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Heute auf Seite 3: Psychologische Kriegführung (Teil II)

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UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND

Jahrgang 49 - Folge 32 Erscheint wöchentlich

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt

8. August 1998

Landsmannschaft Ostpreußen e.V. p

Parkallee 84/86, 20144 Hamburg

Koalitionen:

L ö c h e r i m s c h w a r z e n D a c h

SPD/PDS: Bekommt Hintze den „Lagerwahlkampf' doch noch hin?

N u n haben w i r es also sozusagen amtlich, aus dem Munde von SPD- Bundesgeschäftsführer Franz M ü n - tefering: Die mitteldeutschen Sozial- demokraten haben „freie H a n d "

beim Koalieren mit den Kommuni- sten der PDS. Das werden sich die Genossen i n Thüringen, besonders aber Schwerins SPD-Landeschef Ringstorff nicht zweimal sagen las- sen. Die Tage der Großen Koalitio- nen auf mitteldeutscher Landesebe- ne dürften also just i n dem Jahr z u Ende z u gehen, da der Republik auf Bundesebene eine solche Elefanten- hochzeit ins Haus steht.

Dies freilich erst nach dem Urnen- gang, weshalb die Union die (tak- tisch verfrühte) Offenheit in Gerhard Schröders Reihen weidlich z u nut- zen versucht.

Vielleicht gelingt jetzt ja doch noch der erhoffte „Lagerwahlkampf", der das gesamte bürgerliche Lager wie- der unter das Dach von C D U / C S U und F.D.P. zwingen könnte, so die Kalkulation von CDU-Generalsekre- tär Hintze. In Panik versetzt v o m Monster einer rot-roten „Volksfront"

sollen alle wieder unters große schwarze Dach fliehen. Wenn er sich da mal nicht verrechnet hat.

Die PDS ist bei näherer Betrach- tung weder rechtsstaatlich noch de- mokratisch, das werfen ihr Unions- politiker völlig z u Recht vor. Indes, so die ketzerische Frage gerade aus dem bürgerlichen Lager, wie gut ist der Rechtsstaat denn oei Union und F.D.P. noch aufgehoben? Für das Ge-

DIESE WOCHE

Geändertes Schlachtfeld

Angst vor Europäisierung

Gedanken zur Zeit

Globalisierung oder soziale Marktwirtschaft

Kaisers Heimkehr

Die Rückführung des Zaren eröffnet neues Machtspiel

Fund in Berlin

Gruftgewölbe der

Garnison-Kirche aufgedeckt

Die letzte Fahrt

Hilfskonvoi hatte große

Schwierigkeiten zu überwinden 13

Das politische Buch

Geschichte als

Konfliktursache 19

Wahrer Leckerbissen

Kulturveranstaltung mit

Ruth Geede als Sahnehäubchen 23

In die Sackgasse

Trübe US-Prognosen

verdüstern die Freude am Euro 24

biet der früheren D D R fällt hier so- gleich der Umgang mit den Enteig- nungsopfern ins Blickfeld. „Lüge, Prozeßbetrug, Staatshehlerei" lauten die vernichtenden Vorwürfe an die Adresse Bonns. U n d Kanzler Kohl mitsamt Partei und Koalitionspart- ner trauen sich nicht, die, die ihnen das tagtäglich um die Ohren hauen, anzuzeigen. Hier lugt das blanke schlechte Gewissen hervor.

A u c h unverzichtbarer Bestandteil des Rechtsstaats sind (besser: wären) die privat- wie völkerrechtlich legiti- men Ansprüche der Vertriebenen.

Doch bei Abschluß der berüchtigten

„Deutsch-Tschechischen Erklärung"

waren diese der Union wie der F.D.P.

kaum etwas wert.

Neben dem Rechtsstaat hat über- dies auch die Demokratie unter der christlich-liberalen Koalition nicht immer ein prachtvolles Dasein ge- führt. Wie konnte es kommen, d a ß die D-Mark ohne Volksabstimmung abgeschafft wird, obschon das Grundgesetz die Möglichkeit solcher Abstimmungen ausdrücklich ein- räumt?

Der Skandal u m die brachiale Euro-Einführung hat der Demokra- tie in Deutschland möglicherweise mehr geschadet als das anstehende Zusammengehen von SPD und PDS.

Es hat sich eine dumpfe Grundstim- mung eingeschlichen, die mit den Worten „Wir können ja doch nichts machen, die da oben tun, was sie wollen" auf den Punkt gebracht ist.

Das bedeutet nichts anderes, als d a ß ein wachsender Teil des Volkes die

„Volksherrschaft" für einen Schwin- del hält, für reines Theater, weil sie anscheinend „ja doch nichts" mehr bewegen kann.

U n d dies ist eine Folge der Euro- Politik dieser Koalition, die damit die Basis der Demokratie in ihrem Kern beschädigt hat. Das ist weit gefährli-

cher, als wenn sie, wie i m Falle der PDS, vom Rand her unter Druck ge- rät.

Apropos „Rand": Seit Jahren scheint die Bundesrepublik über- haupt nur noch einen einzigen politi- schen Rand zu besitzen, den rechten.

Linksradikale gibt es offenbar nicht mehr, glaubt man den alltäglichen Appellen von Parteien und Medien.

Dabei werden rechts der Mitte längst auch Konservative und Nationalli- berale mit Hilfe der Extremismus- Unterstellung diffamiert. Selbst hier- zu hat die Union entscheidend beige- tragen. Sie nennt sich selbst völlig zutreffend „Partei der Mitte", ver- folgt aber alles, was sich rechts von ihr (also rechts der „Mitte") auf tut, mit Vorwürfen wie „rechtspopuli- stisch" bis „rechtsradikal". So mußte der Eindruck entstehen, d a ß das de- mokratische Spektrum per se nur von links bis zur Mitte reicht und rechts ausschließlich Radikale hau- sen. Der synonyme Gebrauch der Wörter „rechts" und „rechtsradikal"

ist das äußerlich sichtbare Resultat dieser geistigen Manipulation.

Ein solchermaßen nach links ver- schobenes Koordinatensystem aber ist der Traum jeder linksextremen Bewegung. Mittels der dadurch er- zeugten Anti-Rechts-Hysterie läßt sich trefflich jenes „antifaschistisch- demokratische Bündnis" schmie- den, das schon an der Wiege der DDR stand.

Aus rein parteitaktischen Gründen hat die Union dieses Spiel mitge- macht, u m sich jedwede bürgerliche Konkurrenz vom Halse zu halten. Es wirkt daher wenig glaubhaft, wenn jetzt CDU-General Peter Hintze auf- geregt dagegen polemisiert, d a ß nunmehr die logiscnen Folgen dieser von Anfang an durchscnaubaren (und von ihm selbst mitbetriebenen) Strategie zutage treten.Hans Heckel

Zeichnung aus „Frankfurter Allgemeine'

F u n d a m e n t e / Von Peter Fischer

R i

u ß l a n d ist die einzige euro- päische Macht, die die deut- sche Dominanz auf d e m Kontinent nicht nur nicht z u fürch- ten braucht, sondern i m Gegenteil sich davon eine Unmenge v o n V o r - teilen versprechen kann. So w i r d R u ß l a n d potentiell z u m verläßli- chen strategischen V e r b ü n d e t e n Deutschlands", schrieb N i k o l a i Portugalow, einstiger außenpoliti- scher Berater i n \ Z K der unselig un- tergegangenen K P d S U , i n der gro- ß e n meinungsbildenden Tageszei- tung „Die Welt".

Der großformatige Beitrag unter dem Titel „ D a s Rapallo-Modell sollte wiederbelebt werden" (siehe auch i n unserer Ausgabe Seite 5) schien gleichsam frische Ideenluft in das fade Einerlei v o n W a h l - kampfversprechungen u n d Partei- enhader z u wehen. Doch erwies sich schon a m nächsten Redakti-

D i

„ I n d i e F a l l e g e t a p p t . . . "

Joseph Fischer und der dubiose Mordfall Heinz Karry

Mit einer registrierten „Spur 758"

vermeinte Hessens Kriminalpolizei auf der richtigen Spur zu sein: gut einen Monat nach der Ermordung des hessischen Wirtschaftsministers Heinz Herbert Karry tauchte ein so- genanntes Bekennerschreiben mit dem damals branchenüblichen Fir- menkopf der „Revolutionären Zel- len" auf, den der damalige Innenmi- nister Hessens, Ekkehard Gries, für echt hielt.

