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Zahnmedizin aktuell

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 10P 2019 Die Schweizerische Zahnärzte-Gesell-

schaft SSO hat diesen Sommer nach 1981, 1994, 2001 und 2012 zum fünften Mal die in der Schweiz tätigen Zahn- ärztinnen und Zahnärzte befragt – lan- desweit wurden 5257 Behandler ange- schrieben. An der Umfrage nahmen insgesamt 1903 Zahnmediziner teil.

Dies entspricht einer Rücklaufquote von 36 Prozent. Von den Antwortenden sind 1643 Mitglieder der SSO, 260 sind Nichtmitglieder.

Der Fragebogen wurde im Vergleich zu früheren Erhebungen nur unwesentlich verändert. Dadurch lassen sich Trends und Entwicklungen in der Schweizer Zahnmedizin nachvollziehen und aus- werten. Während in früheren Umfragen die Befragung mittels gedruckter Frage- bögen erfolgte, konnten die Teilneh- menden bei den letzten beiden Erhe-

bungen den Fragenbogen direkt am Computer ausfüllen. Onlineerhe bun gen haben unter anderem den Vorteil, dass sie Daten direkt erfassen und der zeit- aufwendige, fehleranfällige Import ent- fällt.

Schweizerisches Staatsexamen Die Anzahl von zahnärztlichen Fach- personen in der Schweiz, die das Staats- examen an einer Schweizer Universität abgelegt haben, nimmt laufend ab. Be- sassen bei der Umfrage im Jahr 2001 noch 91 Prozent der Befragten ein schweizeri- sches Staatsexamen, sank der Anteil bis im Jahr 2019 auf 74 Prozent, ein Minus von 17 Prozentpunkten. SSO-Mitglieder besitzen mit 80 Prozent mehr als doppelt so häufig einen schweizerischen Ab- schluss wie Nichtmitglieder (37%). In den letzten 18 Jahren stieg der Anteil

Zahnärztinnen und Zahnärzte mit aus- ländischem Diplom: Er hat sich seit 2001 von 14 Prozent auf 29 Prozent mehr als verdoppelt (Abb. 1).

Auch 2019 absolvierten die meisten Zahnärztinnen und Zahnärzte das Staatsexamen in Zürich (33%). 29 Pro- zent promovierten an der Universität Bern, gefolgt von Basel (21%) und Genf (15%). Auffallend ist, dass sich seit 1994 zunehmend mehr Zahnmediziner an den Universitäten Bern und Basel ausbilden lassen, während die Zahlen für Zürich und Genf leicht rückläufig sind. Knapp jeder Dritte beendete sein Studium zwi- schen 2006 und 2011 (32%). Bei den Zahnärztinnen liegt der Abschluss acht Jahre weniger weit zurück als bei ihren männlichen Kollegen, auch weil sie im Durchschnitt acht Jahre jünger sind. Sie verfügen statistisch signifikant häufiger

Mehr Teilzeit- arbeit, mehr Personal

SSO-Umfrage 2019 bei Zahnärz- tinnen und Zahnärzten – Teil 1

Zahnärztinnen und Zahnärzte arbeiten heute durchschnittlich weniger, dafür beschäftigen sie mehr Personal als vor sieben Jahren. Dies zeigt die jüngste Umfrage der SSO, an der über 1900 Zahnärztinnen und Zahnärzten in der Schweiz teilgenommen haben.

Text: Olivier Marmy, Markus Gubler, Marco Tackenberg Grafiken: Demoscope

Abb. 1: In den letzten 18 Jahren stieg der Anteil Zahnärztinnen und Zahnärzte mit ausländischem Diplom von 14 Prozent auf 29 Prozent (Mehr- fachantworten mög- lich).

2001 (2164) 2012 (1428) 2019 (1903)

0% 20% 40% 60% 80% 100%

91%

80%

74%

14%

22%

29%

Ausländisches Diplom Schweizerisches Staatsexamen

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über ein ausländisches Diplom (34%) als Zahnärzte (27%).

Besassen 2001 die über 60-jährigen Zahn- mediziner am häufigsten ein ausländisches Diplom, sind es heute Behandler im Alter zwischen 36 und 45 Jahren (40%). Zahn- ärztinnen und Zahnärzte mit ausländi- schem Diplom haben sich seit 2012 vor allem in der Westschweiz und im Tessin niedergelassen. Während die Zunahme in der Deutschschweiz mit drei Prozent- punkten moderat ausfiel, wuchs der An- teil an praktizierenden Zahnärzten mit ausländischen Diplomen in der Romandie um 18 und im Tessin gar um 25 Prozent- punkte. In den Zahnarztzentren stellen die Absolventen ausländischer Universi- täten mit 67 Prozent die deutliche Mehr- heit (2012: 58%). Sie haben im Schnitt weniger Berufserfahrung als ihre Schwei- zer Kollegen in Einzelpraxen und Praxis- gemeinschaften.

Gemäss der Umfrage 2019 schlossen rund vier von zehn Zahnärzten (42%) mit ausländischem Diplom das Studium in Deutschland ab, ein leichter Rücklauf gegenüber 2012 (46%). Dagegen nahm der Anteil an ausländischen Diplomen aus anderen westeuropäischen Ländern seit 2012 von 4 auf 13 Prozent deutlich zu.

Eigene Praxis

Sechs von zehn Befragten arbeiten heute in einer Einzelpraxis (60%). Bei der letz- ten Erhebung im Jahr 2012 waren es noch 71 Prozent. Rund ein Viertel prak- tiziert in Praxisgemeinschaften (22%).

Sechs Prozent sind an einer Universität beschäftigt, fünf Prozent in einem Zahn- arztzentrum und drei Prozent in einer Schul- oder Volkszahnklinik (Abb. 2).

Zahnärzte praktizieren signifikant häufi- ger in Einzelpraxen als Zahnärztinnen (64% vs. 51%). Dagegen ist in Praxisge- meinschaften und Zahnarztzentren der Frauenanteil mit rund 40 Prozent um mehr als zehn Prozentpunkte höher als in Einzelpraxen. Der Anteil an Praxis- inhabern ist in den letzten sieben Jahren deutlich gesunken (2019: 68%; 2012:

89%). Ein Grund: 70 Prozent der SSO- Mitglieder, aber nur 52 Prozent der Nichtmitglieder betreiben eigene Pra- xen. Allerdings gibt es sprachregionale Unterschiede: In der Deutschschweiz und der Romandie geben noch zwei von drei Zahnärztinnen und Zahnärzte an, eine eigene Praxis zu führen. Im Tessin praktizieren mit 79 Prozent deutlich mehr Behandler in eigenen Räumlich- keiten. Die meisten (69%) sind als Ein- zelfirmen organisiert. Auch Aktien- gesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) sind verbreitet (20%). Praxisinhaber in der Schweiz haben eine grosse Berufserfah- rung. Sie führen ihre Praxen im Durch- schnitt seit 15,6 Jahren (2012: 16,5 Jahre;

2001: 16,4 Jahre). Es fällt aber auf, dass sich Zahnärztinnen und Zahnärzte mehr Zeit mit der Praxisgründung las- sen: Gaben die Befragten 2001 noch an, nach durchschnittlich 4,8 Jahren eine eigene Praxis zu eröffnen, verstreichen heute im Schnitt 7,8 Jahre vom Staats-

examen bis zum Schritt in die berufliche Selbstständigkeit.

Arbeitsbeanspruchung

Die durchschnittliche Arbeitsbelastung ist seit 2012 von 42,9 auf 40,8 Stunden pro Woche gesunken. Knapp zwei Drittel der praktizierenden Zahnmediziner ar- beiten zwischen 36 und 50 Stunden pro Woche. 1994 waren es noch 73 Prozent.

Dass die durchschnittliche Arbeitsbean- spruchung weiter abnimmt, hängt unter anderem mit dem höheren Anteil an Teilzeitbeschäftigten zusammen. So arbeiten 47 Prozent der Zahnärztinnen höchstens 35 Stunden pro Woche. Jün- gere arbeiten länger als ältere. Unter 35-Jährige arbeiten 39,6 Stunden, wäh- rend die über 65-Jährigen im Schnitt 34,1 Stunden arbeiten. Die höchste Be- lastung weisen die 46- bis 55-Jährigen auf. Sie arbeiten im Schnitt über 42 Stun- den pro Woche.

Die Arbeitsbeanspruchung ist von Arbeits- ort zu Arbeitsort unterschiedlich: Zahn- mediziner an Universitätskliniken arbei- ten mit 45 Stunden pro Woche deutlich mehr als ihre Kollegen in einer Einzelpra- xis (41,8 Stunden), in Zahnarztzentren (38,8 Stunden) oder in Praxisgemein- schaften (38,7 Stunden). Die Ergebnisse sind allerdings mit Vorsicht zu interpre- tieren, da manche Zahnmediziner an mehreren Orten praktizieren.

Betrachten wir sämtliche Arbeitsorte zu- sammen, hat sich in den letzten 25 Jahren neben der durchschnittlichen Arbeits- belastung pro Woche auch die Behand-

2012 (1428) 2019 (1903)

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

71%

23%

5% 3% 2%

60%

22%

6% 5%

3%

Einzelpraxis Praxisgemeinschaft Universität Zahnarztzentrum Schul-/Volkszahnklinik

Abb. 2: Sechs von zehn Befragten arbei- ten in einer Einzelpra- xis. Rund ein Viertel praktiziert in Praxis- gemeinschaften (Mehrfachantworten möglich).

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 10P 2019 lungszeit reduziert. 1994 gaben 48 Pro-

zent der Befragten an, zwischen 36 und 40 Stunden am Patienten zu arbeiten, heute sind es noch 30 Prozent (2001:

45%, 2012: 36%). Auch die durchschnitt- lichen Behandlungsstunden sind von 35,7 Stunden (1994) auf 32,7 Stunden pro Woche gesunken (2001: 36 Stunden, 2012: 34,8 Stunden).

