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Moviemento & City-Kino Juni 2010

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Programmzeitung für Moviemento & City-Kino Juni 2010

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1 Nr. 258 – Juni 2010 – Programmzeitung für Moviemento & City-Kino Moviemento, OK Platz 1, 4020 Linz, 0732/78 40 90 – City-Kino, Graben 30, 4020 Linz, 0732/77 60 81 – www.moviemento.at

Moviemento &

City-Kino

Juni 2010

(2)

2

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Juni 2010 Programmzeitung für Moviemento & City-Kino

Vorspann

Inhalt

Neue Filme im Juni

36 Ansichtendes Pic sAint-LouP ... 4

AufderAnderen seitedes Bettes ... 6

dAs BiLdnisdes doriAn GrAy... 8

die eLeGAnzder MAdAMe MicheL ... 3

ein soMMerin new york ... 3

GiGAnte ... 6

MitGefühL, weisheitund huMor ...12

Muezzin ... 11

PLAy ... 7

triffdie eLisABeths! ... 11

VerGeBunG ... 8

younG VictoriA ... 10

zu fussnAch sAntiAGode coMPosteLA ... 9

Thema des Monats ... 4

Verlängert & zum Wiedersehen ...12

Südwind ...13

Babykino ...13

AK-Kultur ...13

Sommerkino ...14

Triennale Linz 1.0 ...17

Kulinarisches im Sommerkino ...18

Doku-Special: Srebrenica 360° ...18

Heuer beginnen wir mit dem Sommerkino schon Anfang Juni. Fast 3 Monate Open Air Kino über den Dächern von Linz in Kooperation mit der Triennale.

„Kino, Kunst und Kicken“ ist ab 11. Juni mit dem Anpfiff der Fußball-WM angesagt. Fußball diesmal nicht Open Air, sondern im Solaris.

Neben all dem soll noch „normales“ Kino seinen Platz finden? Sicher doch. Und das in ei- ner Fülle, wie es der Frühsommer nicht vermuten ließe: Das cineastische Element verkörpern zwei Regisseure besonders: Von Jacques Rivettes 36 Ansichtendes Pic sAint-LouP und Adrián Biniez’ GiGAnte spannt sich der Bogen zwischen drei Filmemachergenerationen.

Josiane Balasko ist bei uns nicht der große Star wie in Frankreich, aber dort seit 3 Jahrzehnten eine fixe Größe. Wer würde ahnen, dass ihre Gagen höher sind als die von Tautou oder Deneuve. In die

eLeGAnzder MAdAMe MicheL brilliert sie ebenso wie Richard Jenkins in ein soMMerin new York. Die charmanten Stars Sophie Marceau und Danny Boon machen die in Frankreich erfolgreiche Ehekomödie AufderAnderen seitedes Bettes unterhaltsam. Die beiden nehmen gesellschaft- liche Konventionen und sich selbst rigoros auf’s Korn. Sommerliches Kinovergnügen eben.

In der Neuverfilmung von Oscar Wildes skandalträchtigem Roman als schaurig-schönem Gothic-Horror mit Colin Firth als maliziösen Verführer verleiht Ben Barnes doriAn GrAY sein schönes Gesicht und bereichert es um neue Facetten.

Am Sa 26. Juni sind Sie alle herzlich eingeladen zu unserem Geburtstagsfest

20 Jahre Moviemento & Gelbes Krokodil. Die vielen musikalischen Grüße kommen an die- sem Abend von der Musikschule Linz. Vielen Dank dafür.

Schönen Sommer bei uns im Kino (ob drinnen oder draußen) wünscht Wolfgang Steininger

Impressum

Medieninhaber: Verein zur Förderung kommunikativer Kinokultur, OK Platz 1, 4020 Linz, Tel: 070/784090.

Obmann: Wilhelm Schwind. DVR: 0562831/180189.

F. d. I. v.: Wolfgang Steininger. Gestaltung Heft 258:

Sara Köppl, Stefanie Pachlatko. Mitarbeit: Manfred Peter Müller, Ulrike Steiner (ust), Rüdiger Ratzenböck.

Druck: Haider Schönau, Niederndorf 32, 4274 Schö- nau, Tel: 07261/7232. Gedruckt auf chlorfrei gebleich- tem Papier. Mit der Unterstützung von BMUKK, LAND OÖ, STADT LINZ und zahlreichen Mitgliedern, Förde- rinnen und Förderern.

Offenlegung gem. Mediengesetz § 25(2): Verein zur Förderung kommunikativer Kinokultur, Unterneh- mensgegenstand: Präsentation von Filmkunst. § 25(4): Vermittlung von Informationen über Film, Kino- Kultur und Zeitkultur.

Preise:

Programmheft-Jahresabo: Euro 17,—

Kinometerbank: 10 Karten + Programmheftabo: Euro 60,–

MovieMember: 1 Jahr ermäßigter Eintritt + Abo: Euro 25,–, Einzelexemplar: 1,–

Bankverbindung: Hypobank, Linz Landstra- ße, BLZ: 54000, Kontonummer: 761858, lautend auf „Moviemento Programmkino gemeinnützige GmbH“

Satz- und Druckfehler vorbehalten.

Hinweis für Kinometerbank KäuferInnen Per Überweisung bezahlte Kinometer- banken und MovieMember-Cards liegen an der Moviemento Kino-Kassa auf und können dort gegen Vorlage der Zahlungsquittung (=

Erlagschein Auftragsbestätigung - blauer Aufdruck) zwischen ca. 17.00 und 21.00 Uhr abgeholt werden. Aus organisatorischen Gründen ist die Abholung im City-Kino nicht möglich.

Wegen immer häufiger aufretender Zustell- probleme unserer Programmzeitung durch die Post möchten wir uns entschuldigen.

Diese liegen nicht in unserem Bereich. Ge- gebenenfalls bekommen Sie das Programm gerne an der Kassa.

JUN 10

Mi 02 > Abillity (hillbilly, trallala) Hip Hop, Wonky

Fr 04 > NEW FACES Tonphysiker (G9), 7 Schlaf (nomadenetappe) HouSe, TecHno

Sa 05> Die Batterie Bande (klub karussell DJ-Team) elecTro, inDie-DAnce

Fr 11> Washer

elecTronicA, DuBSTep

Sa 12> ENVLOOP RECORDS LABEL RELEASE NIGHT dercube live, Hillberg, relate

HouSe, BreAkS, elecTro

Fr 18> Anna leiser (resolut, Wien), lena (con.trust)

MiniMAl, HouSe

Sa 19> STATE OF YO!

Hooray, Zuehrenogris, plattenjoe

Hip Hop

Do 24> POST SKRIPTUM POETRY SLAM OPEN-AIR

www.postskriptum.at Fr 25> Technick (Backlab), Beataholic

elecTro, BreAkS, MiniMAl

Sa 26> MIXTAPES The laming Hips (Shy-DJ Team) inDie, pop, elecTro

DJ-line ab 22.00, eintritt frei

Bar|café im ok, ok platz 1, 4020 linz www.solarisbar.at, 0732 90 76 06 mo - do 17.00 - 01.00 | sa 16.00 - 04.00 fr 17.00 - 04.00 | so 16.00 - 01.00

LINZ ab 3.6. 2010

FREILUFTKINO AM OK-DACH

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Programm

ab Seite 14

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Programmzeitung für Moviemento & City-Kino Juni 2010

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3

Thomas McCarthy

Ein Sommer in New York

The Visitor

US 2007, 108 min, Englisch OmU, B: Thomas McCarthy, K: Oliver Bokelberg, S: Tom McArdle, D: Richard Jenkins, Hiam Abbass, Haaz Sleiman, Danai Jekesai Guri- ra, Oliver Bokelberg, Ramón Fernández

Premiere im Sommerkino:

Mittwoch, 9. Juni, 21.30

Mit ein soMMerin new york – the Visitor ist dem Schauspieler Tom McCarthy, der mit the stAtion AGent sein international vielfach ausgezeichnetes Regiedebüt gab, bei seiner zweiten Regiearbeit ein Juwel des amerika- nischen Independentkinos geglückt.

Walter Vale ist seit fünf Jahren Witwer. Seit dem Tod seiner Frau lebt der einst so erfolg- reiche Wirtschaftsprofessor ein Leben frei von Leidenschaft, Begeisterung und Inhalt, allein in seinem Haus in einem Vorort in Connecticut, das noch haargenau so einge- richtet ist wie damals, als er es noch mit der Liebe seines Lebens teilte.

Für einen Vortrag kommt der Witwer erst- mals seit langer Zeit wieder nach New York.

Er besitzt ein kleines Apartment in Manhat- tan, das seit Jahren nicht mehr benutzt wur- de. Zumindest denkt Walter das. Doch als er es betritt, wird er gleich eines Besseren be- lehrt. Im Badezimmer trifft er auf eine jun- ge schwarze Frau, die entsetzt ist, weil auf einmal ein wildfremder Mann vor ihr steht.