Vermutlich sollte, so war dem Brief der „Revolutionäre" zu entnehmen, das Opfer „nur durch mehrere Schüsse in seine Beine" vermahnt werden. Das Motiv wird dadurch nicht schlüssiger, es sei denn, F.D.P.- Mitglied Karry, der seit Wochen we- gen dubioser Verwicklungen in Waf- fengeschäfte in die Schlagzeilen ge- raten war, sollte tatsächlich nur ver- warnt werden, was dann wiederum ein ganz anderes Licht auf die Motiv- lage der „Zellen" werfen würde. Im- merhin erhielt die Polizei seinerzeit durch Erkundungen am Tatort Auf-

schluß über eine konspirative Woh- nung, die den Zellen-Aktivisten als Unterschlupf diente, und erste Er- kenntnisse über den Wagen mit ei- nem Kennzeichen „F-PD" oder „F- E D " , der sich in der Nähe des Mord- geschehens aufhielt.

N u n hat seit längerer Zeit das Ge- schehen um diese Mordaffäre den Grünen-Politiker Joseph Fischer eingeholt: er soll Besitzer jenes Wa- gens gewesen sein, der die Tatwaffe und den Terroristen Hans-Joachim Klein transportierte, weitere Ver- wicklungen eingeschlossen. Die A n - gelegenheit war offenbar damals schon so heikel, daß der Bundesge- richtshof genehmigte, Fischers Tele- fon abzuhören. Auch wenn dann die Sache später zunächst im Sande ver- lief, so müssen vermutlich Jahre spä- ter die obersten Ränge der C D U ge- naue Kenntnis von der windigen Vergangenheit des Joseph Fischer er- halten haben, was, wie gelegentlich raunend kolportiert wird, zu ersten Tuchfühlungen mit dem Grünen-Po-

litiker führte. Ob hier irgendwelche weiterreichenden Absprachen ge- troffen wurden, wie gelegentlich be- hauptet wird, scheint ebenso unklar wie die Aktualisierung des Gesche- hens.

Zwar paßt diese Aktion wirkungs- voll ins Wahljahr und könnte das Programm der Grünen immer weiter verwässern, doch scheint die Ver- wicklung Fischers so bedeutsam, daß hier längst die Staatsanwalt- schaft in Aktion treten müßte. Bis- lang aber schweigt sie sich noch aus, so d a ß nunmehr vermutlich abge- wartet werden m u ß , ob Fischer, po- tentieller Anwärter auf den Außen- ministerposten im Falle eines Wahl- sieges, seinerseits rechtliche Schritte gegen die C D U einleitet. Zusatzin- formationen gibt es übrigens in dem Buch „Wir sind die Wahnsinnigen / Joschka Fischer und seine Frankfur- ter Gang" des Journalisten Christian Schmidt, und der „Spiegel" schrieb ahnungsvoll über den Grünen: „In die Falle getappt." Norbert Noth

onstag, d a ß w o h l eher durch ein d ü n n e s Versehen denn durch eine gezielte Provokation a m Dogma der hochheiligen Westbindung H a n d angelegt worden war: ein Unwissender hatte offenbar aus purem Ü b e r m u t am falschen Ven- til gedreht u n d verwundert regi- striert, d a ß auch da Frischluft aus- strömte. Dieser Tabubruch wurde von Wissenden dann geradezu er- w a r t u n g s g e m ä ß mit einem gehar- nischten Kommentar unter d e m warnenden Titel „Bedenklicher Rat" gleichsam v o m Siegelbewah- rer höchstselbst an herausragender Stelle gedeckelt. Das Geschäfts- prinzip der g e d ä m p f t e n A t m u n g funktioniert also noch, ob es frei- lich uns Deutschen auf Dauer die Kurzatmigkeit nehmen kann, scheint fraglich.

abei m u ß nicht jedes Wort des einstigen Sowjetbera- ters Portugalow auf die Goldwaage gelegt werden, viele seiner polemischen Seitenhiebe durchbrechen zwar das graue M e i - nungseinerlei des Blätterwaldes, eine gangbare Schneise schlagen sie aber noch nicht. Es ist leicht, mit dem Wunderwort Rapallo alle W i - dersacher je nach G e m ü t s l a g e z u ängstigen oder z u elektrisieren, wanrend selbst bei den w o h l w o l - lendsten Befürwortern einer enge- ren deutsch-russischen Zusam- menarbeit mit dem zeitlichen A b - stand z u 1922 die rauhe Wirklich- keit der sowjetisch/russischen Po- litik nur wenig Anlaß auf Hoff- nung bereitet. R u ß l a n d s Ober- schicht erlag schon vor dem Ersten Weltkrieg (wie auch g e g e n w ä r t i g wieder) den Verlockungen dubio- ser westlicher Finanzmächte, die letztlich aus dem Z w a n g deutscher Selbstbehauptung (Zweifronten- krieg) zur bolschewistischen Kata- strophe führten und schließlich zur sowjetischen Wahnidee Weltrevo- lution, die, Europa i m Blick, auf Berlin abzielte. K a u m r ü h m l i c h e r waren die Moskauer Maßlosigkei- ten nach dem Ende des zweiten Durchgangs: Teile O s t p r e u ß e n s zur Verwaltung kassiert (und i n - zwischen fast bis zur Unkenntlich-

(2)

Politik £>a$ Cfiprcußcnblatt

8. A u g u s t 1998 - Folge 32 - Seite 2

keit ruiniert), Mitteldeutschland i mit einem nichtfunktionierenden I System gestraft. D i e Schuldlatte w ä r e noch länger, aber A u ß e n p o l i - j tik fragt b l o ß nach A u s w e g e n aus d e m D i l e m m a der Gegenwart u n d j b e n ö t i g t v e r k l ä r t e Vergangenheit j nur als Podest für ein gemeinsames \ Zukunftsvehikel.

U m die g e g e n w ä r t i g e russische | Lage z u erkennen, m u ß man nur die letzte r W F - Ü b e r w e i s u n g an M o s k a u i m Blick behalten, u m die L ä n g e der russischen Leine i n Sa- chen A u ß e n p o l i t i k ermessen z u k ö n n e n . „ R u ß l a n d ist", wie Portu- galow richtig schreibt, „bis auf den H u n d reformiert", es ist „als k r i m i - nalisiertes Entwicklungsland u n d Weltrohstofflieferant mit Nigeria vergleichbar u n d obendrein d o l - larsüchtig, v o n westlichen Finanz- spritzen total a b h ä n g i g u n d ohne die geringste Chance, v o m 200- M i l l i a r d e n - D o l l a r - S c h u l d e n b e r g herunterzukommen." Jene Ver- schuldung war es einst, die das m ä c h t i g e Umfeld des Zaren gegen Berlin führte, jene Schuldenlatte ist es heute, die es ermöglicht, d a ß U S - Soldaten i n diesen Wochen i n M e - mel z u Ü b u n g s z w e c k e n an L a n d gehen. Vorläufig. D e n n die Trenn- linie zwischen Russen u n d Deut- schen soll nach 1989 deutlicher denn je markiert werden.

I

nsofern sind Portugalows V o r - schläge bedeutsam. A b e r M o s - kau m u ß Zeichen setzen: etwa g r o ß z ü g i g g e w ä h r t e R ü c k k e h r - möglichkeiten ins n ö r d l i c h e Ost- p r e u ß e n oder gar die Freigabe der Provinz u n d eine erträgliche Rege- l u n g der Eigentumsfragen z w ä n - gen nicht nur Warschau u n d Prag, zugunsten der Deutschen z u ent- scheiden, sondern w ü r d e n auch hiesige Politiker i n Verlegenheit setzen u n d das deutsche V o l k für russische P l ä n e einnehmen.

USA:

W e n n d a s S c h l a c h t f e l d s i c h ä n d e r t . . .

Furcht vor ökonomischer Schwächung nährt in Amerika Angst vor Europäisierung

Kommentare

In der „Welt am Sonntag" v o m 19. Juli findet sich ein A r t i k e l des US-amerikanischen Kulturhistori- kers Richard Pells, i n d e m amerika- nische Sorgen vor einer „ E u r o p ä i - sierung A m e r i k a s " angesprochen werden. Aktueller A n l a ß dieses Beitrages ist die Fusion der beiden Autoriesen Daimler-Benz u n d Chrysler. Es gibt Stimmen i n den U S A , die i n diesem Vorgang eine Bedrohung der amerikanischen Identität sehen. Das, was U S - K o n - zerne mit R ü c k e n d e c k u n g der Re- gierung C l i n t o n i n aller Welt w i e selbstverständlich betreiben - n ä m l i c h die Entnationalisierung nationaler Schlüsselindustrien per E i n - oder Aufkauf - , scheint i n

„ G o d ' s o w n country" alles andere als selbstverständlich z u sein. D i e U S A , die wie kein anderer Staat die

„ G l o b a l i s i e r u n g " z u ihrem Pro- gramm gemacht haben, sehen sich plötzlich mit den Folgen ihrer P o l i - tik der „offenen M ä r k t e " konfron- tiert. A l l z u viele Amerikaner ha- ben augenscheinlich geglaubt, d a ß die „ G l o b a l i s i e r u n g " eine E i n - b a h n s t r a ß e ist. Sie konnten sich damit bisher durchaus i m Einklang mit der Politik der Clinton-Regie- rung fühlen. So steht z u m Beispiel i n der „ N a t i o n a l Security Strategy for a new C e n t u r y " (NSS) des „ N a - tional Security C o u n c i l " v o m M a i 1997 z u lesen, d a ß es die U S A z u ihrer M i s s i o n gemacht haben, H a n - delsbarrieren n i e d e r z u r e i ß e n , u m z u Hause A r b e i t s p l ä t z e z u schaf- fen. H i e r hegt ein - wenn nicht das entscheidende - M o t i v der geopo-

litischen Interessen der U S A . M o t i - ve wie „ M e n s c h e n r e c h t e , H u m a n i - tät, Toleranz" u n d dergleichen mehr sind bestenfalls propagandi- stisches Beiwerk, das d e m Rest der Welt den „ A m e r i c a n w a y of life"

schmackhaft machen soll. D i e Fak- ten sprechen indes für sich: In den letzten vier Jahren haben die A m e - rikaner ü b e r 200 Handelsabkom- men geschlossen, die die Ö f f n u n g a u s l ä n d i s c h e r M ä r k t e für amerika- nische Produkte z u m Inhalt haben.

