeigen (vgl. Klieme & Warwas, 2011; Hardy et al., 2011; Warwas, Hertel & Labuhn, 2011; Rabenstein & Wischer, 2016; Ricken, Casale & Thompson, 2016; Heinzel &

Koch, 2017; Rabenstein et al., im Erscheinen).

Das vorliegende Heft hat vor diesem Hintergrund der Ausdifferenzierung der erzie- hungswissenschaftlichen Beschäftigung mit Individualisierung zum Ziel, drei Aspekte und damit auch drei unterschiedliche Zugänge zum Thema sichtbar zu machen: erstens die Frage nach den Wirkungen von individualisierten Unterrichtsformaten auf Lernen aus der Perspektive der empirischen Lehr-Lernforschung, zweitens die Frage nach der Produktion bzw. Reproduktion sozialer Ungleichheiten im Zuge von Individualisie- rungsreformen im Bildungssystem am Beispiel von Forschungen zu Schweden, und drittens die Frage nach der Bedeutung und Funktion von Schulklassen im Kontext der Individualisierung von Lehren und Lernen in sozialtheoretischer Perspektive. Im Fol- genden führen wir in die drei Beiträge des Heftes ein und machen abschließend zudem auf weitergehenden Forschungsbedarf zur Individualisierung von Lehren und Lernen in sozialtheoretischer Perspektive aufmerksam. Das Desiderat einer noch mangelnden sys- tematischen Zusammenschau der unterschiedlichen Forschungen zur Individualisierung beseitigt dies freilich nicht.

1. Die Frage nach den Wirkungen individualisierter Lehrangebote auf Lernen

Die Befunde zu der Frage, ob individualisierende Unterrichtsformate die Leistungsent- wicklung den Erwartungen gemäß ebenso bzw. besser fördern als durch direkte Instruk- tion und ob dies für alle Schüler*innen gleichermaßen gilt, sind nach wie vor unüber- sichtlich (vgl. Lipowsky & Lotz, 2015; Decristan et al., 2017). Dies liegt u. a. daran, dass bisher keine Studien größeren Umfangs vorliegen, die den Lernertrag der Schüler*in- nen in situ untersuchen, d. h. in den vielfältigen, kaum oder schwer vergleichbaren For- men individueller Förderung und individualisierter Arbeitsweisen in den verschiedenen Schulstufen und Schulformen. Die große Varianz an Formaten von der Wochenplan- arbeit über Lernbüros sowie die unterschiedlichen Varianten, in denen Einzelschulen wiederum die Formate ‚rezipieren‘ und eingepasst in ihr Selbstverständnis und die von ihnen tradierten Formen von Lehren und Lernen umsetzen, ist kaum trennscharf von- einander abzugrenzen (vgl. Lipowsky, 2002; Lüders & Rauin, 2004). In Bezug auf den Forschungsstand wird vorsichtig formuliert: „Nach den bisherigen Studien, die indivi- dualisierten Unterricht und Formen von Binnendifferenzierung genauer untersuchen, erfüllen sich die Erwartungen, die man mit diesen Formen des Unterrichts verbindet, nicht in dem erhofften Maße“ (Lipowsky & Lotz, 2015, S. 162). Erklärt wird dies mit der fehlenden „Qualität der Umsetzung“ und dem Ausbleiben „vertiefter Lernprozesse“

(Lipowsky & Lotz, 2015, S. 163).

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Rabenstein/Proske/Idel: Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens … 149 Für die Forschung, die sich für individuelle Förderung als Reformstrategie zur Steige- rung von Lern- und Leistungserträgen von Schüler*innen interessiert, lassen sich zwei Vorgehensweisen unterscheiden: In einem Großteil der zumeist quantitativen empiri- schen Forschung wird Individualisierung bislang mit dem Fokus auf Gestalt und Ef- fekte individueller Förderung thematisiert (vgl. Klieme & Warwas, 2011). Der Schwer- punkt der Forschung lag dabei lange Zeit auf der Grundschule (vgl. Rogalla & Vogt, 2008; Hardy et al., 2011; Warwas et al., 2011; Kopp et al., 2014; Solzbacher, Behrensen, Sauer hering & Schwer, 2012; Hertel, 2014). Hier liegen vor allem auch Interventions- studien vor, die mithilfe quasi-experimenteller Designs die Wirkungen unterschiedlicher Varianten der Steigerung der Adaptivität von Lehrangeboten – d. h. der Passgenauigkeit der Lehrangebote zu den Lernvoraussetzungen und dem Vorwissen von Lernenden – schulstufen- und schulform- sowie fachspezifisch untersuchen (vgl. Lipowsky & Lotz, 2015; Decristan & Hardy, im Erscheinen). Darüber hinaus werden etwa mit Befragun- gen von Schulleitungen und/oder Lehrkräften Voraussetzungen, Vorkommen und Aus- maß unterschiedlicher Formate individueller Förderung in Schulkonzepten und im Un- terrichtsalltag ermittelt (vgl. z. B. Kunze & Solzbacher, 2009). Vermehrt sind dabei auch die Sekundarstufen I und II im Fokus (vgl. Racherbäumer & Kühn, 2013; Kühn, 2014;

Lindemann, Glesemann & Jäger, 2014).

Der Beitrag von Rita Stebler, Christine Pauli und Kurt Reusser mit dem Titel Per- sonalisiertes Lernen – Zur Analyse eines Bildungsschlagwortes und erste Ergebnisse aus der perLen-Studie nimmt die Frage nach Verbreitung, Vorkommen und Ausgestal- tung ‚personalisierten Lernens‘ an 66 Schulen in der Schweiz auf. Personalisiertes Lernen wird dabei als eine spezifische Variante der Individualisierung im Unterricht eingeführt. Diskutiert werden zudem angesichts der großen Varianz an Realisierungs- formen Personalisierten Lernens die methodologischen Herausforderungen der Studie.

2. Die Frage nach den Folgen von Individualisierung als Reformstrategie in Bezug auf soziale Ungleichheit

In modernisierungstheoretischer Perspektive, die Individualisierung als Vergesellschaf- tungsform versteht und als Freisetzung der Individuen von traditionellen Bindungen mit all ihren ambivalenten Wirkungen beschreibt, wird davon ausgegangen, dass sich Un- gleichheitsordnungen im Zuge fortschreitender Individualisierung wandeln (Schneider

& Kraus, 2014, S. 11): Es verändert sich, welche Personengruppen von welchen Un- gleichheiten in welchem Ausmaß wie betroffen sind und welche Ungleichheiten inwie- fern als (il)legitim gelten. Hingewiesen wird zudem darauf, dass und wie Ungleichheiten im Zuge einer fortschreitenden Individualisierung nicht mehr als kollektives, sondern als „individuelles Schicksal infolge eigener Versäumnisse und Defizite“ (Schneider &

Kraus, 2014, S. 14) interpretiert werden. Im didaktischen und Unterrichtsreformdiskurs sind Konzepte der Individualisierung, inneren Differenzierung bzw. adaptiver Lehr- kompetenzen seit jeher mit Erwartungen an eine kompensatorische Wirkung in Bezug auf Benachteiligungen verbunden. Wenig ist bislang allerdings bekannt über die mittel-

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und langfristigen Wirkungen und Zusammenhänge der Individualisierung von Lern- angeboten in als heterogen angesehenen Lerngruppen auf der einen Seite und der Per- sistenz und/oder Transformation von Ungleichheitsordnungen auf der anderen Seite.

