Prof. Dr. Michael Opielka, Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie, Vortrag Université de Fribourg, 2. März 2021
Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie
Vortrag Université de Fribourg, 2. März 2021 (Vortragsreihe
„Soziale Nachhaltigkeit: Lebenschancen und Ungleichheiten“)
Prof. Dr. Michael Opielka
Ernst-Abbe-Hochschule, Jena
ISÖ – Institut für Sozialökologie, Siegburg
1
1. Soziologie, Sozialpolitik und Sozialreform managen seit dem
späten 19. Jahrhundert Ambivalenzen und Externalisierungen der kapitalistischen Entwicklung
2. Nachhaltigkeitsforschung, Umweltpolitik und Ökologisierung
managen seit dem späten 20. Jahrhundert die Ambivalenzen und Externalisierungen der industrialistischen Entwicklung
Beide Grundströmungen Sozialer Nachhaltigkeit
➢ basieren auf der Rekombinierung und Mobilisierung
ökonomischer, politischer, kultureller und ethischer Präferenzen von Akteuren
➢ zielen auf Internalisierung und die Internalisierungsgesellschaft
Zusammenfassung:
Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie
Prof. Dr. Michael Opielka, Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie, Vortrag Université de Fribourg, 2. März 2021
Überblick
1. Wie soziale Nachhaltigkeit gedacht wird oder besser nicht
2. Holismus als Problem der Beratung von Politik und Gesellschaft
3. Soziale Nachhaltigkeit als Paradigma
4. Forschungsfelder Sozialer Nachhaltigkeit
Seite | 3
Konzepte der Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeits-Dreieck, Drei-Säulen-Modell oder gar Zauberscheibe der Nachhaltigkeit
Soziales
Ökologie Ökonomie
Ök onomi e Ök ol og ie Soz ial es
Nachhaltigkeit
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Konzepte der Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit
Dreieck der Nachhaltigkeit – Erdgipfel von Rio 1992
Offiziell: „UN Conference on Environment and Development“ – etablierte das Konzept „nachhaltige Entwicklung“ weltweit
Ökonomie Soziale Gerechtigkeit
Ökologie
1. Wie soziale Nachhaltigkeit gedacht wird oder besser nicht
Quelle: McGuinn, Jennifer et al. 2020: Social sustainability. Concepts and Benchmarks. Study for the Committee on Employment and Social
Affairs, Policy Department for Economic, Scientific and Quality of Life Policies, European Parliament, Luxembourg, S. 21
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1. Wie soziale
Nachhaltigkeit gedacht wird oder besser nicht
Seite | 7
Quelle: McGuinn, Jennifer et al. 2020: Social sustainability. Concepts and Benchmarks. Study for the Committee on Employment and Social Affairs, Policy Department for Economic,
Scientific and Quality of Life Policies, European
Parliament, Luxembourg, S. 24
1. Wie soziale Nachhaltigkeit gedacht wird oder besser nicht
„Die soziologische Perspektive bezieht sich auf Nachhaltigkeit daher nicht als eine normative Leitidee, die per se schon etwas Wünschenswertes bezeichnet und für deren Umsetzung man allein die gesellschaftlichen Voraussetzungen und
funktionalen Erfordernisse schaffen sollte, wie dies zumeist die Vorgehensweise der gängigen Nachhaltigkeitsforschung ist (zur Übersicht: www.futureearth.org).