Bei der Formulierung der N S S sind deren A u t o r e n v o n der Erwartung ausgegangen, d a ß die Verbreitung der Demokratie amerikanische Werte fördert u n d damit s o w o h l die Sicherheit als auch den W o h l - stand der U S A stärkt.

Demokratische Regierungen kommen den U S A bei der Verfol- gung ihrer Ziele entgegen: sie seien n ä m l i c h , so w i r d festgestellt, z u r Kooperation geneigt, ließen sich eher bei der B e k ä m p f u n g gemein- samer Bedrohungen einspannen u n d u n t e r s t ü t z t e n eine freie u n d offene ö k o n o m i s c h e Entwicklung.

In der „ N a t i o n a l Security Strate- gy of Engagement and Enlarge- ment" aus d e m Februar 1996 w i r d a u s d r ü c k l i c h darauf hingewiesen, d a ß ein zentraler Bestandteil der Sicherheitspolitik der U S A auf eine weltweite ö k o n o m i s c h e Integrati- o n abzielt. Diese weltweite Integra- tion steigere die M ö g l i c h k e i t e n der US-Firmen auf den schnell wach- senden internationalen M ä r k t e n u n d soll andere Nationen ermun-

tern, die N o r m e n des internationa- len Freihandels z u ü b e r n e h m e n . Diese Integration soll weiter - so die Erwartung der U S A - interna- tionale Spannungen abbauen, die der weltweiten G e w i n n m a x i m i e - rung n a t u r g e m ä ß a b t r ä g l i c h sind.

W i e ernst es die U S A mit i h r e m geostrategischen A n s p r u c h mei- nen, zeigt die „ N a t i o n a l Export Strategy" der U S A aus d e m O k t o - ber 1994, die Konzepte aufzeigt, wie der internationale Freihandel u n t e r s t ü t z t werden kann u n d w i e Exporthindernisse abgebaut wer- den k ö n n e n . A n dieser Strategie läßt sich erkennen, d a ß Ö k o n o m i e u n d Politik i n Zeiten der „Globali- sierung" nicht mehr z u trennen sind. M i t einem gewissen Recht hat daher der vor k u r z e m gestorbene Philosoph Panajotis K o n d y l i s v o n der „ Ö k o n o m i s i e r u n g des Politi- schen" u n d der „ P o l i t i s i e r u n g des Ö k o n o m i s c h e n " gesprochen.

D a ß die U S A bei d e m Versuch, die internationalen M ä r k t e z u do- minieren, nichts d e m Zufall ü b e r - lassen, zeigt eine A b h a n d l u n g v o n Stanley Kober mit d e m Titel „ W h y Spy?". Kober stellt fest, d a ß sich seit 1989/90 der Fokus der interna- tionalen Rivalitäten v o m militäri- schen K o m p l e x auf den ö k o n o m i - schen verlagert hat. Deshalb w u r - de v o n den U S A u . a. beispielswei- se das „ N a t i o n a l Economic C o u n c i l " geschaffen, das ö k o n o m i - schen Aspekten dieselbe Wertig- keit e i n r ä u m t w i e der nationalen Sicherheit. S. T . G .

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UNABHÄNGIGE W O C H E N - ZEITUNG FÜR D E U T S C H L A N D Chefredakteur: Elimar Schubbe

(zur Zeit in Urlaub)

(Verantwortlich f. d. redaktionellen Teil) Politik, Zeltgeschehen, Feuilleton, Le- serbriefe: Peter Fischer, Hans Heckel (Freier Mitarbeiter); Wehrwesen, Geo- politik: Generalmajor a. D. Gerd H. Ko- mossa; Kultur, Unterhaltung, Frauen- seite: Silke Osman; Geschichte, Lan- deskunde, Literatur, Wissenschaft: Dr.

Jan Heitmann (zur Zeit in Urlaub); Hei- matkreise, Gruppen, Aktuelles: Maike Mattem; Ostpreußische Familie: Ruth Geede.

Ständige Mitarbeiter: Alfred v. Arneth (Wien/Bozen), Wilfried Böhm (Melsun- gen), Pierre Campguilhem (Paris), Jürgen Mathus (Bonn), Dr. Jaroslav Opocensky (Prag), Willy Fehling (Berlin).

Anschrift für alle: Parkallee 84/86,20144 Hamburg. Verlag: Landsmannschaft Ost- preußen e.V., Parkallee 86,20144 Ham- burg. Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmannschaft Ostpreußen und erscheint wöchentlich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der Lands- mannschaft Ostpreußen. - Bezugspreis Inland 12,40 DM monatlich einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 15,80 DM monatlich, Luftpost 22,30 DM monatlich. Abbestellungen sind mit einer Frist von einem Monat zum Quartalsende schriftlich an den Verlag zu richten.

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„ S c h w i n d e l n f ü r d i e U r n e " ( I I ) Für eine Steuersenkung fehlen derzeit vollkommen die Mittel

D i e steuerliche Situation i n Deutschland ist trotz jahrelanger Debatten u m eine Reform d u r c h eine ü b e r h o l t e Abgabenbelastung, durch eine selbst für Fachleute k a u m noch z u ü b e r b l i c k e n d e K o m - plexität des Steuerrechts u n d d u r c h g r o ß e Ungerechtigkeit bei der Steuerlastverteilung gekenn- zeichnet. Dieses D i l e m m a ist auch eine Folge der Tatsache, d a ß i n der Vergangenheit umverteilungspo- litische Ziele z u sehr in den Vorder- g r u n d der Steuergesetzgebung ge- stellt worden sind. Diese U m v e r - teilungswohltaten sind A u s f l u ß des P h ä n o m e n s - u m an dieser Stel- le den F A Z - A u t o r K o n r a d A d a m z u zitieren - , d a ß „ d e u t s c h e Politi- ker ihre wichtigste Aufgabe d a r i n "

sehen, „ v o n b l ü h e n d e n Landschaf- ten z u e r z ä h l e n , die Leute bei L a u - ne z u halten u n d notwendige Ä n - derungen aufs ü b e r n ä c h s t e Jahr z u verschieben". Genau an dieser

„Politik" krankt Deutschland heu- te. Dies w i r d gerade am Steuersy- stem deutlich, ist doch der ver- schärfte internationale Wettbe- werb, dem Deutschland sich heute g e g e n ü b e r s i e h t , insbesondere ein Wettbewerb der Steuersysteme.

Unter d e m Eindruck des zuneh- menden Wettbewerbsdrucks der Weltwirtschaft haben zahlreiche Industriestaaten - allen voran aber die U S A u n d England - ihre Lohn- u n d Einkommenssteuerbelastung z u m Teil erheblich gesenkt. Im sel- ben Zeitraum kehrte Deutschland seine Steuerreform der achtziger Jahre u m u n d entwickelte sich z u m L a n d mit den weltweit h ö c h s t e n Abgaben u n d Steuern. Diese A b g a - benlast beeinträchtigt die Wettbe- werbsfähigkeit Deutschlands trotz der zwischenzeitlichen konjunktu- rellen Erholung ganz erheblich.

Betrachtet man den g e g e n w ä r t i g e n

Zustand der Besteuerung i n Deutschland, so scheint die Zeit reif für die Frage, ob sich das L o h n - u n d Einkommenssteuersystem i n Deutschland nicht i n die falsche Richtung entwickelt hat. Kapital- u n d Steuerflucht i n das A u s l a n d , rechtswidrige, aber auch rechtlich z u l ä s s i g e Formen der Steuerab- wehr i m Inland, illegale A u s p r ä - gungen der Schattenwirtscnaft u n d Demotivation der wirtschaftli- chen Leistung sind die A u s w i r k u n - gen eines mangelhaften Steuersy- stems. Was z u tun ist, liegt auf der H a n d u n d ist i m G r u n d e auch nicht mehr umstritten: D i e S t e u e r s ä t z e bei L o h n - u n d Einkommenssteuer m ü s s e n v o m Eingangs- bis z u m Spitzensteuersatz deutlich gesenkt werden. Steuerliche V e r g ü n s t i -

Die Sucht, Wählern zu gefallen, verdirbt

alle Reformansätze

gungen sind i m Gegenzug z u be- seitigen, so d a ß die Bemessungs- grundlage breiter w i r d .

