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2. FRANZÖSISCHE FERNOSTPOLITIK 1844-1937

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2. FRANZÖSISCHE FERNOSTPOLITIK 1844-1937

2.1. Die Etablierung französischer Macht in Ostasien 1844-1901

Mitte des 19. Jahrhunderts drangen die Mächte nach Ostasien vor. Europa, die USA und Japan unterwarfen China einem »halbkolonialen« System

1

. An der Peripherie annektierten Großbritannien, Rußland, Frankreich und Japan chine- sische Gebiete; diese Mächte und Deutschland kontrollierten wirtschaftliche

»Einflußsphären«; und China verlor die Kontrolle über seine Wirtschaft.

Westliche Bürger genossen seit den 1840er Jahren Extraterritorialität. Sie unterlagen nur der Gerichtsbarkeit ihrer Konsuln

2

. 1853 übernahmen Briten, Franzosen und Amerikaner die Zollverwaltung. China duldete die Missionie- rung und unterstellte die katholischen Missionen dem Schutz Frankreichs. Die westliche Präsenz konzentrierte sich in »Konzessionen«, Stadtvierteln, die China für unbegrenzte Zeit abgetreten hatte. Frankreich besaß seit 1849 in Shanghai, seit 1861 im nordchinesischen Tientsin und im südchinesischen Kanton sowie seit 1866 oder 1886 in Hankou am Jangtse Konzessionen

3

. Seit 1902 war es an der internationalen Konzession von Amoy beteiligt

4

.

' Dieser von Sun Yat-sen, dem Gründervater des modernen China, geprägte Begriff hat sich in der Wissenschaft behauptet (Oskar WEGGEL, Vom Objekt der Großmächte zur Unabhängigkeit. China in der Weltpolitik, in: Carsten HERRMANN-PILLATH, Michael LACKNER [Hg.], Länderbericht China.

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im chinesischen Kulturraum, Bonn 1998, S. 154-166 [S. 154]).

2 Marie-Luise NÄTH, La politique etrangere chinoise, in: Marie-Claire BERGERE, Lucien BIANCO, Jür- gen DOMES (Hg.), La Chine au XX' siecle. Bd. 1: D'une revolution ä l'autre (1895-1949), Paris 1989, S. 235-259 (S. 235f.); Jacques WEBER, Un siecle de presence franpaise en Chine (1843-1943), in:

WEBER (Hg.), La France en Chine, S. 9-33 (S. 10f.). Einen Überblick über das Leben in den Konzessionen geben Frances WOOD, No Dogs and Not Many Chinese: Treaty Port Life in China, 1843-1943, London 1998 und Robert BICKERS, Britain in China. Community, Culture, and Colonialism, 1900-1949, Manchester, Vancouver 1999.

3 Das Jahr der Gründung der Konzession in Hankou ist unklar. J. SOUCHARD gibt 1860 an (Canton et Hankeou, Metropoles d'Extreme-Orient, in: Revue des troupes coloniales 258 [1939], S. 33-53 [S. 34], der Quai d'Orsay legte 1939 diese Gründung ins Jahr 1881, 1943 aber ins Jahr 1862 (notes de la sous-direction Asie-Oceanie, 17.6.1939, 5.7.1943 [MAE Papiers 1940, cabinet Bonnet 3; Bureau d'etudes Jean Chauvel 128]); Agathe RIEUNIER nennt das Jahr 1863 (La marine franfaise en Extreme- Orient 1919-1939. Memoire de maitrise, sous la direction de Robert Frank, univ. Paris I 1997, S. 19);

von 1866 gehen WEBER (Un siecle, S. 13), Pierre RENOUVIN (La question d'Extreme-Orient 1840- 1940, Paris 1946, S. 103) und [Pierre-Marie-Gaston] CARSALADE DU PONT (La marine franfaise sur le haut Yang-tse, Paris [1964], S. 12) aus; BINOCHE (La politique extreme-orientale, S 540) und Roger LEVY (Extreme-Orient et Pacifique, Paris 1935, S. 173; DERS., La politique franfaise en Extreme- Orient 1936-1938, Paris 1939, S. 5) geben 1886 an; WOOD nennt 1896 (No Dogs, S. 94).

4 Notes de la sous-direction Asie-Oceanie, 17.6.1939, 5.7.1943 (MAE Papiers 1940, cabinet Bonnet 3;

Bureau d'etudes Jean Chauvel 128); WOOD zufolge entstand das Settlement 1903 (No Dogs, S. 60).

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22

2. Französische Fernostpolitik 1 8 4 4 - 1 9 3 7

An Chinas Südgrenze eroberte Frankreich 1862 Cochinchina, 1867 Kam- bodscha. Militärisch besiegt, erkannte China 1885 Frankreichs Protektorat über die Provinzen Annam und Tonkin an. 1887 gründete Paris die Union indochinoise, die die Kolonie Cochinchina, die Protektorate Annam, Tonkin, Kambodscha und ab 1893 Laos umfaßte. 1900 war Indochina befriedet

5

. Die Kolonie galt vor allem als Tor zum weltgrößten Markt China

6

.

Die südchinesischen Provinzen Kwangsi, Kwangtung und Yunnan wollte Paris wirtschaftlich beherrschen. Formelle Basis der Einflußsphäre war die Zusage des Kaisers in Peking 1898, diese Provinzen keiner anderen Macht ab- zutreten. Gleichzeitig verpachtete China Kwangchowan für 99 Jahre. Paris er- hielt zudem die Konzession fur den Bau einer Bahnlinie vom Hafen Haiphong bis zur Provinzhauptstadt Yunnanfu. Der 1910 abgeschlossene Bau kostete 244 Millionen Goldfrancs - und die Leben zwischen 10 000 und 80 000 Viet- namesen, die bei den Bauarbeiten starben

7

. Paris übte, anders als Rußland und Japan in der Mandschurei, keine lokale Kontrolle in der Einflußzone aus.

Früh kam Frankreich mit Japan in Konflikt. Dessen einzigartige Modernisie- rung begann mit der von den USA 1854 erzwungenen Öffnung des Landes für den westlichen Handel. Japan rief auch 500 Franzosen ins Land, die bei der Modernisierung von Verwaltung und Justiz, Werften und Armee halfen

8

.

Militärisch modernisiert, machte sich Japan nach dem Sieg über China im Krieg von 1894/95 zum Herren Koreas. China trat Taiwan, die Pescadores- Inseln und die Halbinsel Liaotung in der Südmandschurei an Japan ab.

Rußland, Frankreich und Deutschland setzten mit dem »Einspruch von

5 Helwig SCHMIDT-GLITZNER, China. Vielvölkerreich und Einheitsstaat, München 1997, S. 201; Ru- dolf von ALBERTINI, Europäische Kolonialherrschaft 1880-1940, Zürich u.a. 1976, S. 178. Zur Ent- wicklung des Begriffs Indochina: Daniel HEMERY, Inconstante Indochine. L'invention et les derives d'une categorie geographique, in: Revue frangaise d'Histoire d'outre-mer, April 2000, S. 137-158.

6 GONJO Yasao, Banque coloniale ou banque d'affaires. La banque d'Indochine sous la ΙΙΓ Republique, Paris 1993, S. 11; ANDREW, KANYA-FORSTNER, France Overseas, S. 34.

7 BRÖTEL, Frankreich im Fernen Osten, S. 480, S. 485; MARTIN, L'Empire triomphant, Bd. 2, S. 247;

Jürgen OSTERHAMMEL, Einflußsphäre ohne Einfluß. Frankreichs »Interessengebiet« in Yunnan und Guizhou, in: Das Neue China 15.1 (Januar 1988), S. 27-29 (S. 28); CHANG Yen-Shen T.H., French Trade during the Ch'ing Dynasty, in: DERS. (Hg.), Essays on Sino-French Relations, Peking 1940, S. 19-40 (S. 30); Frederic HULOT, Les Chemins de Fer de la France d'outre-mer. Bd. 1: L'Indochine- Le Yunnan, Saint-Laurent-du-Var 1990, S. 31-32; MERCIER, Vichy, S. 21, S. 51; P.B. DE LA BROSSE, Du Yunnan ä l'Ocean Indien et ä la Mer de Chine, in: L'Asie fran<;aise 367 (Februar 1939), S. 55-59 (S. 58); Le chemin de fer du Yunnan, ministere des Colonies, 8.10.1938 (MAE Chine 949).

8 RENOUVIN, La question, S. 96; S. 142; SHIBATA Michio und Asako, Un aspect des relations franco- japonaises ä la fin de l'epoque Tokugawa: le projet de fondation de la »compagnie franfaise

d'exportation et d'importation«, in: Revue d'histoire moderne et contemporaine 16 (1969), S. 173- 188; Holmer STAHNCKE, Die Geschichte Japans bis 1945, in: Manfred Pohl, Hans Jürgen Mayer (Hg.), Länderbericht Japan. Geographie, Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Bonn

21998, S. 50-59 (S. 55f.); Thierry LEROUX, Les relations aeronautiques franco-japonaises. Des origines a la Deuxieme Guerre mondiale, Vincennes 1984, S. 4f.; Ernst L. PRESSEISEN, Before Aggression. Europeans Prepare the Japanese Army, Tucson 1965, S. 10-67.

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2.2. Französisch-japanische Freundschaft und China bis 1931

23 Shimonoseki« 1895 aber durch, daß Japan die Halbinsel wieder herausgab.

Die Mächte hatten Japans Aufstieg aufgeschoben. Ihre Intervention sorgte in Tokio lange für Bitterkeit

9

. Die Niederschlagung des Boxeraufstandes im Jahr 1900 verschaffte den Mächten neue Privilegien: Die chinesische Regierung verpflichtete sich 1901 im »Boxerprotokoll«, das Diplomaten viertel in Peking zu internationalisieren, dort und entlang der Bahnstrecke von Peking zum Meer ausländische Truppen zu dulden sowie hohe Entschädigungen zu zahlen.

An der Bahn von Peking zum Meer blieben bis 1940 französische Kontingente in Tongku, Shanhaikouan und Chingwangtao stationiert. Ihre Garnisonen und die benachbarten Stadtteile behandelten die Franzosen wie eine Konzession

10

.

Das Boxerprotokoll gab den Mächten alle Privilegien, mit denen sie China bis 1943 in seinem halbkolonialen Zustand hielten: Ihre Bürger waren immun gegenüber chinesischen Gerichten und Steuern; Ausländer kontrollierten die chinesische Zoll,- Post- und Salzsteuerverwaltung, unterhielten Truppen und Kriegsschiffe, regierten in Konzessionen und im Diplomatenviertel in Peking.