Stattdessen nimmt sie Nachhaltigkeit gegenüber eine problemorientierte und
reflexive Position ein, die auch Widersprüchlichkeiten, Dilemmata und Paradoxien von Nachhaltigkeit nicht ausspart.“
Sighart Neckel, Die Gesellschaft der Nachhaltigkeit, in: ders. et al., Die Gesellschaft der Nachhaltigkeit. Umrisse eines Forschungsprogramms, Bielefeld: transcript 2018, S. 13
Zur Realisierung dieses Forschungsprogramms siehe die „DFG-Kolleg-Forschungsgruppe Zukünfte der
Nachhaltigkeit“ an der Universität Hamburg: https://www.zukuenfte-nachhaltigkeit.uni-hamburg.de/
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1. Wie soziale Nachhaltigkeit gedacht wird oder besser nicht
Seite | 9
„Als Rechtfertigungsmuster verstanden, könnte Nachhaltigkeit den grünen
Kapitalismus der Zukunft mit der Imagination eines neuen Fortschrittsoptimismus ausstatten, der sich der vermeintlichen Lernfähigkeit der modernen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verdankt. (…) Gilt bis heute als ausgemacht, dass die Soziologie ein Kind des Kapitalismus ist und sich epistemisch anhand seiner
Probleme herausbildete, dass sich, mit anderen Worten, kapitalistische Moderne und moderne Soziologie gegenseitig konstituiert haben, so begründen die
Tendenzen einer postkapitalistischen Gesellschaft die Aussicht, Soziologie jenseits der Horizonte eines kapitalistischen Zeitalters zu betreiben.“
Sighart Neckel, Die Gesellschaft der Nachhaltigkeit, in: ders. et al., Die Gesellschaft der Nachhaltigkeit. Umrisse
eines Forschungsprogramms, Bielefeld: transcript 2018, S. 18, 20
Der Weg zur Agenda 2030
Vertragsstaatenkonferenzen - COP (Conference of the Parties) 1-24
1995
COP 1, Berlin mit Bundesumwelt- ministerin Angela
Merkel
1997
COP 3, Kyoto Kyoto-Protokoll
2007 COP 13, Bali Verhandlung über Weiterführung des
Kyoto-Protokolls
2009
COP 15, Kopenhagen Nachfolgeregelung
gescheitert
2015 COP 21, Paris
Agenda 2030
2018
COP 24, Polen
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Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele
Quelle: BMZ (2017)
Quelle: BMZ (2017)
= „soziale“ SDGs
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2. Forschungspraxis: Holismus als Problem
Seite | 13
a) Eher Theorie?
(Ganzheitlichkeit, systemisches Denken) b) als Folge von Praxis?
z.B. (IPBES Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services
IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change ) c) mit Folgen für Praxis?
(in welchen Feldern?)
2. Forschungspraxis: Holismus als Problem – ein Beispiel
‚ZASH2045‘ = Forschungs- und Entwicklungsprojekt (FuE)
(Zukunftsszenario Altenhilfe Schleswig-Holstein 2030/2045)
Annahme: Soziale Innovationen → Sozialer Wandel → Nachhaltige Entwicklung
www.zash2045.de
Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen: 17 Sustainable Development Goals (SDGs)
Zentrale Fragestellung:
„Wie können wir überall alt werden?“
Prof. Dr. Michael Opielka, Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie, Vortrag Université de Fribourg, 2. März 2021
Quelle: Michael Opielka/Sophie Peter, Zwischenbericht ZASH2045, ISÖ-Text 2017-1, S. 190
Abbildung: Interaktions-Netzwerk der Trendanalysen mit den SDGs
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Quelle: David Collste et al., Policy coherence to achieve the SDGs: using integrated
simulation models to assess effective policies, in: Sustain Sci, 2017
Prof. Dr. Michael Opielka, Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie, Vortrag Université de Fribourg, 2. März 2021
Quelle: ICSU – International Council for Science, A Guide to SDG Interations: from Science to Implementation. Paris: ISCU 2017, S. 165f.
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SDG 7:
Bezahlbare und
saubere
Energie
Das Forschungsparadigma Soziale Nachhaltigkeit erfordert eine holistische Forschungspraxis, die enorme Anforderungen an Konzeptualisierung (Indexierung, Skalierung usf.) und
Auswertungsstrategien stellt und Überforderungen nahe legt.
Das Problem ist, dass Indexierungen ohne normative Privilegierung von Indikatoren nicht möglich sind.
Das klassische Beispiel der SDG: Sind Geldautomaten pro Kopf der Bevölkerung (Indikator für SDG 8) vergleichbar mit dem
Bevölkerungsanteil, der in absoluter Armut lebt (Indikator für SDG 1)?