D a ß durch die Beseitigung v o n S t e u e r v e r g ü n s t i g u n g e n M e h r e i n - nahmen erzielt u n d die Senkung der S t e u e r s ä t z e mitfinanziert wer- den kann u n d soll, ist wesentlicher Bestandteil einer Reform. Entschei- dend ist aber, d a ß es mit einer Re- form z u einer deutlichen Nettoent- lastung kommt, w e i l die Grenzen der Belastbarkeit längst überschrit- ten sind. Denn nicht weniger als 57 Prozent des Volkseinkommens (!) nimmt sich der Fiskus inzwischen.

Der Koalitionsentwurf zur Steuer- reform, der v o m Bundestag verab- schiedet, v o m Bundesrat aber ge- stoppt wurde, beinhaltete eine -

unzureichende - Nettoentlastung v o n r u n d 30 M i l l i a r d e n M a r k . P o l i - tisch scheint aber sogar diese M i n i - mal-Entlastung inzwischen als i l - lusorisch. Das entscheidende A r - gument, das a n g e f ü h r t w i r d , hat offenbar seine W i r k u n g nicht ver- fehlt. D i e O p p o s i t i o n sagt, für eine Nettoentlastung sei kein G e l d da, u n d die Regierungsparteien schei- nen dies mittlerweile ebenfalls z u glauben. Tatsächlich ist es so, d a ß der Staat mehr G e l d ausgibt, als er einnimmt. D i e Staatsverschuldung erreicht d e m n ä c h s t die unvorstell- bare Summe v o n 2,3 Billionen D - M a r k . E i n Ü b e r s c h u ß , den m a n den Steuerzahlern z u r M i n d e r u n g i h - rer Steuerlast geben k ö n n t e , ist nir- gendwo erkennbar. Das Thema Steuerentlastung ist nicht lösbar.

E i n M a n n namens Swift hat 1728 auf einen Zusammenhang auf- merksam gemacht, der als „Swift- sches Steuereinmaleins" i n die L e h r b ü c h e r einging. Danach füh- ren h ö h e r e S t e u e r s ä t z e , w e n n ein bestimmtes Belastungsniveau ü b e r s c h r i t t e n ist, z u sinkenden Steuereinnahmen, w e i l die Steuer- pflichtigen dann ausweichen. Ent- weder investieren sie v e r s t ä r k t i m A u s l a n d , tauchen ab i n Schatten- wirtschaft u n d Schwarzarbeit, su- chen „Schlupflöcher" oder ziehen es vor, gar nicht mehr z u arbeiten.

Der U S - Ö k o n o m Laffer behaup- tet , d a ß das Steueraufkommen ab einer bestimmten H ö h e gegen n u l l tendiere. D i e U S A haben hieraus ihre Konsequenzen gezogen u n d die S t e u e r s ä t z e seit 1986 drastisch gesenkt Seitdem „ p l a g t " " sich die U S A mit H a u s h a l t s ü b e r s c h ü s s e n herum, alle ü b e r s e h b a r e n Parteien hier aber sind weit v o n solchen V i - sionen entfernt, preisen aber ihre Politik doch als letzte Weisheit.

Stefan G e l l n e r

| „Nichtswürdig ist

| die Nation..."

W i e tief verletzt jene s i n d , die im

| Z w e i t e n W e l t k r i e g für Deutsch- 1 land als Soldaten g e k ä m p f t haben, I d a v o n zeugen d i e seit geraumer

| Zeit i n vielen Zeitungen erschei- nenden Todesanzeigen z u r Erinne- r u n g an gefallene Kameraden. Ihre i ü b e r l e b e n d e n K a m e r a d e n wollen

| zeigen, d a ß sie sich trotz aller Diffa- j mierungen mit i h n e n solidarisie-

| ren.

E i n d r u c k s v o l l eine a m 22. Juli 1998 i n der „ W e l t " erschienene A n - I zeige, mit der K a m e r a d e n des M a -

! jors Hans-Detloff v o n Cossel ge-

\ dachten, der a m 22. Juli 1943 als I K o m m a n d e u r des Panzerregi- I ments 35 i n der Sowjetunion gefal- len ist. „ E r k ä m p f t e ritterlich und opferte sein L e b e n für das Vater- land, das heute d i e V e r u n g l i m p - fung seiner Soldaten d u l d e t ' , hat- ten die K a m e r a d e n hinzugesetzt u n d nicht v e r s ä u m t z u e r w ä h n e n , d a ß der Gefallene T r ä g e r des E i - chenlaubs z u m Ritterkreuz des Ei- sernen Kreuzes war.

Unterschrieben hatten die A n z e i - ge ehemalige Soldaten, die mit von Cossel z u s a m m e n g e k ä m p f t hat- ten, so der ehemalige Wehrbeauf- tragte des Bundestages, Fritz-Ru- dolf Schultz, der als Major dem Panzerregiment 35 a n g e h ö r t e , z w e i Generalmajore der Bundes- wehr, damals Wehrmachtsoldaten unter v . Cossel, e i n M e d i z i n a l d i - rektor, ein Professor, mehrere Juri- sten sowie andere mutige Bürger, die alle i m Z w e i t e n W e l t k r i e g in der Einheit g e k ä m p f t hatten, i n der Major v . Cossel v o r 55 Jahren fiel.

Sie wehren sich dagegen, d a ß ihr gefallener K a m e r a d heute i n die- sem Staat verleumdet u n d be- schimpft w e r d e n darf. Betroffen fühlen sollten sich nicht n u r dieje- nigen, d i e diese V e m n g l i m p f u n - gen i n die Wege leiten, sondern

\ auch jene, die sie zulassen.

Hans-Joachim v . Leesen

Hinters Licht

D i e B ü r g e r s i n d nicht „ v e r w i r r t " , w i e allenthalben verlautet, sie sind zutiefst m i ß t r a u i s c h , w e i l ihnen z u r Zeit v o n jedem alles mögliche versprochen w i r d . Bis v o r kurzem etwa steigerte sich die S P D immer mehr i n die Rolle einer regelrech- ten Wirtschaftspartei hinein.

K a u m glaubhaft nach d e m , was sie i n d e n vergangenen Jahren ta- t s ä c h l i c h forderte. A l s Förderin unternehmerischer Initiative ha- ben sich die Roten d a jedenfalls keinen N a m e n gemacht. U n d U n i - o n u n d F D P reden ohne Unterlaß v o n der „ S e n k u n g der Steuer- und Abgabenlast", u m d e n Mittelstand z u k ö d e r n . W a r u m das nicht längst geschehen ist, bleibt offen.

U m das optimale Politmarketing jedoch komplett z u machen, begin- nen die Spitzen beider Lager nun auch noch, die andere Seite z u be- dienen. So fordert Bayerns SPD- Chefin Renate Schmidt, die Vermö- genssteuer w i e d e r e i n z u f ü h r e n , u m weitere Jugendbetreuungsstel- len z u finanzieren. Rita S ü s s m u t h j v o n der C D U w i l l gleichzeitig I mehr G e l d für staatliche Familien-

forderung ausgeben. W o h e r neh- men, das sagt sie klugerweise

nicht. ° So also geht das: erst werden den

| einen g r o ß f l ä c h i g wirtschaftsför- dernde Steuererleichterungen ver- sprochen, d a n n d e n anderen k o s t e n t r ä c h t i g e Sozialgeschenke zugesagt. D a ß das nicht zusam- mengeht, wissen alle. Z u r Verwir- r u n g besteht aber k e i n A n l a ß , die L o s u n g ist ganz simpel: M a n führt uns hinters Licht. Hans Heckel

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8. August 1 9 9 8 - Folge 32 - Seite 3

£as ©ffprruStnblQlt Schlaglicht

D

ie Kriegsschuldklausel aber und die Auslieferung und Be- strafung des Kaisers und wei- terer 8000 ,Kriegsverbrecher' wurden zur nationalen Demütigung. Sie wie- sen den Deutschen die alleinige Ver- antwortung für den Krieg u n d für im Krieg begangene Greueltaten zu. Die entsprechenden Bestimmungen des Versailler Vertrages müssen als Er-

f

ebnis der von den Alliierten berrie- enen Propaganda gewertet werden.

Die den Deutschen zur Last gelegten Monstrositäten schrien geradezu nach Sühne und Vergeltung. Da aber die alliierten Regierungen für die De- moralisierung der Deutschen selbst verantwortlich zeichneten, saßen 1919 in Paris Staatsoberhäupter zu- sammen, die Gefangene ihrer eige- nen Ränkespiele geworden waren", so Mira Beham in ihrem jüngst er- schienenen Buch „Kriegstrommeln".