Aus der Sicht der an den Effekten auf Leistung und Lernen interessierten Forschung scheint eher Skepsis hinsichtlich der Erwartungen an kompensatorische Wirkungen ge- boten: So fassen Frank Lipowsky und Miriam Lotz (2015, S. 167) zusammen: „Nach al- lem, was in der Forschung bislang bekannt ist, sind Formen der Individualisierung nicht oder allenfalls bedingt geeignet, die Leistungsschere zwischen stärkeren und schwäche- ren Schülern zu verringern, sofern man diese kompensatorische Funktion überhaupt als Ziel verfolgt. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass sich die Leistungsschere zwischen stärkeren und schwächeren Schülern, wenn sich der Unterricht durch wenig Lehrerlen- kung und wenig Strukturierung auszeichnet, eher weitet.“ Auch zu der Frage, welchen Einfluss die Heterogenität einer Lerngruppe wiederum auf die Leistungsentwicklung der Schüler*innen haben kann, ist wenig bekannt (Decristan & Hardy, im Erscheinen).

In der ethnographischen Forschung wird darauf aufmerksam gemacht, dass indivi- dualisierender Unterricht keineswegs (nur) als Antwort auf eine zunehmend als hetero- gen wahrgenommene Schüler*innenschaft zu verstehen ist, sondern vielmehr selbst in Bezug auf Schulleistungen auch differenzierend wirkt. Zu individualisierten Formaten von Lehren und Lernen – etwa zu Wochenplanarbeit oder Unterricht in Lernbüros – werden die Prozesse der Differenz(re)produktion im Unterricht entlang von für selbst- ständiges Arbeiten relevanten pädagogischen Normen rekonstruiert. Beschrieben wird, welche normativen Erwartungen an Verhalten, Aufmerksamkeit und Vorgehen beim Lernen gegenüber den Schüler*innen differenzierend aufgerufen werden: Beobachtet werden Differenzierungen entlang normativer Erwartungen an Tempo und Voranschrei- ten beim Lernen (vgl. Reh, 2011; Budde, 2013; Breidenstein, Menzel & Rademacher, 2013; Breidenstein, Dorow, Menzel & Rademacher, 2017), Orientiertheit in Bezug auf Aufgaben und Materialien (vgl. Reh & Rabenstein, 2012), Angepasstheit an schulische Verhaltensnormen (vgl. Menzel & Rademacher, 2012), Selbstständigkeit im Sinne von Selbstorganisation und -reflexion (vgl. Rabenstein, 2007; Rabenstein & Reh, 2013) und im Sinne von Kreativität (vgl. Reh, Rabenstein & Idel, 2011). Herausgearbeitet wird dabei eine Ausdifferenzierung und Verschiebung von dem, was im individualisierten Unterricht als Leistung erwartet, gezeigt und bewertet wird (vgl. Rabenstein, Idel &

Ricken, 2015). Mittel- oder langfristige Wirkungen auf die Individuen bzw. ihre Leis- tungsentwicklung werden in diesen Studien nicht zum Gegenstand gemacht.

In dem Beitrag von Dennis Beach und Bettina Fritzsche in diesem Heft zu den Auswirkungen individualisierender Tendenzen im schwedischen Bildungssystem: eine Meta-Ethnographie werden demgegenüber Entwicklungen im Zusammenhang mit In- dividualisierung als umfassende bildungspolitische Reformstrategie untersucht. Mittels einer meta-ethnographischen Analyse mehrerer ethnographischer Studien zu Entwick- lungen an Einzelschulen und zu den Folgen der Wahlmöglichkeiten im Hochschul- bereich wird nach den sozialen Konstruktionen schul(miss)erfolgreicher Schüler*innen bzw. Studierender gefragt.

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Rabenstein/Proske/Idel: Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens … 151 3. Die Frage nach der Sozialform individualisierenden Lehrens

und Lernens

Stehen im pädagogischen Diskurs – wie in der Tendenz im pädagogisch-psychologi- schen und didaktischen Diskurs zur Individualisierung – vor allem Fragen des selbsttäti- gen und kompetenten Selbst im Zentrum, wird das pädagogische Problem – die Frage nach den Möglichkeiten von Erziehung bzw. Lehren – kaum mehr als „sozial justiertes Problem“ (Ricken, im Erscheinen) verhandelt. Fokussiert werden vielmehr einer seits die Bedingungen für lernförderliche Vermittlungsaktivitäten aufseiten des Lehrer*in- nenselbst und andererseits die Bedingungen für die auf diese reagierenden Aneignungs- prozesse aufseiten des Schüler*innenselbst. ‚Andere‘ – Mitschüler*innen und/oder Lehrkräfte – erhalten ihre Bedeutung in dieser Perspektive nur noch durch ihr vermeint- liches Vermögen, auf das selbsttätige und kompetente Schüler*innenselbst einzuwirken.

Die Sozialform der Individualisierung selbst gerät damit aus dem Blick.

Nimmt man den pädagogischen Diskurs, aber auch die erziehungswissenschaftliche Evaluierungs- und Begleitforschung zur Reformstrategie der Individualisierung schu- lischen Lernens und Lehrens aus einer sozialwissenschaftlich informierten Beobachter- perspektive in den Blick, dann fällt auf, dass dort das soziologisch-zeitdiagnostische Individualisierungstheorem zwar aufgenommen wird, die sozialtheoretische Verortung des Phänomens jedoch weder als Desiderat angemahnt wird noch die Potenziale einer solchen Verortung genutzt werden. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen finden sich keine Bezugnahmen auf die primär soziologisch geführte Debatte zur Individualisie- rung. Weder die Thesen von Norbert Elias zur „Gesellschaft der Individuen“ (1987) noch Markus Schroers gesellschaftstheoretische Unterscheidung von positiver, negati- ver und ambivalenter Individualisierung (2001) und auch nicht das überaus breit rezi- pierte Individualisierungstheorem von Ulrich Beck (1986) bilden eine sozialtheoretische Referenzfolie, zu der sich die pädagogisch-programmatischen Appelle, Konzepte und Begründungen für individualisiertes Lernen in der Schule, aber auch die erziehungswis- senschaftlichen Evaluationen dieser schulpädagogischen Reformbemühungen ins Ver- hältnis setzen. Diese Leerstelle ist kein Zufall. Wir interpretieren sie als Symptom einer mangelnden sozialtheoretischen Rückbindung der schulpädagogischen Perspektivie- rung individualisierten Lernens und Lehrens (vgl. auch Bellmann, 2016; Ricken, Casale

& Thompson, 2016; Ricken, 2016, im Erscheinen). Diese sozialtheoretische Klärung und Verortung der Begriffe Individualität und Individualisierung wiederum scheint uns eine notwendige Voraussetzung zu sein, um die Transformationen, die mit der Indivi- dualisierung schulischen Lehrens und Lernens einhergehen, weitergehend zu verstehen.