These 1:
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3. Soziale Nachhaltigkeit als Paradigma
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Epistemisches
(holistisches, systemisches Denken)
Organisatorisches
(Interdisziplinarität, Transdisziplinarität,
Neodisziplinarität)
Faktisches
(empirische Forschung zu Sozialer Nachhaltigkeit (z.B. SÖF))
Politisches
(Anwendungs- und Transferorientierung,
Reallabore)
Abbildung: Vier Themendimensionen im Rahmen eines weiten
Verständnisses von Sozialer Nachhaltigkeit (Opielka 2017, S. 23ff.)
Quelle:
https://de.wikipedia.org /wiki/Drei-Säulen-
Modell_(Nachhaltigkeit)
Prof. Dr. Michael Opielka, Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie, Vortrag Université de Fribourg, 2. März 2021
Das Forschungsparadigma Soziale Nachhaltigkeit muss in vier konzeptionelle Zugänge (Themen) ausdifferenziert
werden : 1) als sozialwissenschaftlicher Zugang zu Nachhaltigkeitsphänomenen, 2) als soziale („s“)
Nachhaltigkeit im Rahmen des Drei-Säulen-Modells (Fokus Ungleichheit), 3) als Soziale Nachhaltigkeit als holistisches Transformationsprogramm (analytisch wie angewandt) und 4) Soziale Nachhaltigkeit als Polity-Konzept (Öko-
Wohlfahrtsregime). Alle vier Zugänge haben eine Berechtigung und sind unverzichtbar.
Seite | 21›
These 2:
3. Soziale Nachhaltigkeit als Forschungsparadigma
Soziale Nachhaltigkeit
(als Öko-Wohlfahrtsregime / Polity)
Soziale Nachhaltigkeit
(als Kommunikationssystem der Gesellschaft)
Sozialforschung
sozialwissenschaftliche Umweltforschung (z.B. SÖF)
soziale Nachhaltigkeit
(Ungleichheit, Sozialpolitik im engeren Sinn)
Abbildung: Vier Verwendungszusammenhänge von „sozial“ im Diskurs über Soziale Nachhaltigkeit als Forschungsprogramm
Siehe: Michael Opielka, Soziale Nachhaltigkeit, München: oekom 2017, Kapitel 1.3
Das Forschungsparadigma Soziale
Nachhaltigkeit muss in vier konzeptionelle Zugänge (Themen) ausdifferenziert werden:
1) als sozialwissenschaftlicher Zugang zu
Nachhaltigkeitsphänomenen, 2) als soziale („s“) Nachhaltigkeit im Rahmen des Drei-Säulen- Modells (Fokus Ungleichheit), 3) als Soziale Nachhaltigkeit als holistisches
Transformationsprogramm (analytisch wie
angewandt) und 4) Soziale Nachhaltigkeit als
Polity-Konzept (Öko-Wohlfahrtsregime). Alle vier
Zugänge haben eine Berechtigung und sind
unverzichtbar.
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Université de Fribourg, 2. März 2021 Seite | 23›
Das Forschungsparadigma Soziale Nachhaltigkeit muss in vier konzeptionelle Zugänge (Themen) ausdifferenziert
werden : 1) als sozialwissenschaftlicher Zugang zu Nachhaltigkeitsphänomenen, 2) als soziale („s“)
Nachhaltigkeit im Rahmen des Drei-Säulen-Modells (Fokus Ungleichheit), 3) als Soziale Nachhaltigkeit als holistisches Transformationsprogramm (analytisch wie angewandt) und 4) Soziale Nachhaltigkeit als Polity-Konzept (Öko-
Wohlfahrtsregime). Alle vier Zugänge haben eine Berechtigung und sind unverzichtbar.