Der amerikanische Historiker Read schrieb: „Greuelpropagnda trug mehr als irgendein anderer einzelner Faktor zu harten Friedensbedingun-

f

en bei." In welche Stimmung die ritische psychologische Kriegfüh- rung die Amerikaner versetzt hatte,

Oberkommando der Wehrmacht, wie im Falle eines Konfliktes die Auf- gaben der psychologischen Krieg- rührung bzw. der Propaganda aufge- teilt werden sollten. Beide Institutio- nen schlössen ein „Abkommen über die Durchführung der Propaganda im Krieg" ab, in dem der Propagan- dakrieg „als wesentliches, dem Waf- fenkrieg gleichrangiges Kriegsmittel anerkannt" wurde. M a n hatte von Briten und Amerikanern aus der Zeit des Ersten Weltkrieges gelernt.

Im Spätsommer 1938 fand ein er- ster Onentierungslehrgang für Offi- ziere statt, die im Falle eines Krieges im Propagandasektor der Wehr- macht tätig werden sollten. Diese Of- fiziere wurden, wie Generalmajor Hasso von Wedel, erster Komman- deur deutscher Propagandatruppen, schilderte, über die Wirkung von Propaganda durch Wort, Bild, Film una Ton auf die Menschen diesseits und jenseits der politischen Grenzen unterrichtet. „Propaganda kann die innere Haltung des Menschen beein- flussen, dadurch militärische Erfolge vorbereiten und etwaige Mißerfolge in ihrer Auswirkung schwächen. Im

Erfahrungen im Ersten Weltkrieg den Amerikanern im Psychokrieg um einige Schritte voraus. Die Orga- nisation klappte vorzüglich. A u f Greuelpropaganda in der übertriebe- nen Art des Ersten Weltkrieges ver- zichteten die Briten jedoch, weil man zum einen erkannt natte, daß sie auf den Anstifter zurückschlägt und die Möglichkeiten vergrößert, daß die ei- gene Seite die propagierten Grau- samkeiten verübt aus Rache für die, die behauptet worden sind, und zum anderen, weil Greuelpropaganda den Feind von der Kapitulation ab- hält. Außerdem hatte sich im Aus- land herumgesprochen, d a ß die Greuelpropaganda des Ersten Welt- krieges aus Lügen bestand.

Obwohl die britische Presse im Pri- vatbesitz war, konnte man durch ge- schickte Organisation erreichen, daß die psychologische Kriegführung einheitlich im ganzen Land durchge- setzt wurde. So blieben Rundfunk und Presse ausnahmslos bei der Be- hauptung, daß Briten und US-Ameri- kaner einen Luftkrieg durchweg ge- gen militärische Ziele in Deutschland und den mit ihm verbündeten Län-

Psychologische Kriegführung (Teil II):

Die Saat ging auf

Weltkrieg-I-Propaganda schürte den Haß auf beiden Seiten

Von HANS-JOACHIM v. LEESEN

Goebbels' Reaktion auf die Teheraner Konferenz 1943: „John Bull" und

„Uncle Sam" kriechen Stalin in den Hintern das geht trefflich aus dem Wortlaut

des Gebetes hervor, das der amerika- nische Kongreß am 10. Januar 1918 gemeinsam sprach (und das ans Ta- geslicht gebracht zu haben das Ver- dienst Dr. Franz Uhle-Wettlers ist):

„Allmächtiger Gott, Unser Himmli- scher Vater!... D u weißt, o Herr, daß wir in einem Kampf auf Tod und Le- ben stehen gegen eine der schänd- lichsten, gemeinsten, gierigsten, blut- durstigsten, sinnlichsten, habsüch- tigsten und sündhaftesten Nationen, die jemals Geschichtsbücher ge- schändet haben. D u weißt, d a ß Deutschland aus den Augen der Menschen genügend Tränen gepreßt hat, um einen neuen Ozean zu füllen, daß es aus den Herzen von Männern, Frauen und Kindern genug Schreie und Stöhnen gepreßt hat, u m daraus ein neues Gebirge aufzutürmen ...

Wir bitten Dich, entblöße Deinen mächtigen A r m und schlage das graue Pack dieser hungrigen wölfi- schen Hunnen zurück, von deren Fängen Blut und Schleim tropfen.

Wir bitten Dich, laß die Sterne auf ihren Bahnen und die Winde und Wogen gegen sie kämpfen. ... U n d Dich preisen wir immerdar - durch Jesus Christus. Amen."

Im Zweiten Weltkrieg zeigte es sich, d a ß die Deutschen inzwischen ihre Lektion gelernt hatten. Hitler hatte ausführlich in seinem Buch

„Mein Kampf" auf das Versagen der kaiserlichen Regierung bei der psy- chologischen Kriegführung hinge-

„Wölfische Hunnen"

wiesen und angemahnt, d a ß Deutschland die Rückständigkeit auf diesem Gebiet aufholen müsse. So schuf er 1933 sogleich ein „Ministeri- um für Volksaufklärung und Propa- ganda", das den in vielen anderen Ländern existierenden Informations- ministerien nachempfunden war.

Der zuständige Minister Dr. Goeb- bels b e m ü h t e sich nachzuholen, was bislang im Reich versäumt worden war, nämlich die Organisierung einer politischen Propaganda. Sie sollte in Wort, Bild, Film und Ton die innere Haltung des Menschen beemdruk- ken und beeinflussen; sie zielte auf Psychologie und Stimmung des V o l - kes, was man für besonders notwen- dig hielt, weil das deutsche Volk nach dem Ausgang des vergangenen Krie- ges unsicher war und sich nachhaltig gedemütigt fühlte.

Im Jahr 1938/39 einigten sich das Propagandaministerium und das

Dienst der Wehrmacht wird die Pro- paganda eingesetzt zur Erhaltung der Opferfreudigkeit und der ge- schlossenen Wehrwilligkeit des eige- nen Volkes, zur Aufklärung über die das Leben des eigenen Volkes beein- flussenden militärischen Maßnah- men, zur Überwindung von Unruhe und Erregung im Volke, die durch feindliche Einwirkungen auf das Heimatgebiet hervorgerufen wer- den, sowie zur Tarnung, Verschleie- rung und Irreführung eigener militä- rischer Absichten." Wahrend das Reichspropagandaministerium für die Gesamtpropaganda verantwort- lich ist, sollte für die geistige Betreu- ung der eigenen Truppe die Wehr- macht zuständig sein, ebenso wie für aktive Propaganda im Kampfgebiet und in die feindliche Bevölkerung und in die feindliche Streitmacht hin- ein.

Zusammen mit den übrigen deut- schen Truppen marschierten am 1.

September 1939 in Polen auch sieben Propaganda-Kompanien sowie zwei K r i e g s b e r i c h t e r - K o m p a n i e n der Luftwaffe und eine der Kriegsmarine (die PK-Kompanien der Marine und der Luftwaffe nannten sich Kriegsbe- richter-Kompanien) ein.

Prof. Linebarger bescheinigt so- wohl den Propaganda-Kompanien als auch der politischen psychologi- schen Kriegführung, daß sie der alli- ierten psychologischen Kriegfüh- rung mindestens ebenbürtig waren.

Die Alliierten hatten - ebenso wie die deutsche Seite - bereits vor Aus- bruch der Feindseligkeiten Vorberei- tungen für den Psychokrieg getrof- fen. Schon in den frühen dreißiger Jahren organisierten die USA die Ein- bindung der Zeitungs- und Rund- funkkorrespondenten in die Kriegs- maschinerie. Unter dem Namen „Of- fice of War Information" wurde ein zentrales Propaganda-Institut einge- richtet, das für eine USA-freundliehe Stimmung im In- und Ausland sor- gen sollte. Mit dem Eintritt der USA in den Krieg setzte eine totale Zensur ein. N u r noch offizielle Communi-

g

ues durften veröffentlicht werden, benfalls unverzüglich begannen Be- strebungen, wie im Ersten Weltkrieg so auch diesmal den Feind zu ent- menschlichen. Die Japaner wurden zu „Affen in Uniform" stilisiert, de- nen man bestenfalls menschenähnli- che Züge zubilligte, während man auf den Deutschen die im Ersten Weltkrieg bewährten Klischees

„ H u n n e und „Barbar" anwandte.

Großbritannien war, wie die Fach- literatur ausweist, aufgrund seiner

dem führten. Berichte aus Deutsch- land und aus den neutralen Staaten, daß vor allem die Wohnviertel gezielt angegriffen würden, wurden als Nazi-Propaganda abqualifiziert.

Auch war man sich einig in der Be- hauptung, daß die in Katyn zu Tau- senden gefundenen ermordeten pol- nischen Offiziere von den Deutschen umgebracht worden seien, obwohl schon während des Krieges der briti- schen Regierung bekannt war, daß ihre sowjetischen Verbündeten die Mörder waren.

