ME LKTE C H N IK
Thomas H ügle und Helga And ree, Kiel. sowie Eckhard Bol I . Futterkamp
Zur Ansetzgenauigkeit
des Mel kzeuges bei AMS
Automatische Melksysteme (AMS) sollen das Melkpersonal von der täglich mindestens zweimal zu festgelegten Tageszeiten durchzu- führenden Melkarbeit befreien.
Hierzu müssten die Systeme die bei konventionellen Melkanlagen noch nicht automatisierten Routinear
beiten Euterreinigung, visuelle Milchkontrolle sowie Melkzeug an
setzen und ausrichten übernehmen.
Diese Arbeiten müssen zügig und sorgfältig durchgeführt werden, damit die physiologischen Bedürf
nisse der Kuh erfüllt werden.
Schlüsselwörter
Automatische Melksysteme, Arbeitsqualität physiologisches Melken
Keywords
Automatie milking systems, work quality, physiologi
cal milking
Priv.-Doz. Dr.agr.habil Thomas Hügle ist Dberassis
tent, Dipl.-lng.agr. H elga Andree wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik der Universität Kiel (Direktor Prof. Dr. lsensee), Max-Eyth-Straße 6, 241 18 Kiel, e-mail: thuegle@ilv.uni-kiel.de
D r. agr. Eckhard Ball ist Leiter des Bildungs- und Beratungszentrums Futterkamp der Landwirt
schaftskammer Schleswig - Holstein.
Referierter Beitrag der LANDTECHNIK, die Langfas
sung erscheint in Bd. 5 der Agrartechnischen Forschung, H. 1/99
1 38
D
ie Entwicklungen in der Melktechnik der letzten Jahre hatten vor allem die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die Verbesserung der Melkarbeit zum Ziel.Melkmaschinen mit Stimulations-, Nach
melk- und Abnahmeautomatik senken die notwendige Zeit für Routinearbeiten auf et
wa eine Minute pro Kuh und Melkzeit [1].
Die Melkperson hat nur noch die Routinear
beiten Abmelken der ersten Striche, Euter
und Zitzenreinigung, Milchkontrolle sowie Ansetzen und Ausrichten des Melkzeuges zu erledigen. Automatische Melksysteme (AMS) sollen nun auch diese verbleibenden Routinearbeiten übernehmen.
Melken mit
automatischen Melksystemen
Schulmäßiges Melken setzt die fließende Aneinanderreihung mehrerer H andgriffe voraus. Bei automatischen Melksystemen müssen mechanische Werkzeuge den äußert komplexen Vorgang Melken durchführen.
Dies erfordert ein äußerst aufwendiges me
chanisches Gebilde mit umfangreicher Mess- und Regelungstechnik. Die Reihen
folge der Arbeitsrautirren des konventionel
len Melkens können automatische Melksys
teme dennoch nicht nachahmen . Es werden deshalb die Reihenfolge der einzelnen Ar
beitsschritte geändert sowie die Z ahl der Werkzeugwechsel und der Werkzeuge stark reduziert.
D as untersuchte AMS entspricht einer T andembox. Die Kuh wird beim Eintreten identifiziert, festgehalten und erhält Kraft
futter, f alls sie die Bedingungen für ein Mel
ken erfüllt. Ein an der Rückwand der Melk- 1 00,00 ,.----
box gelenkig installiertes H alteschild dient als Sensor zur groben Positionsbestimmung der Kuh und als Führungsgröße beim Ein
schwenken des Servicearmes unter die Kuh . Der Servicearm hält das Melkzeug und die mit Tüchern umhüllten Rollen zur Zitzenrei
nigung. Er besitzt zur exakten Positionsbe
stimmung der einzelnen Zitzen einen mit ei
nem Schwenkmechanismus ausgestatteten Lasersensor. Der Lasersensor ermittelt den Abstand zur Zitze. Aus Schwenkwinkel und Abstand der Zitze zum Laser erfolgt dann durch Triangulation deren Positionsbestim
mung.
Der Servicearm wird von dem Messsys
tem so unter dem E uter positioniert, dass sich die Öffnung des entsprechenden Melk
bechers exakt unter der dazu gehörenden Zitze befindet. Er führt dann eine vertikale Bewegung durch, um den Melkbecher anzu
setzen.