Der Beitrag von Kerstin Rabenstein, Till-Sebastian Idel, Sabine Reh und Norbert Ricken nähert sich der Frage nach der Sozialform der Individualisierung über die Frage nach Funktion und Bedeutung der Schulklasse im individualisierten Unterricht. Be- obachtungen zu Selbst-Anderen-Verhältnissen aus ethnographischen Fallstudien. Im Zentrum stehen methodologische Weichenstellungen und Befunde aus dem Forschungs- projekt „Gemeinschaft und soziale Heterogenität in Eingangsklassen reformorientierter Sekundarschulen“ (GemSe).

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4. Forschungsdesiderat: Zur Sozialität der Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens

Prüft man zunächst einschlägige Definitionen, bildet die Besonderheit des Einzelnen den kollektiv geteilten Bedeutungskern, der die Verwendung des Begriffes Individuali- tät bis in die Gegenwart prägt (vgl. Luhmann, 1989; Scherr, 1995; Meyer-Drawe, 2004;

Ricken, 2014). Die ‚Entdeckung des Individuums‘ als besonderer Einzelner verweist auf ein historisches Muster der Selbstbeschreibung, das eng mit dem europäischen Mo- dernekonzept verknüpft ist (vgl. van Dülmen, 1997). Für die Pädagogik wiederum ist dieses Selbstbeschreibungsmuster hoch anschlussfähig, insofern das Konzept der Bil- dung ohne Individualität nicht zu denken ist und in die verschiedenen pädagogischen Strömungen in unterschiedlicher Form Eingang gefunden hat (Ricken, 2014, S. 560 –  561). Formeln wie „Charakterstärke der Sittlichkeit“ bei Herbart oder „Mündigkeit“ in der kritisch-emanzipatorischen Pädagogik zeugen von dieser Nähe zwischen pädagogi- scher Semantik und dem Theorem der Individualität.

Mit Blick auf eine wiederkehrend zu beobachtende Instrumentalisierung des Indivi- dualitätstheorems, in der unverwechselbare Ansprüche des Individuums gegenüber den Ansprüchen von gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen aufgerufen werden und die in der Pädagogik auch gerne als Opposition von Selbst- und Fremdbestimmung beim Lernen aufgegriffen wurde, wird aus sozialtheoretischer Perspektive jedoch dar- auf insistiert, dass der Prozess der Individualisierung selbst einen spezifischen „Mo- dus der Vergesellschaftung“ beschreibt (bereits Beck, 1986, S. 205). Individualisie- rung meint insofern immer eine spezifische Form der Einbindung von Individuen in soziale Formationen. Damit wird auch eine Dichotomie entkräftet, die dem Individua- lisierungsbegriff häufig unterlegt ist: Individualität nämlich als strikte Selbstbezüglich- keit und Selbstreferenz zu verstehen und damit als Gegenbegriff zu Formen der sozialen Bindung an Organisationen, Gruppen, Vereine, Gemeinschaften, Bewegungen u. ä. m.

zu konstruieren.

Versucht man die spezifische Form der „Sozialität der Individualisierung“ (Ricken et al., 2016) für die Gegenwart zu präzisieren, liefert die zeitdiagnostisch angelegte Analyse zur „Gesellschaft der Singularitäten“ von Andreas Reckwitz (2017) auch für das Feld von Unterricht und Bildung wichtige Hinweise. Reckwitz’ These lautet, dass in der Spätmoderne die Logik des Besonderen mit ihrer Betonung des Einzelnen und Außergewöhnlichen zur Vordergrundstruktur geworden ist, hinter der die Logik des All- gemeinen mit ihren Merkmalen der Rationalisierung, Formalisierung, Standardisierung und Generalisierung, die in der klassischen Moderne die dominante soziale Logik dar- stellte, zurückgetreten ist (Reckwitz, 2017, S. 27).

In Bezug auf die Institution Schule und ihre Sozialgestalt des klassenförmig und öffentlich organisierten Unterrichts kann auf der Folie von Reckwitz’ Unterscheidung zunächst konstatiert werden, dass der Logik des Allgemeinen historisch eine starke Prägekraft zukommt. Sie materialisiert sich in drei zentralen Aspekten: in der Öffent- lichkeit der Schulklasse und der durch sie ermöglichten sozialen Umformung indivi- dueller Erfahrungen und individuellen Verhaltens, in der normierenden Generalisierung

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Rabenstein/Proske/Idel: Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens … 153 von Wissenserwartungen und im schulischen Leistungsuniversalismus: Im traditionel- len Unterricht in Schulklassen werden aufgrund der polyadisch-zentrierten Struktur der Kommunikation alle Anwesenden in unterschiedlichen Partizipationsformaten in die sprach- und verhaltensbasierte Inszenierung öffentlichen Denkens inkludiert. Schü- ler*innen können beobachten, welches sprachliche und nichtsprachliche Verhalten öf- fentlich als für den Fortgang des Unterrichts nützlich behandelt wird, wie dabei Wissen über anschlussfähige Beiträge sichtbar und hörbar zur Sprache gebracht und insofern so- zial validiert und geteilt wird (vgl. Proske, 2016). Die Unterrichtskommunikation in der Schulklasse enthält – mit Hannah Arendts Öffentlichkeitsbegriff gesprochen – ein so- zial- und sachbezogenes Verallgemeinerungsmoment, insofern sie erstens individuelle Erfahrungen – unter den Bedingungen allgemeiner wechselseitiger Beobachtbarkeit – in eine „für öffentliches Erscheinen geeignete Form“ umformt (Arendt, 1958/2002, S. 63) und zweitens eine „Dingwelt“ als zumindest wiederkehrend aufrufbare sachliche Referenz etabliert und dabei Schüler*innen über die wissensbezogene Kommunikation im Klassenunterricht „versammelt und miteinander verbindet“ (Arendt, 1958/2002, S. 68 –  69).

Auch in der Sprache der gegenwärtigen Kompetenzorientierung ist diese soziale und sachliche Generalisierungslogik erkennbar, denn Kompetenzbeschreibungen sind die Basis von Bildungsstandards, die als normierende Größen universalisierte wissensbezo- gene Fähigkeitserwartungen formulieren, die für alle gelten. Wissensbezogenen Kom- petenzstandards ist eine tiefgreifende soziale Unausweichlichkeit eingeschrieben. Die Sozialität der Individualisierung macht sich damit hier in einer Weise bemerkbar, dass jeder sich als Einzelner zu diesem Standard in Beziehung setzen muss. Ähnliches lässt sich schließlich für den auf gesetzten sachlichen Maßstäben beruhenden Leistungsuni- versalismus der allgemeinbildenden Schule beobachten, der die systematische Bewer- tung und Differenzierung der Einzelnen entlang der Skala von besser/schlechter dauer- haft antreibt.

Empirisch liegen gegenwärtig erste Hinweise dazu vor, wie die von Reckwitz be- schriebene „Logik des Besonderen“ die Öffentlichkeit in individualisierten Lehr-Lern- settings transformiert. Beobachtet werden kann, wie im Zusammenspiel mit den Mate- rialitäten für individualisierende Lernangebote (Materialien, Arbeitsplätze, Hilfsmittel, Lernpartner*innen etc.), die u. a. mit dem pädagogischen Großraum geschaffen wer- den, und den in Re-Adressierungen entstehenden Positionierungen der Lernenden zu- einander Varianten von Besonderungen von Schüler*innen entstehen, etwa in Bezug darauf, wer wo (nicht) sitzen darf oder wer was (nicht) selbst entscheiden darf (vgl.