These 2:
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Typen des Wohlfahrtsregimes liberal sozialdemo-
kratisch
konservativ garantistisch
Steuerung / Governance:
•
Markt
•
Staat
•
Familie/Gemeinschaft
•
Menschen-/Grundrechte
zentral marginal marginal mittel-hoch
marginal zentral marginal
mittel
marginal subsidiär zentral marginal
mittel subsidiär
mittel zentral Dominante Form
sozialstaatlicher Solidarität
Individua- listisch
lohnarbeits-- zentriert
kommunita- ristisch- etatistisch
Bürgerstatus, universa-
listisch
Vollbeschäftigungsgarantie schwach stark mittel mittel
Dominante Form der
sozialstaatlichen Steuerung Markt Staat Moral Ethik
Konzeptionen
Sozialer Nachhaltigkeit skeptisch eng internal weit
Empirische Beispiele in der
Sozialpolitik USA Schweden Deutschland,
Italien
Schweiz („weicher G.“) Abbildung: Wohlfahrtsregime-Typen und Regime-Konzeptionen Sozialer Nachhaltigkeit
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Soziale Nachhaltigkeit und Garantismus – das Beispiel Schweiz CO 2 -Steuer
Quelle: Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste, Die CO 2 -Abgabe in der Schweiz, Frankreich und Großbritannien. Mögliche
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Université de Fribourg, 2. März 2021 Seite | 27›
Soziale Nachhaltigkeit und Garantismus – das Beispiel Schweiz CO 2 -Steuer
Quelle: Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste, Die CO 2 -Abgabe in der Schweiz, Frankreich und Großbritannien. Mögliche
Modelle einer CO 2 -Abgabe für Deutschland. WD 8 – 3000 – 027/18. 2018, S. 11
Konzeptionen Sozialer
Nachhaltigkeit skeptisch eng internal weit
Nachhaltigkeit als …
Nachhaltigkeit ökonomischer Funktionalitäten
Nachhaltigkeit als Konflikt- reduktion und
Umverteilung
Nachhaltigkeit als Erhalt und Reproduktion
gemein- schaftlicher Kernsysteme
Nachhaltigkeit als gesell- schaftliche Transformation
beispielsweise …
Generationen- gerechtigkeit,
Vermeidung öffentlicher Investitionen und
Verschuldung
vertikale Verteilungs- gerechtigkeit,
ökologische Nachhaltigkeit
als Kritik, ökologische Modernisierung
nachhaltige Vermögens-
kultur, good governance,
Commons/
Gemeingüter, Green Growth
Soziale Grundrechte,
umfassende Partizipation, SDG, Wachstum
von Qualitäten
Abbildung: Vier Regime-Konzeptionen Sozialer Nachhaltigkeit
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Das Konzept Soziale Nachhaltigkeit gewinnt durch eine
Erweiterung der Wohlfahrtsregime-Perspektive auf Umweltregime und ihre Zusammenführung.
Zu erwarten ist dann der aus den bisherigen Regime-Debatten bekannte Streit um Begründung und Vollständigkeit von
Typologien. Auch dies zeigt, dass das neue Paradigma analytisch und nur unter dem Gesichtspunkt von Wahrheitswerten normativ angelegt ist: Normative müssen stets selbst Gegenstand von
Reflexion und Analyse sein.
Im Zentrum steht der Gedanke der Internalisierung. Das Ziel: eine Internalisierungsgesellschaft.
Seite | 29›
These 3:
SDG ff.: Soziale Nachhaltigkeit als sozialpolitisches Programm
Ansatz Programm Beispiele
Methodik (polity)
Holistisch (systemisch) SDG-Interaktion
Gesellschaft (policy)
Kritik der Externalisierung, Programm der Internalisierung
Garantismus (als „Aufhebung“) Menschenrechte, Capabilities Commons
Politik
(politics) Soziale Innovationen Sozialwende (Grundeinkommen) Agrarwende
Energiewende
Anreize, Nudging
Positive Migration
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Das Paradigma Soziale Nachhaltigkeit erleichtert die Wissensbasierung und Legitimation sozialpolitischer
Programme im weiteren Sinn, die auf eine Internalisierung von sozialen und ökologischen Problemlagen abzielen.
Ein kontinuierlicher, partizipativer Austausch mit möglichst vielen gesellschaftlichen Stakeholdern fundiert die
Anwendungsdimension des neuen Paradigmas und trägt dazu bei seine transformative Kapazität zu erhöhen.
