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Vorstellungen zum Thema „Proportionalität“ aufbauen bzw. diagnostizieren – Implikationen für den Unterricht

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Thomas KROHN, Leipzig & Silvia SCHÖNEBURG-LEHNERT, Leipzig

Vorstellungen zum Thema „Proportionalität“ aufbauen bzw.

diagnostizieren – Implikationen für den Unterricht

Im folgenden Beitrag soll die Bedeutung einer fundierten Ausbildung von Kenntnissen über proportionale und antiproportionale Zusammenhänge und deren Eigenschaften begründet und in den Kontext der aktuellen Grundvor- stellungstheorie in der mathematikdidaktischen Forschung eingebettet wer- den. Daraus werden Implikationen für einen grundvorstellungsbasierten Un- terrichtsansatz zum Ausbilden der gewünschten bzw. zur Diagnose der be- reits existierenden Schülervorstellungen gezogen.

Die Notwendigkeit der Ausbildung tragfähiger Schülervorstellungen Die Frage der Sinnhaftigkeit ist bei der Konzipierung des eigenen Unter- richts für alle Lehrenden essenziell: Oft scheint es, als würden die Lernenden zwischen Mathematikaufgaben bzw. -verfahren und ihrem Alltag kaum enge Beziehungen sehen. Wird die Bedeutung eines Sachverhaltes nicht erfasst, so ist das Resultat häufig das reine kalkülorientierte Anwenden von Metho- den und nicht selten das fehlende Reflektieren der erhaltenen Ergebnisse (vgl. u. a. Selter & Spiegel, 2005, S. 3 oder Prediger, 2009, S. 215). Um die- ser Problematik entgegen zu wirken, ist es angebracht, dass die Lernenden tragfähige Grundvorstellungen vom jeweiligen Lerninhalt ausbilden.

Diese Grundvorstellungen werden im Hinblick der späteren Implikationen für den konkreten Unterricht im Themengebiet „Proportionalität“ angelehnt an die aktuelle fachdidaktische Forschung als generalisierte mentale Modelle mathematischer Inhalte (vgl. vom Hofe, 2003, Wartha, 2010) verstanden, welche den bereichsspezifischen Übersetzungen zwischen verschiedenen Darstellungsebenen dienen, „um aus unterschiedlichen theoretischen Per- spektiven ein tieferes, vielschichtigeres Verständnis empirisch beobachtba- rer Phänomene zu erlangen“ (Nitsch, 2014, S. 11).

Weiterhin ist für die gezielte Entwicklung späterer Unterrichtsformate wich- tig, zu unterscheiden zwischen der Perspektive der Lehrenden – im Sinne eines Soll-Zustandes (normative Ebene) zum jeweiligen Unterrichtsgegen- stand – und der individuellen mentalen Repräsentation der Lernenden – im Sinne eines Ist-Zustandes (deskriptive Ebene) – deren Verbindung die wich- tige konstruktive Perspektive darstellt (vgl. u. a. vom Hofe, 1995, S. 23ff./

105f.). Die Betrachtung unter dem konstruktiven Aspekt kann zu verschie- denen Zeitpunkten geschehen. Zum einen im Voraus hinsichtlich eines neuen Unterrichtsinhaltes, um gezielte Fördermaßnahmen in Richtung der

Siller, H.-S., Weigel, W. & W¨orler, J. F. (Hrsg.).Beitr¨age zum Mathematikunterricht 2020. M¨unster: WTM-Verlag, 2020.

doi: 10.37626/GA9783959871402.0 561

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normativen Grundvorstellungen anzuregen. Zum anderen am Ende einer Un- terrichtseinheit oder eines Themenkomplexes, um auf eventuelle Lücken im Lernprozess einzugehen (vgl. Lengnink, u. a. 2011, S. 3ff.).

