• Keine Ergebnisse gefunden

■ Das Elektron auf der Präzisionswaage

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "■ Das Elektron auf der Präzisionswaage"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

B R E N N P U N K T

18 Physik Journal 13 (2014) Nr. 5 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

D

as Elektron bestimmt fast alle elektrischen Phänomene und ist für das Verhalten und die Re- aktionen der Atome und Moleküle verantwortlich. Doch viele seiner Eigenschaften sind noch immer ein Rätsel. So wissen wir nur, dass sein Radius kleiner als 2 · 10–20 Meter sein muss, wahrscheinlich ist es sogar punktförmig. Das Elektron ist das leichteste elektrisch gela- dene Elementarteilchen. Seine Masse gibt CODATA derzeit mit 9,109 382 91(40) · 10−31 Kilogramm an.1) Ladung und Masse des Elek- trons gehen als fundamentaler Pa- rameter in das Standardmodell und viele grundlegende Berechnungen ein. Leider sind diese Größen nicht vorhersagbar, sondern müssen ge- messen werden. Daher bemühen sich Physiker, Experimente zu ent- wicklen, mit denen sich die Genau- igkeit erhöhen lässt.

Für die Präzisionsmassenmes- sungen dienen heute in der Regel Penning-Fallen [1], die geladene Teilchen in einer Kombination aus elektro- und mag netostatischen Feldern speichern. Die Teilchen vollführen darin eine charakteris- tische Eigenbewegung, aus der man ihre Umlauffrequenz bestimmen kann, die Zyklotronfrequenz.

Diese wiederum lässt bei Kennt- nis der Magnetfeldstärke einen Rückschluss auf die Masse des gespeicherten Teilchens zu. Dazu dient üblicherweise ein zweites

Teilchen mit bekannter Masse, um die Frequenzen vergleichen zu kön- nen. Allerdings macht die äußerst geringe Masse des Elektrons eine genaue Bestimmung sehr schwierig, weil es schon bei den kleinsten Be- wegungsamplituden großen syste- matischen Verschiebungen unter- liegt, unter anderem aufgrund der relativistischen Massenzunahme.

Eine deutlich höhere Mess- genauigkeit erreichte nun das Team von Klaus Blaum vom Max-Planck- Institut für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg, zusammen mit Kol- legen von der Universität Mainz

und vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung [2].

Dazu nutzten sie einen Kniff: Sie brachten das Elektron nicht einzeln in die Falle, sondern banden es an einen nackten Kohlenstoffkern.

Das entstandene hochgeladene Ion hat eine deutlich höhere Masse als das Elektron und ist somit träger.

Bei gleicher Energieaufnahme fällt der relativistische Zuwachs also ge- ringer aus. Gemessen werden nun gleichzeitig die Zyklotronfrequenz des Ions und die Larmor-Frequenz (Spinpräzessionsfrequenz) des Elektrons. Letztere ist abhängig vom magnetischen Moment und damit auch der Masse des Elek- trons, die sich aus dem Verhältnis der beiden Frequenzen ergibt. Eine genauere Messung mit dieser Me- thode war aber nur möglich, weil die Theoriegruppe um Christoph Keitel am MPIK den g-Faktor des gebundenen Elektrons, der die notwendige Verbindung zwischen Larmor-Frequenz und Elektronen- masse herstellt, quantenelektro- dynamisch mit bisher unerreichter Genauigkeit berechnen konnte.

Die von Projektleiter Sven Sturm speziell entwickelte Apparatur ist

Das Elektron auf der Präzisionswaage

Deutschen Physikern gelingt es, die Masse des Elektrons um einem Faktor 13 genauer als bisher zu bestimmen.