Reh, 2011). In Bezug auf die Zeitdimension individualisierten Unterrichts zeigt sich die Besonderung in einer gesteigerten Verantwortung des Einzelnen für eine „sinnvoll“

und „effizient“ einzusetzende Zeit (vgl. Breidenstein, Dorow, Menzel & Rademacher, 2017, S. 50). Nadine Rose (2016) arbeitet zudem heraus, wie neben den Subjektivie- rungsmodus der Besonderung auch solche der Darstellung als authentisches, geständi- ges und um sein Image stets besorgtes (Lern-)Subjekt treten. Die Anforderungen, sich qua Selbstkontrolle ‚freiwillig‘ an schulische Erwartungen anzupassen (vgl. Menzel &

Rademacher, 2012), werden angesichts der Unmöglichkeit, sie je angemessen einzulö-

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sen (vgl. Rose, 2016) u. a. durch Distanzierungsbewegungen wie z. B. Ironisierungen bearbeitet (vgl. Rabenstein, 2007).

In Bezug auf die Frage, wie gesteigerte Möglichkeiten der Selbsttätigkeit in indivi- dualisierten Lehr-Lernsettings die Art und Weise der Thematisierung schulischen Wis- sens beeinflussen, zieht sich die These der Formalisierung der Bezüge auf die ‚Sache‘

durch die ethnographische Forschung (vgl. zusammenfassend Martens, 2017): Auch im individualisierten Unterricht dominiert in Verbindung mit der Selbsttätigkeit der Ler- nenden eine routinierte Aufgaben- und Materialienbearbeitung, die allerdings mit ge- steigerten Formen der Kontrolle und der Abrechenbarkeit der Tätigkeiten einhergeht (Breidenstein, Busse & Rademacher, 2017, S. 145 –  148). Beobachtet, aber noch nicht weitergehend analysiert ist die Ausdifferenzierung der öffentlichen Kommunikation im individualisierenden Unterricht in unterschiedliche Teilöffentlichkeiten, etwa, wenn dauerhafte Lerntandems oder Tischgruppen bzw. phasenweise bestimmte Kleingrup- pen gebildet werden. Insofern ist bislang wenig darüber bekannt, welche Einschrän- kungen den Darstellungen des Selbst als Besonderem dadurch gesetzt werden, dass wissensbezogene Kommunikation Erwartungen an das ‚sich gegenüber anderen ver- ständlich machen‘ setzt, die auch im individualisierten Unterricht aufgerufen werden oder eben nicht.

In Bezug auf den Leistungsuniversalismus in individualisierenden Lehr-Lernfor- maten ist mit der Figur der „Verschiebung von Leistung“ (Rabenstein, Idel & Ricken, 2015, S. 241) schließlich herausgearbeitet worden, wie sich Erwartungen in der schu- lischen Kommunikation über Leistung ausdifferenzieren und individualisieren: Das, was als Leistung erwartet und bewertet wird, wird immer genauer zu bestimmen und multiperspektivisch zu validieren versucht, um auch treffender, objektiver und trans- parenter über die Leistung des Einzelnen Auskunft geben zu können.

Resümiert man diese ersten sozialtheoretisch angelegten Untersuchungen zur So- zialität der Individualisierung, d. h. zur Frage, wie das Schülerindividuum in individua- lisierten Formaten schulischen Lehrens und Lernens vergesellschaftet wird, dann zeigt sich sehr deutlich, dass sich im schulischen Feld zwar die Logik des Besonderen als Ka- talysator von Transformationen bemerkbar gemacht hat, dass diese aber die schulische Logik der Generalisierung, wie sie sich insbesondere im Leistungsuniversalismus, der Standardisierung von wissensbezogenen Kompetenzerwartungen und der Bezogenheit auf andere in Praktiken des (teil-)öffentlichen Sprechens zeigt, keineswegs verdrängt hat. Für die Erforschung der neuartigen Verbindung(en) von Besonderung und Verall- gemeinerung im Feld der Reformstrategie der Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens sind Anfänge gemacht, für die sich insbesondere die Einsätze einer sozial- theoretischen Perspektivierung als produktiv erweisen. Hieran kann die erziehungswis- senschaftliche Schulforschung zur Transformation von Unterricht im Kontext indivi- dualisierten Lehrens und Lernens anschließen.

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Rabenstein/Proske/Idel: Individualisierung schulischen Lehrens und Lernens … 155 Literatur

Arendt, H. (2002). Vita Activa oder Vom tätigen Leben. München: Piper.

Beck, U. (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a. M.: Suhr- kamp.

Bellmann, J. (2016). Der Aufstieg der Bildungswissenschaften und das sozialtheoretische Defizit der Erziehungswissenschaft. In N. Ricken, R. Casale & C. Thompson (Hrsg.), Die Sozialität der Individualisierung (S. 51 –  70). Paderborn: Schöningh.

Bellmann, J., & Waldow, F. (2007). Die merkwürdige Ehe zwischen technokratischer Bildungs- reform und empathischer Reformpädagogik. Bildung und Erziehung, 60(4), 481 –  503.

Bohl, T. (2006). Prüfen und Bewerten im Offenen Unterricht. Weinheim/Basel: Beltz.

Bräu, K., & Schwerdt, U. (Hrsg.) (2005). Heterogenität als Chance. Münster: Lit.

Breidenstein, G., Busse, J., & Rademacher, S. (2017). Didaktik im individualisierten Unterricht.

In G. Breidenstein & S. Rademacher, Individualisierung und Kontrolle. Empirische Studien zum geöffneten Unterricht in der Grundschule (S. 75 –  148). Wiesbaden: Springer VS.

Breidenstein, G., Dorow, S., Menzel, C., & Rademacher, S. (2017). Organisation individuali- sierten Unterrichts. In G. Breidenstein & S. Rademacher, Individualisierung und Kontrolle.

Empirische Studien zum geöffneten Unterricht in der Grundschule (S. 17 –  74). Wiesbaden:

Springer VS.

Breidenstein, G., Menzel, C., & Rademacher, S. (2013). Legitime und illegitime Differenzen im individualisierten Unterricht. Beobachtungen aus einer Montessori-Schule. In J. Budde (Hrsg.), Unscharfe Einsätze: (Re-)Produktion von Heterogenität im schulischen Feld (S. 153 –  167). Wiesbaden: Springer VS.

