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Pluraldeo Rudolf Morgenstern – Ein Bildhauer entdeckt das Schriftbild

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Academic year: 2022

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86 Rudolf Morgenstern

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Kat. 1 / PLURALDEO, 7.4.1904 / Bleistift auf Aktenpapier (Doppelblatt) / 32.6 x 21.0 cm / Inv. Nr. 1327 fol. 1 recto

Originalveröffentlichung in: Brand-Claussen, Bettina ; Röske, Thomas (Hrsgg.): Künstler in der Irre : [... anlässlich der Ausstellung

"Künstler in der Irre", 30.4. - 14.9.2008, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg], Heidelberg 2008, S. 86-93

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uf einigen Bögen Aktenpapier in der Sammlung Prinzhorn ist griechische Schrift mit Blick für ornamentale Wirkung angeord­

net (Kat. 1­3). Die Blätter, 1904 in der Psychiatrischen Klinik Tübingen entstanden, erinnern an Zeichnungen und Bilder Paul Klees aus den Jahren 1924­28, als ersieh wiederholt mit Texturen aus Zeilen gleichgroßer Zeichen auseinandersetzte (Abb. 1). Dem Bauhaus­Lehrer ging es um das Aufbauen von Bildhaftem aus Elementarzeichen, die künstlerische Konstruktion einer Welt. Was steht hinter den originellen Schriftgestaltungen, die sich in der Sammlung Prinzhorn erhalten haben?

Am 17. Oktober 1903 wird ihr Autor, der achtunddreißigjährige Rudolf Morgenstern aus Köln, von seinem älteren Bruder Karl mit Hilfe der Polizei ins Bezirkskrankenhaus Ludwigsburg zwangseingewiesen.1

Drei Monate zuvor hatte er begonnen, seinem Bruder Briefe mit Geld­

forderungen zu schicken, in denen er ihn zugleich als „Verräter" und

„Saujuden" beschimpfte. Weil die Schreiben außerdem „gespickt mit lateinischen und griechischen Brocken" waren, kamen Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Absenders auf. Bei einem Besuch in Köln stellte sich heraus, dass Rudolf überzeugt war, ihm sei „eine wichtige Entdeckung" gelungen, „die sein Bruder aus Geldgier an die französi­

sche Regierung verraten habe". Die Familie beschloss daraufhin zu han­

deln. Unter einem Vorwand lud ihn der Bruder zu sich nach Göppingen ein und veranlasste dessen Hospitalisierung, die schließlich in der Psychiatrischen Universitätsklinik Tübingen endete.

Bei der Aufnahme erzählte der Protestant Morgenstern, dessen linker Arm durch das Verschleppen eines Trippers steif geworden war, von einem weltweiten jüdischen Komplott. Seit neun Jahren werde er selbst von dem reichen Juden Gustav Kunze verfolgt. Er wie auch der Jude Silberstein hätten überall Helfershelfer und seien auch „bei dem Attentat auf den Belgischen König, bei der Genfer Affaire, beim Königs­

mord in Serbien2 usw. mit ihrem Geld beteiligt gewesen". Sämtliche Juden müssten „samt ihrem Geld vernichtet werden, auch die Schurken Morgenstern Karl u. Emil, beides Juden, die die Frechheit haben, sich seine Brüder zu nennen".

Über die Art seiner Erfindungen geben in der Akte verwahrte Briefe Morgensterns Aufschluss, die er seit August 1903 an Kaiser, König und Reichskanzler schrieb. In einem der Schreiben3 sah er sich als „der, der von Gott berufen ist die Großartigen Waffen der Erzengel Michaele wiederzubringen die auf diesem Erdkörper durch die letzte Fluthperiode

Abb. T / Paul Klee Ein Blatt aus dem Städtebuch, 1928 Öl auf Papier auf Karton, Rahmenleisten 4 2 , 5 x 3 1 , 5 cm Öffentliche Kunst­

sammlung Basel Kunstmuseum

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Kat. 2 / KOOPF, 7.4.1904 / Bleistift auf Aktenpapier (Doppelblatt) / 32.6x21.0 cm / Inv. Nr. 1327 fol. 2 recto Kat. 3 / MENSCHENFLEISCH, 7.4.1904/ Bleistift auf Aktenpapier (Doppelblatt) / 32.6 x 21.0 cm / Inv. Nr. 1327 fol. 2 verso

