• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Zitate zählen – auch in der Publikumspresse" (19.06.2009)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Zitate zählen – auch in der Publikumspresse" (19.06.2009)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 25⏐⏐19. Juni 2009 413

M E D I Z I N

Z

itate regieren die Welt – zumindest die Welt der akademischen Medizin. Wegen der Bedeutung des Impact-Faktors sind medizinische Journale darauf angewiesen, möglichst oft in anderen Fachzeitschriften zitiert zu werden. Dies gilt auch für das Deutsche Ärzte- blatt, das nach der Aufnahme seiner internationalen Ausgabe in den Science Citation Index im vergangenen Jahr seinen ersten Impact-Faktor für 2011 erwartet (1).

In dieser Situation kann aus dem Blick geraten, dass auch Zitate in der Publikumspresse für Fachzeitschrif- ten wichtig sind: Selbst wenn sie nicht zu einer Er- höhung des Impact-Faktors führt, gibt die Erwähnung in allgemeinen Medien Hinweise auf die Bedeutung me- dizinischer Zeitschriften für die Öffentlichkeit. An der Berücksichtigung deutschsprachiger Zeitschriften kann man auch ablesen, wie sehr das Vorurteil berechtigt ist, die Medizin sei vollständig anglifiziert. Haben tatsäch- lich nur noch englischsprachige Zeitschriften Gewicht für die Recherche von Medizinjournalisten?

Vor diesem Hintergund haben wir erhoben, wie oft meinungsführende deutsche Publikumsmedien wäh- rend der letzten acht Jahre wichtige deutsch- und englischsprachige medizinische Fachzeitschriften er- wähnt haben. Ausgewählt wurden sechs Fachjourna-

le, die wegen ihres generalisierten medizinischen Schwerpunktes und ihrer wöchentlichen Erschei- nungsweise strukturell ähnlich sind: New England Journal of Medicine, JAMA, British Medical Journal, Deutsche Medizinische Wochenschrift, Münchener Medizinische Wochenschrift und Deutsches Ärzteblatt (zu den Details der Methodik siehe Kasten).

Ergebnisse der Erhebung

Insgesamt haben zwischen 2001 und 2008 die Frank- furter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Der Spiegel und Die Zeit wissenschaftliche Inhalte der sechs untersuchten Fachzeitschriften 1 573-mal zitiert. Davon entfielen rund 85 Prozent (n = 1 343) auf die drei englischsprachigen Zeitschrif- ten und 15 Prozent (n = 230) auf die Deutsche Medi- zinische Wochenschrift, die Münchener Medizinische Wochenschrift und auf das Deutsche Ärzteblatt. Das New England Journal of Medicine wurde mit Abstand am häufigsten genannt (n = 636), während JAMA und British Medical Journal etwa gleich oft Erwäh- nung fanden (JAMA: n = 362, BMJ: n = 351). Für die deutschen Journale liegen die Zitatzahlen bei 114 für das Deutsche Ärzteblatt (nur Zitate wissenschaftli- AUS DER REDAKTION

Zitate zählen – auch in der Publikumspresse

Deutsche Wissenschaftsjournalisten zitieren keineswegs nur englischsprachige Fachzeitschriften:

Eine Auswertung der Zitatgewohnheiten von FAZ, Spiegel, SZ, Welt und Zeit Christopher Baethge, Melanie Engels

KASTEN

Untersucht wurde die Häufigkeit von Zitierungen wissenschaftlicher In- halte der medizinischen Wochenzeitschriften New England Journal of Medicine, Journal of the American Medical Association (JAMA), British Medical Journal (BMJ), Deutsche Medizinische Wochenschrift, Münche- ner Medizinische Wochenschrift – Fortschritte der Medizin und Deut- sches Ärzteblatt. Für die Auswahl der Fachzeitschriften war entschei- dend, dass es sich um klinisch orientierte Zeitschriften aus der allgemei- nen Medizin (im Gegensatz zu Spezialzeitschriften) und um wöchentlich erscheinende Periodika handeln sollte. Datengrundlage für die Erhebung sind die Ergebnisse einer Recherche in den Online-Suchmaschinen von FAZ, Welt, SZ, Spiegel und Zeit. Gesucht wurde nur in den Kern-Print- produkten, also zum Beispiel nicht in der Frankfurter Allgemeinen Sonn- tagszeitung, dem SZ-Magazin oder in Spiegel-Online. Aus Kapazitäts- gründen konnten nur fünf der bedeutenden und seriösen Printprodukte in Deutschland berücksichtigt werden.