Aufteilung der Praxiszeit

Ein Drittel der Praxiszeit entfällt aktuell auf die allgemeinen zahnmedizinischen Fachbereiche (33%). Bei Zahnärztinnen (31%), in Einzelpraxen tätigen Zahnärz- ten (29%) und Behandlern in der Roman- die (31%) fallen die allgemeinen Fachbe- reiche etwas weniger ins Gewicht. Die übrige Arbeitszeit verteilt sich relativ gleichmässig auf verschiedene Fachge- biete und die Administration. Bei den Spezialgebieten sind Kieferorthopädie und Chirurgie leicht bedeutender als festsitzende Prothetik, abnehmbare Pro- thetik, Kronen/Brücken und Implanto- logie. Zahnärztinnen engagieren sich stärker in der Kinderzahnmedizin als Zahnärzte. Letztere bieten dafür mehr kieferorthopädische, chirurgische und endodontologische Behandlungen an als ihre weiblichen Kolleginnen. 30 Prozent der befragten Zahnärztinnen und Zahn- ärzte geben an, auch kieferorthopädische Eingriffe vorzunehmen. Fachzahnärzte für Kieferorthopädie arbeiten nicht selten als reine Spezialisten: 115 Befragte ver- richten ausschliesslich (zwischen 91 und

100 Prozent der Praxiszeit) kieferortho- pädische Arbeiten.

Schulzahnpflege und Alterszahnpflege Der Anteil der Zahnärztinnen und Zahn- ärzte, die sich in der Schulzahnpflege engagieren, hat sich seit 1994 kaum verändert (2019: 52%, 2012: 52%, 2001:

51%, 1994: 50%). Rund die Hälfte der befragten Zahnmediziner setzt sich für die Förderung der oralen Gesundheit an Schweizer Schulen ein (Abb. 3). Es sind vor allem Behandler in Einzelpraxen oder Praxisgemeinschaften sowie solche aus Orten mit weniger als 50 000 Ein- wohnern, die sich für das zahnmedizini- sche Wohl von Schülerinnen und Schü- lern einsetzen. Markant weniger aktiv ist die Zahnärzteschaft von Universitäts- kliniken (24%) und Zahnarztzentren (23%).

Es lassen sich auch sprachregionale Un- terschiede feststellen. In der Deutsch- schweiz (57%) leisten mehr Zahnärz- tinnen und Zahnärzte Einsatz für die Schulzahnpflege als in der Romandie (34%). Allerdings ist der Stellenwert der Schulzahnpflege hier in den letzten acht- zehn Jahren deutlich gewachsen (2019:

34%, 2012: 28%, 2001: 15%). SSO- Mit- glie der (55%) sind signifikant engagierter in der Schulzahnpflege als Nichtmitglie- der (33%).

Rund die Hälfte der Befragten gibt an, in der Alterszahnmedizin tätig zu sein.

Je jünger die Zahnmediziner sind, desto häufiger setzen sie sich für die Bedürfnis-

se der ältesten Patientengruppe und ihre zahnmedizinischen Probleme ein.

Technische Einrichtungen

In nahezu allen Zahnarztpraxen stehen heute Röntgenanlagen (93%). Die Anla- gen sind in den meisten Fällen digital (73%, analog: 29%). Generell beobachten wir ein technisches Aufrüsten: OPT-Ge- räte (74%), Lasergeräte (41%), optische Abdrucksysteme (24%), Cerec (23%) sowie Fernröntgen (24%) finden grössere Verbreitung als noch 2012. Mittlerweile verwalten gut sechs von zehn Zahnarzt- praxen ihre Patientendossiers elektro- nisch (2012: 42%). Jüngere Zahnärzte verfügen über mehr Apparaturen als ältere. Die Einzelpraxis ist spärlicher mit technischen Geräten ausgerüstet als das Zahnarztzentrum. Der Ausrüstungs- stand korreliert dabei mit der Grösse des Patientenstamms: je mehr Patienten, desto mehr Geräte. Interessant sind die sprachregionalen Unterschiede: Während in Deutsch schwei zer Zahnarztpraxen häufiger Lasergeräte, DVT und Cerec ins- talliert sind, setzen Zahnarztpraxen in der Romandie auf Fernröntgen und elek- tronische Patientendossiers. In Tessiner Praxisräumen stehen vergleichsweise mehr OPT-Geräte.

Beschäftigung von Praxispersonal

Eine durchschnittliche Schweizer Zahn- arztpraxis beschäftigt heute 7,8 Ange- stellte (ohne Praxisinhaber/Zahnarzt/

-ärztin), was rund vier Vollstellen ent- Abb. 3: Rund die Hälfte

der befragten Zahn- mediziner setzt sich für die Förderung der oralen Gesundheit an Schweizer Schulen ein.

50 51 52 52

50 49 45 48

1994 (2013) 2001 (2164) 2012 (1428) 2019 (1903)

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein keine Antwort

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spricht. Der durchschnittliche Personal- bestand ist damit in den vergangenen 25 Jahren weiter gestiegen (2012: 6,4 Per- sonen und rund 4 Vollzeitstellen; 2001:

4,2 Personen und 3 Vollstellen; 1994:

3,8 Personen und 2,8 Vollstellen). Am meisten Stellen, im Schnitt 3,3 pro Pra- xis, entfallen auf Dentalassistentinnen (DA). Sie sind heute in fast allen Praxen vertreten (96%). Ihr Beschäftigungsgrad ist – über alle Zahnarztpraxen betrach- tet – zwischen 2012 und 2019 nur noch leicht von 178 auf 185 Prozent gestiegen.

Neben dem Zuwachs an DA werden heu- te auch mehr Dentalhygienikerinnen be- schäftigt. Nicht nur ihre Anzahl hat sich seit 1994 von 0,7 auf 1,4 Stellen verdop- pelt, sondern auch der Beschäftigungs- grad ist um 19 Prozentpunkte auf durch- schnittlich 55 Stellenprozente gestiegen.

Bei den Prophylaxeassistentinnen hat sich das Anstellungsverhältnis weiter erhöht. Mittlerweile beschäftigen 46 Pro- zent der Praxen mindestens eine Pro- phylaxeassistentin, 1994 waren es erst sechs Prozent. Schweizer Zahnarztpra- xen stocken nicht nur ihr Praxispersonal auf, sie sind auch zuverlässige Ausbil- dungsstätten.

Knapp sechs von zehn Zahnarztpraxen bilden heute Lernende aus. Die Lernen- den machen mit 0,9 Beschäftigten pro Praxis die drittgrösste Personalkatego- rie aus (2001: 0,7 Personen in 55% der Praxen; 2012: 0,9 Personen in 60% der Praxen). Zahntechniker dagegen sind nahezu aus den Zahnarztpraxen ver- schwunden. Nur noch drei Prozent der

Zahnarztpraxen beschäftigen heute Zahntechniker.

Assistenzstellen

Vier von zehn Zahnarztpraxen (2012:

32%) beschäftigen heute einen Assisten- ten oder eine Assistentin. Praxisgemein- schaften (50%), Universitäten (57%) und Zahnarztzentren (60%) stellen häufiger Assistenten an als Einzelpraxen (38%).

Der sprachregionale Vergleich macht aber deutlich: Praxisinhaber aus der Deutsch- schweiz (2019: 41%, 2012: 36%, 2001:

30%) und der Romandie (2019: 40%, 2012: 28%, 2001: 12%) fördern den Nach- wuchs häufiger als ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Tessin (2019: 26%, 2012: 19%, 2001: 3%). Die aktuellen Resultate signalisieren aber, dass auch Praxisinhaber aus dem Tessin vermehrt auf den Nachwuchs setzen.

Über die Hälfte der Praxisinhaber gibt heute an, keinen Assistenten zu beschäf- tigen. Als Hauptgrund nennen sie das reduzierte Arbeitsvolumen (2019: 57%, 2012: 40%, 2001: 31%, 1994: 38%).

Gegen die Anstellung von Assistenten sprechen auch finanzielle Gründe, kein Bedarf oder fehlende Praxisräume. Er- freulicherweise scheinen sich die Re- krutierungsprobleme, die bei früheren Erhebungen vorgebracht wurden, zu verringern: Nur noch sechs Prozent der Befragten finden keine Assistenten, drei Prozent bemängeln die fachlichen Quali- täten und die Arbeitseinstellung, zwei Prozent haben schlechte Erfahrungen gemacht.

Wünsche betreffend Praxispersonal In sechs von zehn Zahnarztpraxen ent- spricht der aktuelle Personalbestand den Vorstellungen des Praxisinhabers bzw.

der Praxisinhaberin. Es wird kein zusätz- liches Personal gewünscht.

Besonders ältere Zahnärztinnen und Zahnärzte äussern weniger Personal- wünsche. Sieben von zehn der über 56-Jährigen sind mit dem aktuellen Per- sonalbestand zufrieden. Jüngere Kolle- ginnen und Kollegen sehen beim Praxis- personal noch Optimierungspotenzial (bis 35-Jährige: 43%). Dentalhygienike- rinnen sind am meisten gefragt. Jeder vierte Praxisinhaber wünscht sich heute eine zusätzliche Dentalhygienikerin.

Bei den weiteren Personalkategorien herrscht kaum mehr Bedarf. Nur eine Minderheit von Zahnarztpraxen fragen Prophylaxeassistentinnen (10%), Den- talassistentinnen (6%) und Zahn arzt- assis ten ten (6%) nach (Abb. 4). Doch der Blick in die Sprachregionen zeigt bemerkenswerte Unterschiede. Praxis- inhaber in der Romandie möchten ihr Personal signifikant häufiger (13% vs.

Deutschschweiz: 4%, Tessin: 11%) künf- tig durch einen Praxisassistenten ergän- zen.

