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Academic year: 2022

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Christoph Reichard

Governance öffentlicher Dienstleistungen

1 Von Public Management zu Public Governance – der Wechsel der Analyseperspektive

1.1 Wandel im Staatsverständnis

1.2 Einige notwendige Begriffsklärungen

1.3 Unterschiede zwischen den Konzepten des Public Management und der Public Governance

2 Das Konzept des Gewährleistungsstaates 3 Ansatz der Leistungstiefenpolitik

4 Ansätze der Markt- und Wettbewerbsstärkung 5 Ansätze zur Stärkung des Bürgerengagements

6 Management von öffentlichen Dienstleistungen in Public Governance- Strukturen

7 Public Corporate Governance 8 Forschungsstand und Perspektiven Literatur

(2)

1 Von Public Management zu Public Governance – der Wechsel der Analyseperspektive

1.1 Wandel im Staatsverständnis

Seit einiger Zeit zeichnet sich ein Wandel des Staatsverständnisses ab: Vom

„produzierenden“ zum „gewährleistenden“ und „aktivierenden“ Staat (vgl.

Mastronardi/Schedler 1998, Schuppert 1999). Zwischen den Polen des traditionellen Wohlfahrtsstaats-Modells und des neoliberalen Konzepts des Minimalstaates bildet sich als vermittelnde und zugleich weiterführende Idee der Ansatz des

Gewährleistungsstaats heraus: Ein Staat, der bestimmte Strukturen und Leistungen für seine Bürger sicherstellt bzw. gewährleistet, diese jedoch nicht notwendigerweise auch selbst erstellt. Staat und Verwaltung haben nach diesem Verständnis verstärkt eine Initiierungs-, Aktivierungs-, „Enabling“-, Koordinations-, Regulierungs- und Überwachungsfunktion. Sie sind Bestandteil von breiteren Governancestrukturen oder: Teil eines „öffentlichen Dienstleistungsnetzwerks“ (public service network).

Zugleich erweist sich das Paradigma des (New) Public Management (NPM) im Hinblick auf die Anforderungen eines auf diese Weise immer mehr „ausfransenden”

Staates, der verstärkt private Initiative einfordert und unternehmerisches wie Bürger- Engagement aktiviert, als nicht mehr hinreichend tragfähig. Wenn es zukünftig um die Gestaltung und Steuerung pluralistisch zusammengesetzter Politik- und

Leistungsnetzwerke geht, ist auch ein theoretischer Perspektivenwechsel erforderlich: von “Public Management” zu „Public Governance”.

1.2 Einige notwendige Begriffsklärungen

Die Hinweise auf sich wandelnde Strukturen öffentlicher Dienstleistungserbringung haben bereits erkennen lassen, daß wir es nicht mehr mit einem monolithischen Staatsapparat zu tun haben, sondern mit einem ausdifferenzierten Netzwerk unterschiedlicher Akteure, die im Verbund öffentliche Leistungen planen und erbringen. Dieser Zusammenhang wird seit einiger Zeit mit dem Terminus

„Governance“ bezeichnet1. Obwohl es in den verschiedenen Disziplinen zahlreiche, sich unterscheidende Definitionen von Governance gibt2, ist den meisten

Begriffsbestimmungen doch gemeinsam, daß damit bestimmte Steuerungs-, Koordinations- und Kontrollstrukturen und –mechanismen gemeint werden, die Zusammenschlüsse mehrerer Organisationen bzw. Akteursgruppen betreffen, die sich eigenständig mithilfe unterschiedlicher Steuerungsmodi (Hierarchie, Markt, gemeinsame Werte) koordinieren. Im öffentlichen Kontext sind an Governance- Prozessen in der Regel öffentliche Einrichtungen, private Unternehmen, Nonprofit- Organisationen und zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt, die in Netzwerkstrukturen verbunden sind. Das unterscheidet Governance auch von „Government“: Während letzteres ausschließlich staatliche Akteure meint, die Entscheidungen treffen und Maßnahmen durchführen, hat ersteres die breitere Perspektive: gemeinsames Handeln staatlicher und nicht-staatlicher Akteure3.