Als schließlich noch ein junger arabischer Mann dazukommt, der die Frau beschützen will, erklärt Walter geduldig, was klar auf der Hand liegt. Es ist sein Apartment, und das junge Paar ist Opfer eines Immobilienbe- trugs geworden. Walter gestattet ihnen, zu bleiben. Zwischen ihm und Tarek entwickelt sich eine Freundschaft, der junge Syrer bringt dem alten Professor das Trommeln bei. Die wilden Rhythmen erwecken Walters verloren gegangene Lebensfreude. Doch bei einer Fahrkartenkontrolle fliegt auf, dass Tarek illegal in den USA ist, und er wird ver- haftet. Ihm droht die Abschiebung.

Obwohl die Dinge nicht gut stehen für Tarek, will er nicht, dass seine Mutter informiert wird. Bevor sie sich verabschieden, trom- meln sie gemeinsam, jeder auf seiner Sei- te der Besucherzelle. Walter muss zurück nach Connecticut. Er packt gerade seine Sachen, als eine Frau an die Tür klopft: es ist Tareks Mutter Mouna, die nichts von Wal-

ter, auch nichts von Zainab und schon gar nichts von Tareks Inhaftierung weiß. Scho- nend bringt Walter ihr bei, was vorgefallen ist. Sie bittet Walter, ihr das Lager zu zeigen, in dem Tarek festgehalten wird. Mouna war- tet in einem Café, während Walter ihrem Sohn einen Brief von ihr überbringt. Tarek ist aufgewühlt. Walter bietet Mouna an, in seiner Wohnung zu übernachten. Sie lehnt zunächst ab, doch Walter besteht darauf.

Die beiden sind sich sofort sympathisch, ohne es einander oder sich selbst eingeste- hen zu wollen. Ein Besuch bei einem Anwalt ist ernüchternd: Da ist zunächst nichts, was man für Tarek tun kann. Aber immerhin lernt Mouna nun die Frau kennen, die Tarek liebt.

Auch wenn es ihr nicht behagt, dass sie eine Schwarzafrikanerin ist, kann sie nicht anders, als Zainab sofort ins Herz zu schlie- ßen. Mouna muss schmunzeln, dass Zainab offenkundig peinlich davon berührt ist, ihr von der Beziehung zu erzählen.

Sie machen einen Ausflug. Gemeinsam fa- hren sie in der Staten Island Ferry an der Freiheitsstatue vorbei und blicken auf die Skyline, dorthin, wo früher die Twin Towers standen. New York hat sich verändert seit 9/11. Ein letztes gemeinsames Essen mit Mouna, dann muss Walter zurück nach Connecticut, seine Arbeit kann nicht länger warten. Erst als er wieder zuhause ist, stellt er fest, dass er nicht mehr derselbe ist. Er kann es nicht erwarten, wieder nach New York zurückzukehren. Er will Tarek helfen.

Und er will Mouna sehen...

Mona Achache

Die Eleganz

der Madame Michel

Le hérisson

FR/IT 2009, 99 min, Französisch OmU, B: Mona Achache nach der Buchvorlage von Muriel Barbery, K: Patrick Blossier, S: Julia Gregory, D: Josiane Balasko, Ga- rance Le Guillermic, Togo Igawa, Anne Bro- chet, Ariane Ascaride, Wladimir Yordanoff

ab Freitag, 4. Juni

Mit die eLeGAnzder MAdAMe MicheL ist der Regisseurin und Drehbuchautorin Mona Achache eine höchst unterhaltsame Hom- mage an die Freundschaft und das Leben gelungen. Mit einem Augenzwinkern und umwerfendem Humor erzählt sie die hinrei- ßende Geschichte dreier liebenswerter Ein-

zelgänger, die auf den ersten Blick nichts zu verbinden scheint…

Noch 165 Tage bis zum 16. Juni, noch 165 Tage zu leben, denn an ihrem 12. Geburts- tag, das hat die elfjährige Paloma Josse be- schlossen, wird sie sich umbringen. Für die Tochter aus reichem Hause steht fest, dass die Welt der Erwachsenen verlogen, klein- geistig und oberflächlich ist. Warum sollte sie es ihren Eltern und ihrer älteren Schwe- ster nachmachen wollen und wie ein Fisch in einem Goldfischglas leben, der sich ständig den Kopf an der Scheibe stößt? Ihr Selbst- mord ist beschlossene Sache. Doch bis es so weit ist, filmt die ebenso intelligente wie eigensinnige Paloma die Menschen in ihrer Umgebung mit einer alten Kamera, die sie von ihrem Vater geerbt hat. Dass sie alle nervt und gegen sich aufbringt, macht ihr nichts aus. Hauptsache, der Blick durch den Sucher erlaubt ihr noch ein paar grundle- gende Erkenntnisse über die Welt, bevor sie ihr endgültig Lebewohl sagt.

Einen Menschen hat die kleine Hobby-Regis- seurin Paloma bislang eher missachtet, und das ist Renée Michel, die Concierge. Eine unansehnliche, bärbeißige Hausmeisterin Mitte 50, die seit einem Vierteljahrhundert zum Inventar des Hauses gehört und ge- wissermaßen unsichtbar geworden ist. Was keiner weiß und selbst Paloma, die eine gute Menschenkenntnis besitzt, bestenfalls vermutet: Renée ist gar nicht so einfältig, wie sie tut, sondern ungemein belesen und vielfältig interessiert. Ihre Concierge-Loge im Erdgeschoß ist der perfekte Platz, um unbehelligt das menschliche Treiben zu be- obachten und sich Gedanken über die Welt im Allgemeinen und die wohlhabenden Be- wohner über ihr im Besonderen zu machen.

Beider Schicksal wandelt sich jedoch mit dem Einzug des geheimnisvollen Japaners Kakuro Ozu. Als er die Concierge kennen- lernt, genügt beiden ein kurzer Wortwech- sel, um zu erkennen, dass sie sich für die großen Werke der Weltliteratur interes- sieren und Katzenbesitzer sind, die ihren Vierbeinern literarisch vorbelastete Namen gegeben haben. Prompt ist ihre Neugierde aufeinander geweckt, der Grundstein für eine über die nächsten Wochen und Mo- nate zart wachsende Freundschaft gelegt.

Paloma wiederum begegnet ihrem neuen Nachbarn erstmals im altersschwachen Fahrstuhl, der wie so häufig steckenbleibt und ihnen so die Gelegenheit gibt, ebenfalls

Ein Sommer in New York – The Visitor Die Eleganz der Madame Michel Auf der anderen Seite des Bettes

/ weiter auf Seite 6

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Juni 2010 Programmzeitung für Moviemento & City-Kino

Möglicherweise sei dies sein letzter Film, hieß es bei den 66. Filmfestspielen in Vene- dig im Herbst 2009 über Jacques Rivettes Wettbewerbsbeitrag 36 Ansichten des Pic

sAint-LouP. Kein sehr charmanter Hinweis auf einen Film, der in jedem Fall Aufmerk- samkeit verdient, nicht nur in Hinblick auf die Möglichkeit, ein Testament zu sein. Für den 82-jährigen Jacques Rivette, Mitbegründer der Nouvelle Vague, ist es hoffentlich keine Abschiedsvorstellung. Für seinen um zehn Jahre jüngeren Kameramann William Lubt- chansky ist dieser Film nun eine geworden.

Der 72-jährige Kamerakünstler ist am 4. Mai in Paris einem Herzleiden erlegen. Also doch ein Abschied, der mit 36 Ansichtendes Pic

sAint-LouP verbunden ist.

„Es ist das Glück, etwas zu finden, das man zuvor nicht einmal zu suchen verstand.“

Ekkehard Knörer,

Kulturwissenschafter, über Jacques Rivettes Filme

Zunächst eine Rückblende an den Anfang, um die Rolle Rivettes ein wenig auszuleuch- ten. Als sich in den späten 1950er Jahren in Frankreich eine Gruppe junger Intellek- tueller formierte, um ein neues Kapitel in der europäischen Filmgeschichte aufzu- schlagen, war Jacques Rivette einer von ihnen neben Eric Rohmer, Jean-Luc Godard, François Truffaut, Claude Chabrol, Agnès Varda. In seinen Aufzeichnungen weist Truf- faut darauf hin, dass Jacques Rivette aber mehr war, nämlich eine der wichtigsten Zündkerzen der neuen Bewegung: „In un- serer Bande von Fanatikern war Rivette der fanatischste. Er war der cinephilste von uns allen, sein Film PArisnousAPPArtient beweist, dass er auch der cineastischste ist. Ein Film, in dem die technischen Schwierigkeiten nicht vertuscht, sondern mit hartnäckigem Stolz in Angriff genommen wurden, redlich in jedem Augenblick und mit dem Geschick eines Routiniers.“

PArisnousAPPArtient (PAris BeLonGsto us), eine Spiegelung der mit Paranoia und Un- sicherheit angereicherten Atmosphäre des Kalten Kriegs, war Jacques Rivettes erster Film, der 1961 ins Kino kam – nach dreiein- halb Jahren zähen Finanzierungskampfes.