Wie bilden sich Zahnärzte in der Schweiz weiter? Welche Fortbildungsangebote fragen sie nach? Welche Anforderungen stellen Pa- tienten an ihre Behandler? Und wie beurtei- len die SSO-Mitglieder die SSO-Publikatio- nen? Darüber berichten wir in der nächsten Ausgabe des SDJ.

2019 (1287) 2012 (1273) 2001 (1865)

mehr DH mehr Prophylaxe-Assistentinnen mehr Dentalassistentinnen mehr Assistenten mehr SSO-Praxisadministratorinnen mehr übriges administratives Personal kein zusätzliches Praxispersonal

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

24%

10%

6%

6%

3%

2%

61%

21%

8%

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7%

3%

70%

39%

17%

19%

8%

39%

Abb. 4: Jeder vierte Praxisinhaber wünscht sich heute eine zu- sätzliche Dentalhygie- nikerin. Bei den weite- ren Personalkategorien herrscht kaum mehr Bedarf (Mehrfachant- worten möglich).

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 10P 2019

Exklusives Treffen mit Bundesrat Ignazio Cassis

An einem Seminar des Liberalen Instituts im Jahr 2017 zu Lenkungsstrategien im Ge- sundheitswesen konnte ich mich mit Ignazio Cassis, damals noch Nationalrat, unterhal- ten. Seine profunden Kenntnisse und sein Verständnis unseres historisch gewachse- nen Gesundheitssystems beeindruckten mich.

Im Rahmen meines Engagements für die SSO konnte ich – als besonderes Privileg – ein informelles, persönliches Treffen mit Bun- desrat Ignazio Cassis organisieren. Dabei waren seine persönliche Mitarbeiterin Anna

Fazioli, drei Vertreter der SSO – Präsident Dr. Jean- Philippe Haesler, Generalsekretär Simon Gassmann und ich – sowie drei Dele- gierte des Liberalen Instituts, darunter des- sen Direktor Pierre Bessard.

Der Austausch war faszinierend und bein- haltete philosophische Betrachtungen, etwa zur Rolle der liberalen Vision in der moder- nen Schweizer Gesellschaft und der politi- schen Landschaft, aber auch konkretere Fragen wurden diskutiert, insbesondere die Herausforderungen des freien Personenver- kehrs und wie man mit der automatischen

Anerkennung von Diplomen und der Attrak- tivität der Schweiz als Arbeitsort umgehen könnte.

Für die SSO ist es eine grosse Chance, Kon- takte auf so hoher Ebene pflegen zu können und ihre Präsenz auf dem politischen Par- kett zu stärken. Zudem war das Gespräch in herzlicher und natürlicher Atmosphäre an sich eine Freude.

Text: Olivier Marmy

Mitglied des SSO-Zentralvorstands, Departement Information

Von links nach rechts: Sandro Piffaretti (Liberales Institut), Olivier Marmy (SSO), Anna Fazioli (EDA), Bundesrat Ignazio Cassis, Jean-Philippe Haesler (SSO), Pierre Bessard (Liberales Institut), Loïc Hautier (Liberales Institut), Simon Gassmann (SSO)

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Christoph Senn, die SSO passt ihr Geschäftsmodell mit den digitalen Listen auf sso-jobs.ch an. Registrierte Stellensuchende können jetzt kostenlos Inserate aufgeben und Stellenangebote ansehen. Was hat die SSO zu diesem Schritt bewogen?

Wir wollen sso-jobs.ch langfristig im Markt positionieren. Das bestehende Modell, so unsere Erfahrungen, wird heutigen Kun- denbedürfnissen zu wenig gerecht. Es haben sich Branchen- standards etabliert, denen sich auch die SSO nur schwer ent- ziehen kann. Dank der Anpassung soll das Portal dynamischer werden und Austauschprozesse beschleunigen. Damit dies ge- lingt, muss sso-jobs.ch bei den Zielgruppen noch sichtbarer werden und mehr Reichweite generieren. Eine Kommunika- tionskampagne ist in Planung.

Zahlreiche digitale Stellenportale buhlen um die Gunst der Inseren- ten. Wie will die SSO künftig bei den Zielgruppen punkten?

Mit Branchenkenntnissen und massgeschneiderten Lösungen.

Wir müssen unsere Wettbewerbsvorteile noch besser nutzen.

SSO-Jobs ist das Stellenportal von Schweizer Zahnärzten für Schweizer Zahnärzte. Keiner kennt die Bedürfnisse der Zahn- ärzte und des Praxisteams so gut wie wir. Ideen, die aktuell dis- kutiert werden: Stellenangebote für Staatsexamensabsolventen speziell markieren sowie Angebote schaffen für die Zahnärzte, die ihre Praxis übergeben wollen.

Die SSO-Stellenvermittlung ist nur ein Angebot für Mitglieder unter vielen. Welche Strategie verfolgt die SSO mit ihrem Mitgliedermar- keting?

Wir möchten unseren Mitgliedern, egal, wo sie sich in ihrer be- ruflichen Karriere befinden, attraktive Angebote unterbreiten.

Für Studierende ist die Verbandsmitgliedschaft gratis. Assis- tenzzahnärzte kommen in den Genuss von günstigen Fortbil- dungen, und Praxisinhaber profitieren von Preisnachlässen bei ausgewählten Partnern – vom Autohersteller über Anbieter von Bürobedarf und Innenausstattungen bis hin zu Engros-Märkten.

Zum Beispiel können SSO-Mitglieder – als Gewerbetreibende – bei Transgourmet eine Kundenkarte bestellen und damit in allen Prodega-Märkten in der Schweiz günstiger einkaufen.

Millennials, eine andere Bezeichnung für «Generation Y», stellen heute 35 Prozent der werktätigen Bevölkerung dar. Diese Entwick- lung wirkt sich auch auf Berufsverbände wie die SSO aus. Wie trägt die SSO den Bedürfnissen der jungen Zahnärztegeneration Rech- nung?

Die nachkommende Zahnärztegeneration hat andere Bedürf- nisse und Vorstellungen als wir. Deshalb hören wir zu. Wir

laden junge Zahnärztinnen und Zahnärzte zu Workshops ein.

Gemeinsam identifizieren wir aktuelle Herausforderungen und skizzieren künftige Lösungsansätze. Es zeigt sich: Die Jungen hinterfragen den Sinn der Verbandsmitgliedschaft stärker und wollen überzeugt werden.

Welches Angebot können Sie besonders empfehlen?

Jeder SSO-Praxisinhaberin und jedem SSO-Praxisinhaber rate ich, sich Medisuisse anzuschliessen. Denn Verbandsmitglieder bezahlen bei unserer AHV-Ausgleichskasse vergleichsweise tiefe Beiträge. Die Einsparung entspricht in etwa der jährlichen SSO-Mitgliedschaftsgebühr! Dies ist noch viel zu wenigen Kol- leginnen und Kollegen bekannt.

«Wettbewerbs- vorteile besser nutzen»

Künftig können Stellensuchende SSO-Jobs kostenlos nutzen. Was sich die SSO von diesem Schritt verspricht und wie sie die Bedürfnisse ihrer Mitglieder künftig befrie- digen will, erklärt Christoph Senn, Verant- wortlicher für die SSO-Mitgliederangebote.

Interview und Grafik: Markus Gubler, Presse- und Informations- dienst SSO

SSO-Mitglieder profitieren von Preisnachlässen bei ausgewählten Partnern – vom Autohersteller über Anbieter von Bürobedarf und Innenausstattungen bis hin zu Engros-Märkten.

Die SSO: eine Mitgliedschaft, viele Vorteile

SSO-Mitglieder profitieren neben zahlreichen eigenen Services und Dienstleistungen von attraktiven Vorzugskonditionen bei Grosshändlern und ausgewählten Unternehmen. Weitere Infor- mationen finden Sie im Mitgliederbereich der SSO-Website unter: Unsere SSO > Angebote für Mitglieder.

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 10P 2019 Eine Füllung legen, ein Implantat setzen, die professionelle Zahnreinigung mit Handinstrumenten oder eine Röntgen- aufnahme machen – jeder Zahnarzt ver- wendet täglich Medizinprodukte. Aber wer ist verantwortlich, dass diese Pro- dukte und Geräte in der Schweiz zugelas- sen sind und dass sie einwandfrei funk- tionieren?

Private Stellen prüfen die Sicherheit Zu den Medizinprodukten zählen gemäss Heilmittelgesetz (HMG) Produkte, die für die medizinische Verwendung bestimmt sind oder angepriesen werden, deren Hauptwirkung jedoch nicht durch ein Arzneimittel erreicht wird. Anders als Medikamente werden Medizinprodukte in der EU – und auf Basis bilateraler Ab- kommen auch in der Schweiz – nicht von den Behörden zugelassen. Sondern der Hersteller führt in Eigenverantwortung ein Konformitätsbewertungsverfahren durch, bei dem je nach Risikoklasse des Produkts noch eine Konformitätsbewer- tungsstelle beigezogen werden muss, die bei erfolgreicher Prüfung der Unterlagen des Herstellers dem Hersteller ein EG- Zertifikat ausstellt. Als konform beurteilte

Produkte erhalten durch den Hersteller eine CE-Markierung. Damit darf der Her- steller oder Vertreiber das Medizinpro- dukt in der Schweiz und in der EU ver- markten und verkaufen.

Hierzulande ist das Schweizerische Heil- mittelinstitut Swissmedic zuständig für die Marktüberwachung der Medizinpro- dukte. Es bezeichnet und überwacht die Konformitätsbewertungsstellen und führt Inspektionen bei Medizinproduk- teakteuren durch. In der Schweiz gibt es ab dem 1. November 2019 nur noch eine Konformitätsbewertungsstelle für Medi- zinprodukte: SQS, Schweizerische Ver- einigung für Management-Systeme in Zollikofen.