1 vgl. Jann (2002)

2 bspw. unterscheidet bspw. Rhodes (2000, S. 55ff.) sieben verschiedene Definitionen von Governance und auch Kooiman (1999, S. 68ff.) nennt zahlreiche Begriffsvarianten.

3 vgl. König (2001), S. 622

(3)

Ausgehend von diesem Basis-Verständnis haben sich in der letzten Zeit

verschiedene Varianten von Governance herausgebildet. Besonders bekannt und gebräuchlich sind bspw4:

• „good governance“ im Sinne von Weltbank oder IWF, womit in erster Linie die Rahmenbedingungen für ein wirksames Regieren und Verwalten gemeint sind

• „global governance“, womit man in der Regel die Spielregeln und Mechanismen des internationalen Wirtschafts- und Handelsaustausches meint

• „corporate governance“, womit seit einiger Zeit die Leitungs- und

Kontrollstrukturen von privaten Unternehmen, insbes. von börsennotierten Aktiengesellschaften, unter Einbezug der Aktionäre und sonstigen

Einflußgruppen, gemeint werden

Im folgenden wird der Begriff „Public Governance“ verwendet; darunter werden die (staatlichen und privaten) Akteure, Strukturen und Instrumente verstanden, die netzwerkartig öffentliche Dienstleistungen planen und erbringen und die sich in einem Mix unterschiedlicher Koordinationsmodi eigenständig steuern.

Wenn im folgenden von öffentlichen Dienstleistungen gesprochen wird, sind damit Leistungen im allgemeinen Interesse (Gemeinwohl) gemeint5, die jedoch nicht notwendigerweise von öffentlichen Einrichtungen produziert werden müssen.

Vielmehr können sie auf der Basis entsprechender politischer Entscheidungen durchaus auch von nicht-öffentlichen Dienstleistern erbracht werden

(Gewährleistungsmodell; s.u.).

1.3 Unterschiede zwischen den Konzepten des Public Management und der Public Governance

Während das Konzept des Public Management in der Regel auf einzelne (öffentliche) Organisationen ausgerichtet ist und sich mit deren Reform befaßt, ist die

Analyseperspektive von Public Governance durchaus weiter gefaßt (s. Abb. 1). Die Sicht erweitert sich; sie bezieht sich nicht nur auf den oberen Pol (Binnenstrukturen), sondern auch zusätzlich auf marktliche Leistungsstrukturen sowie

zivilgesellschaftliche Arrangements. Das Konzept der Public Governance strebt mithin einen erweiterten Analyse- und Gestaltungsansatz an: wirksame öffentliche Strukturen plus zivilgesellschaftliche und marktliche Lösungen.

4 vgl. bspw. Kooiman (1999) 68f., König (2001), S. 621f.

5 dies entspricht der EU-Terminologie der „Dienste im allgemeinen (wirtschaftlichen) Interesse“, was im Deutschen gerne ziemlich unzweckmäßig mit dem verstaubten Begriff der „Daseinsvorsorge“

gleichgesetzt wird.

Governance Binnenstrukturreform

(NPM im engeren Sinne)

Vermarktlichung, Wettbewerb Zivilgesellschaft,

Demokratisierung, Bürgerengagement, Dritter Sektor

(4)

Abb. 1

Die folgende Tabelle (Abb. 2) verdeutlicht einige Unterschiede zwischen den beiden angesprochenen Konzepten. Man erkennt, daß „Public Management“ auf die

Binnenstrukturen einzelner (öffentlicher) Einrichtungen ausgerichtet ist und sich im wesentlichen nach managerialen Prinzipien und Kriterien richtet. Demgegenüber bezieht „Public Governance“ zusätzlich auch die Makroperspektive von Netzwerken und ggf. des ganzen öffentlichen Sektors ein und läßt auch andere Rationalitäten sowie Steuerungsmodi zu.

