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Klimakonferenz in Cancún: Ergebnisse und Ausblick | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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51 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2011

Das Erbe von Kopenhagen

An der Klimakonferenz in Cancún vom 29. November bis 10. Dezember 2010 stand zunächst die Verarbeitung des «Erbes von Kopenhagen» in zweierlei Hinsicht an:

− Erstens waren in Kopenhagen im Rahmen des Copenhagen Accords einige wichtige Grundsatzentscheide getroffen worden, die aufgrund des Widerstandes weniger Län- der von der Vertragsparteienkonferenz le- diglich zur Kenntnis genommen und nicht formell verabschiedet worden wa- ren. Somit war eines der Ziele in Cancún, die deklaratorischen Beschlüsse des Copenhagen Accords in Entscheide unter der UNO-Klimarahmenkonvention über- zuführen und inhaltlich weiter zu konkre- tisieren.

− Zweitens galt es, die tiefe Vertrauenskrise in die UNO-Klimaverhandlungen zu über- winden. Nach der enttäuschenden Konfe- renz in Kopenhagen stand die Zukunft des UNO-Klimaprozesses insofern in Fra- ge, als eine minimale Lösungsfindung ausserhalb der UNO unter ähnlich ge- sinnten Ländern immer wahrscheinlicher wurde. Dieses fragmentierte Vorgehen hätte jedoch u.a. impliziert, dass ein inter- national koordiniertes Vorgehen zur Lö- sung des globalen Klimaproblems in weite Ferne gerückt wäre, und dass vom Klima- wandel besonders stark betroffene Ent- wicklungsländer oder relativ kleine, emis- sionsarme Länder – wie die Schweiz – stärker marginalisiert worden wären.

Cancún Agreement als Grundstein für weitere Verhandlungen

Die Verhandlungen in Cancún standen bis zum letzten Abend auf des Messers Schneide. Nicht zuletzt dank der ausgezeich- neten mexikanischen Konferenzpräsident- schaft konnte – trotz des Widerstandes von Bolivien – ein relativ ausgewogenes Gesamt- paket verabschiedet werden: das Cancún Agreement (vgl. Kasten 1). Die Entscheide der Vertragsparteienkonferenz reflektieren in wichtigen Schlüsselbereichen Kompromisse, welche das Vertrauen in den multilateralen Klimaprozess gestärkt haben und die Grund- lage für die weiteren Verhandlungen bilden.

Ziel bleibt die Verabschiedung eines wirk- samen Klimaregimes, das – neben globalen Emissionsreduktionen – auch die Rahmen- bedingungen für die Anpassung an den Kli- mawandel, den Technologietransfer sowie die finanzielle Unterstützung von Entwick- lungsländern zur Umsetzung von Klima- massnahmen regelt.

Im Rahmen der zukünftigen Verhand- lungen gilt es zunächst, die Beschlüsse von Cancún weiter zu konkretisieren. In Bezug auf die finanzielle Unterstützung von Reduk- tions- und Anpassungsmassnahmen in Ent-

Klimakonferenz in Cancún: Ergebnisse und Ausblick

Nachdem das Resultat der Klima- konferenz in Kopenhagen Ende 2009 trotz der Anwesenheit von über 100 Regierungschefs eher dürftig ausfiel, erwartete an der Klimakonferenz in Cancún nie- mand den grossen Wurf. Insge- samt können die Entscheide des

«Cancún Agreements» jedoch als wichtiger Zwischenerfolg gewer- tet werden, die ein unmittelbares Abgleiten der UNO-Klimaverhand- lungen in die Bedeutungslosig- keit verhindert haben. Die ver- bleibenden klima-, wirtschafts- und entwicklungspolitischen Herausforderungen zur Verab- schiedung eines global wirksamen Vorgehens gegen den Klimawan- del sind weiterhin immens. Na- mentlich gilt es, die Beschlüsse von Cancún zu konkretisieren, weitere Kompromisse in offenen Schlüssel fragen zu finden sowie die rechtliche Verbindlichkeit des zukünftigen Abkommens zu regeln.

Kathrin Bucher Ressort Umwelt- und Energiepolitik, Staats- sekretariat für Wirtschaft Seco, Bern

Kasten 1

Die wichtigsten Beschlüsse des Cancún Agreements

− Beschränkung des globalen Temperaturanstiegs unter 2°C und Überprüfung dieses Ziels bis 2015 im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse;

− Übermittlung der individuellen Reduktionsziele von Industrie- und Entwicklungsländern in den UNO- Konventionsrahmen und Lancierung eines Prozesses zur besseren Transparenz in Bezug auf die einzelnen Reduktionsanstrengungen;

− Ausarbeitung und Stärkung von internationalen Mechanismen zur Messung, Berichterstattung und Review von Reduktionsmassnahmen in Industrie- und Entwicklungsländern;

− Etablierung eines Registers für Reduktionspläne von Entwicklungsländern und den zur Verfügung stehen- den finanziellen Ressourcen mit dem Ziel, das Abglei- chen von Bedarf und Mittel zu erleichtern;

− Bestätigung des Ziels, bis 2020 100 Mrd. US-Dollar zur Finanzierung von Reduktions- und Anpassungs- massnahmen in Entwicklungsländern zu mobilisieren.