Die Sorgfaltspflicht des Zahnarztes Worauf muss ein Zahnarzt achten, wenn er Medizinprodukte für seine Praxis ein- kauft? «Grundsätzlich trägt der Herstel- ler die Verantwortung für die einwand- freie Qualität und Konformität der Medi- zinprodukte», erklärt Lukas Jaggi von Swissmedic. Bei der Wahl der Lieferan- ten und der Produkte hätten Zahnärztin- nen und Zahnärzte aber eine Mitverant- wortung, gestützt auf die allgemeine

Sorgfaltspflicht im Heilmittelgesetz.

Jaggi empfiehlt deshalb allen Praxis- inhabern regelmässig zu prüfen, ob die bestellten Produkte die geltenden re- gulatorischen Anforderungen erfüllen.

Auch sollten Zahnärzte die Belege für die Produktekonformität prüfen und aufbe- wahren. Auf der Website von Swissmedic finden Interessierte Informationsdoku- mente für Gesundheitseinrichtungen, wie Spitäler, Arzt- oder Zahnarztpraxen (siehe Kasten).

Defekte Medizinprodukte melden Der Arzt oder Zahnarzt hat noch eine weitere wichtige Pflicht: Gemäss Medi- zinprodukteverordnung muss jede Per- son, die ein Medizinprodukt weiter in Verkehr bringt, an der Überwachung der Sicherheit der in Verkehr gebrachten Pro- dukte mitwirken. Dazu sammelt sie Be- anstandungen und relevante Erfahrun- gen über Anwendung und Wirksamkeit und liefert diese an das Produktbeobach- tungssystem des Herstellers. Stellt der Arzt oder Zahnarzt (Fachperson) bei der Anwendung des Medizinproduktes ein schwerwiegendes Vorkommnis fest, so muss er dies Swissmedic melden (swiss- medic.ch > Medizinprodukte > Vorkomm- nisse & FSCA melden [Materiovigilance]).

Dabei geht es zum Beispiel um Produkte, deren Sterilverpackung kaum erkenn- bare Schäden aufweist, oder um Geräte, die nicht gemäss Gebrauchsanweisung des Herstellers funktionieren. Diese Meldung kann auch durch eine Fach- gesellschaft erfolgen. 2018 wurden Swiss- medic insgesamt 2488 Vorkommnisse gemeldet.

Die Meldung des schwerwiegenden Vor- kommnisses ist auch dann vorzunehmen, wenn offensichtlich das Leben oder die Gesundheit einer Vielzahl von Personen unmittelbar schwerwiegend gefährdet sein könnte.

Medizinprodukte:

Welche Verant- wortung trägt der Zahnarzt?

Zahnmediziner setzen bei ihrer Arbeit täg- lich Medizinprodukte ein. Was viele nicht wissen: Es liegt auch in der Verantwortung des Zahnarztes, dass kein Patient durch ein fehlerhaftes Medizinprodukt zu Schaden kommt.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ/pd; Foto: Istock

Heilmittel, Arzneimittel und Medizinprodukte

Heilmittel werden in zwei Gruppen unterteilt: Arzneimittel und Medizinprodukte. Arznei- mittel sind Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs, die zur medizinischen Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt sind oder an- gepriesen werden. Medizinprodukte sind ebenfalls für die medizinische Verwendung bestimmt, die Hauptwirkung wird jedoch nicht durch ein Arzneimittel erreicht. Zu den Medizinprodukten zählen auch Instrumente, Apparate, In-vitro-Diagnostika, Software und andere Gegenstände bzw. Stoffe. Mundpflegemittel wie Zahnpaste und Zahnbürste gelten in den meisten europäischen Ländern als Kosmetika, obwohl sie der Definition der Medizinprodukte entsprechen. Auch Zahnbleichmittel gehören gesetzlich gesehen zu den Kosmetika. Zahnbleichmittel mit einer Wasserstoffperoxidkonzentration ab 0,1 Prozent müssen jedoch mit Warnhinweisen versehen werden.

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Wer übernimmt die Verantwortung, wenn der Anwender des Medizinpro- dukts den Mangel nicht rechtzeitig be- merkt? Zum Beispiel, wenn fehlerhafte Implantate oder nicht richtig funktionie- rende Geräte einem Patienten Schaden zugefügt haben? «In diesem Fall haftet primär der Hersteller des Produkts oder das Unternehmen, das das Medizinpro- dukt in Verkehr gebracht hat, und nicht die medizinische Fachperson», erklärt Lukas Jaggi. «Haftungsfragen sind aber nicht Teil des Heilmittelgesetzes, sondern Teil anderer Rechtsvorschriften wie des Produktehaftpflichtgesetzes (PrHG) oder des Bundesgesetzes über die Produkte- sicherheit (PrSG).» Hat der Hersteller Kenntnis von einem schwerwiegenden Vorkommnis im Zusammenhang mit sei- nem Produkt, so trifft er die notwendigen internen Massnahmen sowie Sicherheits- massnahmen an dem in Verkehr befindli- chen Produkt, zum Beispiel einen Rück- ruf, zur Verminderung des Risikos. Aber auch die Behörde kann im Rahmen einer Verwaltungsmassnahme veranlassen, dass ein Medizinprodukt vom Markt genommen wird.

Verschärfung ist bereits beschlossen Ende 2018 schreckte eine journalistische Recherche über die Sicherheit von Medi- zinprodukten die Öffentlichkeit auf («Im- plant Files»). Investigative Journalisten aus 36 Ländern entdeckten Lücken bei der Kontrolle von Implantaten. Beispielsweise wurden nicht ausreichend klinisch ge- prüfte Vaginalnetze oder Bandscheiben- prothesen eingesetzt. Auch wurde die

Unabhängigkeit der Prüfstellen infrage gestellt, weil der Hersteller die Prüfung in Auftrag gibt und sie auch bezahlt.

Die Veröffentlichung sorgte für einigen Wirbel. Allerdings hatte es bereits in den Jahren zuvor Vorkommnisse und Skan- dale um Medizinprodukte wie undichte Silikon-Brustimplantate oder fehlerhafte

Hüftprothesen gegeben. Deshalb ver- schärften die EU und die Schweiz bereits 2013 und 2017 ihre Überwachungsme- chanismen. Unter anderem wurden die Anforderungen für die Bezeichnung und Überwachung der Konformitätsbewer- tungsstellen verschärft – in der Folge ha- ben mehrere Prüfstellen ihre Tätigkeiten eingestellt. Im Rahmen der aktuell lau- fenden Revision des Medizinprodukte- rechts übernimmt die Schweiz weitere, strengere Vorschriften der EU.

Unabhängige Experten und eine zentrale Datenbank

Die Anforderungen an die klinische Be- wertung werden dadurch deutlich er- höht. Gewisse Produkte der höchsten Risikoklassen werden zusätzlich durch ein unabhängiges internationales Exper- tengremium wissenschaftlich begutach- tet. Nach der Markteinführung muss der Hersteller die Sicherheit des Produkts kontinuierlich überprüfen, dokumentie- ren und Berichte erstellen. Alle Produkte müssen künftig zur Identifizierung mit einer UDI-Nummer (Unique Device Iden- tification) versehen sein. Diese wird in eine zentrale europäische Datenbank eingetragen. Die Anpassungen sollen ab 2020 in Kraft treten.

Grundsätzlich trägt der Hersteller die Verantwortung für die einwandfreie Qualität und Konformität der Medizinprodukte. Bei der Wahl der Lieferanten und der Produkte tragen Zahnärztinnen und Zahnärzte aber eine Mitverantwortung.

Bedeutender Wirtschaftsfaktor

Die Entwicklung und Herstellung von Medizinprodukten sind in der Schweiz ein bedeu- tender Wirtschaftsfaktor. Rund 1400 Unternehmen mit gut 58 000 Angestellten sind in diesem Sektor tätig. Fast die Hälfte der Exporte gehen in die EU. Insgesamt sind rund 500 000 Medizinprodukte und 40 000 In-Vitro-Diagnostika auf dem europäischen Markt.

Merkblätter für Behandler

Auf der Website von Swissmedic finden Interessierte viele Informationen, Dokumente und Erklärvideos: swissmedic.ch/md. Unter anderem ist auch ein Merkblatt mit Check- liste erhältlich, das Anwender im Beschaffungsprozess von Medizinprodukten unter- stützt: swissmedic.ch > Medizinprodukte > Beschaffung, Wiederaufbereitung & Instand- haltung > MB Beschaffung von Medizinprodukten in Gesundheitseinrichtungen.

Um zu entscheiden, ob ein Mangel an einem Produkt schwerwiegend ist, stellt Swiss- medic ebenfalls Unterlagen zur Verfügung: swissmedic.ch > Medizinprodukte > Vor- kommnisse & FSCA melden (Materiovigilance) > Anwender & Betreiber.

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 10P 2019 Vereinzelt stehen noch Umzugskartons in den Gängen, und es riecht nach neuen Möbeln. Das Universitäre Zentrum für Zahnmedizin Basel (UZB) wurde im Au- gust bezogen. Damit sind die soziale und die universitäre Zahnmedizin in Basel vier Jahre nach dem organisatorischen Zusam- menschluss auch räumlich vereint. Bereits zwei Wochen nach der Übernahme des Gebäudes wurden die ersten Patienten behandelt.

Moderne Infrastruktur

Das UZB und die Universität Basel konn- ten den Neubau an der Mattenstrasse nach knapp dreijähriger Bauzeit termingerecht und deutlich unter dem Kostenvoranschlag von 95 Millionen Franken beziehen. Das

Gebäude bietet Platz für 89 zahnärztliche Behandlungseinheiten, Forschungslabo- ratorien für Mikrobiologie und Material- wissenschaften, eine moderne Ausbil- dungsinfrastruktur für die Studierenden sowie eine Zentralsterilisation nach neus- tem Standard. Dank Innenhöfen hat jeder Behandlungsraum Tageslicht. Die Univer- sität Basel hat weiter einen gros sen Hör- saal, Seminar- und Gruppenräume, eine Filiale der Universitätsbibliothek und eine öffentliche Cafeteria realisiert. Das UZB nutzt 73 Prozent, die Universität Basel (Departement Umweltwissenschaften) 27 Prozent der verfügbaren Flächen.