„Public Management” „Public Governance”

Analysefokus Binnensteuerung Binnensteuerung und

interorganisatorische (Fremd- und Selbst-) Steuerung Art der einbezogenen

Organisationen

primär einzelne öffentliche Einrichtungen (im NPM-Fall zusätzlich Unternehmen)

a) Einzelorganisationen in kooperativen und kompetitiven Beziehungen (Verwaltungen, NPOs, Unternehmungen) b) (Policy-) Netzwerke, gesellschaftliche Teilsysteme, Makrostrukturen des öffentlichen Sektors

zugrunde gelegte Steuerungs-

logik Hierarchie, Regelungen (old

PM), Ziele/Ergebnisse, Wettbe- werb (NPM)

Dito

+ politischer Tausch + Verhandlungen

(+ Solidarität, Vertrauen?) dominantes

Rationalitätskriterium Effizienz Effektivität

Legitimität (+ Legalität) Beispiel für typisches Phänomen ergebnisorientiertes

Management einzelner Ämter einer Kommunalverwaltung

Politiksteuerung in lokal begrenztem Bereich, z.B.

Planung, Koordination,

Produktion von Dienstleistungen zur Randgruppenbetreuung in

„Kiez” durch Netzwerk von Kommune, Wohlfahrtsverband, Selbsthilfegruppen, KMUs

Abb. 2

2 Das Konzept des Gewährleistungsstaates

Das oben bereits angedeutete Konzept des Gewährleistungsstaates hat sich in westlichen Industriestaaten seit einiger Zeit als Antwort auf die Krise des

Wohlfahrtsstaates und die als unzureichend empfundene Alternative des neoliberalen Minimalstaates herausgebildet6. Das dahinter stehende normative Konzept besagt im Kern, daß der Staat resp. eine politisch legitimierte öffentliche Einrichtung (z.B. Stadtverwaltung) über die Erbringung politisch gewollter und

finanzierbarer Leistungen an die Bürger entscheidet und entweder eigene öffentliche Dienste oder fremde Anbieter mit der Leistungserbringung beauftragt. Die öffentliche

6 Vgl. Mastronardi/Schedler (1998)

(5)

Hand stellt also die Aufgabenerfüllung sicher (sie „gewährleistet“ sie), sie muß aber nicht notwendigerweise alle diese Aufgaben auch selber erfüllen, sondern kann sich Dritter bedienen. Sie übt nicht mehr länger ein öffentliches „Produktionsmonopol“

aus, sondern kooperiert bei der Aufgabenerledigung mit Privaten, ggf. auch mit anderen öffentlichen Leistungsanbietern. Damit wandelt sich die Rolle von Staat und Verwaltung vom „Produzenten“ zum „Gewährleister“; als zusätzliche Funktionen kommen zu den vertrauten Funktionen der Planung, Durchführung und Kontrolle von öffentlichen Leistungen z.B. hinzu:

• Anregung und „Ermöglichung“ von gesellschaftlichen Problemlösungen

• Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements

• Anschubfinanzierung von bürgerschaftlich basierten Dienstleistungen

• Moderation von gemeinsamen Problemlösungsprozessen, an denen Bürgergruppen, Nonprofitorganisationen und die Wirtschaft beteiligt sind

• Steuerung und Koordination von bürgerschaftlichen Leistungsprozessen

• Monitoring und Kontrolle der Leistungserbringung

• ggf. auch Einspringen in die Weiterführung notwendiger Leistungsprozesse (bei Ausfall privater Akteure)

Selbstverständlich wird ein öffentliches Entscheidungsgremium bei der Abwägung, ob eine bestimmte Aufgabe durch eigene staatliche Einrichtungen oder durch fremde Institutionen erbracht werden soll, auch auf die Art und Bedeutung der Aufgaben achten. Nicht alle Aufgaben eignen sich zur Auslagerung in den Privatsektor. Man kann grob sagen, daß es einerseits eine Reihe staatlicher Kernaufgaben gibt, die von solcher Bedeutung für das Gemeinwesen sind, daß sie von öffentlichen

Einrichtungen vollzogen werden sollten7. Andererseits gibt es zahlreiche andere Aufgaben, die zwar einen klaren Gemeinwohlbezug aufweisen und insofern als öffentliche Leistungen zu kennzeichnen sind, die aber dennoch nicht unbedingt und in jedem Falle von öffentlichen Einrichtungen vollzogen werden müssen. Diese Aufgaben kann man dementsprechend als staatliche Gewährleistungsaufgaben kennzeichnen. Bei diesen Aufgaben kommt es auf den Einzelfall an; hier ist also eine Abwägung zu treffen, ob die Aufgabe durch eigene öffentliche Dienste erbracht oder auf Dritte ausgelagert werden soll (zu den Abwägungskriterien s. Abschn. 3).