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verloren gingen." Er habe „das Problem des lenkbarsten Flugfahr­

zeuges, dieses Geheimnis! endgiltig, in 20 Systemen gelößt". Doch

„Tübinger Ärzte, Psychiatrischer Klinik", die ihn „durch Verläumdung und ihre Interessensucht gefangen" hielten, verzögerten seine Arbeiten

„ruchlos bereits 1 Jahr" ­ und damit „die deutsche[n] Wehrmachts­

Erfolge im künftigen Europäischen Krieg". Denn die Resultate seiner Erfindungen, die er „mit seinem Bruder Emil Morgenstern in Süssen, Württemberg" gemacht habe, ergäben ,,eine[n] der Größten Ausschlag­

gebenden Faktoren im Kriege 1908 zum größten Ruhm Deutschlands [...] und hier auf Unserem Erdkörper". Bei Morgenstern verbindet sich also eine antisemitische Verschwörungstheorie mit der Phantasie, dem Deutschen Reich in einer bevorstehenden militärischen Auseinander­

setzung mit anderen Nationen die Vormacht sichern zu können, durch die Rekonstruktion alttestamentlicher Waffentechnik ­ ein Phantasma, das in der Krankenakte die Diagnose „paranoide Wahnideen" und

„Katatonie" erhielt.

Morgenstern lehnte sich hartnäckig gegen Klinikunterbringung und Entmündigung (im März 1904) auf. Mehrere Versuche zur Flucht waren gescheitert, als sie im Oktober 1904 endlich gelang. Damit schließt die Tübinger Akte; die Stationen des weiteren Lebens sind un­

bekannt.

Rätselhafter ist, dass auch Dokumente über Morgensterns frühe­

res Leben, vor dem Klinikaufenthalt, weitgehend fehlen. Denn er hatte keinen alltäglichen Beruf. Stolz unterzeichnet er seine Briefe in der Klinik mit „Acad. Bildhauer", entsprechend der Anzeige, mit der er in den Kölner Adressbüchern 1901 bis 1904 vertreten ist: „Rudolf Morgenstern ­ acad. Bildhauer, Ausführung künstlerischer Modellier­

und Steinarbeiten, Grabmonumente, baudekorative Arbeiten, Porträts"

(Abb. 2).4 Bislang lässt sich weder belegen, dass er an einer deutschen Kunstakademie studiert hat, noch ist ein Bildhauerwerk seiner Hand nachzuweisen. Die erwähnten Geldforderungen sprechen dafür, dass er zumindest in letzter Zeit in seinem Beruf keinen Erfolg hatte ­ wohl nicht zuletzt wegen der Beeinträchtigung seines linken Armes, die das Ausüben seiner Kunst sicherlich einschränkte; möglicherweise war ein entsprechender Karriere­Einbruch sogar auslösender Faktor der psychi­

schen Krise.

Nur die Sammlung Prinzhorn verwahrt drei Zeichnungen Morgen­

sterns, zusammen mit einigen Textblättern von ihm. Sie stammen aus den Monaten des Psychiatrieaufenthaltes 1903/04. Die niedrige Fall­

Nummer (74) spricht dafür, dass sie früh von der Tübinger Klinik nach Heidelberg geschickt worden sind, vielleicht sogar schon in der Zeit von Morgensterns Aufenthalt.5

Die Schriftblätter sind weitgehend mit griechischen Buchstaben gestaltet, die jedoch keine griechischen Wörter bilden. Morgenstern hat deutsche Wörter mit Großbuchstaben des griechischen Alphabets ge­

schrieben, ähnlich einer Geheimschrift. Weil er dabei nicht konsequent vorging, zusätzliche Zeichen erfand, sinnfreie „Füllzeichen" verwendete, kaum einem ersichtlichen Sinnzusammenhang folgte und sich auch nicht immer an die Rechtschreibung hielt, ist die Entzifferung schwie­

rig. Nachvollziehbare Sinnbrocken finden sich etwa auf Kat. 1 oben:

Abb. 2 / Anzeige Rudolf Morgensterns im Kölner Adressbuch von 1901 bis 1904 Historisches Archiv der Stadt Köln

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im MapptiW 39.

„PLURALDEO/RUDOLF/MORGENSTERN/GOTT SELBER", oder auf Kat. 2 unten: „KONIG SOFORT GELD SCHIGEN/HEUTE NOCH [...]