Alle Zeitschriftennamen wurden mittels ihrer vollständigen Titel (etwa New England Journal of Medicine, Münchener Medizinische Wochen-

schrift oder Münchener Medizinische Wochenschrift – Fortschritte der Medizin) und ihrer gebräuchlichen Abkürzungen gesucht (NEJM, N Engl J Med, beziehungsweise MMW oder MMW Fortschr Med). Es wurden unterschiedliche Fälle (etwa Deutsche/r Medizinische/n Wochenschrift) oder andere nahe liegende Varianten (etwa Münchener/Münchner Medi- zinische Wochenschrift) berücksichtigt. Als Zitat galt nur der Verweis auf einen wissenschaftlichen Inhalt der sechs Fachzeitschriften. So wurden etwa Erwähnungen des Stellenmarktes des Deutschen Ärzteblattes oder der Bekanntmachungen seiner Herausgeber nicht als wissenschaftli- ches Zitat gewertet. Die englische Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes, Deutsches Ärzteblatt International, wurde nicht in die Auswertung ein- bezogen. Allerdings wurden für das Deutsche Ärzteblatt zusätzlich die Zitate gezählt, die sich auf dessen politische Berichterstattung bezo- gen. Um die Zitierung eines wissenschaftlichen Journals zweifelfrei überprüfen zu können, wurde immer im Volltext der Publikumszeitung/

-zeitschrift gesucht. Die Suche fand zwischen November 2008 und März 2009 statt.

(2)

414 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 25⏐⏐19. Juni 2009

M E D I Z I N

cher Artikel), bei 77 für die Deutsche Medizinische Wochenschrift und für die Münchener Medizinische Wochenschrift bei 33. In einer gesonderten Auswer- tung ergab sich, dass der journalistische Teil des Deut- schen Ärzteblattes – in dem auch die medizinjournali- stischen Beiträge erscheinen – zusätzlich 79-mal als Quelle genannt worden war.

Im Verlauf der letzten acht Jahre variierten Zahl und Anteil der Verweise auf deutschsprachige Zeitschrif- ten stark (Grafik 1). Der Anteil schwankte zwischen 7 und 26 Prozent und nahm in den letzten Jahren zu.

Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Deutsche Medizinische Wochenschrift und das Deutsche Ärzte- blatt zuletzt häufiger zitiert wurden (für das Deutsche Ärzteblatt etwa lauten die absoluten Zahlen: 2001:

12 Zitate; 2002: 14; 2003: 13; 2004: 7; 2005: 8; 2006:

14; 2007: 21; 2008: 25). Bei den Inhalten, auf die aus dem Deutschen Ärzteblatt zugegriffen wurde, handel- te es sich sehr oft um Originalarbeiten.

Es fällt auf, dass die Tageszeitungen häufiger Fach- zeitschriften nennen als Wochenblätter wie Spiegel und Zeit (Grafik 2). Einige Medien haben über die Jahre ei- ne konstant hohe (Süddeutsche Zeitung) oder niedrige (Spiegel, Zeit) Zitatzahl. Demgegenüber ergaben sich bei Welt und FAZ Verschiebungen: Während sich die Zitate in der Welt mehr als verfünffachten, erwähnte die FAZ in den letzten Jahren generell weniger medizini- sche Fachzeitschriften als zu Beginn der Dekade. Über den gesamten Zeitraum hat jedoch die FAZ am häufigs- ten aus den sechs untersuchten Zeitschriften berichtet (n = 606). Mit 57 bis 70 Nennungen, bezogen auf alle sechs Journale, lagen 2008 die Zahlen der drei Tages- zeitungen nahe beieinander.