Da sich kein Produzent für das Drehbuch interessierte, lieh Rivette sich Geld aus der Kasse der Filmzeitschrift „Cahiers du Ci- néma“. Truffaut: „Damit konnte er ein paar Rollen Filmmaterial kaufen. Kamera und Ko- pierwerk auf Kredit, Techniker und Schau- spieler auf der Basis der „totalen Beteili- gung“.“ Rivettes Entschlossenheit ermutigte François Truffaut und Claude Chabrol, das

„Abenteuer des großen Films“ zu wagen.

Zur selben Zeit bekamen Alain Renais und Georges Franju die Chance zu ihren ersten Spielfilmen. Die „Welle“ kam ins Rollen.

Truffaut: „Ja, es lief, aber wir verdankten es Rivette, denn von uns allen war er am wildesten entschlossen, zur Tat zu schrei- ten.“

„In unserer Bande von Fanatikern war Rivette der fanatischste.“

François Truffaut über die

„Nouvelle Vague“

Jacques Rivette mag der entschlossenste gewesen sein, er blieb in den 50 seither vergangenen Jahren der leiseste von sei- nen prominenten Kollegen, wahrscheinlich auch der konsequenteste. Seine Arbeit wird geschätzt von einer eher kleinen Gemeinde von Filmfreunden, die ihm bis zu seinem nunmehr 32. Film 36 Ansichtendes Pic sAint- LouP treu geblieben ist. Dieser nun ist in einem Punkt höchst ungewöhnlich – mit nur 84 Minuten Spieldauer beinahe ein Kurzfilm im Werk Rivettes. Das andere Extrem stellt out 1: noLiMetAnGere mit 12 Stunden Spiel- zeit dar, unter drei Stunden entließ der Re- gisseur seine Zuschauer nicht oft aus dem Kino – wo er selbst in seinem hohen Alter, immer noch unverbesserlich cinephil, viele Stunden des Tages verbringt. Einmal mit dem Etikett spröde und elitär versehen, fanden Rivettes Filme in Arthaus-Kinos ein kleines Biotop.

Im Moviemento selbstverständlich zu se- hen waren dieschöne QueruLAntin (1991) mit Emmanuelle Béart ebenso wie der Zweitei- ler JohAnnA, die JunGfrAu (1994) mit Sandri- ne Bonnaire oder die herzoGinVon LAnGeAis

(2007), der letzte Film mit Guillaume De- pardieu.

Gemessen daran ist 36 Ansichten des Pic

sAint-LouP geradezu ein breitentauglicher, ein leichter, amüsanter Film. Auch wenn Jacques

Rivette ihm weitere folgen lassen sollte, eine Ära ist trotzdem unwiderruflich zu Ende: die in 14 Filmen gefestigte Symbiose mit Kame- ramann William Lubtchansky, der Rivette seit 1976 (dueLLe) als filmischer Partner begleitet hat bis hin zu 36 Ansichtendes Pic sAint-LouP, wo er in den Credits seiner Tochter Irina den Vortritt als Kamerafrau gab.

„Entweder man liebt mich, so wie ich bin, oder nicht.

Voilà, so ist es.“

Jane Birkin im Interview mit

„Die Zeit“

Jacques Rivette

36 Ansichten des Pic Saint-Loup

FR/IT 2009. 84 min, Französisch OmU, B: Pascal Bonitzer, Jacques Rivette, K:

Irina und William Lubtchansky, S: Nicole Lubtchansky, M: Pierre Allio, D: Jane Birkin, Sergio Castellito, André Marcon, Jacques Bonnaffé, Julie-Marie Parmentier

ab Freitag, 11. Juni

Aus der trivialsten Situation, die man sich vorstellen kann, einer Autopanne irgendwo an einer staubigen Landstraße, entwickelt Jacques Rivette schon während der ersten Minuten Spannung und Neugier. Ziemlich verloren steht Kate (Jane Birkin) vor der ge- öffneten Motorhaube ihres klapprigen Ge- fährts, als ein schneidiger Porsche vorüber- rauscht. Resigniert wendet sie sich ab, doch Vittorio (Sergio Castellitto) hat den Rück- wärtsgang eingelegt, steigt aus und begut- achtet wortlos das technische Desaster. Er schließt die Zündung kurz, der Motor springt hustend an. Kate ist wieder mobil. 80 Minu- ten später wird man erkennen, dass diese In- troduktion bereits sehr viel von dem enthält, was Kate und Vittorio erleben werden.

Kate rumpelt mit einer Zirkuszeltplane im An- hänger in eines der Dörfer am Fuße des Pic Saint Loup, der seine Hakennase den ganzen Film lang wie Vittorio in Angelegenheiten steckt, die schwer zu durchschauen sind.

Als Dank für die Starthilfe lädt Kate den Retter der Landstraße in die abendliche

Thema des Monats

Die Welle rollt an, rollt aus

von Ulrike Steiner

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Programmzeitung für Moviemento & City-Kino Juni 2010

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5 WILLIAM LUBTCHANSKY (1937 – 2010)

In den heimischen Medien fand sich die Meldung vom Tod des William Lubtchans- ky Anfang Mai eher als Randnotiz, wäh- rend die „New York Times“ beispielsweise einen Nachruf druckte, der Lubtchanskys Stellenwert klar definierte: „Er war ein Kameramann, der mit einigen der führen- den Regisseure des europäischen Films, François Truffaut, Jean-Luc Godard, Jac- ques Rivette und Claude Lanzmann, zu- sammenarbeitete.“ Einer seiner ersten Jobs war die Kameraassistenz bei Henri- Georges Clouzots L’enfer (1964) mit Romy Schneider und Serge Reggiani. Ein Film, der nie vollendet wurde und auf den Lubt- chansky sich aktuell in der Dokumentation henri-GeorGes cLouzots inferno bezog, die 2009 beim New York Film Festival Premi- ere hatte.

Eigentlich genügt es, seine Filmographie wiederzugeben, um William Lubtchans- ky zu würdigen. Sie begann 1966 mit Les

créAtures von Agnès Varda, grub sich nachhaltig in die Filmgeschichte ein in der Zusammenarbeit mit Claude Lanzmann bei PourQuoi isrAeL? (1972) und shoAh

(1985). Nonfiktionale Arbeit leistete er auch bravourös für Agnès Vardas eLsALA rose (1966) und dAGuerréotyPes (1976). Go- dard begleitete er durch seine Avantgarde-

Video-Projekte der 1970er Jahre bis rette sichwerkAnn (dAs LeBen) (1980), dann kam es zum Zerwürfnis und einer Dekade des Einander-Meidens, bis Godard mit nou-

VeLLe VAGue (1990) zum 35-mm-Film zu- rückkehrte.

Mit den radikalen Kunstfilmern Jean-Marie Straub und Danièle Huillet verband Lubt- chansky die Arbeit an elf Filmen (darunter AntiGone und siciLiA!). Für Jacques Rivette fotografierte er mit 14 Filmen nahezu des- sen halbes Lebenswerk.

Was seine Bedeutung so überragend macht, ist die Verbindung von traditio- nellem handwerklichem Können (erlernt an der Pariser Filmschule Louis Lumière) mit einem entschieden fortschrittlichen Geist. Seine absolute Hingabe an das Me- dium Film ermöglichte den Regisseuren, die er begleitete, die ideale Umsetzung ih- rer ganz individuellen Vorstellungswelten.

In der Zusammenarbeit mit Jacques Rivette und William Lubtchansky war es üblich, nicht einen vorher vom Regisseur bestimmten „Look“ des jeweiligen Films abzulichten, sondern als „work in pro- gress“ zu erarbeiten. Sie gingen einzelne Szenen gemeinsam mehrmals durch und bestimmten erst dann Kamerawinkel und Ausleuchtung. So ergaben sich ganz ver- schiedene Resultate, die aber dem jewei- ligen Material adäquat sind.

OK Platz 1 – 4020 Linz – Tel. 0732 / 78 40 90, täglich: 16.00 – 22.00 Uhr, www.moviemento.at Vorstellung ein. Vittorio scheint der Einzige

unter den spärlich erschienenen Zuschau- ern zu sein, der die wunderbar-absurde Clown-Nummer zu schätzen weiß. Sie wird sich im Lauf des Films zu einem zentralen Element entwickeln. Das Geheimnis, das Kate umgibt, hält Vittorio fest. Hartnäckig forscht er nach, gewinnt das Vertrauen der Zirkusleute und Kates Sympathie. Langsam setzt sich das Puzzle zusammen, enthüllt sich ein Familiendrama, das Kate seit 15 Jahren lähmt und das sich nur in der Mane- ge auflösen kann.