Ausländische Missionare durften in China missionieren, siedeln und Grund- stücke kaufen, ihre Schulen unterstanden nur ausländischer Aufsicht".

2.2. Französisch-japanische Freundschaft und China bis 1931

Nach Japans Überfall auf Rußlands Fernostflotte im Februar 1904 gab sich Paris neutral, erlaubte aber russischen Kriegsschiffen die Nutzung von Flotten- stützpunkten. Frankreich erhoffte Rußlands Sieg, weil es den Erhalt des Prestiges der russischen Armee wünschte und weil Rußlands Militärmacht Indochina vor Japan schützte. Der Krieg endete mit Japans überraschendem Sieg. Paris urteilte, militärisch sei Indochina gegen Japan nicht zu verteidigen, und suchte die Verständigung. Auch Tokio wollte sich mit einem potentiellen Gegner verbinden

12

, und es brauchte Geld. Paris erlaubte im März 1907 die Plazierung einer Anleihe über 300 Millionen Francs in Frankreich.

' LEVY, La politique fran9aise, S. 87-88; Albert MAYBON, Le conflit sino-japonais. Quelques faits, in:

L'Asie franchise 361 (Juni 1938), S. 175-177 (S. 176).

10 Lepissier an Cosme, L 74, 5.11., L 76, 7.11.1936 (SHAT 11 Η 57); PeiTetier an Decoux, L, 4.6.1939 (SHAT 11 Η 64); Thiriat (Shanhaikuan) an Hentschel, Tientsin, L 10, 2.9.1936 (SHAT 11 Η 57); Hentschel an General Katsuki, L 958, 21.8.1937 (SHAT 11 Η 61); Militär Tongku an Tientsin, Τ, 30.4.1938 (SHAT 11 Η 60); Roger TRINQUIER, Le temps perdu, Paris 1978, S. 55, S. 437.

" John Carter VINCENT, The Extraterritorial System in China. Final Phase, Cambridge MA 1970, S. 2.

12 Tokio sah Frankreich nach Rußland und den USA als drittgrößten Feind (NAZEI Choucri, Robert C.

NORTH, YAMAKAGE Susumi, The Challenge of Japan before World War II and after. Α Study of Na- tional Growth and Expansion [Studies in International Conflict, 6], London, New York 1992, S. 83).

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2. Französische Femostpolitik 1844-1937

In dem Arrangement

13

vom 10. Juni 1907 versprachen beide Länder, die Rechte des anderen in China zu respektieren. So wie Frankreich den Chinesen Indochina abgetrotzt hatte, hatte Japan China Formosa und Korea entrissen.

Mit dem Vertrag verband sich Frankreich mit dem militärisch starken Japan und führte Rußland an das japanisch-britische Bündnis heran. Tokio erkannte Frankreichs Herrschaft über Indochina an und zeigte, daß es die Führung in Asien nicht in Gegnerschaft zum Westen ausüben wollte

14

. Japan verwies Cuong-De, den Prinzen der vietnamesischen Kaiserfamilie, der sich seit 1906 mit 100 bis 200 vietnamesischen Studenten in Tokio aufgehalten hatte, des Landes. Tokio erhielt die Meistbegünstigung in Indochina

15

.

Die bei der Washingtoner Konferenz 1921/22 vereinbarte Ordnung beruhte auf drei Verträgen, welche die dynamischen Kräfte, Chinas Nationalismus und Japans Expansionismus, zügeln sollten: Chinas Souveränität wurde formal res- pektiert, die ungleichen Verträge blieben aber in Kraft. Japans Gewinne im Weltkrieg wurden anerkannt, Abrüstung sollte seine weitere Expansion er- schweren. Der Vier-Mächte-Vertrag verpflichtete Japan, England, die USA und Frankreich, den Status quo im Pazifik zu respektieren. Seine Wirksamkeit hing allein vom guten Willen der Partner ab

16

. Der Neun-Mächte-Vertrag, den Großbritannien, die USA, Japan, Frankreich, Italien, China, Belgien, die Niederlande und Portugal unterzeichneten, verpflichtete die Mächte, Chinas Souveränität und das Prinzip der Offenen Tür zu achten. Die Regelung, daß Einflußsphären abgeschafft wurden, sah Tokio als besonderen Verlust

17

.

13 Der Vertrag wurde Arrangement genannt, um eine Ratifizierung im Parlament zu umgehen. Der Text ist abgedruckt in Pichon an Bompard, 13.6.1907, DDF 1871-1914, 2e serie, XI, 24.

14 HATA Ikuhiko, Continental expansion, 1905-1941, in: The Cambridge History of Japan, Bd. 6: The Twentieth Century, hg. von Peter Duus, Cambridge u.a. 1988, Nachdruck 1990, S. 271-314 (S. 278);

Janet Ε. HUNTER, Concise Dictionary of Modem Japanese History, Berkeley u.a. 1984, S. 44; William J. DUIKER, Phan Boi Chau: Asian, Revolutionary in a Changing World, in: Journal of Asian Studies 31.1 (1971), S. 77-88 (S. 81).

15 Jean CHESNAUX, Vietnam. Geschichte und Ideologie des Widerstands, Frankfurt/Main 1968, S. 72;

Bernhard DAHM, Der Dekolonisierungsprozeß und die Entstehung moderner Staaten, in: DERS., Roderich PTAK (Hg.), Südostasien-Handbuch. Geschichte, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur, München 1999, S. 168-202 (S. 190); THAI Van Kiem, Un grand patriote: le prince Cuong-De, in:

France-Asie 106 (1955), S. 484-488; JEAN-LUC BARRE, Le Seigneur-Chat. Philippe Berthelot 1866- 1934, Paris 1988, S. 235f.

16 Detlef JUNKER, Franklin D. Roosevelt. Macht und Vision: Präsident in Krisenzeiten, Güttingen 1979, S. 99; Marius Bferthus] JANSEN, Japan and China. From War to Peace, 1894-1972, Chicago 1975, S. 356-359; F[rancis] S.G. PIGGOTT, Broken Thread, Aldershot 1950, S. 142. Zu Frankreichs Pazifikpräsenz: Robert ALDRICH, The French Presence in the South Pacific, 1842-1940, Basingstoke, London 1990; DERS., France and the South Pacific since 1940, Basingstoke, London 1993; Stephen HENNINGHAM, France and the South Pacific. A Contemporary History, Honolulu 1992.

17 Ian NISH, An Overview of Relations Between China and Japan, 1895-1945, in: Christopher HOWE (Hg.), China and Japan. History, Trends and Prospects, Oxford 1996, S. 23-45 (S. 32); Gerhard KREBS, V o n H i t l e r s M a c h t e r g r e i f u n g z u m P a z i f i s c h e n K r i e g ( 1 9 3 3 - 1 9 4 1 ) , i n : DERS., MARTIN ( H g . ) , Formierung und Fall der Achse Berlin-Tokyo, S. 11-26 (S. 11).

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2.2. Französisch-japanische Freundschaft und China bis 1931

25 Als Gesamttonnage für Schlachtschiffe und schwere Kreuzer legte der Fünf- Mächte-Pakt 525 000 Tonnen für England und Amerika, 315 000 Tonnen für Japan und 175 000 Tonnen für Italien und Frankreich fest. Damit duldeten die Mächte Japans Dominanz im Westpazifik. Frankreichs Marine blickte bei den Verhandlungen aber vor allem auf die Machtverhältnisse im Mittelmeer

18

.

Tokio und Paris demonstrierten große Nähe. Japan stellte Ehrenkompanien zur Siegesparade im Juli 1919 und zum Begräbnis von Marschall Foch 1929.

Begeistert wurden 1922 Marschall Joffre in Japan und der spätere Kaiser Hiro- hito in Paris empfangen

19

. 1919 vereinbarte Paris mit Tokio einen Geheim- dienstaustausch und schickte Flugzeuge und bis 1928 Experten zum Aufbau der japanischen Luftwaffe. Ein Bruder des Tenno besuchte die Militärakade- mie in Saint-Cyr, Generäle beider Länder trafen sich 1930/31 bei Manövern

20

. Um Chinas Uneinigkeit zu schüren, forderte Paris Kommunisten und Sepa- ratisten. 1000 junge Kommunisten, darunter Chou En-lai und Deng Xiao-ping, studierten 1919/20 in Frankreich. Im Juli 1921 gründete sich Chinas KP in einer Schule der französischen Konzession in Shanghai

21

. Der mandschurische Warlord Chang Tso-lin erhielt Militärausbilder, Piloten, Kriegsgerät sowie

1922 und 1924 demonstrativen Besuch durch Marschall Joffre und den Gene- ralgouverneur von Indochina

22

. Urteile, Paris habe in den zwanziger Jahren in

18 Fabrice ABBAD, Histoire du Japon 1868-1945, Paris 1992, S. 101; James William MORLEY, Japan's Military Foreign Policy, in: DERS. (Hg.), Japan's Foreign Policy, S. 3-117 (S. 39f.); Joel BLATT, France and the Washington Conference, in: Erik GOLDSTEIN, John MAURER (Hg.), The Washington Conference, 1921-22. Naval Rivalry, East Asian Stability and the Road to Pearl Harbor, Ilford, Portland 1994, S. 192-219, auch in: Diplomacy and Statecraft 4.3 (1993), S. 192-219.

19 Jean-Pierre GOMANE, Nouveaux rapports de force dans le Pacifique apres la Premiere Guerre mondiale, in: Cahiers du Centre d'etudes d'histoire de la defense 3 (1997), Histoire des rapports politico-strategiques, S. 13-24 (S. 15); Jacomy an Naggiar, L, 25.4.1938 (SHAT 11 Η 63); Andree VIOLLIS [i.e. Andree D'ARDENNE DE TLSAC], Le Japon et son empire, Paris 121933, S. 126.

20 David G. MARR, Vietnamese Anti-Colonialism 1885-1925, Berkeley, Los Angeles, London 1971, S. 238f.; LEROUX, Les relations aeronautiques, S. 9f.; DE TESSAN, Le Japon, S. 222; Note de la sous- direction d'Asie-Oceanie, 2.10.1933 (DDF lr e Serie, IV, 266); EMA an Militärattache Japan, 16.3.1937 (SHAT 7 Ν 3338); Etienne LEBAUBE, La perception dans l'armee franipaise de la puissance militaire japonaise et sa menace dans les annees trente, memoire de D.E.Α., sous la direction d'Andre Martel, univ. Aix-en-Provence 1992, S. 71.