Die Erhebung zeigt den großen Anteil englisch- sprachiger Journale an allen wissenschaftlichen Refe-

renzen in der Publikumspresse – besonders, weil die ausgewählten Zeitschriften nur einen Teil der einfluss- reichen Periodika aus dem angloamerikanischen Raum repräsentieren. Allerdings spielen auch deutsch- sprachige wissenschaftliche Quellen eine wichtige Rolle, in den letzten Jahren sogar verstärkt. Hiermit bestätigt sich, dass es einerseits einen Kern wichtiger englischer Zeitschriften gibt, der für die Diskussion in der internationalen Medizin maßgeblich ist, dass aber in der Muttersprache abgefasste Zeitschriften nicht nur für das nationale Fachpublikum, sondern auch für die breite Öffentlichkeit im Heimatland eine Bedeu- tung haben (2).

Aus dieser rein quantitativen Auswertung lässt sich nicht auf die Qualität des Wissenschaftsjournalismus schließen. Eine hohe Zahl an Zitaten wissenschaftli- cher Fachzeitschriften bedeutet nicht automatisch ei- ne höhere Qualität. Strukturelle Faktoren dürften eine Rolle spielen: So hat die Zahl der Wissenschaftsseiten in der FAZ seit einigen Jahren abgenommen. Spiegel und Zeit produzieren als Wochenblätter weniger der zitatreichen tagesaktuellen Nachrichten und dafür an- teilig mehr Hintergrundberichte. Auch umgekehrt – für die Bewertung der Fachzeitschriften – ergibt sich keine einfache Beziehung zwischen Häufigkeit der Erwähnung und wissenschaftlicher Bedeutung. Hier könnten auch andere Faktoren, wie das Prestige, die Zahl der Artikel oder die Themen einer Zeitschrift, entscheidend sein. In der Tat entstand während der Erhebung der Eindruck, dass selbst so seriöse Presse- organe wie die hier untersuchten in ihrer Themenaus- wahl nicht immer nur nach den Kriterien medizini- scher Relevanz entscheiden. Dies war allerdings nicht Gegenstand unserer Analyse. Für Großbritannien liegt jedoch eine entsprechende Studie vor: Bartlett et al.

Zitate wissenschaftlicher Inhalte von drei deutschsprachigen und drei englischsprachigen Fachzeitschriften in fünf führenden deutschen Publikumsmedien (FAZ, Welt, SZ, Spiegel, Zeit).

NEJM, New England Journal of Medicine; BMJ, British Medical Journal; JAMA, Journal of the American Medical Association; DMW, Deutsche Medizinische Wochenschrift; MMW, Münche- ner Medizinische Wochenschrift – Fortschritte der Medizin; DÄ, Deutsches Ärzteblatt

GRAFIK 1

Zitate von Fachzeitschriften in fünf führenden deutschen Printmedien GRAFIK 2

(3)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 25⏐⏐19. Juni 2009 415

M E D I Z I N

untersuchten, welche der Originalarbeiten, die BMJ und Lancet 1999 und 2000 veröffentlicht hatten, von der seriösen Times und der Boulevardzeitung Sun auf- genommen worden waren (3). Insgesamt berichteten die Tageszeitungen über 7 Prozent aller 1 193 Artikel, wobei überproportional häufig Beobachtungsstudien ausgesucht worden waren und weniger randomisierte kontrollierte Studien. Die Journalisten wählten signi- fikant mehr negative Nachrichten aus. Thematisch waren Arbeiten über Frauengesundheit, Reprodukti- onsmedizin und Krebs besonders oft vertreten, während Arbeiten von außerhalb Großbritanniens selten berück- sichtigt worden waren. Die Times hatte im Vergleich zur Sun mehr als dreimal so viele Artikel aus Lancet und BMJ aufgenommen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Journalisten keineswegs nur nach Wichtig- keit auswählen, sondern dass in ihrem Alltag auch an- dere Erwägungen eine Rolle spielen (4).

Beeinflusst die Erwähnung eines wissenschaft- lichen Artikels in der Publikumspresse die Zitate in medizinischen Zeitschriften? Tatsächlich wurden Ar- beiten aus dem New England Journal of Medicine, über die die New York Times berichtet hatte, häufiger zitiert als journalistisch nicht aufgegriffene Ver- gleichspublikationen aus dem gleichen Journal (5).