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Anschrift der Autor_innen

Prof. Dr. Kerstin Rabenstein, Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Erziehungswissenschaft,

Waldweg 26, 37073 Göttingen, Deutschland E-Mail: kerstin.rabenstein@sowi.uni-goettingen.de Prof. Dr. Matthias Proske, Universität zu Köln,

Innere Kanalstraße 15, Triforum, 50823 Köln, Deutschland E-Mail: m.proske@uni-koeln.de

Prof. Dr. Till-Sebastian Idel, Universität Bremen,

Fachbereich 12: Erziehungs- und Bildungswissenschaften,

Postfach 330440, Universitätsboulevard 13, 28334 Bremen, Deutschland E-Mail: idel@uni-bremen.de

(18)

Stebler/Pauli/Reusser: Personalisiertes Lernen 159

Z.f.Päd. – 64. Jahrgang 2018 – Heft 2

Rita Stebler/Christine Pauli/Kurt Reusser

Personalisiertes Lernen

Zur Analyse eines Bildungsschlagwortes und erste Ergebnisse aus der perLen-Studie

Zusammenfassung: Seit der Jahrtausendwende ist das Konzept der Personalisierung vor allem im englischsprachigen Bildungsraum zu einem Topos in der Diskussion um die Weiterentwicklung von Schule und Unterricht geworden. Personalisiertes Lernen steht dabei weniger für ein klar umrissenes Konzept als für einen ‚Containerbegriff‘ für maß- geschneiderte Bildungsangebote, didaktische Zugänge und Lernprozessqualitäten einer individuell adaptiven Förderung von Schülerinnen und Schülern in heterogenen Lern- gruppen. Der Beitrag analysiert Kontexte, Erscheinungsweisen und theoretische Dimen- sionen des Konzeptes und berichtet erste Ergebnisse aus einer Deutschschweizer Un- terrichtsstudie.

Schlagworte: Personalisiertes Lernen, Heterogenität, Unterrichtsreform, Selbstorgani- siertes Lernen, Neue Lernkultur

1. Einleitung

Noch kaum je wurde die Diskussion um eine Modernisierung der schulischen Lehr- Lernkultur so breit geführt wie heute. In zahlreichen Ländern ist dabei das Konzept der Personalisierung schulischer Bildungsangebote und Lehr-Lernprozesse zu einem neuen bildungspolitischen und didaktischen Leitmotiv geworden (vgl. Hopkins, 2010). Per- sonalisiertes Lernen steht für einen international verwendeten Sammelbegriff von Zie- len, Prozessanforderungen und Maßnahmen, die sich auf die Gestaltung von fachlich und überfachlich ertragreichen Lernumgebungen unter Berücksichtigung individueller Lernvoraussetzungen und -bedürfnisse beziehen. Personalisierung als Designprinzip für schulisches Bildungshandeln umfasst dabei so unterschiedliche Begründungskon- texte wie die Lernpsychologie, die (Reform-)Pädagogik der individuellen Förderung, die digitalen Medien sowie gesellschaftliche Veränderungen in Demografie, Ökonomie und Arbeitsmarkt. Zu den Treibern eines die Einheitsschule des Industriezeitalters unter Druck setzenden Wandels gehören:

das Bedürfnis nach personalisierten Lösungen für immer mehr Probleme und Dienst- leistungen, sichtbar in gesteigerter Nachfrage nach Waren und Diensten mit indivi- dueller Passung (vgl. Ewinger, Ternès, Koerbel & Towers, 2016). Dieser Trend hat auch die Bildungspolitik (vgl. OECD, 2006) und die Didaktik (vgl. Bray & Mc- Claskey, 2015) erreicht.

(19)

der pädagogische Umgang mit Heterogenität. Durch Migration und bildungspoli- tische Weichenstellungen hat die Heterogenität von Lerngruppen weiter zugenom- men. Damit sich Begabungsreserven besser ausschöpfen lassen und Verschiedenheit zur pädagogisch genutzten Normalität werden kann, braucht es individuelle För- derung (vgl. Klieme & Warwas, 2011).

die zunehmende Bedeutung der digitalen Medien. Die orts- und zeitunabhängige Nutzung der weltumspannenden Datennetze via personal devices gehört mittler- weile zum Repertoire der heranwachsenden Generation. Digitale Werkzeuge eröff- nen vielfältige Möglichkeiten für auf persönliche Bedürfnisse zugeschnittenes schu- lisches Lernen (vgl. Burow, 2015).

die veränderten Bildungsanforderungen. In der Arbeitswelt geht es weniger darum, dass alle das Gleiche können. Wichtiger sind der Aufbau unterschiedlicher Kom- petenzprofile und die Fähigkeit zu lebenslangem Lernen (vgl. OECD, 1996). Wäh- rend der Bedarf an Routinefähigkeiten schwindet, spielen Expertenwissen und über- fachliche Kompetenzen global eine immer größere Rolle auf dem Arbeitsmarkt (vgl.

Warschauer & Matuchniak, 2010).

die Erwartung der Politik, dass alle Schüler/innen überprüfbare Grundkompetenzen erreichen. Schulen stehen in der Pflicht, nicht nur jeden Schüler und jede Schüle- rin möglichst gut voranzubringen, sondern auch die schwächsten unter ihnen durch maßgeschneiderte Angebote an Bildungsstandards heranzuführen.

Der Blick in die internationale Literatur zeigt, dass Personalisierung des Lehrens und Lernens ein vielschichtiges Konzept ist und sehr unterschiedlich verwendet wird. Im vorliegenden Beitrag interessiert erstens, in welchen Kontexten und Formen Personali- siertes Lernen im internationalen Raum vorkommt, und zweitens, welche Dimensionen dieses Konzepts sich in der Selbstbeschreibung von Lehrenden und Lernenden aus in- novativen Schulen in der Deutschschweiz spiegeln. Nach einem Überblick über die Ver- wendungsweisen dieses Bildungsschlagwortes (Kap. 2) werden fünf Dimensionen des Personalisierten Lehrens und Lernens herausgearbeitet (Kap. 3), empirische Ergebnisse aus der perLen-Studie berichtet (Kap. 4) und sowohl der Personalisierungsbegriff als auch die eigene Untersuchung kritisch reflektiert (Kap. 5).

2. Personalisiertes Lernen – Kontexte, Umsetzungen und Wirkungen

Der Gedanke, den Unterricht auf die Voraussetzungen individueller Kinder abzustim- men, hat im europäischen wie im amerikanischen Bildungsraum eine lange Tradition.

Während im englischen Sprachraum die Diskussion mit Konzepten wie student-cen- tered education, instruction for self-regulated learning, differentiated, individualised oder adaptive classrooms assoziiert ist, lässt sie sich im deutschen Sprachraum mit ähn- lichen Bedeutungsfacetten den Diskussionen zu einer ‚neuen Lernkultur‘ und der ‚in- dividuellen Förderung‘ zuordnen.

(20)

Stebler/Pauli/Reusser: Personalisiertes Lernen 161 Wie ein Blick in das Web of Science und in die Datenbank FIS Bildung zeigt, wird ab dem Jahr 2000 der verzweigte Diskurs zunehmend auch unter dem Schlagwort Per- sonalisiertes Lernen geführt. Bei diesem Konzept handelt es sich um einen Aspekte der Bildungspolitik, des Lehrens und Lernens sowie der Technologieentwicklung tangie- renden Begriff, für den es zahlreiche Umschreibungen, aber keine Definition gibt (vgl.

Redding, 2016; Stebler, Pauli & Reusser, 2017). Im Folgenden werden Vorkommen und Vorstellungen betreffend das Konzept des Personalisierten Lernens in unterschiedlichen Bildungsräumen – Großbritannien, Deutschland, USA, Spanien – skizziert.

