A2542 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 38⏐⏐21. September 2007
A K T U E L L
PSYCHOTHERAPEUTEN
Verbot verdeckter Ermittlungen gefordert
Die Bundespsychotherapeutenkam- mer (BPtK) fordert ein Verbot ver- deckter Ermittlungen in psychothe- rapeutischen Praxen. Der Gesetz- entwurf zur Neuregelung der Tele- kommunikationsüberwachung sieht vor, auch Gespräche zwischen Psy- chotherapeuten und Patienten ab- hören zu können. „Das ist ein massi- ver Eingriff in den Kernbereich der privaten Lebensführung“, erklärte BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter. Das heimliche Mithören psychotherapeutischer Gespräche gefährde zudem den Erfolg der Be- handlung. „Ohne das unbedingte Vertrauen in den Schutz der Privat- sphäre ist eine Heilbehandlung nicht möglich“, betont Richter.
Die BPtK verlangt deshalb, die Arbeit von Psychotherapeuten vor verdeckten Ermittlungen genauso zu schützen wie die von Seelsor- gern, Verteidigern und Abgeordne- ten, deren Gespräche auch in Zu- kunft nicht abgehört werden dürfen.
Gespräche zwischen Therapeut und Patienten gehörten zum Kernbereich privater Lebensführung, die nach ei- nem Urteil des Bundesverfassungs- gerichts auch bei der Verfolgung
von schweren Straftaten geschützt werden müsse. Das Bundesverfas- sungsgericht zählte zu diesem Kern- bereich Gespräche mit Verteidigern und im Einzelfall auch Gespräche mit Ärzten. Ein Gespräch über einen Schnupfen sei danach nicht unbe- dingt schutzwürdig, ein psychiatri- sches Therapiegespräch könne da- gegen schon zum Kernbereich pri- vater Lebensführung gezählt wer- den, erläuterte Bundesjustizministe-
rin Brigitte Zypries in dem Artikel
„Balance zwischen Strafverfolgung und Grundrechtsschutz“ im Deut- schen Ärzteblatt (Heft 33/2007). PB
ZWANGSRUHESTAND MIT 68
Klage hat aufschiebende Wirkung
Klagen Ärztinnen und Ärzte gegen den Entzug der Kassenzulassung, weil sie das 68. Lebensjahr erreicht haben, hat dies aufschiebende Wir- kung. Das hat das Landessozialge- richt Bayern entschieden (Az.: L 12 KA 835/06 KR ER). Das Gericht tritt damit der Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Hessen entge- gen. Für den Arzt bedeute dies, dass er – zumindest in Bayern – das Ende der Zulassung verzögern könne, sagte dazu der Wiesbadener Rechts- anwalt Maximilian Broglie. Die Zu- lassung gelte bis zum rechts- und bestandskräftigen Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens weiter. Dies erscheine vor allem im Hinblick auf noch schwebende Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof sinn- voll. Dieser werde voraussichtlich noch in diesem Jahr über die Recht- mäßigkeit von nationalen Alters- grenzen entscheiden. HK
DIESELABGASE: AKUTE AUSWIRKUNGEN AUF DAS HERZ
Das Einatmen von Feinstaub aus Dieselabga- sen verstärkt bei Patienten mit koronarer Herz- krankheit (KHK) die Ischämiezeichen im Belas- tungs-EKG und erhöht die Gerinnungsfähig- keit des Blutes. Diese Befunde einer randomi- sierten kontrollierten Studie (NEJM 2007; 357:
1075–82), welche die British Heart Foundation bei Forschern aus Edinburg (Schottland) und Umeå (Schweden) in Auftrag gegeben hatte, erklären plausibel, warum an Tagen oder in Ge- genden mit hoher Schadstoffbelastung die Zahl der Herzinfarkte erhöht ist.
20 Männer mit bekannter KHK, die in den vorausgegangenen sechs Monaten einen Herz- infarkt erlitten hatten, wurden zu einem Belas- tungs-EKG eingeladen. Dabei wurde genau darauf geachtet, dass die Männer zum Zeit- punkt der Experimente nicht an Angina pecto- ris, Diabetes mellitus Typ II, unkontrollierter
Hypertonie oder schweren Organerkrankungen litten, was zu einer Gefährdung bei den Versu- chen hätte führen können. Die Experimente fanden in einer Expositionskammer der Univer- sität Umeå statt, in die Abgase eines Dieselmo- tors im Leerlauf abgeleitet wurden.
Deutliche ST-Strecken-Senkung Damit die Bedingungen lebensecht waren, wur- de ein handelsüblicher Automotor verwendet (Volvo TD45, 4,5 Liter, vier Zylinder, 680 rpm), dessen Abgase (gemischt mit frischer Luft) in der Kammer eine Feinstaubkonzentration von 300 µg pro Kubikmeter erzeugten, wie sie auch in Straßennähe in Großstädten regelmäßig er- reicht wird. In einem Kontrollexperiment atmeten die Teilnehmer gefilterte Luft ein. Sie radelten zweimal eine Viertelstunde, danach gab es eine gleich lange Ruhepause. Während der Belastung
stieg in beiden Gruppen die Herzfrequenz in glei- chem Maß an. Doch die ST-Strecken-Senkung, das klassische Ischämiezeichen im Belastungs- EKG, war beim Einatmen der Dieselabgase deutlich erhöht. Hinzu kam, dass die Konzen- tration des Gewebsplasminogenaktivators (t-PA) – ein etabliertes Medikament zur Behandlung eines Herzinfarkts – in der Arteria brachialis herabgesetzt war. Keiner der Teilnehmer erlitt einen Infarkt.
Nicholas Mill (Edinburg) ist sich sicher, dass Dieselabgase schädlicher sind als Benzin- abgase. Der Feinstaubgehalt liege zehn- bis 100-fach höher. Ob Feinstaubfilter die Gefähr- dung herabsetzten, müsse in weiteren Studien untersucht werden. Wenn sie aber wirklich die Belastung mit Feinstaub herabsetzten, könnten sie von größter Bedeutung für die öffentliche Gesundheit sein, vermutet Mills. Rüdiger Meyer Gespräche zwischen Therapeut und
Patient gehören zum Kernbereich priva- ter Lebensführung.
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