Wenn Gewährleistung und Vollzug öffentlicher Aufgaben auseinanderfallen können, wie es das Gewährleistungsmodell vorsieht, erscheint es sinnvoll, auch die damit verbundenen Verantwortlichkeiten zu differenzieren. Im staatstheoretischen Diskurs hat sich in diesem Sinne seit einigen Jahren ein Konzept der Verantwortungsstufung und –teilung herausgebildet8. Der Staat hat danach zunächst einmal die

Gewährleistungsverantwortung, d.h. er ist für die dauerhafte Sicherstellung der Leistungserbringung an die Bürger zu politisch gewollten Standards und Kosten verantwortlich. Davon zu trennen ist die Vollzugsverantwortung, d.h. die

Zuständigkeit für die tatsächliche „Produktion“ und Distribution der gewährleisteten Leistungen an die vorgesehenen Abnehmer. Diese Verantwortung wird je nach Entscheidung über die Zuordnung der Leistungserbringung beim Staat oder bei Dritten liegen. Daneben kann es zweckmäßig sein, zusätzlich eine Finanzierungs- sowie eine Auffangverantwortung zu unterscheiden. Bei ersterer ist gefragt, wer für die Finanzierung der betreffenden Aufgabe verantwortlich ist (das kann wiederum der Staat sein, ebenso sehr aber auch der Leistungsempfänger). Bei letzterer geht es

7 Vgl. zu dieser Aufgabentypisierung Reichard (1994), S. 39ff.

8 Vgl. dazu vor allem Schuppert (1999)

(6)

darum festzulegen, wer in einem laufenden Leistungsprozeß einspringen muß, wenn der ursprünglich damit Beauftragte die Leistung einstellt.

Im Sinne der vorgenommenen Aufgabentypisierung kann man feststellen, daß bei staatlichen Kernaufgaben aufgrund ihrer Relevanz nicht nur die

Gewährleistungsverantwortung, sondern ebenso auch die Vollzugs- und die

Finanzierungsverantwortung beim Staat liegen sollte (s. Abb. 3). Demgegenüber ist bei all den vielen öffentlichen „Gewährleistungsaufgaben“ zwar die

Gewährleistungsverantwortung beim Staat, aber die Vollzugs- und

Finanzierungsverantwortung wird je nach Einzelfall beim Staat oder auch bei Dritten angesiedelt sein. Schließlich kann man kontrastierend noch „private Kernaufgaben“

abgrenzen, bei denen definitionsgemäß alle genannten Verantwortungskategorien bei privaten Akteuren liegen.

Gewährleistungs- verantwortung

Vollzugs-

verantwortung Finanzierungs- verantwortung staatliche Kernaufgabe

staatliche Gewährleistungsaufg.

private Kernaufgabe

Verantwortung beim Staat Verantwortung

beim Staat Verantwortung bei Staat Privaten oder bei

Verantwortung bei Privaten

Abb. 3

Versucht man, das Leitbild des Gewährleistungsstaates im Public Governance- Zusammenhang organisatorisch umzusetzen, bilden sich Strukturen von

Auftraggeber- und Auftragnehmer-Beziehungen heraus,die man zusammenfassend als Gewährleistungsmodell bezeichnen kann (Englisch: „contractor/provider-split“; s.

dazu Abb. 4). In staatlichen Strukturen gibt es einerseits ein Auftraggeber-„Lager“, das als Besteller und ggf. Finanzier der politisch gewollten Leistungen auftritt (z.B.