Seite | 31›
These 4:
Quelle: Michael Opielka/Sophie Peter, Soziale Nachhaltigkeit der Landwirtschaft.
Vergleichende Nachhaltigkeitsbewertung landwirtschaftlicher Systeme (ISÖ-Text 2018-2).
Siegburg: ISÖ 2018
Abbildung: Dimensionen und Logiken als Konzept einer Nachhaltigkeitsbewertung
landwirtschaftlicher Systeme
Prof. Dr. Michael Opielka, Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie, Vortrag
Université de Fribourg, 2. März 2021 Seite | 33›
Quelle: Bernués u.a.
2016, S. 137, in: Michael Opielka/Sophie Peter,
Soziale Nachhaltigkeit der Landwirtschaft.
Vergleichende
Nachhaltigkeitsbewertung landwirtschaftlicher
Systeme (ISÖ-Text 2018- 2). Siegburg: ISÖ, S. 34
Abbildung: Beziehung zwischen der
Agrarwirtschaft und ökonomischer/sozialer Nachhaltigkeit aus der Perspektive von
„Nicht-Bauern“
Evaluation
des Projektes „Wie macht man Teilhabe? – Inklusion durch Umbau der Angebote gemeinsam
verwirklichen“
der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege Thüringen gefördert durch die Aktion Mensch Stiftung
Prof. Dr. Michael Opielka
Magdalena Wißkirchen, B.A. Soziale Arbeit
4. Forschungsfelder Sozialer Nachhaltigkeit
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A - Evaluationskonzept
02.03.2021| ‹Nr.›
Wie misst man Partizipation?
1. Kriterien von Zufriedenheit (a) in Bezug auf das jeweilige
Dienstleistungssystem und (b) allgemeine Lebenszufriedenheit (i.V. mit der Annahme, dass diese durch die Institution und ihre Leistungen
beeinflusst wird)
2. Was genau ist Partizipation? (a) Ein soziales Gefüge („Gemeinschaft“), in das man kommunikativ und materiell eingebunden ist, (b) gleichzeitig individuell und gemeinschaftlich
3. Wer sind die Auskunftspersonen bzw. die Akteure (Stakeholder) der Evaluation? (a) Primär: Menschen mit Beeinträchtigungen, Angehörige, Betreuer; (b) Fachkräfte, Multiplikatoren, Politik
4. Wie lässt sich das Ziel bzw. Normativ von Partizipation definieren: (a) siehe 1 bis 3: die Stakeholder selbst fragen und bewerten lassen, (b) gesellschaftliche (juristische, z.B. MRK, BRK) und wissenschaftliche
Standards = „Mixed Normative“ (Hoher Aufwand für Betreuungspersonen!)
A - Evaluationskonzept
• Indikatorenbildung für die Wirkungsanalyse
• Instrumentenentwicklung
• Datensammlung und -auswertung Modul 1:
Nutzerbefragung (pencil / online)
• Instrumentenentwicklung
• Datensammlung und -auswertung Modul 2: Fachkräfte- und
Multiplikatorenbefragung (online)
• Textanalytische Auswertung
• Dokumentation und Interpretation Modul 3: Textanalyse
• Teilnahme und Beratung jährlicher Workshop
• Zwischenbericht der Evaluation, Abschlussbericht
Modul 4: Jährlicher
Evaluations-Workshop
Prof. Dr. Michael Opielka, Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie, Vortrag Université de Fribourg, 2. März 2021
A – Evaluationskonzept
Zielgruppen für die Evaluation
Primäre Zielgruppe
▪ Menschen mit psychischen, geistigen und/oder körperlichen Behinderungen
▪ Angehörige und/oder Betreuer
02.03.2021| ‹Nr.›
Sekundäre Zielgruppe
▪ Fachkräfte
▪ Multiplikatoren
▪ Alle beteiligten Akteure im Rahmen der Eingliederungshilfe in Thüringen
➢ Zwei Ziele: Mitgestaltung von Menschen mit Beeinträchtigung und
institutionelle/organisatorische Veränderungen.