21 Jonathan D. SPENCE, Chinas Weg in die Moderne, München, Wien 1995, S. 356f.; Nicholas R.

CLIFFORD, Spoilt Children of Empire: Westerners in Shanghai and the Chinese Revolution of the 1920s, Hanover, London 1991, S. 10. Chou En-lai gründete 1922 in Paris die Jugendorganisation der KP Chinas (BROSSOLLET, Les F r a n c i s de Shanghai, S. 71).

22 Hermann HALBEISEN, Die chinesische Republik zwischen Modernisierung und Bürgerkrieg: 1911 bis 1949, in: HERRMANN-PILLATH, LACKNER, Länderbericht China, S. 135-153 (S. 137); Gavan MCCORMACK, Chang Tso-lin in Northeast China, 1911-1928. China, Japan, and the Manchurian Idea, Leeds 1977, S. 9, S. 57, S. 88, 120-147, S. 216-253; James E. SHIRDAN, The Warlord Era: Politics and Militarism under the Peking Government, 1916-1928, in: The Cambridge History of China, Bd.

12, Teil 1, S. 284-321 (S. 305f.); WEBER, Un siecle, S. 24; Note du service de l'attache militaire Ä Pekin, 17.8.1936 (MAE Chine 536); Anthony B. CHAN, Arming the Chinese. The Western Armaments Trade in Warlord Chine, 1920-1928, Vancouver 1982, S. 82.

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26

2. Französische Fernostpolitik 1844-1937

China nur Vorkriegsinvestitionen gepflegt und sich sonst zurückgehalten

23

, lassen sich kaum halten.

Als Antwort auf das Bündnis der nationalistischen Partei Kuomintang im Januar 1923 mit den Sowjets, deren Verbindung mit vietnamesischen Nationa- listen Paris Angst machte, stationierte Indochinas Sürete in ganz Südostasien Agenten

24

. Beschlagnahmte Akten und die Festnahme kommunistischer Agen- ten in Singapur und Shanghai 1931 unterstrichen die Gefahr durch Komintern.

Ende 1930 vereinbarten Paris und Tokio den Kampf ihrer Geheimdienste gegen die III. Internationale

25

. Gegen chinesische Nationalisten in Shanghai verteidigte sich Frankreich durch einen förmlichen Pakt mit Kriminellen

26

.

Die Briten beugten sich der nationalen Bewegung in China und waren im Dezember 1926 bereit, auf Privilegien zu verzichten. England konnte jedoch, ebenso wie Amerika und Japan allein mit seinem wirtschaftlichen, politischen und militärischen Gewicht Einfluß in China ausüben. Paris konnte dies nicht -

1937 arbeiteten nur 3500 Franzosen und 200 französische Handelshäuser in China - und blieb deshalb in der Frage der Privilegien unnachgiebig

27

.

Politisch waren die Konzessionen für Paris unverzichtbar. Frankreichs ge- samte Position in China ruhte auf den ungleichen Verträgen. Sie garantierten französische Missionen und Schulen, die Präsenz des französischen Militärs und die Existenz der Konzessionen, in denen Chinas Elite, Behörden und Banken wohnten und arbeiteten. Die Frage der ungleichen Verträge war für

23 Jürgen OSTERHAMMEL, China und die Weltgesellschaft. Vom 18. Jahrhundert bis in unsere Zeit, München 1989, S. 229; BLNOCHE-GUEDRA, La France d'outre-mer, S. 177.

24 Jean DORSENNE, Le peril rouge en Indochine, in: Revue des deux mondes (Apr. 1932), S. 519-556;

Michael B. MILLER, Shanghai on the Metro. Spies, Intrigue, and the French between the Wars, Berkeley, Los Angeles, London 1994, S. 262f.; Jean DORSENNE, Faudra-t-il evacuer l'lndochine?, Paris 1932, S. 58f., S. 78f.; Charles B. MCLANE, Soviet Strategies in Southeast Asia. An Exploration of Eastern Policy under Lenin and Stalin, Princeton 1966, S. 102-111, S. 147-165.

25 Francois JOYAUX, »Question chinoise« ou »Politique chinoise«. La Chine sur la scene internationale de 1919 ä 1931, in: Relations internationales 22 (1980), S. 153-174 (S. 166f.);

Frederick S. LITTEN, The Noulens Affair, in: The China Quarterly 138 (1994), S. 492-512; Parks Μ.

COBLE, Facing Japan. Chinese Politics and Japanese Imperialism, 1931-1937, Cambridge MA 1991, S. 339; Pasquier (Hanoi) an Martel (Tokio), L 3220G, 30.1.1933 (MAEN Tokyo Β 76).

26 Frederic E. WAKEMAN, Policing Shanghai, 1927-1937, Berkeley 1995, S. 104, S. 121f„ S. 203f.;

Alain Roux, Le Shanghai noir de Mattre Du, in: Christian HENRIOT, Alain Roux (Hg.), Shanghai annees 30. Plaisirs et violences, Paris 1998, S. 85-108 (S. 92f.); Brian G. MARTIN, The Shanghai Green Gang: Politics and Organized Crime, 1919-1937, Berkeley 1996, S. 70f., S. 109f.; DERS., »The Pact with the Devil«: The Relationship between the Green Gang and the French Concession Authorities, 1925-1935, in: Frederic WAKEMAN, YEH Wen-shin (Hg.), Shanghai Sojourners, Berkeley

1992, S. 266-304; Jürgen OSTERHAMMEL, Shanghai, 30. Mai 1925. Die chinesische Revolution, München 1997, S. 97f. Vermutlich war auch Generalkonsul Naggiar in den Drogenhandel verwickelt (WAKEMAN, Policing Shanghai, S. 120, S. 359, Fußnote 30).

27 Christopher THORNE, The Limits of Foreign Policy: The West, the League und the Far Eastern Crisis of 1931-33, New York 1973, S. 48; BINOCHE-GUEDRA, La France d'outre-mer, S. 176; Henri CASSEVILLE, Nankin contre Tokyo (Chine 1928-1933), Paris 1934, S. 191.

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2.2. Französisch-japanische Freundschaft u n d China bis 1931

27 Frankreich, wie für keine andere Macht, die Frage nach dem Einfluß in China und in ganz Asien

28

. Frankreichs Militärattache Casseville warf den in China nachgiebigen Briten vor, der Handel sei ihnen wichtiger als der Stolz ihrer Rasse

29

. Damit teilte Casseville einen weit verbreiteten Rassismus

30

.

Paris besaß doch einen Verbündeten: Auch Tokio weigerte sich, die Privile- gien aufzugeben. Beide versicherten einander, in der Frage der Konzessionen vereint zu handeln. Gemeinsam spielten sie auf Zeit

31

. Im März 1931 begann Chinas Presse eine antifranzösische Kampagne, im April versuchte Außenmi- nister Wang, die USA für die Forderungen zu gewinnen. Im Mai erklärte Chi- nas Regierung die Extraterritorialität ab Januar 1932 für abgeschafft, im Juli

1931 verlangte Wang von Frankreich die Rückgabe der Konzessionen

32

. Paris hätte sich kaum noch lange behauptet, wenn Japan nicht mit dem Mukden- Zwischenfall vom 18. September 1931 eine schwere Krise ausgelöst hätte.

28 Folgerichtig gab Frankreich erst im Frühsommer 1943 als letzte Macht ihre Privilegien auf, nachdem Großbritannien und die USA dies bereits am 11. Januar 1943 getan hatten.

29 CASSEVILLE, Nankin contre Tokyo, S. 187f., S. 63.

30 Geschäftsträger Hoppenot schrieb von »cette mystique des primautes et des devoirs que la superiorite de race implique et dont la conscience s'est, en Occident, si dangereusement affaiblie«, für Cosme begann in Asien »une lutte de races, la lutte d'un peuple [...] qui a bien decide [...] ä eliminer les Blancs au profit des Jaunes«. Die Weißen sollten sich verbünden. Frankreichs Luftattache glaubte, fur Japaner und Chinesen sei der Weiße der gemeinsame Feind, ein Marineoffizier empfahl gegen die

»expansion jaune« ein Bündnis der Weißen, inklusive der Deutschen. Für Herriot stellte Japans Expansion die »gelbe Gefahr« dar, von der »gelben Gefahr« schrieb auch der Botschafter in London in einer Analyse der Wirtschaftsprobleme Japans, die Eroberungen erzwängen. Jacques Doriot warnte, Japan erringe die Weltherrschaft, was Frankreich im Interesse der »weißen Rasse« verhindern müsse (Hoppenot an Laval, D 375, 11.10.1935, DDF lr e serie, XII, 426; Note de la sous-direction d'Asie, 13.2.1936, SHAT 7 Ν 3334; La Ferte Senectere ä la Chambre, L, 4.8.1938, MAE Chine 565; EMG secretariat, note, 15.12.1937, SHM 1BB2 1; En Extreme-Orient, in: Excelsior, 22.1.1933, zit. nach:

Dr. MAIGREABEILLE, Le peril jaune, vu par Μ. Edouard Herriot, M. Joseph Paul-Boncour, General Tanaka, General Araki, Amirai Tuetsugu, Dr. Sun Yatsen, Genf [1938], Nachdruck in: Seeds of Conflict. 9. The Sino-Japanese Conflict, 1931-1941, Prelude to Pearl Harbor, III. The League of Nations and Neutrality, Bd. 1, Nendeln 1980, S. 6-7; Corbin an Barthou, L, 2.3.1934, MAEN Pekin A 312; DORJOT, La Chine, champ de bataille pour la Suprematie mondiale, in: Revue de Paris 44 [1937]

4, S. 812-820). Auch im Foreign Office wurde die Auffassung vertreten, »that the day will soon come when the white races will be forced to combine to defend themselves against the yellow races«

(Memorandum, 16.11.1938, FO 371/22176, F 12923/4727/61). Der Chef der US-Pazifikflotte warnte, Japans Pläne bedeuteten »the elimination [...] of the white race from China« (Yamell an Hull, 20.7.1939, SD 793.94/15339). Der deutsche Generalstab nahm 1938/39 an, der »Kampf zwischen Weißen und Gelben um die Weltherrschaft« beginne (Wolfgang JAENICKE, Das Ringen um die Macht im Fernen Osten. Vorgeschichte des Chinesisch-Japanischen Krieges 1937 auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet und Auswirkung auf die Gegenwart, Würzburg 1963, S. 8f.).