Die Untersuchungen zur Ansetzgenauig
keit des AMS finden im Bildungs- und Be
r atungszentrum Futterkamp der L andwirt
schaftskammer Schleswig-Holstein statt . D as dort im Juni 1998 installierte AMS ist in einem 1 + 1 Liegeboxenlaufstall am Kopfen
de des Futterganges installiert. Im Stall wer
den bis zu 50 Kühe der Rassen Angler, Rot
bunt und Schwarzbunt gehalten. Sie stam
men aus der auf dem Betrieb vorhandenen 100-köpfigen Milchviehherde. Kühe, die dem AMS Probleme bereiteten, werden ge
gen Tiere aus dieser Herde ausgetauscht. Auf diese Weise werden die durch Kühe beding
ten Fehler minimiert.
Die Melkarbeit des AMS wird mit einer Schwarz-Weiß- Beobachtungskamera und einem L angzeit-Videorecorder aufgezeich-
90,00
+- ---
Bild 1: Anteil erfolgrei
cher und nicht erfolgrei
cher Melkversuche Fig 1: Percentage of successful and not successful milking
60,00 70,00 ::? � 60,00 e..,.. jg
]!
�
50,00�
�
40,00.30,00 20,00 1 0,00 0,00
Ansetzversuch Korrektur 1 Korrektur 2 Melkabbruch
attempts L---'
54. J a h rgang LANDTECH N I K 3/99
80,00 70,00
� � 60,00
L !l
�
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50,00� ll. 15
40,00 30,00 20,00 1 0,00 0,00
0 - 1 > 1 - 2 > 2 - 3 > 3 - 4 > 4 - 5 > 5
Ansetzdauer (min) Time for cluster fixation (min)
Bild 2: Ansetzdauer (min) der beim ersten Ansetzversuch erfolgreichen Melkungen Fig 2: Time (min) neededfor c/uster fixation with first attachment suc-cessfu/ milkings net. Bei der Auswertung der Bänder werden
Beginn und Ende eines jeden Melkversuches für das erste Ansetzen , Anzahl der Melk
zeugkorrekturen sow ie die Anzahl der Ser
vicearmhübe, die gleichbedeutend sind mit dem Ansetzversuch eines Zitzenbechers, so
wohl beim ersten Ansetzen als auch bei den Melkzeugkorrekturen notiert.
Ergebnisse
Die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse wurden in den Monaten Juli bis November 1 99 8 ermittelt. In dieser Zeit wurden maxi
mal 47 und mindestens 27 Kühe tägl ich von dem AMS gemolken. Die Anzahl der An
setzversuche schwankte in der Beobach
ttmgszeit zwischen 40 und 156. Jede Kuh wurden durchschnittlich 2,7mal täglich ge
molken. Die Schwankungsbreite der Melk
häuf igkeit lag im Versuchszeitraum zwi
schen 2,0 und 3,3 Melkungen pro Kuh und Tag. Der Ansetzerfolg bei allen Melkversu
chen während des Beobachtungszeitraumes lag im Mittel bei 95 % und bestätigt damit die Beobachtungen von [2].
Bis ein Melkversuch endgültig als ge
scheitert gilt, unternimmt das AMS bis zu zwei Korrekturversuche. Die folgenden Er
gebnisse stammen aus 3 8 10 zufallig ausge
werteten Melkversuchen im Beobachtungs-
zeitraum. Bild 1 zeigt die Auswertung nach den Kriterien korrekter Melkzeugsitz beim ersten Ansetzversuch, nach erster oder zwei
ter Melkzeugkorrektur und Melkabbruch.
Danach verliefen etwa 90% aller Ansetzver
suche ohne Korrektur des Melkzeugsitzes erfolgreich. Bei etwa 5% mussten eine oder zwei Melkzeugkorrekturen durchgeführt werden, bis das Melkzeug richtig sitzt, und in weiteren 5% der Fälle erfolgte ein Mel
kabbruch. Insgesamt enden somit auch bei der Stichprobe etwa 95% aller Melkversuche erfolgreich.