www.ZLabSH.de
a) Literaturstudie
▪ Bestandsaufnahme: demografischer Wandel und Digitalisierung in Deutschland
▪ Zu erwartende Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme
▪ Vergleich und kritische Reflexion von Methoden und Ergebnissen
b) Schlüsselfaktoren
▪ Grundlage für Entwicklung von Zukunftsszenarien und alternativen Reformszenarien
c) Erfahrungsstudie Grundeinkommen (Finnland, UK, Italien)
Wege zum Grundeinkommen – Zukunftslabor #ZLabSH
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Was ist ein Zukunftslabor? Bekannter ist: Die Zukunftswerkstatt
Drei Hauptphasen
▪ Kritik- und Dystopiephase
▪ Fantasie- und Utopiephase
▪ Umsetzungsphase
02.03.2021
Morphologische Matrix zur Indexbildung der
Schlüsselfaktoren
Zwischenbericht 2 – Eine Zusammenfassung
• Kurzer inhaltlicher Überblick
1. Kapitel
• Einführung in Überlegungen zu möglichen Zukünften
• Aktualisierte Arbeitsplanung des Zukunftslabors
2. Kapitel
• Methodische Einführung in die Zukunfts- forschung
• Methoden- auswahl im Zukunftslabor
3. Kapitel
• Vier Zukunfts- szenarien
• Hintergrund und Hinführung sowie
Diskussion
4. Kapitel
• Aktueller Stand der Erfahrungs- studien:
Feldexperimen- te, Finnland, Großbritannien, Italien
• Erkenntnisge- winn für das Zukunftslabor
5. Kapitel
• Vier Reform- szenarien
• Hintergrund und Hinführung sowie
Diskussion
6. Kapitel
• Diskussion und Ausblick
• Auswertung Delphi Welle 2
• Zwischenbilanz
Prof. Dr. Michael Opielka, Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie, Vortrag
Université de Fribourg, 2. März 2021 | 41›
Methodischer Aufbau und Begründung I
Methode Ziel Ergebnis
1. Literaturstudie: Demographie und Digitalisierung
Bezug der Reformszenarien auf die künftige Entwicklung Deutschlands, insbesondere die Berücksichtigenden der Herausforderungen von Demographie und Digitalisierung.
Eine detaillierte Analyse der Megatrends/Schlüsselfaktoren Demographie und Digitalisierung. Jedoch fehlt eine Verknüpfung sowie die Szenarienbildung.
2. Zukunftsszenarien Herausarbeitung möglicher Zukünfte durch einen partizipativen Methodenmix. Ziel ist die Entwicklung von Zukunftsszenarien, die die Grundlage der Diskussion über Präferenzen möglicher Reformen bilden.
Vier Zukunftsszenarien:
Zukunftsszenario 1: „Markt und Eigeninitiative“
Zukunftsszenario 2: „Starker Staat“
Zukunftsszenario 3: „Gemeinschaft zählt“
Zukunftsszenario 4: „Teilhabe für alle“
Morphologische Matrix
1. Identifikation von Schlüsselfaktoren auf Basis der Literaturstudie zur systematischen Erstellung von Zukunftsszenarien.
2. Mögliche Entwicklungen pro Variable auf Basis der Ergebnisse der Literaturstudie.
1. Für die drei Schlüsselfaktoren wurden 16 Variablen identifiziert.
2. Fünf Entwicklungsmöglichkeiten pro Variable.
(Zukunfts-
werkstatt) (Erarbeitung der Morphologischen Matrix mit den Stakeholdern des
Zukunftsprozesses zu ersten Szenarien.) (Dieser Schritt fand im Zukunftslabor aus Termingründen nicht statt. Daher erfolgte ein Methodenwechsel.)
Online-Erhebung (Pretest) Die Online-Erhebung versuchte die Zukunftswerkstatt zu ersetzen. Ziel war die Erarbeitung von ersten Szenarien auf Grundlage der
Morphologischen Matrix.
Aufgrund der niedrigen Beteiligung (N=8) wurde dieser Schritt nur als Pretest für eine Weiterentwicklung der Zukunftsszenarien genutzt. Damit war ein weiterer Methodenwechsel notwendig.