31 Wilden an Briand, Τ 502, 6.12.1930; Martel (Tokio) an Briand, Τ 73, 17.4.1931 (MAE Chine 796).

32 THORNE, Limits of Foreign Policy, S. 49; Wesley R. FLSHEL, The End of Extraterritoriality in Chi- na, Berkeley, Los Angeles 1952, S. 188; SUN, La France et le conflit, S. 69; James William CHRISTO- PHER, Conflict in the Far East. American Diplomacy in China from 1928-1933, Leiden 1950, S. 178, Perkins an Stimson, 27.4.1931 (SD 793.003/631); Wilden an Briand, Τ 346,28.7.1931 (MAE Chine 793).

(8)

28 2. Französische Femostpolitik 1844-1937

2.3. Fortbestand alter Allianzen 1931-1935

Die Mandschurische Krise stellte Frankreichs Diplomatie vor ein Problem: Sie mußte entscheiden, ob sie der bewährten Freundschaft zu Japan oder dem Völkerrecht Vorrang einräumte. Wie Jasper Wieck belegt, fuhr Paris einen schlingernden Kurs

33

. Andre Tardieu, im Frühjahr 1932 Ministerpräsident und Außenminister, bat eine japanische Flottendivision zum Freundschaftsbesuch nach Saigon, entsandte das Flaggschiff der Fernostflotte nach Japan und ver- einbarte mit Botschafter Nagaoka Harakazu ein Präferenzzollabkommen. Der Generalstab lud einen Japaner an die Kriegsakademie ein und schickte einen Ausbilder nach Japan. Tokio wünschte, daß ein Franzose die Untersuchungs- kommission des Völkerbundes leite, und nannte das französische Kommis- sionsmitglied General Claudel »einen gewissen projapanischen Delegierten«.

Frankreichs Militärattache in Tokio schrieb 1936, »la France appuyait discre- tement le Japon, aussi bien dans les instructions donnees au General Claudel [...], que dans Taction diplomatique menee ä la Societe des nations«

34

.

In Japan wuchs der Wunsch nach formeller Kooperation. Von Februar bis November 1932 machten japanische Diplomaten, Politiker, Bankiers und Militärs französischen Gesprächspartnern in Genf, Warschau, Tokio und Paris Bündnisangebote. Im August bat Außenminister Uchida Botschafter Nagaoka, mit Paris über einen Pakt zu sprechen. Tardieu lehnte ab, weil die öffentliche Meinung in Frankreich und der Welt eine offene Unterstützung verbiete. Im März 1933 bildete sich in Paris eine projapanische Abgeordnetengruppe, wäh- rend Chinas Bitten um französische Ausbilder und eine Militärmission - gedacht war eine Gruppe unter Marschall Petain - unbeantwortet blieben

35

.

Frankreichs Beziehungen zu Japan erlitten in der Krise keinen Schaden, im Gegenteil: Japan hatte Frankreich eine Allianz angeboten, Tardieu hatte Japan diplomatisch unterstützt

36

: Enger konnten Paris und Tokio kaum kooperieren.

33 Auf seiner Arbeit (Weg in die »Decadence«) beruht der folgende Überblick. Kurz und korrekt skizziert Frankreichs Haltung auch Jean-Yves BERNARD, France and Japan at the Time of the Manchurian Crisis (1931-1933), in: Tokyo Colloquium on Political Interactions, S. 1-18.

34 EMA an Japans Militärattache, 16.3.1937 (SHAT 7 Ν 3338); Dentz an Diplomatie, L 2744, 11.5.1938 (MAE Japon 126); Ian NISH, Germany, Japan and the Manchurian Crisis: Dr. Heinrich Schnee and the Lytton Commission, in: KREINER, MATHIAS (Hg.), Deutschland - Japan, S. 91-104 (S. 92, S. 104); Mast an Daladier, 10.12.1936, 14.12.1936 (DDF IV, 150). Claudel gab an, er habe keine Instruktionen erhalten (WIECK, »Decadence«, S. 175).

35 TANAKA, Les relations, S. 94, S. 291f.; SUN, La France et le conflit, S. 220f.; Baudet an Wilden, L, 17.7.1933; Wilden an Herriot, Τ 245-46, 10.10.1932 (DDF 1™ Serie, IV, 10; I, 234). LIANG Hsi-huey, China, the Sino-Japanese Conflict and the Munich Crisis, in: Igor LUKES, Erik GOLDSTEIN (Hg.), The Munich Crisis, 1938. Prelude to World War II, London, Portland 1999, S. 342-369 (S. 346).

36 WIECK (»Decadence«, S. 183 und S. 296) nennt Frankreich dafür den »Komplizen« Japans.

(9)

2.3. Fortbestand alter Allianzen 1931-1935

29 Das britische Kabinett, die Royal Navy und Englands Öffentlichkeit sahen Ja- pan zunehmend als Bedrohung

37

. Paris verlor in London durch die Sympathien für Tokio an Vertrauen. Ein Planspiel der britischen Stabschefs im Oktober 1933 nahm an, daß die Royal Navy Japans und Frankreichs Flotten gleichzei- tig standhalten müßte. Britische Szenarien gingen bis ins Frühjahr 1938 davon aus, daß Paris in einem britisch-japanischen Konflikt neutral bliebe

38

.

Besonders irritiert über die engen französisch-japanischen Kontakte zeigte sich die US-Regierung, die ab Sommer 1933 mit einem Flottenbauprogramm auf Japans Machtzuwachs reagierte. Von Januar 1932 bis Mai 1934 erhielt Washington 32 Meldungen zu einer vorgeblichen Geheimallianz und einem angeblichen französischen Kredit an Japan

39

. Währenddessen vertieften Paris und Tokio die Kooperation: Im Oktober 1932 nahm die französische Botschaft in Tokio die 1930 mit Billigung des Quai d'Orsay arrangierte Zusammenarbeit der Geheimdienste wieder auf und führte sie mindestens ein Jahr lang fort

40

. Vermutlich wollte Paris Tokio signalisieren, wie sehr es trotz der abgelehnten Bündnisavancen an der Fortsetzung des Miteinanders interessiert war. Jacques Neres Urteil, die französische Politik gegenüber Japan sei in dieser Phase von Vorsicht diktiert gewesen, doch von einem aktiven Einverständnis mit Japan sei Paris weit entfernt gewesen

41

, läßt sich nicht halten: Anders als ein heimliches Einverständnis ist die französische Politik kaum zu sehen.

Klaus Hildebrand bewertet die französisch-japanischen Kontakte der dreißi- ger Jahre als »marginal«, weil sie Japan keine Möglichkeit eines Einwirkens auf Europa gegeben hätten

42

. Tokio besaß in Paris jedoch einen Verbündeten bei Abrüstungsgesprächen und im Völkerbund. Frankreich war auch eine wirt- schaftliche und technologische Brücke nach Europa. Vor allem in Asien hatten die Beziehungen Gewicht. Für Paris war Tokio die wirksamste Kraft gegen China

43

. Frankreichs und Japans Machtansprüche stützten einander kräftig.

37 Anthony CLAYTON, The British Empire as Superpower, 1919-1939, Basingstoke, London 1986, S. 323f.; Harold S. QUIGLEY, The Far Eastern War, 1937-41, From Lukouchiao to Pearl Harbor, Boston 1943, S. 228f.; ENDICOT, Diplomacy and Enterprise, S. 28f„ S. 67, S. 72, S. 100.

38 THORNE, The Limits of Foreign Policy, S. 70; HAGGIE, Britannia at Bay, S. 50; Appreciation of the Situation in the Far East, 1937, by the Chiefs of Staff Sub-Committee, Committee of Imperial Defence, Defence Plans (Policy) Sub-Committee, 14.6.1937 (FO 371/20952, F 4772/9/10); Record of Meeting, 15.10., Eden an Phipps, 20.12., Phipps an Eden, 23.12.1937 (FO 371/21027, F 8401, F 11063, F 11432/4499/61), Ronald an Phipps, 24.12.1937, 17.2.1938 (FO 371/22174, F 1966/956/61).

39 Jules Henry (Washington) an Herriot, D 292, 19.9., Massigli an Herriot, Τ 773-74, 22.9.1932 (DDF Γ serie, I, 195; 202); US-Akten zu den Gerüchten in SD 751.94/21-53 und 751.9411/1-8.

40 Note secrete de la Sürete generale en Indochine, 30.1.1933 (MAEN Pekin A 291); Lens an Gene- ralkonsul Shanghai, L, 16.12.1932; Pasquier an Martel, L 3220 G, 30.1., Lens an den Asiendirektor im Gaimusho Kuwashima und den Generalgouverneur in Hanoi, 27.10.1933 (MAEN Tokyo Β 76).

41 Jacques NERE, The Foreign Policy of France from 1914 to 1945, London, Boston 1975, S. 158.

42 HILDEBRAND, Die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs, S. 619.

43 Sydney GlFFARD, Japan among the Powers, 1890-1990, New Haven, London 1994, S. 89.

(10)

30

2. Französische Femostpolitik 1 8 4 4 - 1 9 3 7

Auf dieses Verhältnis nahm Japan Rücksicht: Tokio konsultierte Paris, als es mit Moskau verhandelte, und blieb auf Distanz zu Berlin, als Deutschland, wie zuvor Japan, aus dem Völkerbund austrat. Paris revanchierte sich in Genf:

Es forderte die Kontakte zwischen Tokio und den technischen Organisationen des Völkerbundes

44

. Wo Japans und Frankreichs Positionen differierten, streb- te die französische Diplomatie nach geräuschlosen Lösungen, wie in der Frage der Ostchinesischen Eisenbahn. Paris gab die Ansprüche französischer Sparer auf, als die mit französischem Kapital gebaute und von den Sowjets enteignete Bahnlinie in der Mandschurei im September 1934 an Japan verkauft wurde

45

.

Als ein geräuschloses Aus-der-Welt-Schaffen darf man auch Frankreichs Reaktion auf die Amau-Erklärung interpretieren, die nach dem Zweiten Welt- krieg als Hinweis auf folgende Aggressionen gewertet wurde. Tokio sah durch die internationale Hilfe, die Chinas Regierung fur ihr ziviles und militärisches Aufbauwerk organisiert hatte, seine Dominanz bedroht. Amau Eiji, Sprecher des japanischen Außenamts, warnte am 17. April 1934 die Mächte davor, Ja- pans Position in China zu unterminieren und verlangte, daß Tokio über Chinas Entwicklung bestimme. Amau hatte Anweisungen seines Ministers korrekt wiedergegeben

46

. Französischen Diplomaten in Asien und in Paris äußerten Verständnis fur Japans Position: Nach Chinas Aufrüstung verwundere es nicht, daß Japan seine Hegemonie behaupten wolle

47

.