Normative Grundvorstellungen im Bereich der proportionalen und an- tiproportionalen Zuordnungen innerhalb der Leitidee 4

„Die Themengebiete ‚Proportionale und antiproportionale Zuordnun- gen‘ und ‚Prozentrechnung‘ gehören zum Schwarzbrot des Mathematikun- terrichts. In welches didaktische Lager man auch schaut – niemand wird die Bedeutung der genannten Gebiete und die Notwendigkeit ihrer sorgfältigen Behandlung […] in Zweifel ziehen.“ (Jahnke, 2002, S. 4).

Zwar werden bereits in der Primarstufe die Lernenden mit proportionalen Zusammenhängen in ihrem Alltag konfrontiert, etwa bei einfachen Multipli- kations- und Divisionsaufgaben, doch erst in der Sekundarstufe I – zumeist in Klassenstufe 6 – erfolgt das Herausarbeiten der konkreten Eigenschaften proportionaler und antiproportionaler Zusammenhänge.

Betrachtet man die Bildungsstandards im Fach Mathematik, so ist das The- mengebiet unter der Leitidee L4 „Funktionaler Zusammenhang“ einzuord- nen. Es bildet damit das unmittelbare Fundament für alle folgenden funktio- nalen Untersuchungen und so sollte beachtet werden, dass bereits (anti)-pro- portionale Zuordnungen Beziehungen zwischen zwei Größenbereichen be- schreiben und damit die drei funktionalen Aspekte – im Sinne von Greefrath, 2016, S. 17f. (vgl. auch Vollrath, 1989; Malle 2000; vom Hofe, 2003) – an- gesprochen werden: 1. Zuordnungsaspekt: Welche Größe ist einer anderen eindeutig zugeordnet? 2. Kovariationsaspekt: Wie verändert sich eine Größe mit der anderen? Und 3. Objektaspekt: Wie verhält sich die Funktion (hier:

Zuordnung) als Ganzes? Obige Aspekte führen dann zu den grundlegend aufzubauenden normativen Grundvorstellungen: „Zuordnungsvorstellung“,

„Kovariations- oder Änderungsvorstellung“ und „Objektvorstellung“ (vgl.

vom Hofe, 2003, S. 6), die im Folgenden feiner ausdifferenziert werden.

Implikationen für die konkrete Unterrichtsgestaltung 1) Nutzung verschiedener Darstellungsarten

Die Grundvorstellungen können sich in bestimmten Darstellungsarten unter- schiedlich zeigen, allerdings weder zwingend voneinander trennscharf oder unabhängig. Sie lassen sich „sprachlich als Beschreibung, numerisch als Ta- belle, grafisch als Diagramm oder Graph und symbolisch als Term“ (Huß- mann & Laakmann, 2011, S. 4) darstellen. Ferner ist die Richtung des Dar- stellungswechsels von immanenter Bedeutung (vgl. ausführliche Darstellun- gen in Nitsch, 2014, S. 101f. sowie Hußmann & Laakmann, 2011, S. 4ff.).

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2) Berücksichtigung ambivalenter Vorstellungen bei proportionalen Zusam- menhängen auf Basis der 3 funkt. Aspekte (nach Hafner, 2012, S. 34f.)

3) Berücksichtigung ambivalenter Vorstellungen bei antiproportionalen Zu- sammenhängen auf Basis der 3 funktionalen Aspekte

4) Flexible und situationsgerechte Nutzung einer Vielzahl an Lösungsstrate- gien, die eng mit den Vorstellungen korrespondieren: klassischer/individu- eller Dreisatz, Operatormethode, Bruch- bzw. (Anti-)Verhältnisgleichung.

Aus diesen vier Folgerungen wurde ein erstes konkretes Setting einer Unter- richtsumsetzung vor dem Hintergrund einer Lernumgebung entworfen und in getestet, wobei in diesem Fall die „Rückschau nach Behandlung“ im Vor- dergrund stand, also die Diagnose der vorhandenen deskriptiven Vorstellun- gen der Lernenden (n=28). Die Sicherung der Ergebnisse erfolgte mit Hilfe einzelner Arbeitsblätter, wobei insgesamt ausgewogen jeweils bestimmte Teilaspekte und -vorstellungen dominierten.