der Gemeinderat sowie die Führung einer Stadtverwaltung, die gemeinsam mit einer

„Vergabeabteilung“ über die Leistungen beschliessen, die entsprechenden Aufträge vergeben und deren Einhaltung überwachen. Andererseits gibt es im Auftragnehmer-

„Lager“ die eigenen öffentlichen Dienste (z. B. die kommunalen Fachdienste wie etwa Kindertagesstätte oder Tiefbauamt), aber auch externe „Lieferanten“, womit andere öffentliche Einrichtungen (z.B. andere Städte), aber auch private

Unternehmen sowie gemeinnützige Einrichtungen gemeint sein können. Zwischen beiden „Lagern“ werden Vereinbarungen über die zu erbringenden Leistungen und damit verbundenen Gegenleistungen getroffen. Diese neue Art von Beziehungen bezeichnet man im Public Management in der Regel mit Kontraktmanagement. Damit ist – zumindest verwaltungsintern – ein bedeutsamer Kulturwandel verbunden: Von hierarchischen Oben/Unten-Relationen wandeln sich die Beziehungen zwischen Führung und einzelnen Bereichen zu tendenziell partnerschaftlichen Verbindungen9.

9 Vgl. dazu die internationalen Erfahrungen bei Naschold/Oppen/Wegener (1998).

(7)

Steuerungskern

Rat + Verwaltungsführung

"Vergabeabteilung"

externe

"Lieferanten" interne Leistungs- anbieter von Bürger- diensten

interne Anbieter interner Service- leistungen

Auftrag- geber

Auftrag- nehmer

Vertrag Leistungs- vereinbarung

politische Steuerung

Service- verein- barung

Abb. 4

Im Sinne von Public Governance ist die Erbringung öffentlicher Leistungen als pluraler Interaktionsprozeß zwischen verschiedenen Akteuren zu sehen: Da ist zum einen der staatliche Gewährleister und Auftraggeber (z.B. eine Stadtverwaltung), zum anderen sind da aber die Bürgergruppen, Vereine, freien Träger, Unternehmen und natürlich auch die verschiedenen öffentlichen Dienste, die im Verbund bestimmte Leistungen erbringen (und wo die Bürger ggf. auch in entsprechende

Partizipationsprozesse eingebunden sind).

3 Ansatz der Leistungstiefenpolitik

In zahlreichen Staaten wie auch in der Bundesrepublik bilden sich verstärkt plurale Dienstleistungsnetzwerke zur Erbringung öffentlicher Dienstleistungen heraus, in denen – oft unter staatlicher bzw. kommunaler Führerschaft – privat-kommerzielle wie auch privat-gemeinnützige Einrichtungen zusammen mit staatlichen bzw.

kommunalen und halbstaatlichen Organisationen die Leistungen produzieren und an die Mitglieder des Gemeinwesens abgeben. Dabei stellt sich aus Sicht des Staates die Frage der „optimalen Leistungstiefe“: welche Leistungen sollen ausgelagert, welche [weiterhin] selbst erstellt werden? Im Falle der Auslagerung stellt sich zusätzlich die des zweckmäßigen institutionellen Arrangements („Institutional Choice“).

Die Leistungstiefenentscheidung auf der Auftraggeberseite einer öffentlichen Einrichtung entspricht formal der Entscheidung über die Fertigungstiefe bzw.

vertikale Integration im industriellen Sektor (auch als „Make-or-Buy“-Entscheidung bezeichnet). Obwohl dabei Wirtschaftlichkeitserwägungen eine zentrale Rolle spielen, sollten sich Entscheidungen dennoch nicht allein darauf stützen. Vielmehr spricht einiges dafür, drei zentrale Kriterien zugrundezulegen10:

10 vgl. i.e. Naschold u.a. (1996)

(8)

• strategische Relevanz, d.h. Klärung der Frage, ob eine bestimmte Leistung auch dann noch politisch-strategisch steuerbar bleibt, wenn sie nach außen an Dritte vergeben wird

• Spezifität der genutzten Ressourcen, d.h. der Grad der ausschließlichen Nutzbarkeit bestimmter, mit der Leistungserstellung verbundener Ressourcen (z.B. Personal, Maschinen) für die betreffende Leistung

• Wirtschaftlichkeit von Eigenleistung resp. Fremdbeschaffung, wobei nicht nur die Produktions- bzw. Beschaffungskosten, sondern auch die Transaktionskosten der mit Eigen- oder Fremderstellung verbundenen Verträge bzw. Vereinbarungen zu beachten sind.