Trotz des Drängens des chinesischen Gesandten Wellington Koo, der sein Land von 1932 bis 1941 in Paris vertrat

48

, blieb auch Generalsekretär Alexis

44 Lens an Herriot, Τ 404-5, 13.9.1932, D 398, 23.9.1932 (DDF lr e serie, I, 171, 210); Lens an Paul- Boncour, Τ 312-13, 17.10.1933; Laval an Pila, D 286, 10.12.1934 (DDF 1" serie, IV, 317, VIII, 229).

45 WIECK, »Decadence«, S. 153f.; Finances, Direction du mouvement general des fonds, note pour le ministre, 31.5., Diplomatie an Finances, L 1769,27.6.1933, L 2719, 29.4.1934 (alle in CAEF 32.822);

Barthou an Pila, Τ 199, 28.9.1934 (DDF lr e serie, VII, 388).

46 Jean MONNET, Memoires, Paris 1976, S. 131; Marta Aleksandra BALINSKA, Une vie pour l'humanitaire, Ludwik Rajchman, 1881-1965, Paris 1995, S. 157f.; Declaration du gouvernement japonais, 17.4.1934 (DDF 1™ serie, VI, 106); Gottfried-Karl KINDERMANN, Der Ferne Osten in der Weltpolitik des industriellen Zeitalters, München 1970 (dtv-Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 6), S. 352f.; MATSUI Akira, Memoires d'un ambassadeur ne en France: Vers un renouveau, [Paris] 1988, S. 75; IR1YE Akira, Japanese Aggression and China's International Position 1931-1949, in: The Cambridge History of China, Bd. 12, Teil 2, S. 492-546 (S. 511); Stephen E. PELZ, Race to Pearl Harbor. The Failure of the Second London Naval Conference and the Onset of World War II, Cambridge MA 1974, S. 83.

47 Hoppenot an Barthou, D 91, 19.4., D 96, 23.4., D 109, 5.5., note, 20.4., Pila an Barthou, Τ 86-90, 21.4., D 79, 23.4.1934 (DDF 1™ serie, VI, 115, 127, 171, 120, 123, 131).

48 Wei-chün, bekannt als Vi Kyuin Wellington Koo, abgekürzt V.K. Wellington Koo, hatte in Yale und Columbia studiert. In den zwanziger Jahren war er Premier-, Finanz- und Außenminister. Nach dem Mukden-Zwischenfall 1931 wurde er erneut Außenminister. Ausfuhrlich zu Koo: CHU Pao-chin, V.K. Wellington Koo. A Case Study of China's Diplomat and Diplomacy of Nationalism, 1912-1966, Hongkong 1981; DERS., V.K. Wellington Koo. The Diplomacy of Nationalism, in: BURNS, BENETT (Hg.), Diplomats in Crisis, S. 125-151; William L[ing] TUNG, V.K. Welling-ton Koo and China's Wartime Diplomacy, New York 1977. Auf sein Wirken in Paris gehen die Arbeiten kaum ein.

(11)

2.3. F o r t b e s t a n d alter A l l i a n z e n 1 9 3 1 - 1 9 3 5

31 Leger passiv. Vergeblich verlangte Außenminister Louis Barthou ein festeres Auftreten. Für Frankreichs Zurückhaltung war Japans Regierung dankbar

49

.

Eine weitere Herausforderung tolerierte Paris. Nach dem Austritt aus dem Völkerbund entwickelte Japan die Idee des Panasianismus: Asien solle sich unter Japans Führung verbünden. Indochina wurde mehrfach als Ziel des Pan- asianismus genannt. Doch die Bewegung flaute ab und wurde erst 1940 wie- derbelebt. Bedrohlich erschien allein die Spionage japanischer Handelsschiffe vor Indochinas Küsten

50

. Wenn Generalsekretär Leger im März 1934 gegen- über Japans Botschafter von der »F inalterable tradition de confiance et d'ami- tie existant depuis longtemps entre la France et le Japon« sprach

51

, dann gab dies den Grundsatz französischer Fernostdiplomatie korrekt wieder.

Verbindend für beide Mächte wurden die Gespräche zur Flottenbegrenzung ab Oktober 1934 in London. Rene Girault und Robert Frank urteilen, daß Paris der französisch-japanische Konsens in der Abrüstung noch wichtiger war als in der Chinapolitik. Gemeinsam lehnten Japans und Frankreichs Marine Redu- zierungen ab: Japan, um mit England und den USA gleichzuziehen, Frank- reich, um Italien zu übertrumpfen. Bereits 1925 bat Marineminister Takarabe Takeshi Paris, gegen die Angelsachsen zusammenzuarbeiten. Frankreich stimmte 1926 zu. In der Flottenkonferenz 1930 gab Japan dem Kompromiß mit England und Amerika aber dann doch Vorrang

52

.

Vor den Londoner Verhandlungen 1934 beschloß das japanische Kabinett, das das Marinebudget bereits verdoppelt und die Rüstungsgrenzen zu 95 Pro- zent ausgeschöpft hatte, die Flottenverträge zu kündigen, da diese die Durch-

49 Barthou an Corbin, Τ 668-70, 25.4., Barthou an de Laboulaye (Washington), Τ 229-31, 25.4., Τ 262-63, 28.4., de Laboulaye an Barthou, Τ 351-54, 30.4.1934 (DDF 1™ serie, VI, 137, 153, 157);

Note de la sous-direction d'Asie-Oceanie, 1.5., communcation du departement ä l'ambassade du Japon, 3.5., Barthou an Pila, Τ 92, an Hoppenot Τ 102, 4.5.1934 (DDF 1™ serie, VI, 161, 166, 168);

Note de la sous-direction d'Asie-Oceanie pour Μ. Barthou, 5.5.1934 (MAE SDN 2030). Barthous Biograph übergeht dessen Fernostpolitik (Robert J. YOUNG, Power and Pleasure. Louis Barthou and the Third French Republic, Montreal u.a. 1991).

50 Lens an Paul-Boncour, Τ 82-83, 10.3., D 315, 5.10.1933 (MAE Ac 106, DDF 1" serie, IV, 278);

Pila an Barthou, Τ 29, 10.2., L 80, 1.5.1934 (MAE Ac 106); Pila an Barthou, L 54, 23.3.1934; Marine en Indochine, note speciale, 24.2.1935, Kammerer an Brevie, L 16, 28.10.1936 (MAE Indfr 29);

Marie-Claire BERGERE, Chine, in: Jean-Pierre AZEMA, F r a n c i s BEDARIDA (Hg.)., 1938-1948. Les annees de tourmente. De Munich ä Prague. Dictionnaire critique, Paris 1995, S. 511-522 (S. 515);

Colonies an GuerTe, L 581, 13.4.1935 (SHAT 7 Ν 3334).

51 Note d'audience du secretaire general, ambassadeur du Japon, 28.3.1934 (DDF 1™ serie, VI, 46).

52 Rene GIRAULT, Robert FRANK, Turbulente Europe et nouveaux mondes, 1914-1841, Paris u.a. 1988 (Histoire des relations internationales contemporaines, 2), S. 180; Valdo FERRETTI, Could the Pacific War Be Avoided? Japan and France in the Development and Collapse of the Naval Disarmement (1921-1936), in: Tokyo Colloquium on Political Interactions, S. 127-135 (S. 129f.); DERS., La denuncia del trattato delle cinque potenze del dicembre 1934 nella politica estera della Francia et del Giappone, in: Storia delle Relazioni Internazionali 7.1 (1991), S. 2 3 - 5 2 (S. 36); CLYDE, BEERS, The Far East, S. 570; David J. Lu, From the Marco Polo Bridge to Pearl Harbor. Japan's Entry into World War II, Washington 1961, S. 2.

(12)

32

2. Französische Fernostpolitik 1844-1937

setzung von Japans Herrschaft in Asien bremsten

53

. Da auch Frankreichs Ma- rine ein Ende des Washingtoner Vertrages wünschte, strebte Marineminister Francis Pietri ein gemeinsames Vorgehen mit Tokio an. Der Quai d'Orsay hingegen warnte vor den Folgen der Kündigung für die Beziehungen zu Ame- rika und England. Paris überließ Tokio die Kündigung, die alle Mächte von dem Vertrag entband. Doch erklärten Pietri und Ministerpräsident Laval mit Billigung beider Parlamentskammern, daß die Regierung die Fortsetzung des Vertrags ablehne. US-Außenminister Cordeil Hull erwiderte, der Flottenver- trag sei die einzige Barriere für Tokios Herrschaftspläne gewesen. Japans Außenminister Hirota hingegen hoffte auf eine Fortsetzung der concordance mit Paris

54

. Auch wenn in Paris eher der Nationalstolz von Abgeordneten und Marine als das Bemühen um Nähe zu Tokio für die Übereinstimmung sorgte, so war das Vorgehen doch signifikant für Frankreichs Fernostpolitik, die nach Möglichkeit gleiche Distanz zu den Angelsachsen und zu Japan hielt, wie die Asienabteilung schrieb

55

. Im Dezember 1935 zog sich Tokio von den Marine- gesprächen zurück, Rom folgte. Damit war die Flottenbegrenzung gescheitert.

Zur freundschaftlichen Atmosphäre zwischen Paris und Tokio trug das prin- zipienlose Auftreten Frankreichs gegenüber der Mandschurei bei. Von der Nichtanerkennungspolitik des Westens gegenüber Mandschukuo nahmen im Frühjahr 1934 bereits El Salvador und der Vatikan Abstand. In Paris äußerte der Generalstab des Heeres, man habe ein Interesse am Überleben dieses Staa- tes. Der Marinestab forderte die Anerkennung Mandchukuos. Offiziell hielt Paris Distanz zu Japans Satellitenstaat, verdeckt jedoch kollaborierte die fran- zösische Diplomatie bei der wirtschaftlichen Erschließung der Provinz. Von

1931 bis 1934 war ein Konsortium französischer Banken und der Schwerin- dustrie in Japans Marionettenstaat der einzige große ausländische Investor; die Gruppe vereinbarte 1933 Lieferungen über eine Milliarde Francs. Die Banque franco-asiatique gründete den Ableger Banque franco-mandchoue. Nur die Er- öffnung einer Filiale der Banque de l'Indochine in der Mandschurei lehnte der Quai d'Orsay wegen des halboffiziellen Charakters der Bank ab. Ende 1934

53 James B. CROWLEY, Japan's Quest for Autonomy. National Security and Foreign Policy, 1930—

1938, Princeton 1966, S. 199; Jean-Baptiste DUROSELLE, Histoire diplomatique de 1919 a nos jours, P a r i s " 1 9 9 3 , S. 3 2 9 .

