429
Zu M. de Clercq's Catalog seiner Sammlung
sasanidischer Gemmen.
Von Paul Horn.
Das Prachtwerk „CoUection de Clercq. Catalogue methodique et
raisonne. Antiquites assyriennes, cylindres orientaux, cachets,
briques, bronzes, bas-reliefs, etc., publi6 par M de Clercq, ancien
depute. Paris, Ernest Leroux 1890" enthält in tome II chapitre I
die sasanidischen Gemmen der reichen Sammlung mit einem er¬
läuternden Text von dem berühmten Orientalisten M. J. Menant.
Leider steht dieser Text — was die sasanidischen Steine anlangt,
über die aUein ich mir ein Urtheil erlauben kann — mit den
herrlichen Abbildungen durchaus nicht im Einklang. Dieses bei
einem Manne wie Herrn Menant sonst gänzlich unbegreifliche Vor¬
kommniss findet seine Erklärung dadurch, dass derselbe für die
Entzifferung der Gemmeninschriften auf einen Mitarbeiter, Herrn
Ed. Drouin, angewiesen war, der seine Aufgabe augenscheinlich viel zu
leicht genommen hat. Die vorgeschlagenen Lesungen Drouin's sind
bis auf die zwei bekannten apastän 'al yezdän und rastihi Pärsüm
sämmtlich falsch, und auch bei der letzteren zwei Mal vorkommen¬
den wird einraal der Lesung rästih! Pärsanam der Vorzug gegeben und
die Worte an beiden Stellen mit „le juste (!) Parsum resp. Pärsa¬
nam" übersetzt. Die Fälschungen — ein grosser Theil der Sammlung
sind solche — werden als Stücke eingeführt „qui peuvent rivaliser
avec Celles qui portent les noms des Ardeschir et des Sapor" (p. 9
Note 1), und die gänzlich missratenen nicht zu entziff'ernden Buch¬
staben derselben als sehr lesbar und schön hezeichnet. AUe Be¬
merkungen über die verschiedenen Formen des Pehlevialphabets
sind daher auch verfehlt. In meiner vor 2 '/2 Jahren verfassten
und seit 1 V2 Jahre gedruckten aber immer noch nicht im Buch¬
handel erschienenen*) Bearbeittmg der sasanidischen Geraraen der
Berliner Königlichen Museen habe ich auf die eigentlich selbst-
1) Icli erwähne dies, weil diese Publikation der in ZDMG. 44, 650 u.
folg. vorangehen sollte, wie sie auch viel früher verfasst ist als die letztere.
430 Horn, Zu M. de Clercc[s Catalog etc.
verständliche Vorbedingung für eine erfolgreiche Entzifferung von
Pehlevigemmen hingewiesen, nämlich auf die Beschaffung eines
grösseren Materials; ein Hinausgehen über die verhältnissmässig
wenigen Stücke der de Clercq'schen Sammlung hätte Herrn Drouin
wenigstens in einigen Fällen vor Irrtümern -bewahren müssen,
obwohl aus seinen sprachlichen Bemerkungen sowie überhaupt seinen
Lesungen zudem ersichtlich ist, dass er über die Gestalt mittel¬
persischer Worte meist recht wunderliche Vorstellungen hat.
Im Interesse der Sache, und weil die Entzifferungen Drouin's
in der WZKM. IV, 344 von Kirste gelobt werden, teile ich im
Folgenden die Lesungen mit, welche sich mir bei einer Ansicht
der Abbildungen ergeben haben. Wenn ich Abdrücke der Gemmen
zur Verfügung hätte, würde ich in einigen Fällen, in denen ich
trotz der vortrefflichen Heliogravüren die richtige Lesung nicht zu
finden vermochte, vielleicht dieselbe entdeckt haben.
Fälschimgen sind — ich berücksichtige nur die Steine mit In¬
schriften — die Nummern 107, 118, 119, 120, 128, 130(?), 133,
135; doch sind auch andere Steine verdächtig.
No. 113. ■^«33m3-ln7^^^n^<DN3 Dsc
„Säm der Sohn des Bäpäturmitrbütbag".