Die Auswertung ergab (in Kürze): a) Generell gilt, dass die Aktivierung adä- quater Kovariations- und Objektvorstellungen den Schülern häufig unabhän- gig von der zugrundeliegenden Darstellungsform gelang, ebenso häufig ge- lang die Aktivierung einer angemessenen Zuordnungsvorstellung. b) Hin- sichtlich der proportionalen Zuordnungen zeigte sich, dass im Zusammen- hang mit der tabellarischen beziehungsweise numerischen Darstellung und

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der Vervielfachungs- sowie Additionsvorstellung häufig richtige Antworten gegeben wurden. Die Aktivierung der Proportionalitätsvorstellung und die Verwendung der zugehörigen Operatormethode wurden häufig in Verbin- dung mit der tabellarischen beziehungsweise numerischen und algebraischen Darstellungsform festgestellt und wenig auf die graphische Darstellungs- form zurückgeführt. Eine Aktivierung der Quotienten- und Verhältnisvor- stellung war sehr selten. c) Die Antiproportionalitätsvorstellung wurde ins- besondere zum Finden weiterer Wertepaare aktiviert und demnach die Bruchgleichung als Lösungsstrategie verwendet. Dies geschah vorrangig un- ter Verwendung der tabellarischen und algebraischen Darstellungsform.

Die im Rahmen der GDM 2020-Tagung vorgestellten konkreten Unterrichtsmaterialien können bei den Autoren nachgefragt werden. Zudem bedanken sich die Autoren herz- lich bei Herrn Philipp Kern.

Literatur

Greefrath, G. et al. (2016). Didaktik der Analysis. Berlin/Heidelberg: Springer Spektrum.

Hafner, T. (2012). Proportionalität und Prozentrechnung in der Sekundarstufe I. Wies- baden: Vieweg + Teubner.

Hußmann, S. & Laakmann, H. (2011). Eine Funktion – viele Gesichter. Praxis der Ma- thematik in der Schule. Sekundarstufen I und II 53.38 (2011), 2–11.

Jahnke, T. (2002). Proportionale und antiproportionale Zuordnungen und Prozentrech- nung heute. Mathematik lehren 114, 4–5.

Lengnink, K., Prediger, S. & Weber, C. (2011). Lernende abholen, wo sie stehen indivi- duelle Vorstellungen aktivieren und nutzen. Praxis der Mathematik in der Schule. Se- kundarstufen I und II 53.40, 2–7.

Malle, G. (2000). Funktionen untersuchen – ein durchgängiges Thema. Mathematik leh- ren 103, 4–7.

Nitsch, R. (2014). Diagnose von Lernschwierigkeiten im Bereich funktionaler Zusam- menhänge. Wiesbaden: Springer Spektrum.

Prediger, S. (2009). Inhaltliches Denken vor Kalkül […]. In Fritz, A. & Schmidt, S.

(Hrsg.), Fördernder Mathematikunterricht in der Sek. I. Rechenschwierigkeiten erken- nen und überwinden (S. 213–234). Weinheim und Basel: Beltz, 2009.

Selter, C. & Spiegel, H. (2005). Wie Kinder rechnen. Leipzig: Ernst Klett Verlag.

Vollrath, H.-J. & Roth, J. (2012). Grundlagen des Mathematikunterrichts in der Sekun- darstufe. (2. Aufl.) Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.

Vollrath, H.-J. (1989). Funktionales Denken. Journal der Mathematikdidaktik 10, 3–37.

Vom Hofe, R. (2003). Grundbildung durch Grundvorstellung. mathematik lehren, 118, 4–8.

Vom Hofe, R. (1995). Grundvorstellungen mathematischer Inhalte. Heidelberg, Berlin und Oxford: Spektrum.

Wartha, S. (2010). Aufbau von Grundvorstellungen. Ein Förderkonzept. In A. M. Lind- meier & S. Ufer (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2010 (S. 911–914).

Münster: WTM.

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