Die blaue Plane des Zirkuszelts schafft eine magische Atmosphäre, in der die Vergangen- heit heraufbeschworen werden muss, um das Trauma zu heilen. Jane Birkins alterslose Schönheit und Zerbrechlichkeit treffen in die- ser Folie auf die gewitzte Lebensklugheit und Sensibilität, die Sergio Castellitto seinem Vittorio mitgibt. Das Ensemble rund um das zentrale Paar porträtiert die Figuren genau und doch mit unangestrengter Heiterkeit.

Filmografie von Jacques Rivette (Auswahl):

1974 ceLineund JuLiefAhren Boot

1976 nordwestwind

1991 dieschöne QueruLAntin

1994 JohAnnAdie JunGfrAu

2001 VA sAVoir

2003 die GeschichteVon MArieund JuLien

2007 netouchezPAsLAhAche

2009 36 Ansichtendes Pic sAint-LouP

CéLINE UND JULIE FahREN BOOT FR 1974

DUELLE

FR 1976 MERRy-GO-ROUND

FR 1979 DIE SChöNE

QUERULaNTIN FR 1991

Va SaVOIR FR 2001

Erhältlich in der Mediathek:

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Juni 2010 Programmzeitung für Moviemento & City-Kino

36 Ansichten des Pic Saint-Loup Gigante Play

nähere Bekanntschaft zu schließen. Schon bald bahnt sich eine zarte Liebesgeschichte an. Denn Monsieur Ozu ahnt, dass sich hin- ter Madame Michels mürrischer Fassade ein liebenswertes Geheimnis verbirgt, und lockt, sanft wie beharrlich, die barsche Con- cierge aus ihrem Winterschlaf…

Die ganze Geschichte erinnert an ein Mär- chen, und ich habe versucht, den Film ent- sprechend zu inszenieren. Renée ist das Aschenputtel, Paloma die gute Fee und Kakuro der schöne Prinz. Ich finde die Lie- besgeschichte zwischen Kakuro und Re- née wunderbar altmodisch: sein Präsent, die Einladung, der Handkuss, das Restau- rant, der Spaziergang durch die Straßen...

Wenn Kakuro Renée die Stola schenkt, ist sie so aufgeregt wie ein Teenager vor dem ersten Rendezvous. Die drei Hauptfiguren sind zwar realistisch gezeichnet, aber auch ein bisschen sonderbar, zeitlos, atypisch.

Ich wollte, dass die Welt, die sie umgibt, ihren Persönlichkeiten entspricht.

– Mona Achache

Pascale Pouzadoux

Auf der anderen Seite des Bettes

De l‘autre côté du lit

FR 2009, 91 min, Französisch OmU, B: Pascale Pouzadoux, Gregoire Vigneron, K: Pierre Gill, S: Sylvie Gadmer, D: Sophie Marceau, Dany Boon, Antoine Duléry, Anny Duperey, Juliette Arnaud, Ninon Mauger

Premiere im Sommerkino:

Mittwoch, 23. Juni, 21.30, OK-Dach In Frankreichs turbulenter Erfolgskomö- die versuchen die populären Stars Sophie Marceau und Dany Boon in der Ehe den Rollentausch.

Schon als Kind wollte Ariane nie aufstehen und so lange wie möglich im Bett bleiben. Und so träumt sie auch als Mutter zweier Kinder regelmäßig davon, mit ihrem Bett mitten auf dem Schulhof zu stehen. Aber dann klingelt der Wecker, und Arianes stressiger Alltag beginnt. Immer muss sie sich schuldig füh- len, nicht die perfekte Mutter, Hausfrau und gleichzeitig

Karrieristin zu sein. Und wenn sie dann hek- tisch die Treppe herunterstürzt, sagt ihr der altkluge Sohn nur „Mama, du bist echt eine Null“. Ariane vergleicht viele ihrer unsichtbar

bleibenden Tätigkeiten zum Wohle der Familie mit der Arbeit beim Geheimdienst: keiner be- merkt, wie sie die Strapazen des Alltags mei- stert. Nichts, was sie tut, hinterlässt Spuren.

Allerdings hat Ariane mit Hugo auch einen echten Helden geheiratet. Nostalgisch sieht sie in ihrem dauerabwesenden Ehemann den Trapper Daniel Boone, der für sie und die Familie jagt und sorgt. Hugo leitet eine Firma im Baugewerbe und ist mit seinen zündenden, männlich-knackigen Ideen ein Vorbild für seine Angestellten wie den treu- en Adolphe. Aber wenn Hugo, der Held, am Abend nach Hause kommt, leger die Au- totür seiner schwarzen Limousine zuwirft und schwebenden Schrittes in sein Heim schreitet, verwandelt sich der Held in einen ganz banalen, nörgelnden Ehemann. Als er im Eingang über das Chaos stolpert, das ein Bauarbeiter hinterlassen hat, wirft er Ariane vor, den ganzen Tag nichts zu tun. Das ist zu viel für die überforderte Multitaskerin. Ihre Rechte landet zielsicher in Hugos Gesicht, der so unsanft auf den Zementsäcken lan- det. Geschockt über diesen Gewaltausbruch versuchen die Eheleute, die angespannte Lage zu entschärfen. Hugo erklärt sich be- reit, wenigstens ab und zu die kleine Tochter abholen. Aber schon beim ersten Mal ver- sagt er kläglich. Während er versucht, seine Telefonate, Termine und Meetings auf die Reihe zu kriegen, vergisst er die

Kleine mitten auf der Straße.

So beschließen Hugo und Ariane, für ein Jahr lang die Rollen zu tauschen. Die Kinder sind entsetzt und meinen nur: „Dann lasst euch doch lieber scheiden!“ Aber Hugo und Ariane lassen sich nicht beirren. Auch nicht von Arianes Mutter, die sich gerne einmal den Schwiegersohn zur Brust nimmt. So wird Maitre Maurice Cantuis als Berater an- geheuert, der für die bescheidene Summe von 10 000 Euro plus Spesen den Vertrag aufsetzt, in dem ganz genau geregelt wird, welche neuen Aufgaben Hugo und Ariane nun zu übernehmen haben. Immerhin ist es die letzte Möglichkeit, ihre Ehe zu retten.

Sie wird Chefin in seiner Firma, er über- nimmt den Haushalt und den Verkauf der Schmuck-Kollektion. Nach anfänglichen Beinahe-Katastrophen erwacht in Ariane der Mann, und Hugo genießt es, Hahn im Korb zu sein. Tauschen wollen sie eigentlich so schnell nicht mehr. Schwierig wird es nur, als Hugo Charlotte, der besten Freundin sei- ner Frau, immer näher kommt, und Ariane – wie jeder echte Boss – eine reine Sexaffäre eingeht. Als Hugo dies erfährt, setzt er seine Alleinverdienerin auf die Straße – genau so

wie Frauen ihre Ehemänner in der gleichen Situation. Ariane muss wieder bei ihrer Mut- ter einziehen. Die hat aber inzwischen einen neuen Liebhaber – Maitre Maurice Cantuis.

Die beiden charmanten Topstars machen die in Frankreich erfolgreiche Ehekomödie trotz konventioneller Dramaturgie unter- haltsam. Die beiden nehmen gesellschaft- liche Konventionen und sich selbst rigoros auf die Schippe. Der Blick auf die schwie- rige Beziehung zwischen Mann und Frau verwehrt sich zwar mit Lust der Realität, jongliert mit herkömmlichen Klischees, löst das Unbehagen darüber jedoch durch Überspitzung und mit dem Mittel der Paro- die schnell wieder auf.

Adrián Biniez

Gigante

UY/DE/AR 2009, 88 min, Spanisch OmU, B: Adrián Biniez, K: Arauco Hernández Holz, S: Fernando Epstein, D: Horacio Camandule, Leonor Svarcas, Fernando Alonso, Diego Artucio, Ariel Caldarelli, Fabiana Charlo

Berlin 2009: Silberner Bär, Großer Preis der Jury,Alfred-Bauer-Preis, GWFF-Preis für den besten Erstlingsfilm

ab Freitag, 18. Juni

Der schüchterne Jara arbeitet als Wach- mann in einem Supermarkt. Etwas verlo- ren sitzt er dort vor seinen Monitoren, löst Kreuzworträtsel und lässt die Mitarbeiter mit kleinen Diebstählen davonkommen.