Neu war im Zweiten Weltkrieg die Einrichtung der britischen Schwar- zen Propaganda. Der „Erfinder" war als Sohn australischer Eltern zufällig in Berlin geboren und zeitweise dort auch aufgewachsen, bevor er später in England Journalist wurde. Er

N S D A P korrupt seien. Er verbreitete erdachte Meldungen darüber, daß in der Wehrmacht Bluttransfusionen vorgenommen wurden mit durch Geschlechtskrankheiten verseuch- tem Blut von Polen und Russen. Er bemühte sich, U-Boot-Besatzungen gegen ihre Offiziere aufzuwiegeln. Er erdichtete einen angeblichen Brief des in Deutschland überaus populä- ren Jagdfliegers Werner Mölders, der tödlich verunglückt war. In dem in England produzierten Brief sollte der Eindruck erweckt werden, Mölders sei ein Gegner des Nationalsozialis- mus gewesen und habe gefürchtet, von der Gestapo ermordet zu wer- den. Den Brief ließ Delmer in zigtau- sendfacher Ausführung von briti- schen Flugzeugen über Deutschland abwerfen.

1939/45: Die Deutschen ziehen nach

sprach perfekt deutsch mit Berliner Akzent und haßte die Deutschen in der traditionellen Art eines Briten, der in jedem Deutschen einen Kon- kurrenten witterte und überzeugt davon war, daß es niemanden auf den britischen Inseln gibt, der von einer deutschen Niederlage keine Vorteile hätte. A u f seine Anregung wurde 1941 in England eine Rund- funk-Kampagne gestartet, mit dem Ziel, die Moral der Deutschen zu schwächen. Dieser Journalist namens Sefton Delmer richtete mit Unterstüt- zung aller wichtigen britischen Dienststellen, seien sie politischer, seien sie militärischer Art, mehrere Radio-Sender ein, die auf Mittel- und Kurzwelle unter den Namen „Gustav Siegfried Eins", „Atlantiksender",

„Soldatensender Calais" oder Sender

„Christus der König" deutschspra- chige Sendungen ausstrahlten und vorgaben, das Sprachrohr oppositio- neller Deutscher zu sein. Gestaltet wurden die Sendungen von deut- schen Deserteuren und Emigranten.

Mit ihnen baute Delmer ein Pro- gramm auf, das nach seiner Darstel- lung nach dem Prinzip arbeitete:

„Wir dürfen nie zufällig oder aus Nachlässigkeit lügen, sondern im- mer nur bewußt und überlegt." Tat- sächlich war diese Art der psycholo- gischen Kriegführung so wirksam und dauerhaft, daß noch heute viele ihrer Behauptungen und erfundenen Geschichten als historische „Wahr- heiten" vor allem in Deutschland ver- breitet geglaubt werden.

Er erfand Fälle, in denen „bewie- sen" wurde, daß Funktionsträger der

Unter britischer Regie wurden Briefe geschrieben von angeblichen Krankenschwestern über die letzten Stunden von in britischer Gefangen- schaft gestorbenen deutschen Kriegs- gefangenen, in denen den Angehöri- gen mitgeteilt wurde, man habe Wertsachen des Toten an den zustän- digen Kreisleiter der N S D A P zur Weiterleitung geschickt. Wenn die Angehörigen bei diesem nachfrag- ten, ahnte der natürlich nichts. Nach einiger Zeit prangerte Delmer in sei- nen Propagandasendern die angebli- che Unterschlagung an.

Einer der wichtigen Mitarbeiter Sefton Delmers war der am 20.-Juli- Putsch beteiligte Otto John, dem es gelang, über Spanien nach England zu fliehen, wo er sich der britischen Schwarzen Propaganda zur Verfü-

f

^ing stellte. Nach dem Krieg wurde ohn Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und tauchte eines Tages auf rätselhafte Weise in der so- wjetischen Besatzungszone auf, um dort Propaganda gegen die Bundes- republik zu machen.

U m das gute Verhältnis zwischen den Deutschen und den in Deutsch- land tätigen Fremdarbeitern zu stö- ren, ließ die britische Propaganda über Deutschland in den Sprachen der Fremdarbeiter verfaßte Anwei- sungen zusammen mit Brandpäck- chen, mit deren Hilfe Sabotage getrie- ben werden sollte, abwerfen.

Sefton Delmer selbst hat all die Ein- zelheiten in seinen in den 60er Jahren erschienenen Memoiren „Die Deut- schen und ich" ungeschminkt ge-

schildert. Das Motto seiner Tätigkeit sei jgewesen: „Wir wenden jeden Trick an, der sich denken läßt, auch den schmutzigsten. Jeder Griff ist er- laubt. Je übler, um so besser. Lügen, Betrug - alles!" Nicht wenige semer damaligen Mitarbeiter waren nach der deutschen Niederlage in führen- den Positionen in der Medienland- schaft tätig, um eine demokratische deutsche Presse aufzubauen.

Die psychologische Kriegführung der Sowjetunion hatte eine besondere Aufgabe. Es zeigt sich nach dem Be- ginn des deutsch-sowjetischen Krie- ges sehr schnell, daß die Rote Armee zu einem großen Teil nicht bereit war, für den Bolschewismus zu kämpfen.

Die Zahl der Überläufer schwoll in die Zigtausende, und Hunderttau- sende ergaben sich den deutschen Truppen, die in weiten Gebieten der UdSSR als Befreier empfangen wur- den. Da schaltete die Sowjetregie- rung sehr schnell auf eine Greuelpro- paganda um, die selbst die britischen Schreckensmeldungen des Ersten Weltkrieges in den Schatten stellte.

A m 6. November 1941, am 24. Jah- restag der Oktoberrevolution, be- hauptete Stalin öffentlich, man habe bei einem gefallenen deutschen Offi- zier einen „Appell des deutschen Oberkommandos an die deutschen Soldaten" gefunden, in dem zu lesen war: „Töte jeden Sowjetrussen, mach nicht halt, auch wenn du einen Greis oder eine Frau, ein kleines Mädchen oder einen Jungen vor dir hast." Wei- ter Stalin: „Die Hitler-Horden mor- den und vergewaltigen die friedli- chen Bewohner unseres Landes, ohne Frauen, Kinder und Greise zu scho- nen", und er nannte die Deutschen

„Menschen, die jedes Menschenant- litz verloren haben und auf das N i - veau wilder Tiere herabgesunken sind".

Drei Wochen später gab der sowje- tische Außenminister Molotow über Radio Moskau sowie in einem millio- nenfach verbreiteten Flugblatt eine Steigerung, indem er behauptete,

„daß gefangengenommene größten- teils verwundete Rotarmisten vom deutschen Oberkommando und den deutschen Truppenteilen zum Opfer bestialischer Folterungen und Quäle- reien und Morde gemacht werden ...

Gefangene Rotarmisten werden mit glühenden Eisen gefoltert, ihnen werden die Augen ausgestochen, Beine, Arme und Ohren und Nasen abgehackt, die Bäuche aufgeschlitzt, sie werden an Panzerwagen gebun- den und in Stücke gerissen."

Fortsetzung folgt

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Politik Das Öflpnuficnblat!

8. A u g u s t 1 9 9 8 - F o l g e 3 2 - S e i t e 4

Kommentar

Unerfüllter Geist des Vertrages

über Nachbarschaft

Sollen n u n auch die letzten Bin- dungen der Vertriebenen z u ihrer Heimat zerstört werden?

Diese kritische Frage m u ß sich dem Heimatvertriebenen a u f d r ä n - gen, w e n n er erfährt, d a ß sogar Nachforschungen i n A r c h i v e n , z.

B. i n Allenstein, nahezu u n m ö g l i c h gemacht werden. Eine einzige A r - chivstunde n ä m l i c h kostet 102 M a r k . F ü r eine Kopie m u ß man 34 D M bezahlen. Archivmaterial w i r d jedoch nur i n polnischer Sprache herausgegeben, auch w e n n es sich dabei u m deutsche Unterlagen handelt.

Diese Handhabung verstößt nicht nur gegen den deutsch-polni- schen Nachbarschaftsvertrag u n d spricht i h m H o h n , sondern läuft auch allen Erwartungen, die sich mit der Aufnahme der Republik Polen i n die E u r o p ä i s c h e U n i o n er- geben, entgegen.

Die O s t p r e u ß e n fragen sich, war- u m die B u n d e s t a g s p r ä s i d e n t i n die- sen Skandal bei ihrem Besuch i n Warschau nicht angesprochen hat.

Frau S ü s s m u t h , die die Rechte der Vertriebenen ganz offenkun- d i g links liegen läßt, vermeint den- noch, sich für die deutsch-polni- sche V e r s t ä n d i g u n g einzusetzen.