In den Bilder 2 und 3 werden nur die er
fo lgreichen Melkungen der Stichprobe berücksichtigt, bei denen keine Melkzeug
korrektur notwendig war. Es zeigt sich, dass in etwa 70% das Melkzeug spätestens eine Minute nach erfolgter Zitzenreinigung kor
rekt am Euter sitzt. In den restlichen Fällen können hingegen bis zu fünf Minuten verge
hen , bis das automatische Melksystem an al
len vier Zitzen melkt .
Das AMS setzt den Melkbecher mit einer Hubbewegung des Servicearmes an. Es sind mindestens v ier Hubbewegungen notwen
dig, um das Melkzeug komplett an ein Euter anzusetzen. In Bild 3 werden vier Ansetzbe
wegungen des Servicearmes als ein Zugriff zusammengefasst. Der größte Teil aller Melkversuche ist demnach spätestens nach
25,00 .-:------------------
20,00
r�
1 5,00 1---'--- Bild 3: Ansetzdauer des-i i
10,00 • Melkzeuges je EuterN I=
•
\
• • abhtingig von der5,00
! Jil i � � �� � : � =: ===== = =
Anzahl der Zugriffe 0,00-o 20 40 60 80 100 Fig 3: Time for cluster
fixation per udder depending an number of c/uster operations
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Zugriffe Cluster operations
fünf Zugriffen oder zwei Minuten abge
schlossen. Für die restlichen Melkungen er
geben sich zwei deutlich vonein ander abwei
chende Punktewolken.
Bei der ersten Punktewolke n immt der Zeitbedarf für den Vorgang "Melkzeug An
setzen" linear mit der Anzahl der Zugriffe zu. Eine verschmutzte Messoptik oder ein zu wenig differenzierendes Messsystem kön
nen Ursache der Ansetzprobleme sein . Mel
kungen mit teilweise nur einem, höchstens fünf Zugriffen, aber einem hohen Zeitbe
darf, bis das Melkzeug sitzt, sind typisch für die zweite Punktewolke. Bei diesen Ansetz
versuchen standen die Kühe nervös in der Melkbox . Dem Laserortungssystem bereitet es dabei Schw ierigkeiten, den Servicearm den Kuhbewegungen nachzuführen, um
dann das Melkzeug anzusetzen.
Schlussbetrachtung
Die Zitzenreinigung und das Ansetzen des Melkzeuges sollten unter physiologischen Gesichtspunkten spätestens nach einer Mi
nute abgeschlossen sein. Bei dem untersuch
ten AMS dauern mindestens 35 % aller All
setzvorgänge jedoch länger. Das Euter w ird dabei einerseits durch die Servicearmhübe gereizt, andererseits werden häufig einzelne Euterviertel schon längere Zeit gemolken, während das AMS an anderen V ierteln noch versucht den Melkbecher anzusetzen. Es ist deshalb zu prüfen, in w ieweit dieser hohe Anteil überlanger Ansetzversuche durch verbesserte Messtechn ik und regelmäßige Reinigung der Optik vermindert werden kann. Es ist zusätzlich durch physiologische und hormonelle Untersuchungen zu prüfen, in welchem Ausmaß die Kuh dadurch Stress erleidet und wie sie mit diesem Stress fertig w ird. Erst wenn h ierzu positive Ergebnisse vorliegen, liegt Praxistauglichkeit für ein AMS vor.
Literatur
[1] Karch, G.: Experimentelle Untersu chungen zur Vorstimulation von Kühen unter besonderer Berücksichtigung technischer Einflussgrößen der Vibrationspulsierung auf das Milchabgabe
verhalten und arbeitswirtschaftliche Aspekte.
Dissertation, München 1 990
[2] Wend/, G .. J. Lieb/er. H Schön und S. Sieber.
Einboxe n - Kompaktanlage .. Astronaut" der Firma LELY. Automatisches Melken (AMS), KTBL - Arbeitspapier 248, Da rmstadt, 1 997, S. 1 9 - 30 [3] Worstorff, H.: Melkstand oder Roboter: Welche
Technik für welchen Betrieb? Rationalisierungs
Kuratorium für Landwirtschaft (RKL) 4.1 .0 (1 998), S. 461 - 483
[4] Wend/, G., J. Lieb/er. H. Schön und S. Sieber.
Einboxen-Kompaktanlage "Astronaut" der Fa.
Lely. Automatisches Melken (AM S). KTBL
Arbeitspapier 248, Da rmstadt, 1 997, S. 1 9 - 30
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