Eines Nachts erblickt er auf dem Bildschirm die neue Putzfrau Julia und plötzlich ge- rät sein regelmäßiger Lebenstakt aus dem Gleichgewicht. Auf den ersten Blick ist Jara heftig verliebt. Seine Kreuzworträtsel lässt er ab sofort ungelöst links liegen. Tag für Tag folgt er stattdessen Julias Bild auf seinen Monitoren und die Kontrollpflicht verwan- delt sich in eine Schatzsuche im Waren- hauslabyrinth. Doch Jara traut sicht nicht, den ersten Schritt zu tun und macht statt- dessen erstaunlich viele – er beginnt, Julia nach Dienstschluss zu folgen. Er heftet sich an ihre zauberhaften Fersen – vom Kino bis nach Hause, vom Internet-Café bis zum Ka- ratekurs. Gebannt vom Bild der schönsten aller Putzfrauen wird er auf seiner Wallfahrt des Verliebtseins zu ihrem heimlichen und unbelohnten Schutzengel. Doch dann wird Julia entlassen und Jara muss sich ent- scheiden – seine Sehnsucht aufzugeben

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Programmzeitung für Moviemento & City-Kino Juni 2010

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Zu Fuß nach Santiago de Compostela Das Bildnis des Dorian Gray

Vergebung

oder sich ihr zu stellen.

GiGAnte unterwandert die klassischen Muster der romantischen Komödie und schöpft gerade aus der Umkehrung des Schemas großes komisches Potential. Da- her ist GiGAnte auch ein Film über das Kino, über die Rolle, die die visuelle Kultur als zentrales Medium zwischenmenschlicher Beziehungen spielt. Wenn menschliche Be- dürfnisse und Sehnsüchte von den Struk- turen der Medien durchdrungen sind, wird wirklicher Kontakt zur Herausforderung.

Zwischen persönlichen Ängsten und ge- sellschaftlichem Engagement angesiedelt, ist die Liebesgeschichte von Jara ein sehr emotionales Abenteuer, politische Erfah- rung und eine romantische Vision von einem besseren Leben.

Adrián Biniez entwickelt ein erstaunlich viel- fältiges und neues formales Repertoire und reflektiert die Bahnen, die die Kommunika- tion zwischen den Liebenden einschlägt, wenn sie von den Strukturen der Ökonomie und der Medien dominiert wird. Ohne je in einen mitleidigen Ton zu verfallen, schöpft er aus filmischen Traditionen und kombiniert sie zu neuen starken Bildern. Es entsteht das authentische und dennoch humorvolle Porträt eines verletzbaren Menschen, der voller Sehnsüchte steckt.

„Was mich am meisten interessierte, war der schmale Grat zwischen Verliebtsein und Obsession. In einer Situation der Entfremdung bleibt auch die Liebe nicht verschont. Sie verändert den Verliebten, verwandelt ihn in einen noch einsameren, wenn nicht besessenen Menschen. Ich habe GiGAnte immer als etwas gesehen, dass die klassischen Muster der roman-

tischen Komödie unterläuft. GiGAnte

konzentriert sich im Gegensatz zur klas- sischen Liebeskomödie auf einen Teil der Betroffenen: wie er sie entdeckt, wie er er- griffen und geblendet wird von ihrem An- blick, wie er sich seiner Situation bewusst wird und wie er sich mit dem Bedürfnis auseinandersetzt, in echten Kontakt mit dem Menschen zu treten und nicht nur mit seinem Bild. Der Film erzählt nicht von ei- ner Beziehung, sondern von dem, was da- vor geschieht. Es geht um den Prozess, den ein verliebter Mensch durchstehen muss, bevor er zu handeln beginnt, um den Zeit- punkt, an dem er mit seinen Gefühlen und seinen schlimmsten Ängsten konfrontiert wird, um einen Moment, in dem das, was er über sie weiß, nicht mehr ist als ein Bild, ein Fragezeichen, dass er zu entschlüsseln versucht.“ – Regisseur Adrián Biniez

„Mit bezwingend lakonischem Humor er- zählt Biniez von den großen Gefühlen klei- ner Leute.“ – Der Spiegel

„Ein Kleinod.“ – Die Zeit

Alicia Scherson

Play

AR/CL/FR 2005, 105 min, Spanisch OmU, B: Alicia Scherson, K: Ricardo de Angelis, S: Soledad Salfate, D: Viviana Herrera, Andres Ulloa, Aline Kuppenheim, Coca Guazzini, Jorge Alis, Juan Pablo Quezada

ab Freitag, 4. Juni

Santiago de Chile: Die Stadt ist im Som-

mer heiß und gefährlich. Das macht die Suche nach Liebe nicht eben einfacher.

Cristina, ein junges Mapuche-Mädchen aus dem Süden Chiles, arbeitet in Santiago als Krankenpflegerin. In ihrer Freizeit spielt sie

„Streetfighter II“ am Bildschirm oder streift durch die Stadt. In den Grünanlagen lernt sie nicht nur den attraktiven Gärtner Ma- nuel kennen, sondern findet auch in einer Mülltonne eine geheimnisvolle Aktentasche.

Ihr Inhalt verrät ihr intime Dinge über das Leben ihres Besitzers: Tristan, ein junger Ar- chitekt aus der Oberschicht, ist gerade von seiner Geliebten verlassen worden und hat wegen eines Streiks der Bauarbeiter seine Arbeit verloren. Ruhelos wandert auch er durch Santiago und landet schließlich in seinem alten Kinderzimmer in der mondä- nen Villa seiner Mutter, die mit einem etwas zweifelhaften Zauberkünstler zusammen- lebt. Cristina folgt Tristan und dringt immer tiefer in sein Leben ein, folgt ihm auf Schritt und Tritt, ohne dass Tristan dies bemerken würde. Der Architekt sieht Cristina nicht, sie ist unsichtbar für ihn und die anderen Be- wohner des oberen Mittelklasse-Stadtteils, wo er lebt. Sie hat langes schwarzes Haar, dunklere Haut – eine Bedienstete, die man übersieht. Doch eines Tages treffen die bei- den zusammen...

Poetisch, bildstark und manchmal mär- chenhaft, ist PLAy eine „wunderbar entspan- nt erzählte Großstadtballade“ (Filmecho) über das Leben als Spiel mit offenem Ende.

Über einen Mann, der sucht, und eine Frau, die findet. Eine lebendige, berührende All- tagsgeschichte von Liebe und Zuneigung, die durch ihre außergewöhnliche filmische Umsetzung fasziniert. Auf subtile Weise be-

DIE FABRIKANTEN GRATULIEREN!

Die Fabrikanten gratulieren dem Moviemento herzlich zu seinem 20-jährigen Bestehen!

Auch wir feiern heuer 20 Jahre Die Fabrikanten. Wer unser Jubiläumsmagazin in zwei Ausgaben auf keinen Fall versäumen mag, schicke einfach gleich eine e-Mail an labor@fabrikanten.at.

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Juni 2010 Programmzeitung für Moviemento & City-Kino

rechtsextreme und neonazistische Orga- nisationen. Er trat in dieser Funktion als Berater auf und hielt Lesungen an Schulen oder Einrichtungen wie Scotland Yard.

„Lisbeth ist ein Mensch, der sehr viel durchgemacht hat. Sie musste sich ihre eigene Welt erschaffen, ihre eigenen Re- geln, da die bestehenden ihr nicht halfen.

Sie war immer komplett allein in ihrer Welt, außerhalb dieser war sie verletzlich.

Lisbeth hat ihre Gefühle und ihr Herz weg- geschlossen, um sich zu schützen. Wenn sie dann aber einmal jemanden an sich heranlässt, ist sie unglaublich vertrauens- voll und loyal. Sie wird bis zum Tod für das kämpfen, an das sie glaubt.”

– Noomi Rapace über Lisbeth Salander

„Mikael Blomkvist ist jemand, der nie lo- ckerlässt, wenn er an einer Sache dran ist.

Außerdem hat er einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, er setzt sich mit aller Lei- denschaft für sie ein. Wenn Mikael Blomkvist denkt, dass jemand etwas Falsches getan hat, dann will er das nicht nur aufdecken, sondern sicherstellen, dass die Verantwort- lichen zur Rechenschaft gezogen werden.”

– Michael Nyqvist über Mikael Blomkvist

Oliver Parker

Das Bildnis des Dorian Gray

Dorian Gray

GB 2009, 112 min, Englisch OmU, B: Toby Finlay, nach dem gleichnamigen Roman von Oscar Wilde, K: Roger Pratt, S: Guy Bensley, D: Ben Barnes, Colin Firth, Ben Chaplin, Rebecca Hall, Fiona Shaw, Emilia Fox

ab Freitag, 11. Juni

Der ebenso gut aussehende wie unerfah- rene Dorian Gray kommt gegen Ende des 19.

Jahrhunderts in London an. Seit seiner Kind- heit ist der junge Mann, der auf dem Land und ohne Eltern aufgewachsen ist, nicht mehr in der Großstadt gewesen. Dort macht er die Bekanntschaft des sympathischen Malers Basil Hallward, der fasziniert ist von Dorians Attraktivität und umgehend mit der Arbeit an einem Porträt von ihm beginnt.