Abb. 1 Der Penning-Fallenturm aus ver- goldeten Elektroden (a, noch unverka- belt) und Keramik-Isolatoren ermög licht es, sowohl hochgeladene Ionen zu er- zeugen als auch die Frequenzen und Spinzustände präzise zu messen. Im Auf- bau (c) erzeugt ein Ni-Ring eine „magne- tische Flasche“ zum Einschluss des Ions

(b). Die daraus folgende magnetische Kraft auf das gefangene Ion ist von der Orientierung seines magnetischen Mo- ments (im Wesentlichen des gebun- denen Elektrons) abhängig. In der Präzi- sionsfalle wird seine Orientierung reso- nant geändert und kann damit bestimmt werden.

elektrostatisches Potential

Ni-Ring

Elektroden für elektrisches Feld Elektronstrahl- Ionenquelle (EBIT)

Analysefalle

Präzisionsfalle magnetische Kraft

Ion

a b c

magnetisches Moment

Magnetfeld

1) CODATA Internatio- nally recommended values of the Fundamen- tal Physical Constants http://physics.nist.gov/

cuu/Constants/

Prof. Dr. Reinhold Schuch, Atomic Phy- sics, Fysikum, Stock- holm University, Al- baNova, 10691 Stock- holm, Schweden

Hochkomplexe Verschränkung Einer Forschergruppe um Anton Zeilin- ger von der Universität Wien ist es ge- lungen, zwei Photonen 100-dimensio- nal zu verschränken. Dazu erzeugten sie mit einem nichtlinearen optischen Kristall Photonen mit einer hohen Zahl räumlicher Moden. Die Forscher veri- fizierten die Dimensionalität der Ver- schränkung, indem sie die Verschrän- kung zwischen jeweils zwei Moden der beiden Photonen maßen. Das Experi- ment ist ein wichtiger Schritt, um zu klären, ob die Menge an Information, welche räumlich getrennte Teilchen

durch Verschränkung teilen können, fundamental beschränkt ist.

M. Krenn et al., PNAS, DOI: 10.1073/

pnas.1402365111 (2014)

Das Gesetz des Spielfelds

Französische Physiker haben gezeigt, dass die Größen von Sportfeldern linear von der maximalen Wurf- bzw.

Schussweite des Sportgeräts ahängen.

Die Maximalweiten berechneten sie ausgehend von Geschwindigkeits- rekorden und unter Berücksich tigung des Luftwiderstandes.

B. D. Texier et al., NJP 16, 033039 (2014)

K U R Z G E FA S S T

(2)

B R E N N P U N K T

© 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 13 (2014) Nr. 5 19 in einem supraleitenden Magneten

mitsamt entsprechender kryo gener hochsensitiver Elektronik bei der Temperatur von flüssigem Heli- um untergebracht [3] (Abb. 1): Die hochgeladenen Kohlenstoffionen werden in einer Elektronenstrahl- Ionenquelle (EBIT) erzeugt. In der Analysefalle bestimmt man den Spinquantenzustand des Elektrons, welches im C5+-Ion gebunden ist, nichtdestruktiv mittels des kontinuierlichen Stern-Gerlach- Effektes. Diese Methode geht auf Hans Dehmelt (Nobelpreis 1989) zurück: In der Analysefalle wird das sonst sehr homogene Magnet- feld B0 durch einen magnetisier- baren Ni-Ring etwas inhomogen gemacht und eine magnetische

„Flasche“ erzeugt. Dann wirkt auf das Ion mit magnetischem Mo- ment µ die Kraft F = –∇(µ B) mit

B = B0 + B2 [(z2 – r2/2) ez – z r] und damit Fz = –2µz B2 z, also linear in der axialen Koordinate z genau wie die Kraft in z-Richtung durch die elektrostatischen Elektroden.

Dies bewirkt eine harmonische Schwingung in z-Richtung mit verschobener Frequenz um die Grundfrequenz je nach Einstellung der Spinkomponente. In der Präzi- sionsfalle wird die Orientierung der Spinkomponente durch Mikrowel- len resonant geändert und damit, in Kombination mit der Analysefalle, die Lamor-Frequenz des Elektrons gemessen. Dank einer neuartigen Messtechnik lässt sich die Zyklo- tronfrequenz, und damit die Größe des Magnetfelds, in der Präzisi- onsfalle phasensensitiv sehr genau messen [4]. Insgesamt resultiert da- raus für die Elektronenmasse eine Genauigkeit von elf Stellen, mehr

als eine Größenordnung genauer als alle bisherigen Messungen [5, 2]

(Abb. 2).