Wie Phillips und Koautoren in ihrer Studie aus dem Jahre 1991 zeigten, lag dies aber nicht an der Qualität der für die Berichterstattung ausgewählten Artikel:

Als ihre Zeitung für drei Monate bestreikt wurde, hat- ten die Journalisten dennoch jeden Tag eine Ausgabe erstellen müssen und über die Veröffentlichungen des New England Journal of Medicine geschrieben – ihre Artikel waren nur nicht gedruckt worden. Ohne die Unterstützung durch die New York Times kam es nicht zu einer verstärkten Zitierung dieser wissen- schaftlichen Arbeiten. Ob ein solcher Effekt auch im deutschen Sprachraum nachweisbar wäre, muss offen bleiben. Es erscheint jedoch nicht sehr wahrschein- lich, denn es existiert in der Bundesrepublik keine so flächendeckend von Akademikern wahrgenommene Zeitung, wie es die New York Times in den USA ist.

Um den gleichen Effekt in Deutschland zu erzielen, wäre also eine Zitierung in verschiedenen Printmedien notwendig. Dies ist nach unseren Erfahrungen wäh- rend der vorliegenden Erhebung bei Artikeln aus deutschen Fachzeitschriften jedoch sehr selten.

Dennoch ist es erfreulich, dass deutschsprachige Zeitschriften von den großen Wissenschaftsredaktio- nen durchaus wahrgenommen werden. Auch die zu- nehmende Würdigung des Deutschen Ärzteblattes als wissenschaftliches Organ ist der Redaktion ein Ansporn für die weitere Arbeit.

Interessenkonflikt

PD Dr. Baethge leitet die Medizinisch-Wissenschaftliche Redaktion des Deutschen Ärzteblattes. Melanie Engels ist Mitarbeiterin der Medizinisch- Wissenschaftlichen Redaktion des Deutschen Ärzteblattes.

LITERATUR

1. Baethge C: Welcome to the club—Deutsches Ärzteblatt Internatio- nal is now included in Medline and will receive an impact factor.

[Willkommen im Club – Deutsches Ärzteblatt International wird in Medline aufgenommen und erhält Impact-Faktor]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 1.

2. Baethge C: The languages of medicine [Die Sprachen der Medizin].

Dtsch Arztebl Int 2008; 105: 37–40.

3. Bartlett C, Sterne J, Egger M: What is newsworthy? Longitudinal study of the reporting of medical research in two British newspa- pers. BMJ 2002; 325: 81–4.

4. Smith R: Medical journals and the mass media: moving from love and hate to love. J R Soc Med 2006; 99: 347–52.

5. Phillips DP, Kanter EJ, Bednarczyk B, Tastad PL: Importance of the lay press in the transmission of medical knowledge to the scientific community. N Engl J Med 1991; 325: 1180–3.

Anschrift für die Verfasser PD Dr. med. Christopher Baethge

Leiter der Medizinisch-Wissenschaftlichen Redaktion E-Mail: baethge@aerzteblatt.de

Counting Medical Journal Citations in the Lay Press Dtsch Arztebl Int 2009; 106(25): 413–5

DOI: 10.3238/arztebl.2009.0413

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

@

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Tables 4 and 5 present standardized incidence ratios (SIR) for cancer in males and females for winegrowing commu- nities with small (>0 to ≤ 5 percent), medium (> 5 to ≤

The aim of this paper is to give an overview of the development process of a computer-based job task analysis instrument for real-time observations to quantify the job tasks

Since MPS technology can be used to construct orthonormal effective basis sets to describe the left and right parts of the chain with respect to any specified site (as described

We have studied the decay of the electron’s coherence as a function of propagation distance, employing three different approaches: the exact bosonization solution, a

Thus, in this limit, the added noise term (second term in equation (18)) can be made arbitrarily small by increasing the intensity of the cavity drive beam (and hence A), without

Amplification behaviour of the coupled system (away from the regime of self-induced oscillations) can be understood within a simple rate equation approach, which captures the effect

These features thus turn out to be artefacts of the mean-field approximation, which misses the rather simple scenario for the phase lapse behaviour of a two-level dot at small δ :

Furthermore, we will show how the approximate solution for the MZI is directly related to an exact solution for the pure dephasing of a charge qubit by shot noise, where the