54 Pila an Barthou, Τ 157-60, 28.6., Pietri an Barthou, L 95 EMG.EAN, 4.6.1934 (DDF 1" serie, VI, 396, 284); FERRETTI, Pacific War, S. 132; DERS., La denuncia del trattato, S. 41; Pietri an Laval, D 705, 19.11., D 760, 10.12., Massigli an Laval, Τ 326-27, 23.11.1934; Laval an Corbin, Τ 1802-3, 27.11., Τ 1911-12, 24.12., Laval an Pietri, D 818, 30.11., D 838, 19.12.1934; (DDF lre serie, VIII, 95, 274, 123, 152, 308, 176, 293); Decoux an Latham, L, 10.12, 17.12., Laval an Laboulaye, Τ 7-8, 7.1.1935, Τ 683-87, 31.12.1934, Laboulaye an Laval, Τ 7-9, 3.1., Τ 66-67, 13.1., Pila an Laval, Τ 4 - 6, 5.1.1935 (DDF 1™ sirie, VIII, 226,230, 419, 358, 361, 401, 378, 459).

55 Note de la sous-direction d'Asie-Oceanie pour le ministre, 9.6.1936 (MAE SDN 2143).

(13)

2.3. F o r t b e s t a n d alter A l l i a n z e n 1 9 3 1 - 1 9 3 5

33 gründete sich eine französische Gesellschaft zur Entwicklung der Mandschu- rei, während eine britische Delegation erfolglos aus Mandchukuo abreiste

56

.

Japans Regierung entwickelte nun eine Strategie, die dem Westen keinen Platz mehr in China ließ. Das Axiom japanischer Außenpolitik seit 1902, Japans Sicherheit beruhe auf der Nähe zu England und Amerika, war bei der Flottenkonferenz 1930 und in der mandschurischen Krise ins Wanken geraten.

Das Innere Kabinett beschloß im Oktober 1933, Japans Hegemonie in Ost- asien gegenüber der Sowjetunion und den USA militärisch abzusichern. Im Oktober 1935 befahl das Kabinett, China zu größerer Kooperation zu zwingen.

Nordchina, so ein Kabinettsbeschluß vom August 1936, solle wie die Mand- schurei unterworfen werden

57

. Das Ziel des Vordringens nach Norden gegen China und die Sowjetunion, verbunden mit einer nach Süden gerichteten Expansionspolitik, den »Südstoß« (nanshin), wurde im August 1936 von der Regierung als »Grundprinzipien der nationalen Politik« beschlossen. Das Kabinett forderte, Japan müsse die Bedrohung durch Moskau ausschalten und einen Konflikt mit Großbritannien und den USA vorbereiten

58

.

Die »Prinzipien« sind kein Generalplan für den Pazifischen Krieg, auch wenn die Anklage im Tokioter Kriegsverbrecherprozeß den Beschluß als Beweis für eine langgeplante Aggression Japans ansah. Erstmals im Oktober 1939 wurde eine Expansion nach Südostasien geplant. Gegen Hongkong und Singapur wurden im Februar 1939 Operationspläne entwickelt

59

. Zudem betonten die »Prinzipien«, Japans Expansion in Richtung Süden solle friedlich ablaufen. William Beasley zufolge dachten die Minister in Tokio bei ihrem Beschluß an ein informal empire in Asien, nicht an territoriale Expansion oder

56 Manchuria Daily News, Paris Forms Manchuria Organization, 19.8.1935 (Botsch Paris, 433b China 12); SUN, La France et le conflit, S. 390; WIECK, »Decadence«, S. 250f.; EMA.2, bulletin de ren- seignement, juin 1934 (SHAT 7 Ν 2506); EMG-EAN, note 37, 6.3.1935 (SHM 1 BB2 186); Notes de la sous-direction d'Asie-Oceanie, 9.6.1936, 18.5.1933 (MAE SDN 2143, Chine 888); H. CHASSAGNE, Le Japon contre le monde, Paris 1938, S. 266f.; TROTTER, Britain and East Asia, S. 115f.

57 CROWLEY, Japan's Quest, S. 187f.; KREBS, Japans Deutschlandpolitik, S. 116; MORLEY, Japan's Military Foreign Policy, S. 67; Lu, From the Marco Polo Bridge, S. 23.

58 CROWLEY, Japan's Quest, S. 279f.; IKEDA Kiyoshi, Japanese Strategy and the Pacific War, 1941- 1945, in: Ian NISH (Hg.), Anglo-Japanese Alienation, 1919-1952. Papers of the Anglo-Japanese Conference on the History of the Second World War, Cambridge u.a. 1982, S. 125-146 (S. 126f.);

David J. Lu, Japan: A Documentary History, Armonk, London 1997, S. 417; Rudolf HARTMANN, Geschichte des modernen Japan. Von Meiji bis Heisei, Berlin 1996, S. I l l ; IRIYE Akira, Japan's Policies Toward the United States, in: MORLEY (Hg.), Japan's Foreign Policy, S. 4 0 7 - 4 5 9 (S. 446);

W[illiam] Gferald] BEASLEY, Japanese Imperialism, 1894-1945, Oxford 1987, S. 224.

59 F[rancis] Cflifford] JONES, Japan's New Order in East Asia. Its Rise and Fall, 1937-1945, Oxford u.a. 1954, S. 27; BEASLEY, Japanese Imperialism, S. 224; IKEDA, Japanese Strategy, S. 127f.; Alvin D.

COOX, The Pacific War, in: The Cambridge History of Japan, Bd. 6, S. 3 1 5 - 3 8 4 (S. 318). IKEDA Kiyoshi zufolge plante Japans Marine ab September 1938 Angriffe auf Singapur und Hongkong (The Road to Singapore: Japan's View of Britain, 1922-41, in: T.G. FRASER, Peter LOWE [Hg.], Conflict and Amity in East Asia. Essays in Honour of Ian Nish, Basingstoke, London 1992, S. 3 0 - 4 6 [S. 38]).

(14)

34

2. Französische Fernostpolitik 1844-1937

Krieg. Das Kabinett riet explizit zur Rücksicht auf die USA und im April 1937 zur Verschiebung der weiteren Unterwerfung Nordchinas. Im Juni 1937 wies der Generalstab die Armee in China an, militärische Zusammenstöße zu ver- meiden. Gleichzeitig dachte der Generalstab über eine Änderung seiner Politik nach, um China für ein Vorgehen gegen Moskau zu gewinnen. Als im Juli der Konflikt mit China ausbrach, gab es keine Pläne für diesen Krieg

60

.

Die Ziele der Richtlinie waren widersprüchlich: Kontinentale Ausdehnung nach Norden und maritime Expansion nach Süden, das Streben nach Hegemo- nie und Konfliktvermeidung standen gleichrangig nebeneinander. Dennoch bahnten die Prinzipien Japans kriegerischer Expansion den Weg, weil sie die Aufrüstung beschleunigten. Die Prinzipien nannten die Gegner Sowjetunion, USA und Großbritannien. Zu den anderen Mächten solle Japan freundschaftli- che Beziehungen pflegen. Damit waren Deutschland und Frankreich gemeint.

Ihrerseits sahen die französischen Botschafter Fernand Pila und Albert Kam- merer, die Botschaft in Moskau und die Generalstäbe von Marine und Heer in Paris in Japans Expansion keine Gefahr für französische Interessen

61

.

Frankreichs Haltung zu Japan war davon geprägt, daß China als Bedrohung galt. Mit dem Nordchina dominierenden, militärisch starken Japan und der Südchina zugewandten moralischen Autorität Frankreich hatten sich Partner gefunden, die das angloamerikanische Gewicht im Pazifik austarieren und China schwächen wollten. Ein starkes China bedrohte Frankreichs Position.

Die Einschätzung, daß jede starke Zentralregierung die drei Säulen der franzö- sischen Macht in China - die Extraterritorialität, Frankreichs Rolle in der südchinesischen Einflußzone und die Herrschaft über Indochina - gefährde, war Konstante französischer Fernostpolitik in der Zwischenkriegszeit.

Die Kuomintang stellte die Versuche, die Extraterritorialität abzuschaffen, 1931 ein. Nur im Februar und Mai 1937 flackerte die Forderung noch einmal auf. Chinas Nationalisten und Kommunisten strebten aber weiter an, Frank- reichs Position in Südchina zu unterminieren

62

. Die französische Herrschaft über Indochina, die keine chinesische Regierung je völlig akzeptierte

63

, zu beseitigen, blieb ein wichtiges Ziel der Kuomintang. Ihre Militärakademie in Whampoa bei Kanton bildete von 1925 bis Mitte 1927 rund 300 Vietnamesen

60 BEASLEY, Japanese Imperialism, S. 202, S. 224; Gordon A. BERGNER, Politics of Mobilization in Japan, 1931-1945, in: The Cambridge History of Japan, Bd. 6, S. 97-153 (S. 124); CROWLEY, Japan's Quest, S. 319f.

61 Pila an Flandin, L 87, 18.5., Kammerer an Delbos, L 129, Π.8., Alphand an Flandin, D 129, 7.4.1936 (DDF II, 221, III, 129, II, 36); R. WIETZEL, Le Japon et la Chine dans la question du Pacifi- que, in: Revue Maritime, 2/1937, S. 719-745; EMA.2, note, Le Japon, 19.10.1936 (SHAT 7 Ν 3334).

62 Naggiar an Delbos, Τ 123-25, 11.3.1937 (MAE Chine 689); Service de police de Shanghai, bulle- tin mensuel, März und Mai 1937 (MAEN Shanghai *324 und *325); WIECK, »Decadence«, S. 134f.

63 Wemer LEVI, Modem China's Foreign Policy, Minneapolis 1953, S. 337; MARTIN, L'Empire triomphant, Bd. 2, S. 184; BABINET, L'lndochine, S. 77; HEDUY, La perle de l'empire, S. 403.

(15)

2.3. Fortbestand alter Allianzen 1 9 3 1 - 1 9 3 5

35 für den Kampf gegen Frankreich aus

64

. Ho Chi Minh nutzte von 1924 bis 1927 Kanton und ab Anfang 1940 Yunnanfu als revolutionäre Basis. Trotz des Bruchs der Kuomintang mit Chinas KP erlaubte Chiang den vietnamesischen Kommunisten bis Ende 1928, weiter gegen Indochina zu kämpfen. Die 1931 nach einem Aufstand aus Vietnam geflüchtete Nationalisten bauten in China mit Hilfe der Regierung Ausbildungslager auf. Selbst nach Beginn des Kon- flikts mit Japan im Juli 1937 bildete Chinas Armee vietnamesische Revolutio- näre für eine mögliche Invasion in Vietnam aus. Selbst wenn Paris nicht in jedem Detail über die antifranzösische Kooperation informiert war: Klar war,

daß Revolutionäre aus Vietnam in China Unterstützung fanden

65

.