Ihr schmachvoller Einsatz für die polnischen Belange i n Sachen E U - Beitritt u n d das Z u r ü c k w e i s e n deutscher R ü c k k e h r m ö g l i c h k e i t e n sind hier noch i n trauriger Erinne- rung. Sollte sie tatsächlich eine

• Ä n d e r u n g beabsichtigen, dann m ü ß t e sie sofort dafür sorgen, d a ß das Archivmaterial unter norma- len m i t t e l e u r o p ä i s c h e n Bedingun- gen z u g ä n g l i c h w ä r e .

C a r o l i n e v. Gottberg

25 Jahre Grundvertrags-Urteil:

D a s D e u t s c h e R e i c h b e s t e h t f o r t

Die bahnbrechende Karlsruher Grundsatzentscheidung von 1973 gilt weiterhin

Unbeachtet v o n der Öffentlich- keit jährte sich i n diesem Sommer z u m 25. M a l e ein einzigartiger Bei- trag der deutschen Verfassungsge- richtsbarkeit z u m G a n g der deut- schen u n d e u r o p ä i s c h e n Geschich- te, dessen weiterwirkende politi- sche u n d rechtliche Bedeutung auch heute noch k a u m a b g e s c h ä t z t werden kann.

A m 31. Juli 1973 v e r k ü n d e t e der 2. Senat des Bundesverfassungsge- richtes (BVerfG) das Urteil i m Ver- fahren ü b e r die V e r f a s s u n g s m ä - ßigkeit des Grundlagenvertrages mit der D D R v o m 21. Dezember 1972. A u s heutiger Sicht k ö n n e n w i r feststellen, d a ß damit eine der grundlegenden Voraussetzungen für die 1990 erfolgte Reorganisati- on Deutschlands bis zur Oder u n d N e i ß e geschaffen wurde. Entgegen allen offen bekundeten A n e r k e n - nungsabsichten m a ß g e b e n d e r po- litischer Kräfte in Bonn hinsichtlich der Teilung Deutschlands u n d E u - ropas nagelte das BVerfG fest: „ D e r Vertrag ist kein Teilungsvertrag...

(er bildet) eine zusätzliche neue Rechtsgrundlage..., die die beiden Staaten i n Deutschland enger ...

aneinander binde(t)."

Weit ü b e r die damalige Tagespo- litik hinaus w i r k e n die g r u n d s ä t z l i - chen Festlegungen des BVerfG z u r Rechtslage Deutschlands, die ver- f a s s u n g s m ä ß i g Gesetzeskraft ha- ben: „ D a s Grundgesetz ... geht da- v o n aus, d a ß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 ü b e r - dauert hat u n d weder mit der K a p i - tulation noch durch A u s ü b u n g fremder Staatsgewalt i n Deutsch- land durch die allüerten O k k u p a t i - o n s m ä c h t e noch s p ä t e r unterge- gangen ist ... Das Deutsche Reich existiert fort besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisa- tion ... selbst nicht h a n d l u n g s f ä -

h i g . " Hinsichtlich des territorialen Umfangs des deutschen Gesamt- staates spricht das BVerfG i n sei- nem Urteil „ d i e Grenzen des Deut- schen Reiches nach d e m Stande v o m 31. Dezember 1937" an. In ei- nem weiteren Beschluß v o m 7. Juli 1975 z u den O s t v e r t r ä g e n w i r d dies noch bekräftigt: „Die Gebiete öst- lich v o n Oder u n d N e i ß e sind eben- so wie das ü b r i g e Reichsgebiet i n den Grenzen v o m 31. Dezember 1937 v o n den S i e g e r m ä c h t e n bei Kriegsende nicht annektiert wor- den. A n dieser territorialen Rechtslage hat sich bis heute nichts g e ä n d e r t .

A u c h Art. 23 des Grundgesetzes, ü b e r welchen 1990 der Beitritt der vormaligen D D R erfolgte, w u r d e entgegen den Verzichtsgelüsten voreiliger „Ostpolitiker v o m BVerfG 1973 aufrechterhalten:

„Art. 23 G G ist weder durch die politische Entwicklung ü b e r h o l t , noch sonst aus irgendeinem G r u n d rechtlich obsolet geworden. E r gilt u n v e r ä n d e r t fort. D i e mit Stachel- draht u n d M i n e n bewehrte Grenze der D D R beschreibt das Urteil juri- stisch k ü h l , „ d a ß es sich also u m eine staatsrechtliche Grenze han- delt, ä h n l i c h denen, die zwischen den L ä n d e r n der Bundesrepublik Deutschland verlaufen". Dies schien selbst manchem Patrioten damals als etwas verwegen. G e n a u dies aber ist seit drei Jahren einge- treten. Es ist deshalb das bleibende Verdienst des BVerfG, dessen U r - teil v o m damaligen Bundesverfas- sungsrichter Prof. D r . W i l l i Geiger m a ß g e b e n d g e p r ä g t wurde, u n d der Bayerischen Staatsregierung, welche dieses Normenkontrollver- fahren beantragt hatte, d a ß die Völ- ker- u n d staatsrechtliche Basis für eine Wiedervereinigung noch vor- handen war, als die Zeit d a f ü r u n - erwartet heranstand. A u c h der seit den O s t v e r t r ä g e n der 70er Jahre

kleiner werdenden Mehrheit der gesamtdeutsch gesinnten Patrio- ten w a r das Urteil v o n 1973 eine u n - entbehrliche Hilfe. Es verhinderte w i r k s a m die politische K r i m i n a l i - sierung derjenigen, die sich weiter- h i n der A n e r k e n n u n g des S E D - U n - rechtsregimes widersetzten u n d a u f d e r W i e d e r v e r e i n i g u n g Deutschlands beharrten.

A l l diesen N u t z e n vermag das Urteil auch weiterhin z u bieten. A n der völkerrechtlichen Fortexistenz des Deutschen Reiches hat sich seither nichts g e ä n d e r t . Eine G e - bietsabtretung hinsichtlich Ost- deutschlands nat nicht stattgefun- den. Es gibt nur einen GrenzDestä- tigungsvertrag mit Polen v o m 14.

November 1990. In i h m w i r d letzt- lich nur auf die V e rw al t un g s zu - weisung der Ostgebiete an Polen i m Potsdamer Protokoll v o m 2.

A u g u s t 1945 Bezug genommen.

D e n völkerrechtlichen Theorien, d a ß die G r e n z b e s t ä t i g u n g einer Gebietsabtretung gleichkomme u n d w i r uns deshalb so behandeln lassen m ü ß t e n , „als o b " w i r die Ostgebiete an Polen abgetreten h ä t t e n , erteilte das BVerfG bereits i m Grundlagenvertragsurteil v o n 1973 vorab eine klare Absage. Fort- geführt w i r d diese Rechtsspre- chung d u r c h einen Beschluß v o m 5. Juni 1992, w o festgestellt w i r d :

„ D e r Vertrag bestätigt nur die je- denfalls faktisch seit langem z w i - schen Deutschland u n d Polen be- stehende Grenze ... (verfügt Je- doch) nicht mit r ü c k w i r k e n d e r Kraft ü b e r die territoriale S o u v e r ä - n i t ä t oder Gebietshoheit. In einem weiteren Beschluß v o m 8. Septem- ber 1993 bekräftigte das Bundes- verfassungsgericht diese Rechts- sprechung u n d hob hervor, d a ß die Eigentums- u n d V e r m ö g e n s f r a g e n nach wie vor offen sind.

H a n n e s K a s c h k a t

Michels Stammtisch

Deutschland zahle nicht zuviel in die Kasse der Europäischen Union, (EU), aber es erhalte zuwenig aus der Gemeinschaftskasse zurück, erklärte Hans Dietrich Genscher dem staunen- den Stammtisch im Deutschen Haus.

Das müsse künftig mehr werden. Der frühere Dauer-Außenminister und seinerzeit eifrig bemühte Anwalt des koexistentiellen Statusquo im geteil- ten Europa meinte, schließlich hätten Kanzler Kohl und Finanzminister

Waigel für Deutschland dem gegen- wärtigen EU-Finanzsystem zuge- stimmt. Damit hat er zweifellos recht.

Wenn aber der als Scheckbuch-Diplo- mat sehr erfahrene Genscher meint, es müsse wie gewohnt weiter an die EU gezahlt werden, nur müsse in Zukunft mehr aus deren Kasse für Deutschland herausspringen, dann kann der Stammtisch den Sinn solcher Umver- teilerei nicht mehr nachvollziehen.

Bedeutet doch das finanzielle Hin- und Her die endgültige Installation eines riesig anwachsenden europäi- schen Finanzausgleichs mit ständig wuchernder eurokratischer Maschine- rie. Der Stammtisch meinte, mit sol- cher Euromanie mache Genscher die Dauerparole seiner FDP: „Weniger Staat-weniger Bürokratie", unglaub- würdig, es sei denn, die FDP wolle in Wahrheit: „Weniger deutscher Staat, aber mehr europäische Bürokratie".