Die Mittel sollen sowohl aus öffentlichen wie auch privaten Quellen generiert werden;

− Etablierung des sogenannten Green Climate Funds, über den ein Teil der 100 Mrd. US-Dollar kanalisiert werden soll;

− Schaffung eines Übergangskomitees, um die Modali- täten des Green Climate Fund weiter zu konkretisie- ren und entsprechende Empfehlungen an die Ver- tragsparteienkonferenz auszuarbeiten;

− Schaffung eines politischen Rahmens zur Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) in Entwicklungsländern;

− Schaffung eines Adaptationskomitees, welches die Formulierung von Politiken zur Anpassung an den Klimawandel unterstützen soll;

− Etablierung eines Technologiemechanismus zur Förderung des Technologietransfers in Entwicklungs- länder, bestehend aus einem Technologiekomitee sowie einem Klimatechnologiezentrum und Netzwerk;

− Möglichst rascher Abschluss der Verhandlungen über eine 2. Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto- Protokoll, um eine Lücke nach 2012 zu vermeiden.

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zung national festgelegter Reduktionsziele erlauben. So werden die seit Kopenhagen von über 140 Ländern freiwillig formulierten Emissionsreduktionsziele und -massnahmen in den Konventionsrahmen überführt. Auch wenn sie nach wie vor nicht rechtlich ver- bindlich sind, verbessert sich dadurch die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Ver- gleichbarkeit der nationalen Emissionsre- duktionsziele sowie deren Umsetzung mittels ausgebauten Verpflichtungen zur Messung, Berichterstattung und Verifizierung.

Ein bedeutendes Novum ist, dass sich auch Entwicklungsländer dazu verpflichten, diese Instrumente verstärkt anzuwenden und ihre Berichterstattung einer internationalen Konsultation und Analyse zu unterziehen.

Damit wurde in Cancún ein konkreter An- kerpunkt geschaffen, um insbesondere Ent- wicklungsländer stärker in die internationa- len Klimaschutzbemühungen einzubinden.

Dies ist angesichts des heutigen Emissions- profils sowie des erwarteten starken Wirt- schaftswachstums in Schwellenländern und dem damit einhergehenden Zuwachs an Emissionen unerlässlich.

Die heutigen Reduktionsziele genügen zur Erreichung des 2°C-Ziels nicht

Offen bleibt hingegen die Frage, wie die Emissionsreduktionslücke geschlossen wer- den kann, die sich zwischen den wissen- schaftlichen Erfordernissen – d.h. globalen Emissionsreduktionen von mindestens 50%

bis 2050 – und der gegenwärtigen Realpolitik mit dem Bottom-up-Ansatz auftut. Verschie- dene Modellierungen1 verdeutlichen, dass die seit Kopenhagen übermittelten Redukti- onsziele von Industrie- und Entwicklungs- ländern nicht ausreichen werden, um das 2° C-Ziel zu erreichen. Um die Lücke zu schliessen, wird es u.a. notwendig sein, den Bottom-up-Ansatz durch politische Kom- promisse hinsichtlich der internationalen Lasten- und Umverteilung im Bereich Re- duktionzielerhöhung und Finanzierung zu ergänzen. Gleichzeitig muss die internatio- nale Zusammenarbeit dahingehend gestärkt werden, dass global kosteneffizientere Emis- sionsreduktionen gefördert werden. Es bleibt daher auch weiterhin angezeigt, dass sich die Schweiz für verbindliche internationale Emissionsreduktionsverpflichtungen von al- len wichtigen Emittenten einsetzt. m wicklungsländern muss beispielsweise ge-

klärt werden, wie die angestrebten 100 Mrd.

US-Dollar pro Jahr mobilisiert werden sol- len, wie der Verteilschlüssel in Bezug auf öf- fentliche Beiträge ausgestaltet wird und wie die Mittelverwendung und der Zugang gere- gelt werden. Entscheidend für die Mobilisie- rung der finanziellen Mittel wird auch die Stärkung der Anreize zur Förderung privater Investitionen in Klimaschutzaktivitäten in Entwicklungsländer sein.

Ferner wurden im Rahmen des Cancún Agreements zahlreiche institutionelle Be- schlüsse zur Architektur des zukünftigen Kli- maregimes getroffen, so etwa die Schaffung neuer Gremien. Der Mehrwert dieser neuen Organe wird von ihrer konkreten Ausgestal- tung, den Modalitäten sowie der zur Verfü- gung stehenden Mitteln abhängen und ist heute noch nicht eindeutig auszumachen.

Darüber hinaus muss die Frage der recht- lichen Form des zukünftigen Abkommens und der damit verbundenen Reduktions- verpflichtungen geklärt werden. Dieser Ent- scheid wird voraussichtlich zu den grossen politischen Herausforderungen der weiteren Klimaverhandlungen gehören (vgl. Kasten 2).