Als Faustregel hat sich im Rahmen von Entscheidungen zur Leistungstiefenpolitik herausgebildet:

• bei niedriger strategischer Relevanz und niedriger Ressourcenspezifität sowie bei vergleichsweise niedrigeren (Fremd-) Beschaffungs- und damit verbundenen Transaktionskosten empfiehlt sich die Variante „Fremdbezug“ bzw. „Auslagerung“

• bei hoher strategischer Relevanz und hoher Ressourcenspezifität sowie bei vergleichsweise höheren (Fremd-) Beschaffungs- und damit verbundenen Transaktionskosten empfiehlt sich die Variante „Eigenerstellung“

Im Falle von Auslagerung („Contracting-Out“) stellt sich die Frage der institutionellen Leistungsfähigkeit der verschiedenen in Betracht kommenden Organisations- und Rechtsformen11. Immerhin bietet sich in der Regel ein breites Spektrum

unterschiedlicher Organisationen: von verschiedenen Varianten verselbständigter öffentlicher Einrichtungen über Mischformen privaten und öffentlichen Engagements (PPP)12, bis zu privat-gemeinnützigen Organisationen (z.B. Wohlfahrtsverbände, freie Träger) und zu privat-kommerziellen Unternehmungen. Es gilt, die „richtigen“, d.h. hinreichend leistungsfähigen und responsiven Organisationen aus dem zur Verfügung stehenden Institutionenspektrum als Partner für die Leistungserbringung auszuwählen.

4 Ansätze der Markt- und Wettbewerbsstärkung

Das Gewährleistungskonzept und der Ansatz der Leistungstiefenpolitik weisen bereits darauf hin, daß die Zeiten öffentlicher Produktionsmonopole vorbei sind und daß öffentliche Dienstleister sich dem Wettbewerb mit anderen öffentlichen, vor allem jedoch privaten Leistungsanbietern aussetzen müssen. Das Prinzip des

Gewährleistungsmodells ist es ja, die Erbringung öffentlicher Leistungen an diejenige Organisation zu vergeben, die dies am „besten“ (d.h. am effektivsten und

effizientesten) tun kann. Und damit müssen sich öffentliche Dienstleister ebenso wie private dem Markttest aussetzen – sie müssen beweisen, daß sie leistungsfähige Partner im Governance-Netzwerk sind. In diesem Sinne spielen Marktmechanismen und Wettbewerbselemente eine wichtige Rolle bei der Reform des öffentlichen Sektors (sowohl im Sinne von New Public Management wie auch im aktuellen Kontext von Public Governance). Expliziten Leistungsdruck erzeugen dabei weniger die ebenfalls zunehmend gebräuchlichen nichtmarktlichen Surrogate wie

Leistungsvergleiche, Benchmarkingringe, Qualitätswettbewerbe, sondern vielmehr die Versuche, Marktelemente auch im öffentlichen Sektor (wieder) zu beleben13. Als

11 Vgl. i.e. Reichard (1998a)

12 Vgl. dazu i.e. Budäus 2002

13 Vgl. z.B. Reichard (1998b) und (2001)

(9)

Beispiel kann erstens die Marktöffnung verwaltungsinterner Servicedienste (z.B.