85 Zahnärztinnen und Zahnärzte arbeiten in dem Neubau und über hundert Den- talhygienikerinnen, Prophylaxeassisten-

tinnen und Dentalassistentinnen. Wäh- rend der Semester werden rund 85 Stu- dierende der Zahnmedizin ausgebildet.

35 ausgebildete Zahnärztinnen und Zahn- ärzte verbringen ihre Assistenzzeit im UZB, ein Teil von ihnen absolviert eine Weiterbildung. Privatzahnärztinnen und -zahnärzte werden von einem attraktiven Fortbildungsangebot profitieren.

Zahnmedizin für die ganze Bevölkerung Raymond Cron, Verwaltungsratspräsi- dent des UZB, sagte an der Eröffnungs- feier vor geladenen Gästen: «Der Bevöl- kerung der Region Basel steht nun eine moderne Zahnklinik zur Verfügung, die das gesamte zahnmedizinische Spektrum anbietet.» Die enge Zusammenarbeit mit

Happy End nach einer turbulen- ten Geschichte

In Basel sind die Volks- und Schulzahnklinik sowie die universitären Zahnkliniken organisa- torisch und neu auch räumlich unter einem Dach untergebracht. Seit Mitte August werden im neuen Gebäude des Universitären Zentrums für Zahn medizin Basel Patienten behandelt.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Fotos: zvg

Das UZB vereint die soziale und die universitäre Zahnmedizin in Basel unter einem Dach. Es ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt im Besitz des Kantons Basel-Stadt.

UNINACHRICHTEN

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der Humanmedizin garantiere den Pa- tienten eine optimale Behandlung und mache das UZB zu einem wichtigen Be- standteil des Life-Science-Standortes Basel.

«Beschwerlicher Weg hat sich gelohnt»

Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel, erinnerte in ihrer Rede an den beschwerlichen Weg der Zahn- medizin in dieser Stadt. «Aber es hat sich gelohnt.» 1997 wollte der Universitätsrat die Zahnmedizin an der Universität Basel schliessen. Die Basler Bevölkerung jedoch sammelte Unterschriften für den Verbleib der universitären Zahnmedizin. «Dass wir heute hier stehen, ist eine späte Wie- dergutmachung», meinte Andrea Schen- ker-Wicki. «Dieses Gebäude zeigt, wel- che Bedeutung die universitäre Zahn- medizin in Basel geniesst. So findet eine turbulente Geschichte doch noch ein Happy End.»

Auch der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger zeigte sich erfreut:

«Das UZB kann mit der Eröffnung des Neubaus den gesetzlichen Auftrag einer ganzheitlichen Zahnmedizin im Interesse der gesamten Bevölkerung nun voll um- setzen. Es trägt damit wesentlich bei zur medizinischen Versorgung, Lehre und Forschung in Basel.»

Der Empfangsbereich im neuen Gebäude. Bereits zwei Wochen nach der Übernahme des Gebäudes wurden im UZB Patienten behandelt.

Dank Innenhöfen hat jeder Behandlungsraum Tageslicht.

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 10P 2019 Das neue Zentrum Sitem-Insel in Bern fördert Erzeugnisse aus der industriellen Entwicklung und Grundlagenforschung, damit die Produkte rasch für die klinische Anwendung zugelassen werden. Will sich ein Unternehmen oder eine Forschungs- gruppe in Sitem-Insel einmieten, müssen sie die translationale (Übergang von For- schungsergebnissen oder Prototypen zu Produkten auf dem Markt) Ausrichtung ihrer Arbeit nachweisen. Ein wissen- schaftliches Gremium berät den Verwal- tungsrat diesbezüglich.

Die Labors der ZMK, das sogenannte Dental Research Center (DRC), erfüllen diesen Anspruch. Geforscht wird in den Bereichen orale Mikrobiologie, orale Zell- biologie, orale Molekularbiologie, orale Histologie, Kariologie und dentale Ero- sionen sowie zahnärztliche Material- kunde.

Translation hat an den ZMK Tradition Translation ist für die ZMK nichts Neues:

«Bereits in den 1970er-Jahren führte die Universität Bern mit dem Institut Strau- mann AG experimentelle Tests zu Zahn- implantaten durch», erzählt Daniel Buser, emeritierter Professor der ZMK Bern und Verwaltungsratspräsident von Sitem-Insel. Von dieser Zusammenar- beit profitierten alle Seiten: die Univer- sität durch die Publikation von Studien, der Industriepartner durch die qualita- tiv hochstehende Forschung und die Patienten durch neu entwickelte Pro- dukte. Mit dem Einzug der ZMK-Labore in die Sitem-Insel wird diese Tradition fortgeführt.

Öffentlich-private Partnerschaft

Sitem-Insel ist als gemeinnützige öffent- lich-private Partnerschaft (PPP) von

öffentlicher Hand, Wissenschaft und In- dustrie organisiert. «Diese Zusammen- arbeit in einem Zentrum ist auch inter- national einzigartig», sagte der Berner Regierungspräsident und Volkswirt- schaftsdirektor Christoph Ammann an der Eröffnung. Rund 40 Prozent des Ge- bäudes werden durch private Plattfor- men genutzt, darunter Abteilungen des Pharmaunternehmens CSL Behring AG oder des Diabetes Center Berne. Weitere 40 Prozent sind durch öffentliche Platt- formen besetzt, etwa von der Insel- Gruppe oder der Universität Bern. Die verbleibenden 20 Prozent nutzt Sitem- Insel selbst für Schulungen und Promo- tion.

Die insgesamt 22 000 Quadratmeter Fläche von Sitem-Insel sind bereits ver- geben, auch wenn erst in einem Drittel des Gebäudes gearbeitet wird. Bis 2020 wird das ganze Gebäude durch rund 600 Personen bezogen sein, erklärt Simon Rothen, CEO der Sitem-Insel AG.

Kommunikation und Transparenz

«Spitzenleistungen sind nur im Team möglich», weiss Daniel Buser. Deshalb ist die Architektur des fünfstöckigen Glasbaus – der in der Rekordzeit von knapp zwei Jahren gebaut wurde – so angelegt, dass die Menschen sich begeg- nen und kommunizieren können. Trans- parenz, Offenheit und die Möglichkeit zur Verständigung widerspiegeln sich im Gebäude mit der Glasfassade gegen aus- sen und mit vertikalen und horizontalen Durchsichten im Innern.

Beim Innenausbau wurden die Bedürf- nisse der künftigen Mieter berücksich- tigt. Das Gebäude enthält Labore, Werk- stätten, Büros, ein Restaurant, Schu- lungsräume und sogar Wohnräume für die Durchführung von klinischen Versu- chen.

Einzigartige Kooperation von Forschung und Industrie

Ende August öffnete Sitem-Insel, ein Zen- trum für translationale Medizin auf dem Areal des Inselspitals in Bern, seine Türen.

Zu den Mietern gehören auch die fünf Labors der Zahnmedizinischen Kliniken (ZMK) der Universität Bern.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Fotos: zvg

Die Verantwortlichen präsentieren das neue Zentrum für translationale Medizin (von links): Moderator Geri Staudenmann, Simon Rothen, CEO Sitem-Insel AG, der Berner Regierungspräsident Christoph Amman, Daniel Buser, Verwaltungsratspräsident von Sitem-Insel AG, Patrick Vogel, Gesamtprojektleiter, und Dan Hiltbrunner, Architekt

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Die Gesamtbaukosten von Sitem-Insel betrugen 130 Millionen Franken. Bund und Kanton haben das Projekt mit je 25 Millionen Franken als Anschubfinan- zierung unterstützt. Weitere Subventio- nen von 12 Millionen sind vorgesehen. Bis 2025 soll Sitem-Insel selbsttragend sein.

Medizinalstandort Bern

Der Kanton Bern will sich als führender Medizinalstandort der Schweiz mit inter- nationaler Ausstrahlung positionieren.

Deshalb fördert er den Aufbau von neuen Forschungs- und Entwicklungszentren.

Bern beherbergt mit dem Inselspital das grösste Universitätsspital der Schweiz, eine starke universitäre Forschung und ist ein Zentrum der Medtech-Industrie.

Über 280 Unternehmen aus der Branche haben bereits heute ihren Sitz im Kanton Bern, dank Sitem-Insel sollen es bald noch einige mehr sein. «Das Zusammen- spiel von universitärer Forschung, Klinik und Wirtschaft in räumlicher Nähe auf dem Inselcampus ist entscheidend für den Erfolg des Berner Medizinalstandor- tes», sagt Christoph Ammann. «Sitem- Insel ermöglicht dies auf visionäre und effiziente Weise.»

Am Tag der offenen Tür besichtigten rund 2500 Besucherinnen und Besucher das neue Gebäude von Sitem-Insel AG.

Die Architektur des modernen Glasbaus symbolisiert Transparenz und Kommunikation.

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«Mit dem Master der ZMK Bern halten Sie ein erstklassiges Diplom in den Händen», sagte Prof. em. Daniel Buser in seiner Rede für die 36 jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte. «Im Lauf der letzten 15 Jahre haben sich die ZMK Bern zu einer der zehn weltbesten Ausbildungsstätten für Zahn- medizin entwickelt. Und Sie waren Teil dieses Teams», fuhr Buser fort. Nun gelte es, das Gelernte umzusetzen. «Dabei müssen Sie immer das Wohl des Patienten ins Zentrum stellen.» Ausserdem riet er den Absolventinnen und Absolventen, immer auf Qualität zu setzen, sowohl bei der Behandlung als auch im Umgang mit den Patienten. «Als Zahnarzt muss man die Patienten gernhaben.»