Theoretische Verankerung (Wohlfahrts- regimetheorie)
Durch die theoretische Verankerung in der von Esping-Andersen entwickelten Wohlfahrtsregimetheorie war eine Entwicklung von vier normativen Zukunftsszenarien möglich.
Diese Verankerung ermöglichte einen ganzheitlichen Blick auf unterschiedliche sozialstaatliche Entwicklungsmodelle.
Delphi-Wellen 1 und 2
Die entwickelten Zukunftsszenarien wurden einer mehrstufigen Online- Delphi-Befragung mit folgenden Zielen unterzogen:
(1) Korrektur der entwickelten vier Zukunftsszenarien (2) Herausarbeitung von wünschenswerten und
wahrscheinlichen Szenarien (Bewertung) (1. Welle)
Ergebnis ist die Bewertung der vier Szenarien durch ExpertInnen und interessierte BürgerInnen (N=234) sowie die Herausarbeitung von
wünschenswerten und wahrscheinlichen Szenarien und deren Begründung.
Somit wurde das Ziel dieses Schrittes erfüllt.
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Methode Ziel Ergebnis
3. Reformszenarien Projektziel ist es, einen oder mehrere wissenschaftlich begründete Reformvorschläge für die Zukunftsfähigkeit des deutschen Sozialstaats vorzulegen.
Vier Reformszenarien:
Reformszenario 1: „Bürgergeld“
Reformszenario 2: „Grundeinkommen“
Reformszenario 3: „Sozialversicherung mit Grund- bzw. Garantiesicherung“
Reformszenario 4: „Bürgerversicherung“
Theoretische
Verankerung (Wohlfahrts- regimetheorie)
Durch die theoretische Verankerung in der von Esping- Andersen entwickelten Wohlfahrtsregimetheorie war eine Entwicklung von vier Reformszenarien möglich.
Durch die theoretische Verankerung war es möglich, einen gedanklich- analytischen Rahmen zu bilden, um alle denkbaren und prinzipiell möglichen Reformszenarien einzuschließen.
Erarbeitung von Parametern für die Folgen-
abschätzung
Vertiefung der vier Reformszenarien
Erarbeitung von sogenannten FactSheets mit identischen und damit vergleichbaren Indikatoren. Diese Ergebnisse wurden in mehreren Prüfwellen (interne/ externe Workshops) vertieft. Die Reformszenarien können zur Folgenabschätzung verwendet werden.
4. Erfahrungsstudie
Einblicke in bereits durchgeführte Studien und Experimente als Grundlage der Bewertung der Ergebnisse des Zukunftslabors.
Erarbeitung der Erfahrungsstudien zu Finnland, UK und Italien sowie historisch-systematischer Überblick zu Grundeinkommensexperimenten.
Die Ergebnisse flossen bisher in die Erarbeitung der Reformszenarien ein und werden in der finalen Diskussion am Ende des Zukunftslabors eine zentrale Rolle spielen. Dieser Schritt befindet sich noch in der Bearbeitungsphase und ist noch nicht abgeschlossen.
Methodischer Aufbau und Begründung II
Zukunftsszenarien
• Integration der Ergebnisse des Online-Delphi
• 1. Welle Delphi: 19.9 – 5.11.2019
• 2. Welle Delphi: 8.11 – 17.11.2019
• Einbeziehung der Zukunftsworkshops am 13.9.
und am 4.11.2019 (FH Kiel)
• Zusammenfassung der Auswirkungen demographischer Wandel & Digitalisierung
• Weitere Ausarbeitung und Positionierung im Kontext der Forschungsliteratur
• Zukunftsszenario 1 „Markt und Eigeninitiative“
• Zukunftsszenario 2 „Starker Staat“
• Zukunftsszenario 3 „Gemeinschaft zählt“
• Zukunftsszenario 4 „Teilhabe für alle“
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Reformszenarien - FactSheets
RS 1 Bürgergeld
Das Bürgergeld in Form einer „Negativen
Einkommensteuer“ dient vor allem der
Unterstützung der Arbeitsmarkt- und Leistungsmotivation in den unteren
Arbeitsmarkt- segmenten.