Gebäudemanagement, Rechenzentrum) angeführt werden, indem diese Dienste marktpreis-basiert verrechnet werden und die internen Kunden nicht länger einem Abnahmezwang dieser internen Dienste ausgesetzt werden. Ein weiteres Beispiel ist die Verpflichtung zum Ausschreibungswettbewerb öffentlicher Leistungen, wie er aus Großbritannien unter dem Stichwort des compulsory competitive tendering bekannt geworden ist und wie er nunmehr aufgrund von EU-Druck auch bei immer mehr Leistungen in Deutschland zu beobachten ist (z.B. im Bereich der kommunalen Ver- und Entsorgung). Und drittens ist der – ordnungspolitisch umstrittene - Fall des

„Contracting-In“ zu erwähnen, die Marktteilnahme von öffentlichen Einrichtungen im Hinblick auf nicht-öffentliche Leistungen im Sinne von „Einlagern“ statt „Auslagern“14. Die Einführung von Wettbewerbsimpulsen im öffentlichen Sektor muß zu fairen Bedingungen erfolgen und setzt eine wirksame Regulierung der Leistungsprozesse voraus. Weder dürfen Private „Rosinen picken“ noch dürfen öffentliche Anbieter angestammte Privilegien weiter beanspruchen oder sich durch Quersubventionierung resp. Preisdumping Vorteile verschaffen.

5 Ansätze zur Stärkung des Bürgerengagements

Das Konzept von Public Governance wäre unvollständig, würde lediglich auf

manageriale Ansätze – Binnenreformen, Contracting-Out, Wettbewerbseffekte usw – Wert gelegt. Ein wichtiges Merkmal ist vielmehr die Öffnung des öffentlichen Sektors gegenüber der (Zivil-) Gesellschaft, die Einbeziehung bürgerschaftlichen

Engagements in den öffentlichen Leistungsprozeß. Auch das gehört zum neuen Leitbild des Gewährleistungsstaates: die Aktivierung der Bürger – oder in einer weniger etatistischen Sicht: das Loslassen des Staates im Hinblick auf solche Angelegenheiten, die die Bürger in Eigeninitiative erledigen können. Dieses Thema ist in angelsächsischen Staaten unter dem Schlagwort des „enabling state“, des ermöglichenden und „ermunternden“ Staates abgehandelt worden. In Deutschland hat es die rot-grüne Bundesregierung unter dem Slogan des „Aktivierenden Staates“

– wenngleich halbherzig –in Angriff genommen15.

In diesem Sinne gibt es seit einiger Zeit eine Wiederbelebung des bürgerschaftlichen Engagements, die vor allem durch die Kommunen (Stichwort „Bürgerkommune“), daneben auch durch Bund und Länder erfolgt. Zum einen wurden die

Rahmenbedingungen für Bürgerengagement verbessert (Stiftungsrecht, Steuer- und Sozialversicherungserleichterungen), zum anderen wurden – ganz im Sinne des Governance-Konzepts – Impulse und Anreize zu ehrenamtlichem Engagement gesetzt (u.a. durch Freiwilligenbörsen und -agenturen, durch Anschubfinanzierung, Moderation, Anerkennung und Ehrung, vermehrte Partizipationsangebote u.a.m.), aber auch durch Abbau hemmender Faktoren (z.B. Normen und Standards).

Derartige Impulse zur Engagementstärkung sind durchaus erfolgversprechend, da verschiedene Umfragen immer wieder neu belegen, daß Bürger durchaus

14 Vgl. Reichard (2001), S. 63f.

15 Vgl. Bundesregierung „Moderner Staat – moderne Verwaltung“, Kabinettsbeschluß vom 1.12.1999 (www.staat-modern.de); vgl. ferner Blanke/v. Bandemer (1999); Lamping u.a. (2002); Reichard (1999) und Reichard/Schuppan (2000); vgl. schließlich auch den aktuellen Schlußbericht der Enquete- Kommission (2002).

(10)

Bereitschaft zu vermehrtem Engagement zeigen, wenngleich nicht mehr im traditionellen selbstlosen und dauerhaften Muster16.