Für eine freiheitliche Berufsausübung Prof. Anton Sculean, geschäftsführender Direktor der ZMK Bern, und weitere Pro- fessorinnen und Professoren überreichten den Jungzahnärzten ihre Diplome. An- schliessend konnte Dr. Oliver Zeyer vom SSO-Zentralvorstand einmal mehr den SSO-Anerkennungspreis überreichen. Der Check im Wert von 2000 Franken ging an Daniel Toneatti aus Faulensee.

«Bravo, ihr habts geschafft!», gratulierte Zeyer. Und er fuhr fort: «Die SSO setzt sich dafür ein, dass auch Sie künftig Ihren Beruf freiheitlich ausüben können. Das ist nicht selbstverständlich. In unseren Nach- barländern entscheiden nämlich nicht der Zahnarzt und sein Patient über die Be-

handlung, sondern ein Schreibtischtäter bei einer Versicherung.» Um dies in der Schweiz zu verhindern, bekämpfe die SSO kantonale Initiativen, die eine obligatori- sche Zahnversicherung einführen wollen.

Erstmals vergab auch die ITI-Sektion Schweiz einen Preis an die Berner Nach- wuchszahnärzte. PD Dr. Simone Janner übergab den drei besten Absolventen des Jahrgangs, Carolin Mockenhaupt, Daniel Toneatti und Ronny Graf, eine Gratis- jahresmitgliedschaft der ITI.

Mit der Übergabe der MAS-Diplome, der Einladung von Nino Tosches, sich doch als Mitglied im Alumniverein VEB einzu- schreiben, und einem Apéro im Kursaal Bern ging die Masterfeier zu Ende.

«Bravo, ihr habts geschafft!»

36 junge Zahnärztinnen und Zahnärzte nahmen im September ihr Masterdiplom der ZMK Bern entgegen. Festredner war Prof. em. Daniel Buser, der selbst mehr als 40 Jahre an den ZMK Bern studiert, geforscht und gelehrt hat.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Fotos: Myriam Cibolini, Fotografin

Die Absolventinnen und Absolventen des Zahnmedizinstudiums an den ZMK Bern

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Kaffeinsäure-Phenethylester steigert die Hämoxygenase-1, schützt vor oxidativem Schaden und wirkt entzündungshem- mend in vitro

Ziel der Untersuchung

Propolis, das Bienenharz, verbessert den Parodontalstatus bei Diabetikern. Die positive Wirkung von Propolis ist mög- licherweise auf die antioxidative und entzündungshemmende Wirkung von Kaffeinsäure-Phenethylester (CAPE) zurückzuführen. Inwiefern CAPE über die Induktion von Hämoxygenase-1 bei parodontalen Zellen einer oxidativen Schädigung vorbeugen kann und entzün- dungshemmend wirkt, ist weitgehend unbekannt und Ziel dieser In-vitro-Un- tersuchung.

Material und Methoden

Parodontale Zellen wurden mit CAPE inkubiert. Anschliessend erfolgte ein Screening anhand einer Microarray-Ana- lyse. Die Expression der Zielgene wurde mittels RT-PCR und Western Blot erfasst.

Wasserstoffperoxid und Speichel wurden verwendet, um die antioxidative und entzündungshemmende Wirkung von CAPE zu testen. Die Aktivität von Häm- oxy ge nase-1 wurde mit Protoporphyrin (SnPP) blockiert und die Beteiligung von Nrf2 mit Zellen aus Knock-out-Mäusen untersucht. Verwendet wurden Makro- phagen, mesenchymale sowie epitheliale Zellen.

Ergebnisse

CAPE bewirkte einen signifikanten Anstieg von Hämoxygenase-1 und der Hitze schockproteine Hspa1a, Hspa1b und Hspa5. Makrophagen aus Nrf2-Knock- out-Mäusen zeigten diesen Anstieg nicht.

Auf funktioneller Ebene reduzierte SnPP die protektive Wirkung von CAPE bei oxidativer Schädigung durch Wasser- stoffperoxid. SnPP unterdrückte zudem die antiinflammatorische Wirkung von CAPE als Antwort auf Speichel, indem CAPE die Translokation von NF-kB in den Zellkern blockiert.

Schlussfolgerung

CAPE steigert die Expression von Häm- oxygenase-1 in parodontalen Zellen und

bewirkt dadurch einen Schutz vor oxi- dativer Schädigung und eine Unterdrü- ckung der Entzündungsantwort in vitro.

Diese Effekte sind zu einem Teil Nrf2-ab- hängig.

Die Studie wurde vom SSO-Forschungsfonds finanziell unterstützt. Gemäss den SSO- Richtlinien wird von jeder durch den SSO- Forschungsfonds unterstützten Studie eine Kurzfassung im SDJ publiziert. Die SSO un- terstützt und fördert die zahnärztliche For- schung. Sie unterhält zu diesem Zweck seit 1955 einen Fonds, aus dessen Beiträgen wissenschaftliche Projekte finanziert wer- den können. Der Fonds wird jährlich mit 125 000 Franken aus den SSO-Mitglieder- beiträgen gespeist.

SSO- Forschungsfonds

Eine In-vitro-Studie an der Universität Bern untersuchte die entzündungshemmende Wirkung von Kaffeinsäure-Phenethylester, einem Stoff, der in Bienenharz enthalten ist.

Alexandra Stähli1,2, Ceeneena Ubaidha Maheen1, Franz Josef Strauss1, Sigrun Eick2, Anton Sculean2, Reinhard Gruber1,2

1 Orale Biologie, Medizinische Universität Wien, Österreich

2 Klinik für Parodontologie, Universität Bern, Schweiz

Control Saliva Saliva+CAPE Saliva+CAPE+SnPP

Abb. 2: CAPE wirkt antiinflammatorisch: Speichel (Saliva) induziert die Translokation von p65, einer Untereinheit von NF-kB, einem Transkriptionsfaktor, der die Entzündungsantwort initiiert, in den Zell- kern. CAPE kann dessen Translokation inhibieren. Der entzündungshemmende Effekt von CAPE verläuft unabhängig von der Hämoxygenase-1; SnPP zeigt hier keine Wirkung.

Control H2O2 H2O2+CAPE H2O2+CAPE+SnPP

trypan bluephase contrast

Abb. 1: CAPE schützt vor oxidativem Stress: Wasserstoffperoxid schädigt die Zellen und führt zu Zelltod.

Tote Zellen werden blau gefärbt. CAPE zeigt zellprotektive Wirkung und schützt die Zellen vor H2O2. SnPP unterdrückt die Aktivität der Hämoxygenase, die durch CAPE hochreguliert wird, und wirkt daher dem CAPE-Effekt entgegen.

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 10P 2019 Die European Academy of Orofacial Pain and Dysfunction (EAOPD; www.eaopd.

org) wurde Ende 2017 gegründet. Sie tritt die Nachfolge der inzwischen aufgelösten European Academy of Craniomandibular Disorders (EACD; www.eacmd.org) an.

Die Ziele sind indes dieselben geblieben:

«The aim of the European Academy of Oro- facial Pain and Dysfunction is to improve the knowledge and skills of professionals work- ing in the field of Orofacial Pain and Dysfunc- tion (OPD). This aim will be achieved by promoting and co-ordinating clinical and

research activities in the field of OPD and by disseminating the results thereof.»

Nach der letztjährigen EAOPD-Konfe- renz in London fand das diesjährige (zweite) Treffen im holländischen Noordwijk aan Zee statt. Das unmittel- bar am Meer gelegene luxuriöse Hotel van Oranje (Abb. 1) bot einen gediegenen Rahmen. Zehn je einstündige Vorträge international bekannter Referenten stan- den im Mittelpunkt des Geschehens.

Das wissenschaftliche Programm wurde durch mündliche Kurzvorträge und Pos-

terpräsentationen jüngerer Kollegen komplettiert.

Taxonomie

Prof. Dr. Peter Svensson (Aarhus, Dänemark;

Abb. 2) beschäftigte sich mit der Klassifi- kation orofazialer Schmerzen (Svensson P, May A: Cephalalgia 37: 609–612 [2017]).

Der Referent beschrieb zunächst kurz den Weg von den (inzwischen legendären) Research Diagnostic Criteria for Temporo- mandibular Disorders (RDC/TMD, 1992) zu den Diagnostic Criteria for Temporomandibu-

Orofazialer Schmerz und Bruxismus

Die diesjährige Jahrestagung der European Academy of Orofacial Pain and Dysfunction bot eine breite Themenpalette und machte die rund 120 Konferenzteilnehmer auf hohem wissenschaftlichem Niveau mit den neuesten Entwicklungen in Klassifikation, Diagnostik und Therapie vertraut.

Text: Jens Christoph Türp, Basel; Fotos: Dr. Leon Verhagen, Lichten- voorde, Niederlande, Abb. 1–7; J. C. Türp, Abb. 8–9

KONGRESSE/FACHTAGUNGEN

Abb. 1: Das Kongresshotel

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lar Disorders (DC/TMD, 2014). Svensson kam dann auf die neue Schmerzklassifi- kation der Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (IASP) zu sprechen (Treede R D et al.: Pain 160:

19–27 [2019]). In dieser umfassenden Taxonomie, die in die neue Version der Internationalen Klassi fikation der Krankheiten (ICD-11) auf genommen worden ist, sind auch die chronischen orofazialen Schmerzen berücksichtigt (Tab. 1 und 2).

Chronische orofaziale Schmerzen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie an min- destens 50 Prozent der Tage der vergan- genen drei Monate auftreten und länger als zwei Stunden pro Tag dauern. Es wer- den primäre von sekundären Schmerzen unterschieden: Primäre Schmerzen per- sistieren länger als drei Monate und kön- nen nicht durch ein anderes chronisches Geschehen erklärt werden; sie stellen daher ein eigenständiges Krankheitsbild dar («Schmerzkrankheit»). Demgegen- über sind sekundäre Schmerzen Begleit- symptom einer zugrunde liegenden Grunderkrankung (symp tomatische Schmerzen).