Im Großbritannien der Blair-Administration taucht Personalisierung als bildungs- politisches Konzept im Kontext einer von drei Herausforderungen bestimmten Bil- dungsreform auf: (1) simultan auf Exzellenz und Chancengleichheit hinzuarbeiten, (2) Mittel und Wege zu finden, um flexible Bildungs- und Lernwege zu ermöglichen und (3) kundenindividuelle Bildungsdienstleistungen bereitzustellen (vgl. DfES, 2004;

Miliband, 2006). 2004 präsentierte David Miliband das Konzept unter dem Titel

„Choice and Voice in Personalised Learning – the Future of Public School Reform“ an einem OECD-Seminar. Darin unterschied er fünf Komponenten (vgl. Miliband, 2006):

(1) Assessment for learning: regelmäßiges und differenziertes Erfassen der individuel- len Lernstände als Grundlage für passgenaue Lerngelegenheiten; (2) Effective teach- ing and learning: Lernumgebungen, welche die Schüler/innen beim Kompetenzaufbau unterstützen; (3) Curriculum entitlement and choice: ein Lehrplan mit Pflichtteilen und Wahlmöglichkeiten als Basis für individuell adaptives Lernen; (4) A student centered approach to school organisation: Das Design von Lerngruppen, Lernzeittaktung, Lern- orten richtet sich nach individuellen Lernbedürfnissen; (5) Strong partnership beyond the school: Vernetzung und Zusammenarbeit von Schule und Umfeld. Fortan begann das später weiter präzisierte und in mehreren Ländern (z. B. Australien, Neuseeland, Kanada) aufgegriffene Konzept den internationalen Diskurs zu befeuern.

In den USA ist der Diskurs um Personalisiertes Lernen eng mit den digitalen Medien verbunden. Schon in deren Anfängen wurde das Potenzial von Computern als ‚Lehr- maschinen‘ erkannt und die Vorzüge einer ‚programmierten‘ Aneignung von Wissen und Fertigkeiten auf der Basis individuell adaptiver Rückmeldungen wurden vom Phi- losophen und Mathematiker Patrick Suppes in einem visionär anmutenden Artikel be- schrieben (vgl. Suppes, 1966). Fast zeitgleich veröffentlichte Fred Keller mit Kollegen unter dem provokativen Titel „Good-bye, teacher“ (Keller, 1968) sein vom Konzept des „mastery learning“ (Bloom, 1968) inspiriertes Personalized System of Instruction (PSI). Die Kernidee dieses u. a. von Hattie (2009) positiv evaluierten „Keller-Plans“

wird auch heute noch z. B. im Fernunterricht eingesetzt (vgl. Grant & Spencer, 2003).

Im aktuellen „National Education Technology Plan“ (USDOE, 2017) wird das durch den Einsatz digitaler Technologien verfolgte personalisierte Lernverständnis wie folgt um schrieben:

Personalized learning refers to instruction in which the pace of learning and the in- structional approach are optimized for the needs of each learner. Learning objectives, instructional approaches, and instructional content (and its sequencing) may all vary

(21)

based on learner needs. In addition, learning activities are meaningful and relevant to learners, driven by their interests, and often self-initiated. (USDOE, 2017, S. 9) Mit dem Aufschwung von künstlicher Intelligenz und kognitiver Lerntheorie sowie der Ausbreitung leistungsfähiger Personal Computer werden immer adaptiver werdende, breit einsetzbare digitale Medien als kognitive Werkzeuge für zeit- und ortsunabhängi- ges, zunehmend selbstgesteuertes Lernen im Austausch mit Personen in und außerhalb der Schule eingesetzt. Präsenzunterricht ist nicht mehr überall zwingend. Unterrichts- modelle wie „Flipped Classrooms“ (vgl. Straw, Quinlan, Harland & Walker, 2015), in denen Lernende den Basisstoff online erwerben und die Vertiefung gemeinsam mit der Lehrperson vor Ort erfolgt, rücken in Griffnähe. Vor allem im englischen Sprachraum stehen Plattformen zur Verfügung, die von Schulen und Bildungsanbietern zur Präsen- tation und Strukturierung von Lerninhalten und -prozessen und zur Dokumentation von Lernwegen sowie zur Rückmeldung von Lernergebnissen eingesetzt werden können.

Lernende haben die Möglichkeit, ein immer vielfältiger werdendes digitales Angebot zu nutzen und persönliche Lernumgebungen (Personal Learning Environment – PLE;

Attwell, 2007) und Lernwege (Personalized Learning Pathways; Bill & Melinda Gates Foundation, 2010) zu gestalten.

In den USA manifestiert sich der Personalisierungsdiskurs auch in schulpraktischen Ansätzen und darauf bezogenen Publikationen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Websei- ten, Drehbücher, Handreichungen und Werkzeuge (vgl. z. B. Bray & McClaskey, 2017;

Microsoft Corporation, 2014), in denen Choreographien einer personalisierten, indivi- duell förderorientierten Unterrichtsgestaltung unter Bezugnahme auf Erkenntnisse der Lehr-Lernforschung (vgl. z. B. Vosniadou, 2002) teils unter Rückgriff auf Optionen aus der reformpädagogischen Didaktik konkretisiert werden. Die digitalen Medien werden dabei als Werkzeuge betrachtet, welche die Arbeit mit personalisierten Lernplänen effi- zienter machen (vgl. Grant & Basye, 2014).

Kennzeichnend für die meisten Ansätze ist das Verständnis des Individuums als Dreh- und Angelpunkt selbstbestimmten Lernens (vgl. Murphy, Redding & Twyman, 2016). So bei Barbara Bray und Kathleen McClaskey (2015, 2017), die davon aus- gehen, dass Lernende grundsätzlich fähig sind, zu wissen wie sie am besten lernen, als Co-Designer des eigenen Lernens dafür Verantwortung zu übernehmen, bei der Wahl von Lernressourcen und der Gestaltung von Lernwegen mitzureden (voice and choice about his or her learning) und ihr Lernen auf die Erreichung von bejahten Zielen aus- zurichten – so sie von guten Lehrpersonen, die zugleich als ihre Lernpartner fungieren, wirksam und kompetent unterstützt werden.

Im spanischsprachigen Bildungsraum ist das von Victor Garcia Hoz (1911 –  1998) ausgearbeitete Konzept der Educación Personalizada, welches in Spanien sowie in in- novativen Schulen in Mittel- und Südamerika eine wichtige Rolle spielt (vgl. OECD, 2013), vor allem als Mittel der Herstellung von Chancengleichheit seit längerem prä- sent. Die Prämissen lauten: (1) Jeder Mensch ist einzigartig und bedarf eines personali- sierten Bildungsangebots. (2) Dadurch, dass der Mensch fähig ist, kritisch zu denken und frei zu entscheiden, ergibt sich sein Anspruch auf Mitsprache bei der eigenen Bil-

(22)

Stebler/Pauli/Reusser: Personalisiertes Lernen 163 dung. (3) Da der Mensch ebenfalls ein zu sozialer Partizipation und Kommunikation fähiges Wesen ist, soll er von Kindheit an lernen, sich auszudrücken und seine Mei- nung einzubringen (vgl. Hoz, 1986). Die Educación Personalizada wird gegenwärtig auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit (vgl. die Metaanalyse von Jardón Giner, Sancho- Álvarez & Grau Vidal, 2014) und mit Bezug zu den digitalen Medien (vgl. Calderero Hernández, Aguirre Ocaña, Castellanos Sánchez, Peris Sirvent & Perochena Gonzáles, 2014) erörtert.