RS 2 Grundeinkommen
Das Grundeinkommen in Form einer
„Sozialdividende“ steht jeder/m legalen
EinwohnerIn monatlich zu und wird als
„Primäreinkommen“
anschließend versteuert und (ggf. nach
Freibeträgen) verbeitragt .
RS 3 Sozialversicherung (mit Grundsicherung bzw. Garantiesicherung)
Beitragsfinanzierte, lebensstandardsichern- de ("Bismarcksche“) Sozialversicherung mit
„Sockelung“ durch bedarfsorientierte Grundsicherung
(„Garantiesicherung“).
RS 4 Bürgerversicherung
Grundeinkommens- versicherung nach dem Modell der Schweizer AHV für alle
Lebenslagen (Alter, Arbeitslosigkeit,
Elternschaft, Krankheit, Behinderung, Kindheit, Ausbildung).
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1. Soziologie, Sozialpolitik und Sozialreform managen seit dem
späten 19. Jahrhundert Ambivalenzen und Externalisierungen der kapitalistischen Entwicklung
2. Nachhaltigkeitsforschung, Umweltpolitik und Ökologisierung
managen seit dem späten 20. Jahrhundert die Ambivalenzen und Externalisierungen der industrialistischen Entwicklung
Beide Grundströmungen Sozialer Nachhaltigkeit
➢ basieren auf der Rekombinierung und Mobilisierung
ökonomischer, politischer, kultureller und ethischer Präferenzen von Akteuren
➢ zielen auf Internalisierung und die Internalisierungsgesellschaft
Zusammenfassung:
Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie
Prof. Dr. Michael Opielka, Das Konzept sozialer Nachhaltigkeit und Herausforderungen für die Soziologie, Vortrag Université de Fribourg, 2. März 2021
McGuinn, Jennifer et al. 2020: Social sustainability. Concepts and Benchmarks. Study for the Committee on Employment and Social Affairs, Policy Department for Economic, Scientific and Quality of Life Policies, European Parliament,
Luxembourg https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2020/648782/IPOL_STU(2020)648782_EN.pdf Koch, Max 2018: Sustainable welfare, degrowth and eco-social policies in Europe. In: Social policy in the European Union:
state of play, https://www.etui.org/sites/default/files/Chapter%202_9.pdf
Neckel, Sighard et al. 2018: Die Gesellschaft der Nachhaltigkeit. Umrisse eines Forschungsprogramms. Bielefeld:
transcript, https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-4194-3/die-gesellschaft-der-nachhaltigkeit/?number=978-3- 8394-4194-7 (Open Access)
Opielka, Michael 2017: Sociology of Social Sustainability - On the Idea of the Internalization Society, published first in German in Culture, Practice and Europeanization, Vol. 2, No. 2, 4-19,
https://www.isoe.org/veroeffentlichungen/aufsaetze/michael-opielka-soziologie-sozialer-nachhaltigkeit-zur-idee-der- internalisierungsgesellschaft-2017/
Opielka, Michael 2017: Soziale Nachhaltigkeit. Auf dem Weg zur Internalisierungsgesellschaft. München: oekom
Opielka, Michael/Renn, Ortwin (Hrsg.) 2017: Symposium: Soziale Nachhaltigkeit. Beiträge für das Symposium: “Soziale Nachhaltigkeit” am 2.11.2017, Potsdam (IASS). ISÖ-Text 2017-4. Norderstedt: BoD,
https://www.isoe.org/veroeffentlichungen/isoe-text/michael-opielkaortwin-renn-hrsg-symposium-soziale-nachhaltigkeit- beitraege-fuer-das-symposium-soziale-nachhaltigkeit-am-2-11-2017-potsdam-iass-isoe-text-2017-4/
Vallance, Suzanne/Perkins, Harvey C./Dixon, Jennifer, E. 2011: What is social sustainability? A clarification of concepts.
In: Geoforum, Vol. 41, S. 342-348
Seite | 47›