Svensson berichtete, dass das laufende Projekt «International Classification of Orofacial Pain» (ICOP) innerhalb der In- ternationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS) eine noch viel genauere Einteilung von Schmerzen im Mund-Kiefer-Ge- sichtsbereich erlauben wird. Ein Beispiel:

Die ICOP-Kodierung 1.1 steht für Zahn- schmerz («Dental pain»), 1.1.1 für Pul- paschmerz («Pulpal pain»), 1.1.1.1 für Pulpaschmerz in Zusammenhang mit Hypersensitivität («Pulpal pain attri- buted to hypersensitivity»), 1.1.1.1.2 für hypersensitiven Pulpaschmerz in Zu- sammenhang mit freiliegendem Dentin («Pulpal pain attributed to exposed dentin»), 1.1.1.1.2.1 für hypersensitiven Pulpaschmerz in Zusammenhang mit durch Zahnabrieb bedingtem freiliegen- dem Dentin («Pulpal pain attributed to tooth wear or abrasion»). Für jede dieser Schmerzdiagnosen werden ausführliche diagnostische Kriterien angegeben. Auf die Veröffentlichung dieser Klassifikation dürfen Vertreter aller Fächer der Zahn- medizin daher gespannt sein.

DC/TMD

Prof. Dr. Thomas List (Malmö, Schweden;

Abb. 5) und Prof. Dr. Justin Durham (New- castle upon Tyne, England) stellten in ih- ren Vorträgen die Entwicklung der DC/

TMD detailliert dar und beschrieben die beiden Achsen der DC/TMD (Achse I: so-

matische Befunde; Achse II: psychosoziale Befunde). Die entsprechenden Erhebungs- bögen für die klinische Befundung sind kostenfrei auf der Website des Internatio- nal Network for Orofacial Pain and related Disorders Methodology ( InfORM) verfüg- bar (www.iadr.org/inform).

Bildgebende Diagnostik

Angesichts der real existierenden Gefahr einer radiologischen Überdiagnostik stellte Prof. Dr. Daniele Manfredini (Siena, Italien) gleich zu Beginn seines Vortrags die Schlüsselfrage: Wann beeinflussen die Durchführung bzw. die Ergebnisse einer bildgebenden Untersuchung den Be- handlungsplan grundlegend? Manfredini rief dazu eine rund 30 Jahre alte Publika- tion in Erinnerung (Fryback D G &Thorn- bury J R: Med Decis Making 11: 88–94

Tab. 1 Neue IASP-Klassifikation der chronischen primären orofazialen Schmerz- erkrankungen mit ihrem jeweiligen ICD-10-Code, sofern vorhanden (nach Benoliel R et al.: Pain 160: 60–68 [2019])

– Chronic primary temporomandibular disorder pains

•Myalgia (M79.1)

•Myofascial pain with referral

•Arthralgia (M26.62) – Chronic burning mouth

•Glossodynia (K14.6) – Chronic primary orofacial pain

•Orofacial pain as a presentation of primary headaches

•Persistent idiopathic dentoalveolar pain

˚

Atypical facial pain (persistent idiopathic facial pain) (G50.1)

Tab. 2 Neue IASP-Klassifikation der chronischen sekundären (symptomatischen) orofazialen Schmerzen mit ihrem jeweiligen ICD-10-Code, sofern vorhanden (nach Benoliel R et al.: Pain 160: 60–68 [2019])

– Chronic orofacial pain attributed to trauma or injury to the head and/or neck – Chronic orofacial pain attributed to cranial or cervical vascular disorder – Chronic orofacial pain attributed to nonvascular intracranial disorder – Chronic orofacial pain attributed to infection

– Chronic orofacial pain attributed to disorders of homeostasis or their nonpharmacological treatment

– Chronic orofacial pain attributed to disorder of the cranium, neck, eyes, ears, sinuses, salivary glands, and oral mucosa

– Chronic dental pain

•Diseases of pulp and periapical tissues (K04)

•Other diseases of hard tissues of teeth (K03) – Chronic neuropathic orofacial pain

•Pain attributed to a lesion or disease of the trigeminal nerve including trigeminal neuralgia (primary parent: chronic peripheral neuropathic pain)

•Other cranial and regional neuralgias and neuropathies – Chronic secondary temporomandibular disorder pain

•Chronic secondary orofacial muscle pain

˚

Systemic disorders or trauma

•Chronic secondary temporomandibular joint pain

˚

Systemic disorders, trauma, or infection

Abb. 2: Prof. Dr. Peter Svensson

(17)

SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 10P 2019 [1991]), in der sechs zu berücksichtigende Aspekte (von der technischen Qualität des Bildes bis zum Kosten-Nutzen-Ver- hältnis aus einem gesellschaftlichen Blickwinkel) hierarchisch dargestellt werden, um zu entscheiden, ob eine Bild- gebung sinnvoll ist.

Die Mitnehmbotschaft des Referenten?

– Kenne die Anatomie.

– Lese das Bild.

– Bringe es in Zusammenhang mit den klinischen Symptomen: «Wir behan- deln Patienten … keine Bilder!»

Kiefergelenkarthritis

Prof. Dr. Per Alstergren (Malmö, Schweden;

Abb. 3) unterschied zwischen lokalen und systemischen Arthritiden der Kieferge- lenke (Tab. 3). Er ging dann auf die klini- sche Diagnostik (chronischer) Kieferge- lenkarthritiden ein. Kiefergelenkschmerz bei maximaler Kieferöffnung und einem kontralateralen Seitschub von weniger als 8 mm kommt nach Aussagen des Re- ferenten ein hoher diagnostischer Wert zu. Eine sichere Diagnose lässt sich aber erst mit dem Nachweis einer pathologisch erhöhten Konzentration inflammatori- scher Mediatoren in der Synovialflüssig-

keit stellen (Alstergren P et al.: J Oral Rehabil 45: 269–281 [2018]).

Alstergren berichtete, dass (entgegen weit verbreiteten Annahmen) keine über- zeugenden Belege vorliegen, dass intra- artikulär verabreichte Kortikosteroide (z. B. Triamcinolonhexacetonid) zur Zer- störung von Gelenkknorpel oder -kno- chen führen (die entsprechende systema- tische Übersicht seiner Arbeitsgruppe um Duraku ist noch nicht publiziert).

Trigeminale neuropathische Schmerzen Prof. Dr. Lene Baad-Hansen (Aarhus, Däne- mark; Abb. 4) widmete sich unter Bezug auf die Ergebnisse des ICOP-Projekts schwerpunkthaft dem posttraumatischen trigeminalen neuropathischen Schmerz.

Dieser kann beispielsweise nach konven- tioneller endodontischer Therapie, nach Nervverletzung in Zusammenhang mit Implantatchirurgie oder nach ortho- gnather Chirurgie auftreten. Mithilfe einer qualitativen (QualST) oder quanti- tativen (QST) Testung (Berührungs-, Schmerz-, Vibrations-, Druckreize) las- sen sich die somatosensorischen Funk- tionen beurteilen; bei vielen betroffenen Patienten besteht eine Allodynie.

Auf unnötige invasive Eingriffe ist zu ver- zichten; zudem muss der Patient zu sei- nem eigenen Schutz über die damit ver- bundenen Gefahren aufgeklärt werden.

Baad-Hansen riet, bei der Behandlung auf internationale Leitlinien zurückzugrei- fen. Eine starke Empfehlung besteht da- bei für eine pharmakologische Therapie, speziell für die Antikonvulsiva Gabapen- tin und Pregabalin, für die selektiven Sero to nin-Noradrenalin-Wie der auf- nahme hem mer Duloxetin und Venlafaxin sowie für trizyklische Antidepressica (Finnerup N B et al.: Lancet Neurol 14:

162–173 [2015]).

Orofazialer Schmerz und Okklusion Prof. Dr. Ambra Michelotti (Neapel; Abb. 5) betonte, dass prinzipiell jede okklusale Veränderung, selbst wenn diese indiziert war und korrekt ausgeführt wurde, die Anpassungsfähigkeit des stomatognathen Systems des Patienten überfordern und iatrogen myoarthropathische Beschwer- den auslösen kann. Michelottis Arbeits- gruppe konnte darüber hinaus zeigen, dass Personen mit ausgeprägten Para- funktionen eine verstärkte okklusale Taktilität aufweisen, was gemäss den Abb. 3: Prof. Dr. Per Alstergren

Abb. 4: Prof. Dr. Lene Baad-Hansen Tab. 3: Lokale und systemische Arthritiden der Kiefergelenke

Lokal Systemisch

Traumatische Arthritis Rheumatoide Arthritis Arthritis als Folge einer Arthrose Psoriasis-Arthritis

Arthritis einer Diskusverlagerung Andere rheumatische Erkrankungen ( Sjögren-Syndrom u. a.)

Infektiöse Arthritis Reaktive Arthritis

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Autoren zu allfälligen Anpassungsstörun- gen nach Eingliederung neuer dentaler Restaurationen beitragen könnte (Bucci R et al.: J Prosthet Dent 122: 119–122 [2019]).

Eng damit verbunden sind die Themen Hypervigilanz, okklusale Dysästhesie (Hara E S et al.: J Oral Rehabil 39 [8]:

630–638 [2012]) und Neuroplastizität.

Michelottis Quintessenz:

– Jeder Mensch ist ein Unikat.

– Die individuelle Adaptionsfähigkeit beeinflusst, was unter «normaler»

Okklusion zu verstehen ist.

– Man sollte sich von der ausschliess- lichen Fokussierung auf die Frage «Was ist mit dem Patienten los?» lösen und stattdessen die Frage stellen: «Was ist für den Patienten wichtig?»