Deshalb wundert es nicht, daß der Abgeordnete Bousquet, Botschafter Cosme und Admiral Raoul Castex 1939 vor chinesischen Ansprüchen auf Vietnam warnten und daß die meisten französischen Kolonialbeamten und Diplomaten nach der französischen Niederlage 1940 argwöhnten, China könne die Lage nutzen, um Tonkin zurückzugewinnen. Fabienne Mercier nennt diese Haltung »Invasionspsychose«. Doch die Sorgen waren nicht unbegründet:

Chiang Kai-shek schlug während des Zweiten Weltkriegs mehrfach in London und Washington vor, Chinas Einfluß nach dem Krieg über ganz Indochina auszudehnen. Mao Tse-tung hatte ähnliche Pläne

66

. Chinesische Begehrlich- keiten sorgten bei den Franzosen für Mißtrauen. Daß das französische Militär China für gefahrlicher als Japan hielt, zeigte sich auch, als nach den Unruhen in China im Sommer 1925, aber nach keinem Manöver Japans in der Zwischenkriegszeit Truppenverlegungen aus Europa diskutiert wurden. An der Grenze zu China war bereits das Gros der französischen Truppen stationiert

67

.

64 CHESNAUX, Vietnam, S. 72; BOUCHE, Histoire de la colonisation franifaise, Bd. 2, S. 342; CHEN King C„ Vietnam and China, 1938-1954, Princeton 1969, S. 19; SUN Yat Sen, The Triple Dimism, Wuchang 1931 (Nachdruck 1974), S. 145; Gandon an Coiffard, note, 4.9.1943, zit. nach BABINET, L'Indochine, S. 75; DUIKER, The Rise, S. 203f.; CHEN, Vietnam and China, S. 17f.

65 William J. DUIKER, Ho Chi Minh, New York 2000, S. 112f„ S. 238; Donald LANCASTER, The Emancipation of French Indochina, London u.a. 1961 [Nachdruck 1975], S. 81; BABINET, L'Indochine, S. 82; CHEN, Vietnam and China, S. XII; DUIKER, The Rise of Nationalism, S. 272;

HASLAM, The Soviet Union, S. 160; DORSENNE, Faudra-t-il evacuer I'Indochine?, S. 113, S. 116;

Claude PAILLAT, Dossiers secrets de la France contemporaine, Bd. 3: La guerre ä l'horizon (1930- 1938), Paris 1981, S. 478f.

66 Rapport de Μ. Edouard Bousquet, vice-president de la commission sur sa mission en Indochine, 14/10/1938^1/1/1939, Commission de la marine militaire, 20.1.1939 (SHAT 2 Ν 247); COSME, Chine 1939-1944, S. 9; MERCIER, Vichy, S. 294; BABINET, L'Indochine, S. 75f.; DUROSELLE, L'Abime, S. 323; Amiral Rauol CASTEX, Theories strategiques, Bd. 3, Paris 1931, S. 289f.; Fabienne MERCIER, 1940-1944: Quelle politique chinoise pour Γ Etat fran^ais, in: GuerTes mondiales et conflits c o n t e m p o r a i n s 172 ( 1 9 9 3 ) , S . 1 2 5 - 1 3 6 ( S . 1 2 8 ) ; D E LA GORCE, L ' E m p i r e e c a r t e l e , S . 2 9 2 .

67 BABINET, L'Indochine, S. 125f.; Guerre an Conseil superieur de la defense nationale, L 9688, 1 4 . 1 1 . 1 9 2 5 ( S H A T 2 Ν 2 2 4 ) ; TOINET, U n e g u e r r e d e t r e n t e - c i n q a n s , S . 1 7 , S . 19, S . 3 3 ; TRINQUIER, Le temps perdu, S. 30f.; Plan de defense de I'Indochine, Comite consultatif de defense des colonies, 24.4.1938 (SHAT 7 Ν 4194).

(16)

36

2. Französische Fernostpolitik 1 8 4 4 - 1 9 3 7

Die einzige hochrangige Stimme im französischen Militär, die die Bedro- hung durch Japan höher einschätzte und deshalb 1936 und 1937 eine Annähe- rung an China propagierte, kam von Militärattache Camille Sabattier. Selbst das seit 1936 chinafreundliche Kolonialministerium sah im Juni 1938 in einer japanisch-chinesischen Feindschaft ein Element der Sicherheit fur Indochina.

Christopher Thorne liegt mit seiner Einschätzung deshalb richtig, daß die fran- zösischen Regierungen China weniger als potentiellen großen Markt denn als gefährliche Quelle für Unruhen in Indochina sahen

68

.

Chiang Kai-shek wollte Frankreich aus China und Indochina herausdrängen.

Doch Vorrang hatte für ihn die Behauptung gegenüber Kommunisten und Japan. Dabei hoffte er auf Hilfe aus Paris. Im März 1935 regte er bei Sabattier an, die Yunnanbahn bis nach Chungking zu verlängern, um seine Armee zu versorgen, und bat im April 1937 den Sozialisten Alexandre Varenne um die Vermittlung einer Militärmission sowie Pläne zur Entwicklung Südchinas

69

. Doch Frankreichs Diplomatie blieb auf Distanz zu Chiang. Während alle Mächte ihre Gesandtschaften bis Mai 1935 zu Botschaften erhoben, schob Paris diese diplomatische Aufwertung Chinas bis zum Januar 1936 auf

70

.

2.4. Erstes Mißtrauen gegenüber Japan 1936-1937

Zu Jahresbeginn 1936 blickte der Quai d'Orsay mit wachsender Sorge nach Asien. Einerseits wuchs Japans Macht in China, andererseits zeichnete sich eine Revolution der Allianzen ab, bei der die französisch-japanische entente zerbrechen konnte: Frankreich stand vor der Ratifizierung des Bündnisses mit Rußland. Japan und Deutschland näherten sich einander an. Die Fundamente französischer Fernostpolitik gerieten ins Wanken.

Japans Machtgewinn in Nordchina beunruhigte Frankreichs Öffentlichkeit, das Außenministerium und Indochinas Behörden. Der Leiter der Asienabtei- lung Henri Cosme warnte, Japan sei entschlossen, die Weißen aus Asien zu

68 Sabattier an Delbos, L 525, 4.11.1936, Sabattier, note, 25.1.1937 (MAE Chine 537, Chine 689);

Sabattier an Daladier, D 235, 21.4., D 289, 30.6.1937 (MAEN Tchongking 9; DDF VI, 161);

Sabattier, note, 25.5., Colonies, bulletin, 15.6.1938 (SHAT 7 Ν 3290; CAOM FM AP 1416); THORNE, The Limits of Foreign Policy, S. 40.

69 Hoppenot an Laval, Τ 37-38, 14.3.1935 (MAE Chine 658); Dieter KUHN, Der Zweite Weltkrieg in China, Berlin 1999, S. 58; Gilbert, compte rendu, 5.4.1937 (MAEN Pekin A55 bis).

70 Köster an von Neurath, 22.5.1935 (AA Botsch Paris, 433 b China 12); Cosme an Wilden, L 94, 23.7.1935 (MAE Chine 658); Marriner an Hull, 24.1.1936 (SD 701.5193/22).

(17)

2.4. Erstes Mißtrauen gegenüber Japan 1 9 3 6 - 1 9 3 7

37 verdrängen, und schlug vor, sich mit Tokio über eine Ordnung zu verständi- gen, in der Japan China dominierte, aber für Frankreich Platz blieb

71

.

Für die Revolution der Allianzen war Paris mitverantwortlich. Im November 1932 unterzeichnete Ministerpräsident Edouard Herriot einen französisch- russischen Nichtangriffsvertrag, im Mai 1935 Schloß Paris einen nur in Europa geltenden Beistandspakt mit Moskau ab

72

. Schon 1933 warnte die Asienabtei- lung im Quai d'Orsay vor den fernöstlichen Folgen des Paktes. Da Japan einen Krieg gegen die Sowjets plane, werde es Frankreichs Bindung an Moskau als feindlichen Akt auffassen und gegen Indochina vorgehen. Der Generalstab der Marine klagte, Paris begebe sich in fatales antijapanisches Fahrwasser und könne in einen sowjetisch-japanischen Krieg hineingezogen werden

73

.

An Legers Versicherung, die Diplomatie in Europa verändere Frankreichs Freundschaft zu Japan nicht, zweifelte Tokio. Als im Frühjahr 1936 die Ratifi- zierung des Paktes mit Moskau anstand, erwog der Quai d'Orsay, zwischen Moskau und Tokio zu vermitteln. Doch Japan wollte wissen, ob Frankreich, wie es Botschafter Shigemitsu nannte, »Japan als Kameraden im eigenen Boot [betrachtete]« oder ob es sich zunächst als Verbündeten der Sowjets sah

74

. Paris hatte durch die Bindung an Moskau die enge, durch die Duldung der ja- panischen Expansion in China gekennzeichnete Nähe zu Japan gefährdet. Wie als Antwort auf die Verbindung von Paris und Moskaus kamen Gerüchte über eine deutsch-japanische Militär- und Geheimdienstkooperation auf. Militär- attache Charles Mast, der in japanischen Regimentern gedient und die Kriegs- akademie in Tokio besucht hatte und deshalb als gut informiert galt, bestätigte die Gerüchte. Doch noch verbanden sich Berlin und Tokio nicht

75

.

71 Hoppenot an Laval, D 375, 11.10., Τ 240, 8.12., Laboulaye an Laval, Τ 1291-92, 19.11.1935; Pila an Flandin, L 23, 31.1.1936 (DDF Γ serie, XII, 426, XIII, 357, 255; MAE Japon 122); FLANDIN, Politique fran9aise, S. 226; RENOUVIN, La question, S. 399; SUN, La France et le conflit, S. 3f.; MOR- LAT, La repression, S. 243; Note de la sous-direction d'Asie-Oceanie, 13.2.1936 (SHAT 7 Ν 3334).

72 David BURIGANA, Les rapports politico-strategiques franco-sovietiques, 1930-1934: Naissance d'une alliance manquee?, in: Cahiers du Centre d'etudes d'histoire de la defense 3 (1997), Histoire des rapports politico-strategiques, S. 27-47; Jules BASDEVANT, Le pacte franco-sovietique, in:

Politique etrangere 4 (1939), S. 27-47.