Bald darauf trifft er auf den enorm charis- matischen Lord Henry Wotton, der auf jeder Party im Mittelpunkt steht und es wie kein der Regierung aufdecken. Währenddessen

setzt Mikael Blomkvist alles daran, Lisbeths Unschuld an den Morden an ihrem Vormund Niels Bjurman und zwei Journalisten zu be- weisen. Die Verbrechen werden nach wie vor ihr angelastet – und Mikael weiß genau, dass es nur noch eine letzte Chance gibt, Lisbeth zu retten. Während seiner Ermitt- lungen beginnt sich Lisbeths Vergangenheit vor seinen Augen wie ein Puzzle, Stück für Stück, zusammenzusetzen. Eine Vergan- genheit, die düster ist – deren Offenbarung aber der Schlüssel zu Lisbeths Unschuld sein könnte. Die Zeit für Lisbeth ist gekom- men…

Nach VerBLendunG und VerdAMMnis ist VerGe-

BunG der letzte Teil und furiose Höhepunkt von Stieg Larssons „Millennium-Trilogie“.

Für Lisbeth Salander geht es nun um al- les oder nichts, um Schuld oder Unschuld, Freiheit oder Verurteilung, Leben oder Tod.

Unterstützt von Mikael Blomkvist, der auf seiner Suche nach Gerechtigkeit die Ver- schwörung gegen Lisbeth unbeirrbar aufzu- decken versucht, sind die beiden unweiger- lich aneinander gebunden – und ihre Tour de Force steuert auf ein grandioses, Nerven zerreißendes Finale zu.

Stieg Larsson wurde im August 1954 als Karl Stig-Erland Larsson im schwedischen Umeå geboren. Als er am 9. November 2004 in Stockholm an den Folgen eines Herzinfarkts starb, stand seine literarische Karriere gerade erst am Anfang. Drei von einer Reihe von zehn geplanten Büchern waren fertig gestellt – die Millennium- Trilogie –, veröffentlicht waren sie jedoch noch nicht. Heute sind weltweit bereits 21 Millionen dieser Bücher verkauft. „Selten musste die Kriminalliteratur ein so be- gnadetes Talent wie Stieg Larsson fast im selben Atemzug willkommen heißen und betrauern“, formulierte der englische Ob- server treffend.

Als 1995 in seinem Heimatland sieben Menschen von Rechtsextremisten getötet wurden, gründete Stieg Larsson die Stif- tung „Expo“, deren Ziel es werden sollte, rassistische und totalitäre Organisationen und Tendenzen in Schweden zu erforschen und publik zu machen. Zur Stiftung gehört auch das gleichnamige antifaschistische Magazin, dessen Herausgeber und – nach Beendigung seiner Tätigkeit für TT – Chef- redakteur er wurde. Bis zu seinem Tod galt Stieg Larsson als einer der weltweit füh- renden Experten für antidemokratische, schreibt der Film zugleich auch die sozialen

und kulturellen Differenzen zwischen den Protagonisten. Mit Alicia Schersons überzeu- gendem Debüt meldet sich eine neue Gene- ration chilenischer Filmemacher zu Wort.

In Chile selbst wurde PLAy mit Preisen als be- ster Film des Jahres und für die beste Regie ausgezeichnet, auf den Festivals von Mon- treal, Nantes und Havanna erhielt er jeweils den Publikumspreis.

PLAy ist ein in seiner Knappheit auch sehr poetischer Film, spröde und gleichzeitig heiter, mit skurrilem Humor und bei aller Distanz mit großer Empathie zu seinen Figuren, optimistisch und ohne jegliche Moral, weit entfernt vom populären chile- nischen Kino, aber auch humorvoller und magischer als etwa der realistische Exis- tenzialismus des jungen argentinischen Films. – Die Welt

In dieser versponnenen Großstadtroman- ze erzählt die chilenische Regisseurin Ali- cia Scherson von großen Gefühlen und noch größeren Klassenunterschieden und verbindet den experimentellen Stil der jungen Videoszene Lateinamerikas mit hartem Realismus. – Der Spiegel

Abseits ausgetretener Pfade hat sie ei- nen eigenen Weg durch das Amazonasdi- ckicht der Stile und Moden gefunden. Ihr Kompass ist die wirksamste Waffe des Erzählens: die Poesie des Individuums.

– Frankfurter Rundschau

Daniel Alfredson

Vergebung

Luftslottet som sprängdes

SE 2009, 146 min, Schwedisch OmU, B: Jo- nas Frykberg, nach dem Roman von Stieg Larsson, K: Peter Mokrosinski, S: Mattias Morheden, D: Noomi Rapace, Michael Nyqvist, Lena Endre, Annika Hallin, Jacob Ericksson, Georgi Staykov

ab Freitag, 4. Juni

Lisbeth Salander hat den Kampf gegen ih- ren Widersacher Zala nur knapp überlebt und wird schwer verletzt in die Notaufnah- me eingeliefert. Doch sie schwebt weiterhin in Gefahr. Denn auch Zala lebt noch. Und der Geheimdienst möchte Lisbeth mit allen Mitteln mundtot machen – auf keinen Fall darf sie die Verbindung zwischen Zala und

Young Victoria Das Bildnis des Dorian Gray Gigante

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Programmzeitung für Moviemento & City-Kino Juni 2010

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Bruno Moll

Zu Fuß nach Santiago de Compostela

CH 2007, 95 min, OdF, B: Bruno Moll, K: Bruno Moll, S: Anja Bombelli

ab Freitag, 18. Juni

Dokumentation, die die Höhen und Tiefen des Pilgeralltags eines Schweizer Wande- rers über 30 Tage hinweg schildert.

Jakobus war einer der zehn Apostel und wurde 44 n.Chr. in Jerusalem enthauptet.

Die Legende erzählt, dass sein Leichnam über das Mittelmeer an die galizische Kü- ste und nach Santiago gebracht worden ist und dort begraben wurde. Ob sich das Grab Jakobs tatsächlich an dieser Stelle befindet, wird immer wieder angezweifelt. Aber aus Erfahrung wissen wir: Legenden halten sich besser als historische Tatsachen. Der Ort wurde nach der wundersamen Entdeckung des Grabes um 825, durch Klerus und Adel tatkräftig gefördert, zum Pilgerort, der bis heute – mit Unterbrechung während des Franco-Regimes – bereits unzählige Gläu- bige anzog.

Auch der Schweizer Theaterpädagoge Ro- man Weishaupt hat dieses Ziel vor Augen: In drei Monaten will er auf dem berühmten Ja- kobsweg bis nach Santiago de Compostela pilgern. 2300 strapaziöse Kilometer liegen vor ihm. Die Lust an der Herausforderung und die Hoffnung, sich selbst besser kennen zu lernen, sind sein Antrieb.

Bruno Moll hat Roman auf den wichtigsten Etappen seiner Reise begleitet. Er hat Bilder geschaffen, die zum Schwelgen und zum kann nicht zulassen, dass sein dunkles Ge-

heimnis aufgedeckt wird. Er bringt seinen Freund um – und kehrt London anschlie- ßend so schnell wie möglich den Rücken.

Erst nach gut 25 Jahren kehrt er in eine voll- kommen veränderte Stadt zurück: Autos und die U-Bahn haben die Pferdekutschen von damals abgelöst, aus den Freunden von einst sind alte Männer und Frauen gewor- den. Nur Dorian selbst ist in seiner makel- losen Schönheit keinen Tag gealtert. Doch die Geister der Vergangenheit quälen ihn zu sehr, als dass er mit seiner früheren Lebens- lust wieder in das Londoner Leben eintau- chen und von vorne anfangen könnte. Dann allerdings weckt die ebenso bezaubernde wie selbstbewusste Emily sein Interesse und in ihm die Hoffnung auf echte Liebe und Erlösung. Doch Emily ist die wohlbehüte- te Tochter von Lord Henry Wotton, seinem ehemaligen Mentor. Dieser hat längst Ver- dacht geschöpft und will unbedingt verhin- dern, dass die beiden sich näher kommen.

Und noch immer hängt das Porträt wie ein dämonisches Damoklesschwert auf dem Dachboden über Dorians Schicksal...

Regisseur Oliver Parker adaptiert mit dAs

BiLdnisdes doriAn GrAy zum dritten Mal ei- nen Klassiker von Oscar Wilde. Ohne dem legendären Roman des irischen Schrift- stellers untreu zu werden, hat Parker die schaurig-schöne Geschichte einer kunst- vollen Modernisierung unterzogen, die seinen Film zu einer ebenso furchteinflö- ßenden wie eleganten Sternstunde des britischen Kinos macht.

Zweiter versteht, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Schnell findet dieser Gefallen an dem vollkommenen, geradezu unbe- rührten Dorian und nimmt ihn unter seine Fittiche. Dorian hingegen findet schnell Ge- fallen an den hedonistischen Freuden der gehobenen Großstadt-Gesellschaft und lernt, dass sein Aussehen ihm alle Türen öffnet. So wundert es nicht, dass, kaum ist das Bild enthüllt, Dorian ein gedankenloses Versprechen äußert: Seine Seele würde er dafür geben, dass nicht er, sondern das Ge- mälde altert!