Der neue Wert der Elektronen- masse – der 1/1836,15267377te Teil der Protonenmasse – eröffnet nun die Möglichkeit, das Standard- modell noch wesentlich genauer als bisher zu prüfen und so nach möglicher „neuer Physik“ zu su- chen. Unter anderem gibt es zurzeit sowohl im Rahmen der SPARC- Kollaboration2) an der GSI bzw.

künftig FAIR als auch am MPIK Anstrengungen, die Quantenelek- trodynamik durch Messungen des g-Faktors in schweren, hochge- ladenen Ionen unter extremsten Bedingungen zu prüfen [6]. Dafür wird die Elektronenmasse als Ein- gangsparameter benötigt. Darüber hinaus eröffnet die verbesserte Genauigkeit auch einen Zugang zu weiteren Fundamentalkonstanten, wie beispielsweise der Feinstruk- turkonstanten αem [7].

Reinhold Schuch [1] S. Sturm, G. Werth und K. Blaum,

Annalen der Physik 525, 8 (2013) [2] S. Sturm et al., Nature 506, 467 (2014) [3] B. Schabinger et al., Eur. Phys. J. D 66,

71 (2012)

[4] S. Sturm, A. Wagner, B. Schabinger und K. Blaum, Phys. Rev. Lett. 107, 14 (2011) [5] P. J. Mohr, B. N. Taylor und D. B. Newell,

Rev. Mod. Phys. 84, 4 (2012)

[6] D. von Lindenfels et al., Phys. Rev. A 87, 023412 (2013)

[7] R. Bouchendira et al., Phys. Rev. Lett.

106, 8 (2011) Abb. 2 Die Ent-

wicklung der Ge- nauigkeit der Elek- tronenmasse: Der neue Wert (rot) ist über eine Größen- ordnung präziser als alle vorherigen Messungen.

Gabrielse VanDyck

Farnham

Häffner Verdú

Hori

Sturm 10–7

10–8

10–9

10–10

10–11

Genauigkeit

1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Jahr

2) www.gsi.de/sparc

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Teilnehmenden werden ge- beten, ihre Tüte so zu gestalten, dass sie damit etwas Wichtiges über sich selbst und/oder ihre Lebenserfahrungen aus- sagen oder etwas zeigen können,

Der Zionismus ist die Idee, dass europäische Jüdinnen und Juden, die Y Antisemitismus ausgesetzt sind, nach Y Palästina auswandern und dort eine neue, sichere Heimat aufbauen..

In Bezug auf unser Thema ließen sich diese Schwierigkeiten ebenfalls über die Lehrpläne relativ kurzfristig ein Stück weit abbauen, indem man Schwerpunkte, beispielsweise auf

Aus der Begründung zur Neufassung der Regelungen geht hervor, dass diese erkennungsdienstliche Behandlung und Registrierung von unbegleiteten Minderjährigen durch

Angesichts des gesteigerten Inhalts der AZR-Daten über viele höchstpersönliche Umstände insbesondere im Asylverfahren und die leichtere Zugänglichkeit dieser Daten besteht

Die Nutzung ist nur für den genannten Zweck gestattet, nicht jedoch für einen weiteren kommerziellen Gebrauch, für die Weiterleitung an Dritte oder für die Veröffentlichung

• Meditationsübungen: Eine vollständige Meditation kommt vor allem für Fortgeschrittene in Frage, doch es gibt auch einfa- chere Varianten: Mit Atemübun- gen und

Vergütung aufgrund organschaftlicher Treuepflicht bzw. Herabsetzung der Vergütung im Wege einer Änderungskündigung? 78 E. Herabsetzung der Vergütung unter Anwendung der