Drouin : Chämadasp (ou Chämarasp) atromithra (ou atropat)
Vistabän (ou Vistabagän), „Chämadasp, le protege du feu, fils de
Vistab ou Vistabagän".
Der erste Buchstabe ist deutlich ein ffi, man kann nicht Säm
lesen. Namen mit bag an zweiter Stelle sind sonst noch Farnbag,
Aturfarnbag, Tovftßuyoq (Fick).
No. 114. ■'-in: by
Auf der rechten Seite wird apastän gestanden haben, vergl.
ZDMG. 44, 667) — Drouin: „Varati . . ."
No. 116. -i-iETü Dffi, desgl. No. 121. — Drouin: Semispes
ou Amispes. Vergl. meine Berliner Gemmen S. 30, 38; ZDMG.
44, 669 (No. 106).
Der Verweis auf R. Sewell, Notes on early buddhist Symbo¬
lism im Journal of the Royal As. Soc. Vol. XX p. 425 zeigt mir,
was ich übersehen hatte , dass West und Darmesteter sich schon
mit der Pariser Gemme No. 1321 beschäftigt haben, die ich
(Berliner Gemmen S. 25, 40) Bütjane gelesen habe. Reinaud's eben
dort erwähnte Erklärung von Büdasf aus Bodhisattva ist mir
zweifelhaft.
No. 117. ■"in-'r; Drouin: Martuki.
No. 148 wohl ein verunglücktes Apastän 'al yezdän.
No. 152 -n^DrrümJrNT'.s imEnisimE
No. 153 -imcnamsrNT'N
Den Rest der beiden Legenden kann ich aus den Abbildungen
nicht herausbringen. Die Stadt Eränkhurre Sähpuhr (Karkhä, Nöl¬
deke, Tabari-Uebersetzung 58 Note 1) hahe ich schon Berliner
Horn, Zu M. de Clercq^ 8 Catalog etc. 431
Berliner Gemmen S. 27 auf dem Stein ZDMG. 31, No. 8 gelesen,
der mit einem der beiden obigen identisch zu sein scheint.
Auf Nummer 116, 122, 126, 134 (;-iNTnn (?)), 142 (arg
lädiertes Magiersiegel), 145 (Frauenname, leider, wie bei diesen so
häufig, beschädigtes Stück), 147 (lädirt) und 150 vermag ich nichts Sicheres zu lesen ; von Drouin's Entzifferungen ist aber gewiss keine richtig.
Ich bitte dem Pehlevi femer Stehende bei der grossen Ver¬
schiedenheit zwischen Drouin's und meinen Lesungen nicht etwa
zu meinen , dass das ganze Gebiet der Pehlevigemmenkunde ein
derartig unsicheres sei. Die Lesungen Drouin's sind einfach un¬
möglich, sie sind nur durch grobe Verwechselungen verschiedener
Buchstaben und ungenaue Umschrift entstanden.
Der Band des de Clerq'schen Werkes kostet 100 frs. Es
würde ein Akt der Gerechtigkeit gegenüber den Käufem sein, wenn
man denselben noch nachträglich einen Textbogen, enthaltend eine
Revision der Drouin'schen Entzifferungen, zur Verfügung stellte.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich einige nachträgliche Ver¬
besserungen zu meiner Publikation der sasanidischen Gemmen des
British Museum's in dieser Zeitschrift Bd 44 S. 650 folg. anfügen.
No. 1 (910) lautet -inianmc» it ■'hpS:!: i di:o
Sebeos ed. Patkanian p. 199 und öfter ist immer Khosrow
§num zu lesen, wie auf p. 65 Note 1 als Variante erwähnt ist.