Dorians Wunsch wird Wirklichkeit: Während er sich ohne jegliche äußere Konsequenzen hemmungslosem Vergnügen und verbote- nen Begierden hingibt, wird sein gemaltes Abbild mit jeder begangenen Sünde häss- licher und grauenerregender. Das Bildnis scheint eine unheimliche Macht über Dori- an zu haben. Um sich dieser zu entziehen, hängt er es ab und verbannt das Porträt auf den düsteren, sorgfältig verschlossenen Dachboden.

Nun – ohne täglich mit den Konsequenzen seiner sündigen Lebensweise konfrontiert zu werden – steigert sich der zunehmend zynischere Dorian immer mehr in einen Rausch aus hemmungslosem Vergnügen und verbotenen Begierden hinein. Während Wotton das Treiben amüsiert verfolgt und die Londoner Gesellschaft ihm zu Füßen liegt, wird Basil allmählich misstrauisch.

Als Dorian sich eines Tages dazu hinreißen lässt, den Maler mit auf den Dachboden zu nehmen und das Bildnis zu enthüllen, ist der entsetzt: Sein ursprünglich perfektes Werk ist zu einem mittlerweile grässlich entstell- ten Grauen geworden. Mit aller Macht will er dem Horror ein Ende setzen, doch Dorian

Auf der anderen Seite des Bettes Play Zu Fuß nach Santiago de Compostela

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Juni 2010 Programmzeitung für Moviemento & City-Kino

Günter Wallraff: Schwarz auf Weiß Mitte Ende August

Home

Verweilen einladen. Dem Rhythmus des Wanderers folgend, erzählt der Film von Momenten der Euphorie und der Genugtu- ung und von ebenso bereichernden wie er- heiternden Kontakten mit anderen Pilgern.

Aber auch davon, welche Anstrengungen eine solche Reise mit sich bringt. Was es heißt, im französischen Niemandsland eine Herberge zu suchen oder in den Pyrenäen gegen den Wind anzukämpfen. Die bewe- gendsten Momente hält Roman selbst mit seiner Kamera fest und gewährt uns in persönlichen Reflexionen in der rätoroma- nischen Muttersprache intime Einblicke in seine Gefühlswelt.

Im September 2005 bin ich, von Santiago aus, den Jakobsweg eine Woche lang in entgegengesetzter Richtung gelaufen. Die meisten wollten mir den „rechten Weg“ zei- gen, da ich in die falsche Richtung laufen würde. So ergab sich auf natürliche Weise die Gelegenheit, mich mit vielen Pilgern auszutauschen und sie nach ihren Motiven zu befragen. Einige nennen religiöse Mo- tive, andere kulturelle Motivation, andere wollen zur Besinnung kommen, Askese, Loslassen von Sicherheiten, körperliches Aushalten, in die Stille kommen, etwas zu Ende führen, seinen Willen testen, Neugier, Magie, Mysterium, Reinigung vom Alltag, Begegnungen, mit sich ins Reine kommen, Klarheit gewinnen, sich selbst aushalten, seinen Kopf leeren, Meditation, spirituelle Introspektion, Naturerlebnis, Einsamkeit aushalten, Erleuchtung, Ruhe haben vom Alltagsstress, Ballast abwerfen, Abenteu- erlust, Timeout, sich einfach von Zuhause aufmachen, Erfahrung von Transzendenz.

Den typischen Pilger oder die Pilgerin gibt es also nicht. Ich hatte viele über- raschende, aber auch seltsame Begeg- nungen, so zum Beispiel mit jungen Ja- panern, die es cool fanden, den Weg zu gehen, oder mit einem betagten Italiener, der offenbar nicht mehr die Kraft besaß, seinen Rucksack abzustreifen, und mich stehend bat, seine Trinkflasche heraus- zufischen. Wenn er jetzt absitze, seufzte er, könne er nicht mehr aufstehen. Trank, bat mich, die Flasche wieder zu verstauen, und kämpfte sich weiter. Oder mit einem veritablen Spinner, der, in

grobes Sacktuch gehüllt und mit schwerem Holzkreuz auf dem Rücken, dem armen Mann aus Assisi nacheiferte. Oder ich erin- nere mich an jene junge Frau, die, das Han- dy ans Ohr geklemmt, ihrer Liebe (in Ita- lien) die Pracht der Eukalyptuswälder im

Morgenlicht mit ihrem betörenden Geruch beschrieb. Und mit Bewunderung denke ich an jenen deutschen Behinderten (be- gleitet von seiner Freundin), der den spa- nischen Weg im Rollstuhl nun bereits zum zweiten Mal bewältigte. Beeindruckt hat mich aber auch eine Österreicherin, de- ren achtzehnjähriger Sohn sich das Leben genommen hatte, und die ihre Trauer auf dem Weg zu bewältigen suchte. Sie zitierte die Dichterin Friederike Mayröcker, die der Trauer um den Tod ihres Mannes Ernst Jandl so begegnet sei: „Heulen und gehen.

Sehr rasch und viel gehen. Das ist gut, wenn man einen großen Schmerz hat.“

– Bruno Moll

Jean-Marc Vallée

Young Victoria

US 2009, 104 min, Englisch OF, B: Julian Fellowes, K: Hagen Bogdanski, S: Jill Bilcock Matt Garner, D: Emily Blunt, Rupert Friend, Paul Bettany, Miranda Richardson, Jim Broadbent, Thomas Kretschmann

Oscars 2009 – Beste Kostüme BAFTA Awards 2010 – Beste Maske

ab Freitag, 25. Juni

1837. Die 17-jährige Victoria führt ein ruhiges und behütetes Leben im eleganten Kensing- ton Palace. Doch die lebensfrohe junge Frau ist nicht glücklich: Ihre herrische Mutter, die Herzogin von Kent, und deren ehrgeiziger Ratgeber Sir John Conroy überwachen nicht nur jeden ihrer Schritte, sie halten sie auch bewusst vom Hof ihres Onkels König Willi- am IV. fern, um jeden Einfluss von außen zu verhindern. Einzig ihrer Gouvernante, der wortkargen Baroness Lehzen, kann sie sich jahrelang wirklich anvertrauen. Als legitime Thronfolgerin steht Victoria zudem bald im Mittelpunkt eines erbitterten Kampfes um die Macht über Großbritannien. Da William nicht mehr lange leben wird, versucht man von allen Seiten, die Gunst des Mädchens zu gewinnen.

Auf Einladung ihrer Mutter, der Herzogin von Kent, kommt ihr Cousin, der deutsche Prinz Albert, nach London. Um den Einfluss seiner Familie auf das englische Königshaus zu stärken, soll er Victorias Herz erobern.

Der Plan geht auf – mehr noch: Es ist Lie- be auf den ersten Blick. Als König William stirbt, tritt die 18-jährige Victoria die Thron- folge als Königin Englands an. Als erste

Amtshandlung entlässt sie ihre Mutter und den ihr verhassten Conroy in ein abgeschie- denes Appartement der königlichen Familie und ernennt stattdessen den charmanten Lord Melbourne zu ihrem alleinigen Berater.

Die junge Königin vertraut ihrem Premier- minister, und obwohl Melbourne teilweise eigene Motive verfolgt, ist er stets aufrich- tig um das Wohl seiner jungen Verbündeten bedacht. Er steht ihr nicht nur in der ersten Zeit großer Verantwortung beratend zur Seite, er gibt außerdem sein Bestes, um Victoria langfristig den Rücken zu stärken.

Anlässlich der Krönungszeremonie kehrt auch Prinz Albert nach London zurück und verbringt einige glückliche Stunden mit der jungen Königin. Ihre Freundschaft und ge- genseitige Zuneigung wächst. Melbournes Einfluss auf Victoria überwiegt jedoch und Albert reist enttäuscht wieder ab.

Von der Öffentlichkeit wird Königin Victoria umjubelt und geliebt – eine Bewunderung, die jedoch ein jähes Ende findet. Melbour- nes Partei unterliegt bei der Wahl, und sein Rivale Sir Robert Peel fordert von Victoria, ihre Hofdamen, alle Unterstützerinnen Lord Melbournes, nach seinen Vorstellungen auszutauschen. Als sie sich weigert, tritt er von seinem Posten zurück und Melbourne bleibt weiterhin Premierminister. Victoria büßt durch diese Entscheidung Ansehen und Sympathien beim Volk ein. Die Zei- tungen wettern, sie habe gegen den Willen des Volkes gehandelt.