Genscher aber bleibt seinem Motto treu: „Hauptsache zahlen." Das war schon so, als er Milliarden an die kom- munistischen Machthaber im Ost- block zahlte, ohne daß die dortigen Opfer von Krieg und Gewalt individu- ell von diesem Geld etwas zu sehen be- kamen. Diese mußten darauf erst bis zum Ende der finanziell westgestütz- ten kommunistischen Herrschaft war- ten, mit dem fatalen Beigeschmack, als hätten sich die Deutschen erst heute ihrer erinnert. Auch darüber ist der Stammtisch sauer.

Gedanken zur Zeit:

Globalisierung oder soziale Markwirtschaft?

Gegen eine Neuauflage des Manchesterkapitalismus / Von Rolf Schlierer

Seit dem Ende des

„real existierenden Sozialismus" be- stimmt ein Phäno- men das wirt- schaftliche und po- litische Gesche- hen, das kein Indu- striestaat dieser Erde ignorieren kann: die „Globali- sierung der Märkte". Die einen ver- binden mit diesem Begriff die Aus- sicht auf einen weltweiten Wohl- stand, die anderen beschwören die Gefahr einer Wiederauflage des be- rüchtigten „Manchesterkapitalis- mus" und der Zerstörung des Sozial- staates. Der Mensch - so die Befürch- tung der Globalisierungskritiker - werde zur Ware, dessen Schicksal von anonymen Aktienbesitzern bestimmt wird.

Aus konservativer Sicht ist die Fra- ge, wie der National- und Sozialstaat vor dem Hintergrund der Internatio- nalisierung der Märkte gesichert wer- den kann, zur entscheidenden Frage geworden. A l l z u viele Zeitgenossen in Deutschland glauben bereits, daß die Ära der Nationalstaaten vorbei sei und Politik nur noch auf supranatio- naler Ebene gemacht werden könne.

Das ist ein Irrglaube. Denn einer der wichtigsten Errungenschaften nach dem Zweiten Weltkrieg - der Sozial- staat nämlich - wird auch in Zukunft nur im nationalen Rahmen realisiert werden können - oder untergehen.

Dieser Zusammenhang wird von vielen nicht mehr gesehen, die aus ei-

ner falsch verstandenen „Menschen- liebe" heraus glauben, d a ß die Lei- stungen der deutschen Solidarge- meinschaft doch bitte allen „Bedürfti- gen", die aus aller Herren Länder nach Deutschland strömen, zugute kommen müßten.

Die zentrale Frage lautet, wie unter den Bedingungen weltweiter „offe- ner Märkte" und verschärften Kon- kurrenzdruckes - der mit der Einfüh- rung des Euro noch erheblich zuneh- men wird - jenes Gebilde erhalten werden kann, das der Bundesrepu- blik ein halbes Jahrhundert sozialen Frieden beschert hat. Gemeint ist das Modell der sozialen Marktwirtschaft, das von einer lautstarken Schar von Kritikern zunehmend in Frage ge- stellt wird. Diese Kritiker fordern ei- nen deregulierten Markt, auf den der Staat möglichst wenig Einfluß neh- men soll. Nicht zu Unrecht hat der Pu- blizistjan Roß diese Kritiker als „neue Staatsfeinde" bezeichnet.

Demgegenüber hat sich die politi- sche Linke - worunter, als wichtigste Organisationen, SPD, Bündnisgrüne, Gewerkschaften sowie Wohlfahrts- verbände zu fassen sind - in der letz- ten Zeit auffallend lautstark zum A n - walt des Sozialstaates gemacht. Auch hier ist Vorsicht angebracht. Die Lin- ke fürchtet den „Sozialabbau" vor al- lem deshalb, weil dadurch die Finan- zierung des multiethnischen Experi- ments auf deutschem Boden erheb- lich an Dynamik verlieren würde.

Wenn die Linke über angeblichen

„Sozialabbau" jammert, dann schwingt die Befürchtung mit, daß

damit ein Verlust „linker Hegemo- nie" verbunden sein könnte. Also:

Nicht der Sozialstaat, sondern politi- sches Kalkül treibt die linken Sbzial- staatsapologeten an. Deren Befürch- tungen haben den realen Hinter- grund: Wenn die Linke nicht mehr ihr Füllhorn über ihrer regenbogenfarbe- nen Klientel ausschütten kann, dann verliert sie ihre Attraktivität.

Für Konservative bleibt der Sozial- staat nicht aus Kalkül eine unverzicht- bare Größe, sondern deshalb, weil er die einzige Antwort auf die sozialen Verwerfungen darstellt, die durch

„Globalisierung" und „Euro-Einfüh- rung" drohen. Nur die Solidargemein- schaft der Nation und das Prinzip von Leistung und Gegenleistung ermögli- chen die Finanzierung von Wohlstand und sozialer Sicherheit. Globalisierung und eine europäische Sozialunion be- wirken das Gegenteil. Wer also glaubt, im Zuge einer Reform des Sozialstaates den Nationalstaat gleich mit verab- schieden zu können, soll auch gleich sagen, wie er ohne „nationale Solidari- tät" die soziale Stabilität unseres Ge- meinwesens sichern will. Geht diese verloren, dann bleibt nur noch der am Profit orientierte einzelne. Mit diesen Individuen ist aber dann im wahrsten Sinne des Wortes „kein Staat mehr zu machen".

(Vor den Bundestagswahlen räumt die Redaktion Mitgliedern von Parteien die Möglichkeit zu politischen Stellungnah- men ein. Der Autor Dr. Rolf Schlierer, Arzt und Rechtsanwalt, ist seit 1994 Bundesvorsitzender der Republikaner.)

Brüsseler Visionen:

Ü b e r l e b e n m i t d e u t s c h e r S o z i a l h i l f e ? Bonn kündigt Widerstand gegen „Freizügigkeit" an

Ginge es nach dem Willen einiger besonders europabegeisterter Politi- ker, dann dürften wohl auch die Wanderwilligen unter den Kolonial- völkern Frankreichs durch eine großzügige Auslegung über die Frei- zügigkeit auf dem Arbeitsmarkt i n - nerhalb der E U beispielsweise auch in Köln oder Leipzig u m Arbeit an- klopfen. Sollten sie diese wider Er- warten erhalten, u m sie irgendwann wieder z u verlieren, was bekanntlich ohne übergroße Schwierigkeiten ge- schehen kann, dann stehen diesem Kreis selbstverständlich auch bei vorheriger Abführung von Steuern die diversen Sozialleistungen zu.

A u c h könnten dann, ähnlich wie bei „reinen" Angehörigen von E U - Mitgliedsstaaten, die Familienmit- glieder nachziehen, die ihrerseits dann selbstverständlich Anspruch auf soziale Leistungen haben. Z w a r gibt es gegenwärtig Bonner Ein- spruch, Kanzleramtsminister Bohl meint, das Vorhaben führe i n der Bundesrepublik „ z u einer Belastung des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme mit u n ü b e r s e h - baren finanziellen Konsequenzen".

Vergangene Woche k ü n d i g t e M i - nister Bohl an, d a ß Bonn „nach- drücklich" auf grundsätzliche Kor- rekturen d r ä n g e n wolle. Die E U - Vorschläge zur Freizügigkeit w ü r - den zusätzlichen Anspruchsberech- tigten „Tür und Tor" öffnen. Die Brüsseler Vorschläge führten z u „ei- ner nicht vertretbaren Belastung des

Arbeitsmarktes" i n Deutschland. Ob es nun dazu kommt, m u ß man ab- warten: Die Vorschläge sollen dieses Recht A u s l ä n d e r n mit ständigem Aufenthaltsrecht i n der E U zubilli- gen u n d das Territorialprinzip auf- heben.

Danach hätte also auch beispiels- weise jeder algerische Staatsangehö- rige, der in Frankreich lebt, samt bei- spielsweise neunköpfiger Familie nach Deutschland umziehen kön- nen, u m Sozialhilfe z u kassieren.

Nach Bedenken wurde dieser Ent- wurf modifiziert: die geplante Frei- zügigkeit gilt nur für EU-Bürger. Ein Pyrrhussieg, denn jeder weiß, daß Paris fast jedem Marokkaner, der auf den Champs-Elysees einmal ein Baguette u n d einen Milchcafe be- stellt hat, die französische Staatsan- gehörigkeit andient.

Doch da auch das Territorialprin- zip aufgehoben werden soll, wird die Sache noch heikler. Das Territorial- prinzip besagt, d a ß Arbeitslosen- Leistungen und Sozialhilfe nur dann gezahlt werden, wenn sich die Emp- fänger innerhalb der Bundesrepu- blik befinden. Wenn sich nun aber die Brüsseler durchsetzen, dann kann man sich vorstellen, d a ß als- bald zahllose Familien aus Marokko, Algerien und aus Kolonialgebieten Frankreichs aus ihrer Heimat nach Paris ziehen, u m dann in Berlin ihr Glück z u machen. H. N .

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