AN RUDOLF MORGENSTERN / KOENIGLIGE KLINIKEN TUBINGEN WURTEMBERG". Auch andere entzifferbare Wörter haben einen Wider­

hall in dem, was wir über Morgenstern wissen, so „IRRENAERTZE"

(Kat. 3, vierte Zeile von unten), „TRIPPER" und „LUFTSCHIFFE [...]

ERFINDUNG DER" (Kat. 2, fünfte Zeile von oben und Mitte). Erprobte der Schreiber auf diesen Blättern einen Geheimcode und wählte dafür Wörter, die ihm gerade in den Sinn kamen? Auch hinzu gesetzte Zeilen in altdeutscher Schreibschrift scheinen eher lautlichem Interesse zu folgen; so liest man etwa auf Kat. 1 unten: „Solida, Solida, Liebe aa / Wirf die Schrauben Weg Rechts / Wenn Ihr nichts zu Essen habt Esset lieber / Schwimmling Fische". Möglicherweise begegnen wir hier einem Bewusstseinsstrom ähnlich dem, den die Surrealisten 1919 für ihre Kunst entdeckten.

Auch die drei Zeichnungen Morgensterns wirken durch Andeu­

tungen und Überzeichnungen wie Entwürfe. Das komplexere Blatt mit mehreren Szenen (Kat. 4) trägt oben wiederum einige Zeilen griechi­

scher Buchstaben. Hier könnten sie auf griechische Antike verweisen, der sich auch die Darstellungen zuordnen lassen. In der oberen Szene halten drei Gestalten, teils mit Bocksfüßen, ein kräftiges Wesen nieder

­ Chimäre oder monströses Insekt. Von rechts tragen zwei Männer mit Hüten eine große Sense heran. Links hocken drei Tiere, Löwen wohl, am Boden. In der Ferne ist ein Bergeinschnitt zu sehen, der durch ein Tor mit Säulen überbrückt wird. Rechts lagert ein weiterer Löwe. In der Mitte des Blattes reitet eine Gestalt auf bepacktem Lasttier durch einen Hohl­

weg, an einem Wesen vorbei, das links oben auf dem Felsen hockt (?).

Darüber (dahinter?) entfernt sich ein Erwachsener mit einem Kind, da­

vor knien oder liegen zwei Männer mit griechischen Helmen; links von ihnen ragt eine Sphinx­Statue auf. Unten auf dem Blatt ist ein ähnli­

ches Tor mit Säulen zwischen Felsen zu sehen wie auf der Szene oben, nur blicken wir diesmal von einer Treppenanlage darauf hinunter.

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90 Rudolf Morgenstern

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Kat. 4 / Ohne Titel, 2.4.1904 / Kopierstift auf Aktenpapier / 32.6 x 21.0 cm / Inv. Nr. 1326 fol. 1 recto

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Die zweite Zeichnung (Kat. 5) zeigt ebenfalls Tiere und Mischwe­

sen, in einer angedeuteten Gebirgslandschaft. Wir blicken auf zwei Zie­

gen oder Gemsen hinunter, die einen felsigen Weg hinaufsteigen, das vordere Tier geritten von einem zappelnden Satyr. Reagiert er auf die Gestalt am oberen Bildrand, die einen Stein auf ihn fallen zu lassen droht? Rechts davon schaut eine weitere bocksfüßige Gestalt, die einen Knaben in der Kapuze trägt, der Szene zu.

Keine der Darstellungen eignet sich zum plastischen Umsetzen. Es könnten Illustrationen zu mythologischen oder antiken Stoffen sein, wobei mehr noch als die Bildwelt Arnold Böcklins die der satirisch geprägten Zeitschrift „Jugend" anklingt. Trotz grober Zeichnung sind die Gestalten in Haltung und Dynamik oft lebendig erfasst. Manches erinnert an Max Slevogts Meisterschaft impressionistischen Vergegen­

wärtigens literarischer Szenen.

Die dritte, größte Zeichnung Morgensterns (Kat. 6) zeigt nur ein Motiv. Ein schlanker junger Mann, nackt bis auf einen phantastischen Helm, steckt bis zur Mitte der Oberschenkel im Geschiebe eines schwe­

ren Textils (?). Hinter ihm sehen Windungen und Kopf einer Riesen­

schlange hervor, rechts davon kniet ein nacktes Kind mit dem Rücken zum Betrachter. Der Jüngling hat sich aus dem Profil leicht nach hinten gedreht, wendet den Kopf aber in die entgegengesetzte Richtung und blickt über seine Schulter nach rechts aus dem Bild. Sein rechter Arm ist ausgestreckt, der verdeckte linke führt angewinkelt ein Schwert vor die Brust. Darunter ragt der Schaft einer Lanze, die wohl im Untier steckt.