Erst jetzt merkt Victoria, wie sehr sie Prinz Alberts Nähe und Unterstützung braucht, und lässt ihn gegen den Rat ihres engen Vertrauten Melbourne nach England ho- len. Auch Albert ist fest entschlossen, nicht länger als das Werkzeug seiner Familie zu fungieren. Von diesem Wandel, seiner Auf- richtigkeit und seinem guten Aussehen gleichermaßen beeindruckt, hält die junge Frau um Alberts Hand an. Die folgende kö- nigliche Hochzeit stimmt auch die Öffent- lichkeit wieder versöhnlich. Das glückliche Paar wird von den Massen gefeiert, und es scheint, als wäre im englischen Königshaus Ruhe eingekehrt. Doch die anfängliche Har- monie weicht schnell ersten Spannungen:

Während sich Victoria einen ergebenen Freund und Liebhaber wünscht, fordert Al- bert eine gleichberechtigte Stellung als ihr Partner ein und will zudem in das politische Geschehen eingebunden werden. Es kommt zu Auseinandersetzungen, bei denen die Königin ihren Ehemann tief verletzt...

Muezzin Vergebung

Triff die Elisabeths!

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Programmzeitung für Moviemento & City-Kino Juni 2010

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Lucien Jean-Baptiste

Triff die Elisabeths!

La première étoile

FR 2009, 90 min, Französisch OmU, B: Lucien Jean-Baptiste, Marie-Castille Mention-Schaar, K: Myriam Vinocour, S: Hugues Darmois, D: Lucien Jean- Baptiste, Anne Consigny, Firmine Richard, Jimmy Woha-Woha, Loreyna Colombo, Ludovic François

ab Freitag, 18. Juni

Jean-Gabriel, ein liebenswerter Kindskopf aus der Karibik, träumt mit seinen Kumpels in der Kneipe von Starruhm, statt sich um eine handfeste Arbeit zu kümmern. Und verspricht Frau und Kindern den ersten Ski- urlaub ihres Lebens – obwohl er gerade das letzte Geld verwettet hat! Seiner Frau Suzy, die das Geld verdient, reicht‘s: „Schau dies- mal zu, wie du ohne mich zurechtkommst!“

Jetzt muss er mit viel Witz und mehr Glück als Verstand sein kühnes Versprechen wahr machen – sonst hat er seine Frau zum letz- ten Mal gesehen. Fünf Schwarze im Schnee – da ist die leere Kasse nicht die einzige Hürde auf dem Weg zum „ersten Stern“,

„La première etoile“ (so der Originaltitel), den der Jüngste unbedingt erringen will.

Nur gut, dass auch Bonne Maman, seine Mutter, mitgekommen ist, um für Suzy nach dem Rechten zu sehen – eine Frau wie ein Wirbelsturm, ob auf der Piste oder beim Scrabble mit den Vermietern, die auf ihr Geld warten… Was wie ein Sozialdrama um Ausgrenzung und Rassismus, um Arbeitslo- sigkeit und Geldmangel, um Mischehe und Klassenschranken klingt, entpuppt sich als warmherzige Familienkomödie, erzählt aus der Sicht einer ethnischen Minderheit. Der aus Martinique stammende Schauspieler und Ex-Werbefachmann Lucien Jean-Bap- tiste gibt hier sein Regiedebüt und weiß Klischees und Kalauer „typischer“ Urlaubs- komödien zu vermeiden – mit Erfolg, wovon die Publikumspreise bei verschiedenen Fe- stivals zeugen.

So landen die Elisabeths, Fremde im eige- nen Land, im Schatten des Mont Blanc, des weißen Berges, wo sie (zunächst) wie Exo- ten wirken. Im geliehenen Mercedes, der in bester Slapstick-Manier allmählich ein Totalschaden wird, reisen sie an, der Papa, die drei Kinder sowie die Großmutter. Gelas- sen erzählt Jean-Baptiste seine Geschichte, nimmt sich Zeit für die Charaktere und lässt sie nie zur Karikatur verkommen. Weit weg

von typischen Urlaubskomödien mit ihren Klischees und Kalauern siedelt er seine Fi- guren in der Realität an. Deren Weltsicht reicht von kindlich-naiv bis erschöpft und ernüchtert, wobei Realistin Suzy für letztge- nannte Position steht. Sie erträgt die Träu- mereien ihres Mannes nicht mehr, zwingt ihn zum Handeln, zur Stellungsnahme und so letztlich zur Integration in die Gesell- schaft.

Das Croissant unter den Culture-Clash- Komödien: sehr luftig, nicht gerade nahr- haft, aber erstaunlich gut bekömmlich!

– Frankfurter Rundschau

Bissiger Witz und leichthändige Gesell- schaftskritik! – Die Welt

Firmine Richards kluge, skurrile und gleichzeitig kraftstrotzende Oma er- wärmt von der Leinwand herab einfach jedes Herz. Ein Film, der bestens unter- hält, der aber auch als kleine, feine Ge- sellschaftssatire im Gedächtnis bleibt!

– Badische Zeitung

Sebastian Brameshuber

Muezzin

AT 2009, 85 min, Türkisch OmU, B: Sebastian Brameshuber, K: Govinda van Maele,

S: Sebastian Brameshuber, Gökce Ince ab Freitag, 18. Juni

Seit den Tagen des Propheten Mohammed folgen gläubige Muslime fünf Mal täglich dem Gebetsaufruf des Muezzins. Ein neu- zeitliches Phänomen sind die türkischen Gebetsrufwettbewerbe, bei denen sich die Muezzins des Landes jedes Jahr in der Kunst messen, den schönsten Gebetsruf zu performen. Ihre kraftvollen und expressiven Darbietungen beweisen, dass es sich beim Muezzin um eine spezielle Art von Künstler handelt; oder doch „nur“ um ein Instrument Gottes? Muezzin folgt dem dramatischen Verlauf des Bewerbs und untersucht den Stellenwert von Individualität in einer mus- limischen Kultur.

„Es ist unmöglich, beim Wettbewerb die- selbe Emotionalität zu erreichen wie im Minarett.“ Obwohl er das weiß, entschließt sich Halit Aslan, Muezzin der historischen Istanbuler Fatih-Moschee, sich beim natio- nalen Gebetsrufwettbewerb mit seinen Kol-

legen zu messen. Mit Leichtigkeit qualifiziert er sich für das Istanbul-Finale und weiß, dass sein Ruf als Muezzin der berühmten Fatih-Moschee darunter leiden würde, dort schlecht abzuschneiden.

Sein Lehrer ist Habil Öndes, ein Imam und Meister des Gebetsrufes, der seine musi- kalische Ausbildung am Istanbuler Konser- vatorium absolvierte, allerdings nicht um Musiker zu werden, sondern um sein musi- kalisches Wissen in die Moscheen zu tragen.

„Du wirst unter die ersten drei kommen, so Gott will“, ermutigt er seinen Schüler Halit, mit dem er die Liebe zu den musikalischen Details des Gebetsrufes teilt. Seine Meinung ist gewichtig, einige seiner Schüler sind un- ter den Türkei-Siegern der letzten Jahre.

Und: Er ist Jurymitglied des Gebetsrufwett- bewerbes.

Es scheint, als wäre der Aufstieg ins nati- onale Finale für Halit nur eine Formsache.

Doch niemand hat mit Isa Aydin gerechnet, einem frommen Imam aus einer kleinen Vorstadt-Moschee, der mit seiner hohen Stimme die Ohren der Jury zu überzeugen weiß. Sein künstlerischer Anspruch bleibt hinter seinem Pragmatismus zurück: „Je mehr Leute ich mit meinem Gebetsruf in die Moschee locke, desto erfolgreicher bin ich.“

Mit dieser Formel im Gepäck begibt sich Isa Aydin nach Edirne im äußersten Westen der Türkei, wo er Istanbul beim nationalen Finale gegen neun weitere Gebetsrufer aus Anatolien vertritt. Der Druck ist groß, waren doch die Gewinner der beiden Jahre zuvor ebenfalls aus Istanbul: „Wenn du nicht unter die ersten drei kommst, wie kannst du dich dann nach Istanbul zurücktrauen?“, bringt es Vorjahressieger Mustafa Yaman auf den Punkt.

Sebastian Brameshuber, Jahrgang 1981, studierte Medienkunst an der FH Salzburg, bevor er im Herbst 2003 an die Universität für angewandte Kunst in Wien wechselte.

Seit Anfang 2004 entstehen kurze, experi- mentelle Videoarbeiten, die meist unter dem Pseudonym „Fordbrothers“ (in Zusammen- arbeit mit dem Künstler Thomas Draschan) bei zahlreichen internationalen Film- und Medienkunstfestivals und im Kunstkontext gezeigt werden. Mit PreserVinG cuLturAL trA-

ditionsinA Periodof instABiLity, der u.a. bei den Filmfestivals Viennale, London, Hongkong, Max-Ophüls, EMAF, New York Underground gezeigt wurde, gelang den Fordbrothers ein vielbeachteter Beitrag zum österreichischen Avantgarde-Film. Sebastian Brameshuber lebt und arbeitet in Wien und Istanbul.

Lourdes Whatever Works

Bright Star – Meine Liebe. EwigEin Sommer in New York Die Eleganz der Madame Michel Young Victoria

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