Im deutschsprachigen Bildungsraum wird das Konzept des Personalisierten Ler- nens bislang erst vereinzelt thematisiert (vgl. Müller, 2014; Schratz & Westfall-Greiter, 2010), die Diskussion um eine „neue Lehr- und Lernkultur“ hat jedoch eine lange Tradi- tion (vgl. z. B. Reusser, 1995). Begründet wird der Ruf nach einer Weiterentwicklung der schulischen Lehr- und Lernkultur mit der Notwendigkeit eines pädagogischen Umgangs mit der Verschiedenheit der Schüler/innen, mit der Forderung nach mehr Autonomie und Mitbestimmung für die Lernenden in der Schule sowie nach ganzheitlicher Förderung mit dem Ziel, die Heranwachsenden zu selbstständigem Denken, Lernen und Problem- lösen und letztlich zur mündigen Teilnahme an der Demokratie zu befähigen. Zu den be- kannten pädagogischen und didaktischen Konzepten, die diese Forderungen mit unter- schiedlichen Akzentuierungen umzusetzen versprechen, gehören Innere Differenzierung (vgl. Klafki, 1985/2007), Individualisierung (vgl. Lipowsky & Lotz, 2015), Offener Unterricht (vgl. Bohl & Kucharz, 2010), adaptives Unterrichten (vgl. Corno & Snow, 1986), individuelle Förderung (vgl. Klieme & Warwas, 2011) und Erweiterte Lehr- und Lernformen (vgl. Nordwestschweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz, 1995).

Personalisierung schließt somit an eine lange Tradition reformpädagogisch, lernpsy- chologisch und didaktisch begründeter Konzepte für eine ‚neue Lehr- und Lernkultur‘

an. Wie lässt sich Personalisiertes Lernen charakterisieren ? In ihrem Versuch der Be- griffsbestimmung postulieren Schratz und Westfall-Greiter (2010) in einem „Plädoyer für personalisiertes Lernen in der Schule“ ausgehend von Dewey (1918) und von Hentig (1996) eine Rückbesinnung auf den subjektiven Charakter von Lernen. Dies impliziere,

„dass die Lernenden als Subjekte von Bildungsprozessen agieren, Urheberschaft und Führerschaft bekommen und Lernen als gestalterischer Prozess der Eigenbewegung und Selbstbestimmung erfolgt“ (Schratz, Schwarz & Westfall-Greiter, 2011, S. 26). Per- sonalisierung scheint sich somit v. a. durch den Aspekt der Urheberschaft von traditio- nellen Konzepten wie Individualisierung, Differenzierung oder adaptivem Unterrichten zu unterscheiden. Während letztere Zuschreibungen voraussetzen (u. a. die Einschät- zung fachlicher Leistungsniveaus) und von der Lehrperson – also „lehrseits“ gesteuert werden, trägt Personalisiertes Lernen „den Fingerabdruck der Lernenden“ und positio- niert sich damit „lernseits“ im Unterrichtsgeschehen (Schratz et al., 2011, S. 26). Es

„setzt folglich einen entsprechenden Freiraum für den persönlichen Anschluss zu den Lerninhalten und zur Erschließung der Bedeutung von Lernerfahrungen für das eigene Leben voraus“ (Schratz & Westfall-Greiter, 2010, S. 26). Damit ist ein relativ weitrei- chender Anspruch formuliert, von dem nicht klar ist, wie sich dieser in der Gestaltung des Unterrichts und des Lehrer- und Schülerhandelns konkret manifestiert, d. h. dessen Erfüllung empirisch zu überprüfen nicht einfach sein dürfte.

(23)

In Bezug auf die Erträge und die Qualität der vorgestellten internationalen Konzepte Personalisierten Lernens lässt sich sagen, dass die dazu verfügbaren Evaluations- berichte1 anspruchsvollen Kriterien einer Wirkungsprüfung nur bedingt standhalten und Aussagen über die Umsetzungsqualität von Maßnahmen auf der Lernebene schwierig sind. Personalisiertes Lernen wird in den Projekten sehr unterschiedlich verstanden, und es zeigen sich bei insgesamt positiven Bewertungen große Unterschiede zwischen den und innerhalb der beteiligten Schulen. Untersucht und beschrieben werden dabei meist vor allem die Oberflächenstrukturen des Unterrichts, während man sich über die Tiefen- strukturen, d. h. die Qualität ablaufender Lehr-Lernprozesse, im besten Fall anhand von Fallbeschreibungen ein Bild machen kann.

Da das Konzept der Personalisierung im deutschsprachigen Raum erst aufkeimt, überrascht es nicht, dass noch keine empirischen Untersuchungen vorliegen, die sich explizit auf das Konzept beziehen. Ergebnisse quantitativer und qualitativer Forschung sind demgegenüber zu den oben erwähnten, verwandten Konzepten des binnendiffe- renzierten, individualisierten, adaptiven oder offenen Unterrichts verfügbar. Versuche, die entsprechende Befundlage im Überblick darzustellen, sehen sich allerdings mit dem Problem konfrontiert, dass sich die Forschungslage in diesem Bereich sehr uneinheitlich und lückenhaft präsentiert. Trotzdem gelangen Autor/innen aktueller Überblickstexte, die z. T. auch Meta-Analysen empirischer Befunde außerhalb des deutschsprachigen Raums (z. B. Hattie, 2009) einbeziehen, übereinstimmend zum Schluss, dass individua- lisierter, differenzierter und offener Unterricht per se nicht wirksamer ist als traditio- neller Unterricht, wenn es um die fachliche Leistungsentwicklung der Lernenden geht (vgl. Bohl, Batzel & Richey, 2011; Lipowsky & Lotz, 2015; Häcker, 2017), wobei auch differenzielle Effekte festgestellt wurden. Etwas günstiger sieht es für nicht-leistungs- bezogene Bildungsziele (z. B. soziale Lernziele, Wohlbefinden, Einstellungen, Koope- ration, Selbstständigkeit usw.) aus, bei denen sich teilweise eine leichte Überlegenheit individualisierter, differenzierter oder offener Unterrichtsformen zeigte (vgl. zusam- menfassend Häcker, 2017). Als mögliche Erklärung der insgesamt eher enttäuschen- den Befundlage werden Mängel vor allem der tiefenstrukturellen Unterrichtsqualität in Betracht gezogen (vgl. Reusser, 2016). Tatsächlich weisen quantitative und qualitative Beobachtungsstudien auf solche Mängel hin, beispielsweise auf einen niedrigen ko- gnitiven Anregungsgehalt der Lernsituationen und -aufgaben, auf unzureichende Lern- unterstützung oder Probleme der Klassenführung (vgl. Reusser, 2016). Inwieweit sich diese Befunde auf die ganze Bandbreite von Strategien Personalisierten Lernens über- tragen lassen, bleibt zu klären.