73 Note de la sous-direction d'Asie-Oceanie, 2.10.1933 (DDF 1" serie, IV, 266); Malcolm D[uncan]

KENNEDY, The Estrangement of Great Britain and Japan, 1917-1935, Manchester 1969, S. 290; Notes de l'EMG de la marine, 11.10.1934, 21.4.1936 (DDF, 1" Serie, VII455; SHM 1 BB2 186).

74 Note d'audience, 28.3.1934 (DDF Γ serie, VI, 46); Von Dirksen an von Neurath, 31.12.1934, 9.4.1936 (AA Botsch Paris, 444 b Japan 4); Note, 30.3.1936 (DDF, I, 532); Pila an Flandin, Τ 70-71, 23.2.1936 (DDF I, 220); SHIGEMITSU Mamora, Die Schicksalsjahre Japans, Berlin 1959, S. 126.

75 Alphand an Laval, D 4, 13.1., D 7, 15.1., compte rendu des renseignements, 15.1.1936 (DDF I, 43, 64, 62); LE BAUBE, La perception, S. 17; Mast an Guerre, 2.3.1936 (SHAT 7 Ν 3328). Mast war 1914 Leutnant in Tonkin. 1940 bemühte sich Japan um seine Rückberufung als Militärattache in Tokio (Ch[arles] MAST, Histoire d'une rebellion. Alger, 8 novembre 1942, Paris 1969; S. 16, S. 26); John M.

W. CHAPMAN, Α Dance on Eggs: Intelligence and the »Anti-Comintern«, in: Journal of Contemporary History 22 (1987), S. 333-372 (S. 357f.).

(18)

38

2. F r a n z ö s i s c h e F e r n o s t p o l i t i k 1 8 4 4 - 1 9 3 7

Frankreichs Bemühungen um Japans Freundschaft waren hartnäckig: Im Juli 1936 gewährte Paris Tokio gegen den Protest französischer Textilhersteller und ohne japanische Gegenleistung im Mandatsgebiet Syrien die Meistbe- günstigung. Bald überschwemmte Japan Syrien mit billiger Bekleidung

76

.

In das französische Werben platzte im November 1936 der deutsch-japani- sche »Antikominternpakt«. Seit Januar 1935 hatten von Ribbentrop und seine

»Dienststelle« über die Reichsmarine Kontakte nach Tokio geknüpft, im De- zember 1935 hatten sich ein Vertreter des japanischen Generalstabs und von Ribbentrop im Grundsatz geeinigt. Deutschland und Japan erklärten, sie woll- ten gegen die Kommunistische Internationale kooperieren. In einem Geheim- teil verpflichteten sich Berlin und Tokio, Moskau bei einem unprovozierten sowjetischen Angriff auf den Partner keine Hilfe zu gewähren und ohne Billi- gung des Partners mit Moskau keine politischen Verträge zu schließen. Paris erfuhr aus italienischen und russischen Quellen von dem geheimen Teil

77

.

Außenminister Yvon Delbos und Generalsekretär Leger zweifelten an der Existenz des Geheimvertrages. Botschafter Albert Kammerer, Militärattache Mast und der frühere Regierungschef Albert Sarraut rieten, man solle die Freundschaft mit Japan fortsetzen, während Andre Frangois-Poncet verlangte, die Demokratien sollten sich gegen Japan verbünden. Delbos entschied, an der Verbindung zu Japan festzuhalten, und ließ in Tokio erklären, daß Paris die Freundschaft erhalten wolle. Japans Außenminister Arita Hachiro und Regie- rungschef General Hayashi versicherten, der Vertrag sei ohne Bedeutung

78

.

Im Außenministerium, in Presse, Industrie und Handel in Tokio stieß der Antikominternpakt auf Ablehnung, weil er Japan isolierte

79

. Sato Naotake, bis- her Botschafter in Paris, wurde am 2. März 1937 Außenminister. Er bedauerte

76 Seiler (Beirut) an von Neurath, 22.5., 16.2.1937 (AA Botsch Paris, 863a 1, 444 b Japan 4); John F.

LAFFEY, Lyonnais Imperialism in the Far East, 1900-1938, in: Modern Asian Studies 10.2 (1976), S.

225-248 (S. 242f.).

77 Hartmut BLOSS, Die Zweigleisigkeit der deutschen Fernostpolitik und Hitlers Option für Japan 1938, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 27 (1980), S. 5 5 - 9 2 (S. 63); W u u Man Wen-ying, Die deutsche Beraterschaft in China in der Zwischenkriegszeit 1927-38, Münster 1996, S. 208; Fran9ois- Poncet an Delbos, Τ 3810-20, 23.11., Τ 3858, 26.11., Kammerer an Delbos, Τ 419-20, 24.11.1936 (DDF IV, 20, 37, 24); Blondel (Rom) an Delbos, Τ 1383-85, 19.11.1936 (DDF III, 509); Coulondre (Moskau) an Delbos, Τ 536-37, 21.11., Τ 541^12, 23.11.1936 (DDF IV, 14, MAE SDN 2143).

78 Kammerer an Delbos, Τ 4 0 0 - 1 , 20.11., Τ 416-17, 23.11., Τ 431-33, 26.11., Τ 448-51, 2.12., Τ 458-60, 6.12., D 168, 14.12., Τ 452-53, 4.12., Τ 461, 6.12., Τ 471, 12.12.1936 (DDF IV, 2, 19, 36, 75, 105, 150; Μ Α Ε Ν Tokio Β 74; M A E SDN 2143); Albert SARRAUT, La France dans le Pacifique et l'accord germano-japonais, in: Politique etrangere 6 (Dezember 1936), S. 3 - 2 8 ; BLNOCHE-GUEDRA, La France d'outre-mer, S. 177; Franfois-Poncet an Delbos, Τ 3843-7, 25.11., Τ 3880-1, 28.11., L 1769, 3.12.1936 (DDF IV, 33, 54, 90); Delbos an Kammerer, Τ 173-75,25.11.1936 (DDF IV, 34).

79 Herbert VON DLRKSEN, Moskau, Tokio, London. Erinnerungen und Betrachtungen zu 20 Jahren deutscher Außenpolitik, 1919-1939, Stuttgart 1949, S. 188; Kammerer an Delbos, Τ 440-41, 28.11.1936 (MAE SDN 2143); Trautmann und von Dirksen an von Neurath, 27.1., 2.3.1937 (AA Botsch Paris, 444 b Japan 4).

(19)

2.4. Erstes Mißtrauen gegenüber Japan 1 9 3 6 - 1 9 3 7

39 den Pakt und verwahrte sich gegen die Einmischung des Militärs. Sato stand mit seiner prowestlichen Haltung allerdings allein. Im Juni trat er zurück.

Doch das Kriegsministerium in Tokio zeigte sich versöhnlich. Am 20. März zeichnete es erstmals seit der mandschurischen Krise Franzosen mit Orden aus. Die Generäle Gamelin und Claudel sowie acht Oberste, darunter drei des Deuxieme Bureau, zwei aus der Abteilung für Waffenverkäufe und Oberst Carrere, chef de la section d'experiences chimiques de la section technique de l'artillerie, wurden geehrt fur »les facilites donnees par Petat-major fran9ais au debut de Γ affaire de Mandchourie et au moment de Γ envoi de la Com- mission Lytton«. Im Mai 1937 freute sich das Heer in Paris, der Antikomin- ternpakt sei in Japan en baisse, die meisten Generäle seien neutral oder positiv zu Frankreich eingestellt

80

. Auch der neue Botschafter Dr. Sugimura Yatoro, der im Juli 1937 sein Amt antrat, stand Frankreich nahe

81

.

Doch die Lage in Europa veränderte das Klima in Paris: Im März 1936 re- militarisierte das Deutsche Reich das Rheinland, im Juli 1936 begann der Spa- nische Bürgerkrieg, Italien und Deutschland verbanden sich im Oktober zur

»Achse Berlin-Rom«. Im Mai 1937 sahen Leon Blum und Camille Chautemps Europa in einen Krieg schlittern

82

. Die deutschen und italienischen Versuche, die internationale Ordnung umzustürzen, erhöhten in Paris die Sensibilität flir ein Japan, das die Washingtoner Ordnung aus den Angeln hob. Besorgnis er- regte im September 1936 die Präsenz zwölf japanischer Kriegsschiffe vor Hai- nan: Die Asienabteilung im Quai d'Orsay dachte erstmals über eine japanische Bedrohung Indochinas nach, Botschafter Naggiar in Nanking verlangte, Paris müsse in Asien aufrüsten. Die Asienabteilung, die im Juni 1936 Frankreichs Position in Asien in erster Linie durch China bedroht sah, hielt im Februar 1937 französische Interessen vor allem durch ein starkes Japan gefährdet

83

.

Auch in Indochinas Kolonialverwaltung änderte sich die Bewertung Japans Ende 1936, zum Teil wegen der Entwicklung in Europa, zum Teil als Ergebnis japanischer Agententätigkeit in Indochina. Um die Spionage einzudämmen,

80 SOMMER, Deutschland und Japan, S. 49, S. 55; OHATA Tokushiro, The Anti-Comintem-Pact, 1935- 1939, in: James William MORLEY (Hg.), Deterrent Diplomacy. Japan, Germany, and the USSR, 1935-1940, New York 1976, S. 9-111 (S. 47); Fox, Germany and the Far Eastern Crisis, S. 215;

KREBS, Japans Deutschlandpolitik, S. 8If.; HOSOYA Chihiro, Britain and the United States in Japan's View of the International System, 1937-1941, in: NLSH (Hg.), Anglo-Japanese Alienation, S. 57-75 (S. 58); Ian NISH, Japanese Foreign Policy, 1869-1942, Kasumigaseki to Miyakezaka, London u.a.

1977, S. 229; Kammerer an Delbos, Τ 83-85, 25.4.1937 (MAE SDN 2143); Mast an EMA.2, D 755, 20.3.1937 (SHAT 7 Ν 3329); EMA.2, bulletin de renseignement, 9.5.1937 (SHAT 7 Ν 2514).

81 Wilson (Bern) an Hull, 4.3., Bullitt an Hull, 30.7.1937 (SD 701.9451/14, 15).

82 Bullitt an Hull, 21.5.1937 (SD 751.62/410).

83 Note de la sous-direction d'Asie-Oceanie pour le secretaire general, 28.9.1936 (DDF III, 295);

Clive (Tokio) an Eden, 9.10.1936 (DBFP, 2nd series, XX, 582); Naggiar an Delbos, L 115, 9.12.1936 (MAEN Pekin A 493bis)· Note de la sous-direction pour le ministre, 9.6.1936 (MAE SDN 2143);

Note de la sous-direction d'Asie-Oceanie pour M. Varenne, 10.2.1937 (MAE Chine 1045).

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