Bruxismus

Prof. Dr. Frank Lobbezoo (Amsterdam) ver- wies in einer aktuellen Übersicht darauf, dass man unter dem Begriff Bruxismus heute eine repetitive Aktivität der Kau- muskulatur versteht, die sich durch Kie- ferpressen (engl.: clenching) oder Zäh- neknirschen (engl.: grinding) äussert oder – und dies ist eine Erweiterung der traditionellen Definition – durch Anspan-

nen (engl.: bracing) oder Verschieben (engl.: thrusting) des Unterkiefers ohne Zahnkontakte (Lobbezoo F et al.: J Oral Rehabil 40: 2–4 [2013] sowie 45: 837–844 [2018]). Unabhängig davon ist zu diffe- renzieren zwischen Schlaf- und Wach- bruxismus.

Die neue Bruxismus-Definition wurde bereits in der Internationalen Klassifi- kation der Schlafstörungen (ICSD-3) der American Academy of Sleep Medi- cine (AASM, 2014) und in der aktuellen Ausgabe des Standardwerks «Orofacial Pain: Guidelines for Assessment, Dia- gnosis, and Management» der American Acad emy of Orofacial Pain (De Leeuw R &

Klasser D.: Quintessence, Chicago 2018) berücksichtigt. Es wird erwartet, dass sie auch Eingang in die nächste (die 10.) Version des Glossary of Prosthodontic Terms (derzeit: GPT-9 von 2017) finden wird.

Bruxismus ist weitverbreitet. Daten zur Prävalenz fussen in der Regel auf Eigen- berichten nach Befragung. Grosse Popu- lationsstudien sind rar, aber die Ergebnis- se einer kanadischen (2019 Teilnehmer;

Lavigne G J, Montplaisir J Y: Sleep 17:

739–743 [1994]) und einer europa-

weiten Untersuchung (13 057 Teilnehmer;

Ohayon M M: Chest 119: 53–61 [2001]) wei- sen darauf hin, dass rund 8 von 100 Men- schen (keine Geschlechtsunterschiede) von klinisch relevantem Bruxismus be- troffen sind. Die mit Abstand grösste, in Brasilien durchgeführte Schlaflaborstudie (1042 Teilnehmer; Maluly M: J Dent Res 92 [Suppl 1]: 97S–103S [2013]) stützt diese Einschätzung: Die Prävalenz betrug nach alleiniger PSG 7,4%, nach alleiniger Be- fragung 12,5% und nach Befragung plus PSG 5,5%.

Standen in der Vergangenheit okklusale und andere morphologische Faktoren als vermutete Ursachen für Bruxismus im Mittelpunkt des Interesses, so haben neuere Forschungsergebnisse gezeigt, dass zentralen Faktoren eine Schlüssel- rolle zukommt. Darunter finden sich bio- logische (z. B. Genetik; Neurochemie), psychosoziale (z. B. emotionaler Stress;

Persönlichkeit) und exogene Einflüsse (z. B. Medikamente; Rauchen).

Beim Bruxismus handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert; er wird nicht mehr ausschliesslich negativ gesehen:

Einerseits ist er ein Risikofaktor für eine Reihe gesundheitsbeeinträchtigender Abb. 5: Geburtstagsüberraschung für Prof. Dr. Ambra Michelotti, rechts neben ihr Tagungspräsident Prof. Dr. Michail Koutris (Amsterdam) und Prof. Dr. Thomas List (Malmö)

(19)

SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 10P 2019 Ereignisse (vgl. Kuhn M & Türp J C: Swiss Dent J 128: 118–124 [2018]), andererseits kommt ihm eine schützende Wirkung zu.

So liegen Hinweise dafür vor, dass eine bruxismusassoziierte Kiefermuskelaktivi- tät möglicherweise kognitionserhaltende Wirkungen entfaltet (Weijnberg R A F et al.: Gerodontology 36: 2–7 [2019]). Auch kann sich Bruxismus bei Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom positiv auswirken.

Die Diagnostik bezüglich der An- oder Abwesenheit von Bruxismus erfolgt kli- nisch auf folgende Weise:

a) Befragung, verbal und mittels eines standardisierten Fragebogens, im

deutschen Sprachraum zum Beispiel mit dem «Bruxismusstatus» (Lange M:

J Craniomand Funct 9: 57–69 [2017]);

b) extraorale Inspektion (Hypertrophie des M. masseter);

c) intraorale Inspektion (z. B. Hyperkera- tosen in der Wange; Abnutzung von Zahnhartsubstanz; Frakturen an Zäh- nen oder Implantaten).

Darüber hinaus lässt sich die Diagnose in klinisch begründeten Fällen durch Elek- tromyografie (preiswert; gut verfügbar) sowie Polysomnografie (teuer; im Schlaf- labor, daher nur beschränkt verfügbar) sichern.

Eine Behandlung ist nur dann indiziert, wenn deutliche klinische Folgezustände anzutreffen sind, wie ausgeprägte Attritio- nen (bzw., wenn Kronen auf Zähne tref- fen, Abrasionen) oder orofaziale Schmer- zen. Lobbezoo: «If bruxism is associated with severe negative consequences, it is the patient’s and dentist’s foe.»

Unter den zur Verfügung stehenden the- rapeutischen Möglichkeiten, die in der Regel eine interdisziplinäre Zusammen- arbeit erfordern (Übersicht in: Manfredi- ni D: J Oral Rehabil 42: 862–874 [2015]), sind – neben Aufklärung – orale Schienen empfehlenswert. Bezüglich der Frage nach der Wirksamkeit von Biofeedback Abb. 6: abendliches geselliges Beisammensein der Kongressteilnehmer, hier Dr. Dr. Nenad Lukic (Zürich,

links) und Prof. Dr. Jens C. Türp (Basel)

Abb. 7: Prof. Dr. Antoon de Laat (Löwen, Belgien) während der Diskussion eines Vortrags

Abb. 8: EAOPD-Präsident PD Dr. Dr. Dominik Ettlin (Zürich)

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und Verhaltenstherapie bei Schlafbruxis- mus bestehen Zweifel; dessen ungeachtet wird ein Einschluss dieser Massnahmen als Zusatz zu weiteren Behandlungsmass- nahmen als sinnvoll erachtet.

Durch das per Injektion verabreichte Neurotoxin Botulinumtoxin kann die In- tensität, durch das Benzodiazepin Clona- zepam und das Antihypertonikum Cloni- din die Häufigkeit von Schlafbruxismus reduziert werden. Aufgrund der Neben- wirkungen sollte der Einsatz dieser Phar- maka aber nur bei strenger Indikation und lediglich für eine kurze Zeit erfolgen, sofern die anderen Behandlungsmass- nahmen erfolglos blieben.

Wenn ein bestehender Bruxismus zu kei- nen schwerwiegenden negativen Auswir- kungen geführt hat, empfiehlt Lobbezoo, wegen der möglichen positiven Folgen (siehe oben) keine Behandlung durch- zuführen: «In that case, bruxism is the patient’s and dentist’s friend.»

Zahnabrieb

Eine grosse Erhebung in den Niederlan- den (n = 1125) ergab, dass 13 Prozent der 25- bis 74-jährigen Personen geringen, 80 Prozent mittelmässigen und 6 Prozent starken Zahnabrieb aufwiesen (Wetse-

laar P et al.: Caries Res 50: 543–550 [2016]) – es handelt sich bei diesem Be- fund daher keineswegs um eine quantité négligeable. Dr. Peter Wetselaar (Amster- dam) erläuterte unter anderem das mass- geblich von ihm entwickelte, modular aufgebaute tooth wear evaluation system (TWES) (Wetselaar P, Lobbezoo F: J Oral Rehabil 43: 69–80 [2016]). Es verfolgt das Ziel, die Diagnostik und die Strategien für die Versorgung geschädigter Zähne zu verbessern. Verbunden damit ist ein Vorschlag für ein Klassifikationssystem des Zahnabriebs, das unterscheidet nach Verbreitung (lokal oder generalisiert), Schwere (gering, mittel, stark oder ex- trem) und Ursache (mechanisch oder chemisch; intrinsisch oder extrinsisch:

«Die Windmühle des Zahnabriebs hat vier Windräder»).

Zu differenzieren ist zwischen einem physiologischen und einem pathologi- schen Abrieb. Es wird geschätzt, dass beim physiologischen Zahnabrieb pro Jahr Schmelz in einer Grössenordnung zwischen > 15 μm (Prämolaren) und

> 29 μm (Molaren) verlorengeht, also zwi- schen zwei und vier Shimstock-Folien- stärken. Berechnungen ergaben, dass der bei einem 70-Jährigen im Laufe seines

Lebens eingetretene abriebbedingte Ver- lust bei einem oberen Schneidezahn rund 1 mm beträgt (Lambrechts P et al.: J Dent Res 68: 1752–1754 [1989]; Ray D S et al.:

J Oral Rehabil 42: 460–466 [2015]).

Zum Umgang mit ausgeprägtem abrieb- bedingtem Verlust von Zahnhartsubstan- zen verwies der Referent auf bestehende Leitlinien (Loomans B: J Adhes Dent 19:

111–119 [2017]).

Fazit

Es hat sich viel getan in den vergangenen 30 Jahren. EAOPD-Konferenzen sind da- her eine exzellente Möglichkeit, auf dem Gebiet der Funktionsstörungen des Kau- systems à jour zu bleiben. Die Noord- wijker Zusammenkunft bestach durch erstklassige, zudem klinikbezogene Vor- träge und eine kollegiale Atmosphäre (Abb. 6). Die Diskussionsbeiträge zeug- ten von dem lebhaften Interesse des Auditoriums (Abb. 7), sehr zur Freude des EAOPD- Prä si den ten PD Dr. Dominik Ettlin (Zürich, Abb. 8). Die nächste EAOPD- Kon fe renz wird am 4. und 5. September 2020 in Lissabon stattfinden (Abb. 9).

Genauere Informationen findet man zu gegebener Zeit auf der Website der EAOPD (www.eaopd.org).

Abb. 9: Tot ziens Noordwijk! Bem-vindo a Lisboa!

Referenzen

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