Festzuhalten ist, dass das Konzept der Personalisierung des Lernens und Lehrens in seiner Komplexität im deutschen Sprachraum bisher eher auf der Ebene eines pädago- gischen Programms, aber noch kaum in Bezug auf konkrete pädagogisch-didaktische

1 Vgl. exemplarisch Sebba, Brown, Steward, Galton und James (2007) für Großbritannien;

Pane, Steiner, Baird und Hamilton (2015) für ein von der Bill & Melinda Gates Stiftung un- terstütztes Großprojekt in den USA; Prain et al. (2015) sowie Waldrip, Yu & Prain (2016) für Australien.

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Stebler/Pauli/Reusser: Personalisiertes Lernen 165 Gestaltungsmerkmale des Handelns und der Lehrer-Schüler-Interaktion diskutiert wird.

Dem stehen im praktischen Kontext immer zahlreicher werdende Schulen gegenüber, die sich durch eine Vielfalt von innovativen Formen der Schul- und Unterrichtsgestal- tung auszeichnen, und die sich nicht mehr primär als „Organisationen des Lehrens“, sondern als „Organisation des Lernens“ (Müller, 2014, S. 41) verstehen. Um die Frage zu beantworten, inwieweit es sich bei Personalisiertem Lernen und Lehren um ein trag- fähiges Konzept der Schul- und Unterrichtsentwicklung handelt, ist deshalb eine Klä- rung erforderlich, was unter personalisierten Lernkonzepten überhaupt verstanden wer- den kann und wie sich diese in der Praxis manifestieren.

3. Fünf Dimensionen Personalisierten Lernens

Auch wenn sich der Begriff des Personalisierten Lernens als Folge seiner Überschnei- dung mit herkömmlichen Konzepten sowie im Lichte sehr unterschiedlicher Umsetzun- gen einer eindeutigen Bestimmung entzieht, lassen sich dennoch aus pädagogisch-psy- chologischer Sicht folgende Dimensionen, die in variabler Konfiguration in den meisten Verwendungskontexten als handlungsleitende Prinzipien vorkommen, identifizieren und hinsichtlich ihrer Ziele und operativen Qualitäten beschreiben (vgl. Reusser, 2015):

1) Unterrichtsangebote an die personalen Bildungs- und Lernvoraussetzungen von Lernenden und Lerngruppen anpassen: Binnendifferenzierung; Individualisierung;

adaptive Unterrichtsgestaltung; Anpassung von Bildungsangeboten an die Fähigkei- ten der Lernenden; individuelle Förderung schwacher und starker Lernender.

2) Personale und soziale Kompetenzen aufbauen; Schüler/innen in ihrer Persönlichkeit ganzheitlich fördern: mehrdimensionales Wirkungsverständnis von Bildung; fach- licher und überfachlicher Kompetenzaufbau; kritisches Denken; Kultivierung von Dialogfähigkeit, Sozial- und Lernkompetenzen, Einstellungen und Haltungen.

3) Selbstgesteuertes Lernen auf eigenen Wegen ermöglichen: eigenständiges, als selbst- wirksam erlebtes Lernen mit Autonomiespielräumen und Wahlmöglichkeiten bezüg- lich Themen, Lernwegen, Lernzeittaktung und Lernorten; Verfügbarkeit und Nut- zung von Lernwerkzeugen.

4) Als Lernende kompetenzorientiertes Lernen zur persönlichen Sache machen: Selbst- verpflichtung zu Anstrengung und Übernahme von (Mit-)Verantwortung für ziel- erreichendes Lernen; Bereitschaft, sich an verbindlichen Kompetenzerwartungen und Gütemaßstäben zu messen.

5) Als Lehrperson und als Lerngemeinschaft bildend und unterstützend wirken: ‚Anste- ckung‘ (contagion), Lerndialog und Zusammenarbeit: als Lehrpersonen begeistern, zumuten, herausfordern; als Lerngruppe miteinander und voneinander lernen; ko- produktives, wechselseitiges Lernen an gemeinsamen Gegenständen und Aufgaben.

Während die erste und die letzte Dimension in ihrem primären Akzent das klassisch- pädagogische (direkt lernsteuernde und unterstützungsbezogene) Angebotshandeln der

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Lehrperson adressieren, beziehen sich die anderen Dimensionen auf die Stärkung der Personalität der Lernenden (Kompetenzen, Selbststeuerung, personale Ressourcen) im Sinne der Befähigung zur autonomen Nutzung von Bildungsinhalten und Lerngelegen- heiten. Es sind denn auch vor allem die zweite (Aufbau von Sozial- und Lernkompeten- zen), die dritte (Gewährung von progressiv sich erweiternden Autonomie- und Partizi- pationsspielräumen bei der Gestaltung von Lernumgebungen) und die vierte Dimension (Förderung von Verantwortungsübernahme und Selbstverpflichtung), die dem Begriff des Personalisierten Lernens seinen Mehrwert gegenüber bereits seit der Reformpäd- agogik bekannten Förderkonzepten verleihen und das Bemühen einer möglichst op- timalen Passung von Angebot und Nutzung, bei der die unterschiedlichen Motive der beteiligten Akteure berücksichtigt werden, unterstützen.

Damit vertreten wir eine Position, wie wir sie ähnlich auch bei Schratz und Westfall- Greiter (2010) sowie bei Bray und McClaskey (2015) gefunden haben. Auch nach diesen Autor/innen besteht ein wichtiges Merkmal, welches den Begriff des Personalisierten Lernens von herkömmlichen Förderbegriffen abhebt, in der Verschiebung der Verant- wortung und Urheberschaft für die Lern- und Bildungsprozesse von der Lehrperson als omnipräsenter und omnipotenter Planungs-, Entscheidungs- und Steuerungsinstanz auf die Person der Lernenden. Bray und McClaskey (2015, S. xxiii) fassen diesen Gedan- ken in folgende Worte: „[…] personalizing learning is not something someone does to a learner. To really learn and understand what learners are to learn, learners need to own and take responsibility for their learning“ und vertreten damit eine Position, die sowohl von der Lern- und Motivationspsychologie (vgl. u. a. Deci & Ryan, 1993) als auch von der Unterrichtsforschung breit gestützt wird.2

Inwieweit spiegeln sich die fünf Dimensionen Personalisierten Lernens auch in den Beschreibungen der Lehr- und Lernkultur von Lehrpersonen und Lernenden aus Schu- len, die Personalisiertes Lernen praktizieren ? Dieser Frage gehen wir im Folgenden an- hand von Daten aus der sogenannten „perLen-Studie“ nach.

4. perLen – Studie 4.1 Design und Methode

In der Deutschschweiz hat in jüngster Zeit eine Reihe von Schulen aus unterschiedlichen Beweggründen innovative Lehr-Lernkulturen entwickelt, in denen in variablen Kon- figurationen und Akzentsetzungen Dimensionen Personalisierten Lernens verwirklicht werden. Diese Innovationen gehen von den einzelnen Schulen aus (bottom up) und wer-

2 Aus Raumgründen muss hier auf eine elaborierte pädagogisch-psychologische Herleitung und Begründung der fünf Dimensionen, die sich im Ansatz bereits im Begriff der Inneren Differenzierung von Klafki (1985/2007) finden, und die als Bildungszielkriterien und Pro- zessqualitäten eines konstruktivistischen Lehr-Lernverständnisses auch in der Unterrichts- forschung verankert werden können, verzichtet werden.

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