Gleichzeitig hat sich in Cancún eine Ver- stärkung des bereits eingeleiteten Bottom-up- Ansatzes in Bezug auf die internationale Klimapolitik herauskristallisiert. Die Klima- konferenzen in Kopenhagen und Cancún haben weltweit eine verstärkte Mobilisierung nationaler Strategien und Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen katalysiert. Zahlreiche Länder – darunter die Schweiz, aber auch grosse Schwellen- länder wie China – setzten vermehrt und un- abhängig vom Zustandekommen eines inter- nationalen Abkommens national festgelegte Emissionsreduktionsmassnahmen um. Dies geschieht nicht nur aus klimapolitischem Be- wusstsein oder im Wissen darum, dass lang- fristig ein Paradigmenwechsel in Richtung kohlenstoffarmer Wirtschaft für ein nachhal- tiges Wachstum unabdingbar ist. Emissions- mindernde Massnahmen werden vor allem dort umgesetzt, wo sie aus energiepolitischen und wirtschaftlichen Interessen Sinn ma- chen. Es ist auch davon auszugehen, dass die regionale, bilaterale und multilaterale Zu- sammenarbeit im Klimabereich ausserhalb des UNO-Rahmens weiter verstärkt wird, z.B. im Rahmen der Entwicklungszusam- menarbeit oder der Verknüpfung von Emis- sionshandelssystemen. Dieser Bottom-up- Ansatz im Klimabereich widerspiegelt sich auch im Cancún Agreement, indem der Fo- kus vermehrt auf Instrumente und Prozesse gelegt wird, die ein verbessertes internatio- nales Monitoring hinsichtlich der Umset-

1 UNEP, The Emissions Gap Report: Are the Copenhagen Accord Pledges Sufficient to Limit Global Warming to 2°C or 1.5°C?, 2010; IEA, World Energy Outlook 2010.

Kasten 2

Rechtliche Form des zukünftigen Klimaregimes – Pattsituation

Die erste Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll, das nur Industrieländer (oh- ne USAa) zu verbindlichen Emissionsredukti- onszielen verpflichtet, läuft Ende 2012 aus, und es gilt, eine adäquate Nachfolgeregelung zu beschliessen. Seit dem Bali-Aktionsplan von 2007 besteht grundsätzlich Einigkeit darin, dass auch Entwicklungsländer national angemessene Reduktionsmassnahmen um- setzen und ihre Bemühungen finanziell und technisch von Seiten der Industrieländer un- terstützt werden sollen. Gegenwärtig ist stark umstritten, ob die verschiedenen Verpflich- tungen von Seiten der Industrie- und Ent- wicklungsländer im Rahmen eines neuen, um- fassenden Klimaregimes oder in separaten In- strumenten geregelt werden sollen. Bei sepa- raten Instrumenten würden sich die Indus- trieländer weiterhin unter dem Kyoto-Proto- koll verpflichten, während für Entwicklungs- länder, aber auch die USA, ein oder mehrere neue Instrumente unter der Klimarahmen- konvention geschaffen würden. Die Entwick- lungsländer verlangen geschlossen, dass sich die Industrieländer weiterhin im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu verbindlichen Emissions- reduktionen verpflichten. Indessen gehen die Positionen weit auseinander, ob auch Schwel- len- und Entwicklungsländer völkerrechtlich verbindliche Emissionsreduktionsmassnah- men und -ziele eingehen sollen. Während sich Indien oder China vehement dagegen wehren, betonen die USA, dass sie sich nur völker- rechtlich verpflichten werden, wenn auch Chi- na analoge Verpflichtungen eingeht. Vor die- sem Hintergrund und angesichts der Tatsa- che, dass das Kyoto-Protokoll weniger als 30% der globalen Emissionen abdeckt, haben Russland und Japan angekün digt, dass sie unter keinen Umständen nach 2012 neue Ver- pflichtungen unter dem Kyoto-Protokoll ein- gehen werden. Sie fordern ein neues, umfas- sendes Regime, das alle grossen Emittenten miteinschliesst. Entwicklungsländer drohen die Verhandlungen zu blockieren, sollte Ende dieses Jahres keine zweite Verpflichtungspe- riode unter dem Kyoto-Protokoll beschlossen werden.

Diese Pattsituation wird im kommenden Verhandlungsjahr zu den grossen Schlüssel- fragen gehören, die den Ausgang des gesam- ten Verhandlungsprozesses entscheidend mitbeeinflussen wird. Klar scheint, dass die Verhandlungen unter dem Kyoto-Protokoll nicht unabhängig von der Frage der Verbind- lichkeit der Emissionsreduktionen von allen grossen Emittenten und der Form des zukünf- tigen Klimaregimes abgeschlossen werden können.

a Die USA haben das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert und seit Beginn der Verhandlungen für die Zeit nach 2012 klargemacht, dass sie dem Kyoto-Protokoll auch in Zukunft nicht betreten werden.

Referenzen

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