Da ich kein Syrisch verstehe, so habe ich einige mir unter
der Firma „Sasanidisch" zugesandte Gemmen nicht als syrisch er¬
kannt; Herr Prof. Euting sah den Fehler, als er für die Berliner
Museumspublikation eine Schrifttafel anfertigte und für diese auch
meine Londoner Abdrücke benutzte. Es sind syrisch die von mir
nicht gelesenen Stücke No. 56 (586) und 60 (610); 69 (633) ist
arabisch. — Prof. Euting verdanke ich auch bezüglich No. 55
(585) den Verweis auf Mctxxdioq : griech. - palmyr. Inschrift im
Vatikan, röm. BuUetino 1860, S. 58; ZDMG. XV, 619 (Levy);
Euting, Epigr. Miscellen (Berl. Sitzungsber. 1885) S. 673 No. 6,
675 No. 20, 678 No. 42. Da der Name semitisch ist, so wird
meine Erklärung von Burjmäkäi und Mäkdät 35 (521) bedenklich. —
T<nD auf No. III (467) ist = . Djpiver ist natüriich
eben dort die einzig mögliche Form.
Herr Akademiker Salemann korrigirte mich freundlich unter
dem 14/26. IIL 1891 bezüglich No. 19 (473): Yeztänvicin könne
nur „Gotterwählt" bedeuten; No. 60 (669): sacin (sacaitfe) sei nicht
mit vicin (vi-cinaoiti) gleich zu setzen; No. 109 (638J findet er
meine Erklärung auch sehr bedenklich (Vn ist dort übrigens in Nb
verdruckt); No. 110 (829): PNrbnn sei defective Schreibung für
rsr-'Di^, Kaus. von bökhtanfe; 117 (587) vrill er ■jNcNr-'i in semit.
s:"<T und iran. ind = ^^^u ^^U*.ölJ theilen.
Strassburg, den 3 September 1891.
432
Die Accentuation der Wiener Käthaka-Handschrift.
• Von
Dr. L. T. Schroeder.
Ueber das der Wiener K. K. Hofbibliothek gehörige Ms. des
Käthftka, von welchem zuerst Weber nach einer Mittheilung
Rieu's im 1. Bande der Ind. Studien Nachricht gab, hat vor
zwölf Jahren Bühler eine kurze aber werthvolle Notiz veröffent¬
licht, in den Monatsberichten d. kön. preuss. Akad. d. Wiss. Jahr¬
gang 1879 p. 201. Mit den Vorarbeiten zu einer Ausgabe des
Käthaka beschäftigt, unternahm ich im Januar des laufenden Jahres
eine Reise nach Wien und habe daselbst das betreffende Fragment
des Käthaka einer eingehenden Prüfung unterworfen und den Text
desselben mit meiner Abschrift des vollständigen Berliner Käfhaka-
Codex collationirt. Das Wiener Fragment ist in (^äradä - Schrift
auf Birkenrinde geschrieben und bildet das letzte wichtigere Stück
eines umfänglichen Bandes, welcher zum grössten Theil verschiedene Gj-bya-Karmäni behandelt. Es enthält, wie schon Bühler mittheilte und wie auch die Unterschrift besagt, das 35. Sthänaka des Käthaka,
von der Präya9citti handelnd ; und zwar liegt, wie mich die nähere
Prüfung lehrte, dieses Sthänaka vollständig vor, im Allgemeinen
von Anfang bis zu Ende mit dem Berliner Ms. übereinstimmend,
im Einzelnen aber vielfach brauchbare oder doch beachtenswerthe
Varianten bietend. Die Details dieser Abweichungen meiner Edition
vorbehaltend, will ich hier nur eine Eigenthümliehkeit der Wiener.
Handschrift etwas näher besprechen , welche wohl ein allgemeineres Interesse beanspruchen dürfte, — ich meine die Accentuation.
Schon Bühler bemerkte, dass die letzten Blätter des Frag¬
mentes mit Accenten versehen sind ; jedoch sind nicht blos, wie er
angab, die letzten vier, sondern die letzten sechs Blätter aceentuirt ')
und zwar in eigenthümlicher Weise. Bühler bemerkte auch bereits,
dass hier nur der Udätta und der jätya Svarita*) bezeichnet sind,
1) Vom 14. Abschnitt des Sthänaka an, bis zum Schluss des 20., d. h.
auch bis zum Schluss des ganzen Sthänaka.
2) Es ist dies nicht ganz genau. Wie die Beispiele unten lehren , wird ebenso auch der kshäipra und der abbinihita Svarita bezeichnet; von dem pra- flishta ist dasselbe zu vermuthen, doch liegt zufalliger Weise kein Beispiel vor.