Ist hier der Hl. Georg gemeint oder Siegfried, kurz bevor er im Blut des erlegten Drachens badet? Trotz unklarer Massen im unteren Teil der Komposition lässt sich hier gut eine Umsetzung in plastisches Materi­

al denken, zumal der behelmte Jünglingsakt mit Schwert an Donatellos David erinnert. Die s­förmige Biegung des androgynen Körpers ist Signatur des Jugendstils. Im Geschmack der Zeit könnte dem Zeichner eine Ausführung in Silber oder Porzellan vorgeschwebt haben.

Die Krankenakte hält fest, dass Morgenstern viel schrieb und zeichnete, gelegentlich auch an die Wand. Neben Studien nach Patienten werden der „Entwurf für eine Gruppe" (das Blatt mit dem

Hl. Georg/Siegfried?) und das Abzeichnen von entwicklungsgeschicht­

lichen Darstellungen aus einem Buch erwähnt. Einmal warf der Künst­

ler den Ärzten vor, sie hätten ihm Zeichnungen gestohlen. Sicherlich erreichte er mit souveränen Darstellungen und Porträts die Aufmerk­

samkeit von Pflegern und Ärzten. Klassische und mythologische The­

men halfen, gedanklich dem Psychiatriealltag zu entfliehen. Vor allem aber betonen diese Blätter seine Bildung und seinen Beruf in der Wirk­

lichkeit außerhalb der Klinikmauern.

Die Textblätter sind Morgensterns ungewöhnlichste Hinterlassen­

schaft. Ihre originelle Form entwickelte sich wohl aus dem Wunsch, Bot­

schaften in gelehrter Form zu verschlüsseln. Die erhaltenen Beispiele sind allerdings an niemanden gerichtet. Indem der Künstler das grie­

chische Alphabet von der griechischen Sprache ablöste, oft auf Wort­

trennungen verzichtete und fast nur gleichgroße Buchstaben verwen­

dete, stieß er auf die graphischen, ornamentalen Qualitäten der Zeichen. Das Einfügen von Füllelementen, das Reihen eines Wechsels nur zweier Buchstaben und das Beginnen und Enden der meisten Zei­

len mit dem Q wird Folge dieses erweiterten Blicks auf das Entstehen­

de gewesen sein. Die Parallele zu Klees anfangs erwähnten Bilderfin­

dungen besteht im Gleichgewicht zwischen scheinbar lesbaren und rein ornamentalen Zeichenzeilen. Nur geht Klee von sinnfreien Einzelele­

menten aus, deren Reihung die textartige Lesbarkeit einer Kunstwelt suggeriert, während Morgenstern im Werkprozess den ursprünglich in­

tendierten Sinn der Zeichen immer mehr zur Disposition stellt.

1 Die Angaben zu Morgensterns Leben vor und während des Klinikaufenthalts sind der Tübinger Krankenakte entnommen, die sich heute im Universitätsarchiv Tübingen befin­

det, Sign. 3 0 9 / 2 2 4 5 .

2 Im November 1902 versuchte der Anarchist Cennaro Rubino, in Brüssel den Belgi­

schen König Leopold II. zu töten; im Juni 1903 wurden der Serbische König Aleksandar Obrenovic und seine Gattin von aufständischen Offizieren in Belgrad ermordet.

3 Brief Rudolf Morgensterns an den „„Ministerpresident von Bülow Reichskanzler Com­

thur pp.pp. Berlin", Tübingen, den 12. September 1904, Krankenakte Tübingen.

4 Ich danke Herrn Thomas Deres vom Historischen Archiv der Stadt Köln für seine Hilfe bei der Recherche nach Rudolf Morgenstern.

5 Siehe die unten erwähnte Beschwerde Morgensterns über „gestohlene" Zeichnungen.

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Kat. 5 / Ohne Titel, um 1904 / Kopierstift auf Aktenpapier / 36.6 x 21.0 cm / Inv. Nr. 1326 fol. 2 recto

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Kat. 6 / Hl. Georg / Siegfried ?, 2.4.1904 / Kopierstift auf Aktenpapier / 42.0 x 32.6 cm / Inv. Nr. 1325

Referenzen

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