6 Management von öffentlichen Dienstleistungen in Public Governance- Strukturen

Die bisherigen Ausführungen dürften deutlich gemacht haben, daß öffentliche Dienstleistungen, die in pluralen und ausdifferenzierten Leistungsnetzwerken erbracht werden, nicht nach den traditionellen Mustern der öffentlichen Verwaltung gesteuert werden können. Die Rolle des Auftraggebers bzw. Bestellers von

öffentlichen Leistungen ist ja nicht mehr wie bisher die Steuerung des internen Produktionsprozesses – entweder im ergebnisorientierten Sinne von New Public Management oder im traditionellen Sinne einer verfahrens- und inputorientierten Regelsteuerung des „old public management“ – sondern eher die Initiierung, Moderation, Koordination und das Monitoring des Leistungsprozesses im Dienstleistungsnetzwerk, an dem verschiedene öffentliche und private Akteure beteiligt sind. Die Funktion des Staates bzw. der Kommune wandelt sich vom Produktionsmanager zum Netzwerk-Koordinator und „Facilitator“. Dies wird bereits heute – vor allem auf kommunaler Ebene – deutlich, wenn Aufgaben wie lokale Sozialdienste oder Quartiersmanagement von einer Stadtverwaltung im Verein mit zahlreichen weiteren öffentlichen (z.B. Landeseinrichtungen,

Sozialversicherungsträger), privat-gemeinnützigen (z.B. Wohlfahrtsverbände, Selbsthilfeinitiativen, Kulturvereine) oder privat-kommerziellen Organisationen (z.B.

Kleinunternehmen im Existenzgründerverbund) geplant und durchgeführt werden.

Hier geht es für die Kommune primär um die Initiierung, Planung, Steuerung und Kontrolle von „local governance“-Netzwerken – und dazu sind andere

Managementkonzepte und –instrumente erforderlich als im klassischen Produktionsmodus (z.B. Makler-, Motivations-, Führungs-, Moderations-, Konfliktregelungs-, Partizipationsförderungs-Fähigkeiten und entsprechende

Instrumente). Die sich ausbreitenden eGovernment-Aktivitäten dürften im übrigen die Entstehung derartiger Leistungsnetzwerke noch zusätzlich fördern, weil nunmehr durch die Informationstechnik bestehende räumliche Grenzen weitgehend

aufgehoben werden.

7 Public Corporate Governance

Die vom deutschen Verwaltungsrecht lange Zeit bemühte „Einheit der Verwaltung“ ist längst eine Fiktion. Staat und Verwaltung sind schon lange ein höchst heterogenes, fragmentiertes und stark ausdifferenziertes Gebilde. Und das ist im

Gewährleistungsstaat in besonderem Maße der Fall. Umso wichtiger sind klare und wirksame Steuerungs- und Überwachungsstrukturen, die es erlauben, die

vorhandene Vielfalt der bestehenden öffentlichen Einrichtungen (und im

Governance-Modus zudem die nicht-öffentlichen Partner im Leistungsprozeß!) „auf Kurs“ zu halten. Hierzu kann auf die Ergebnisse der Forschung zum Thema

„Corporate Governance“ zurückgegriffen werden. Zwar befaßt diese sich primär mit den Leitungs- und Kontrollstrukturen und –mechanismen privater Unternehmen (insbes. in der Form der AG)17, aber in jüngerer Zeit ist die Diskussion dazu auch auf den öffentlichen Sektor ausgedehnt worden und sind entsprechende Transfers

16 Vgl. stellvertretend für zahlreiche Umfragen: Blanke/Schridde (1999).

17 Vgl. bspw. Hopt (2000), Peltzer/v. Werder (2001)

(11)

erfolgt18. Traditionell werden solche Strukturen im öffentlichen Sektor durch Staats- und Kommunalverfassungen sowie sonstige organisationsrechtliche Vorschriften geregelt (z.B. Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Exekutive,

Legitimationsstrukturen, Zuständigkeitsverteilungen). Der Gewährleistungsstaat mit seinen fragmentierten Netzwerkstrukturen und seinen vielfältigen Stakeholdern erfordert allerdings auch angepaßte, erweiterte Corporate Governance-Strukturen und –Prinzipien. Die IFAC-Studie gibt in dieser Hinsicht einige Anregungen19: Es schlägt konkrete Prinzipien zur Verantwortlichkeitsregelung, zur Kommunikation mit Stakeholdern, zur Berichterstattung nach innen und außen, zum Risikomanagement, zu Führungspflichten und zum „Code of Conduct“ für öffentliche Einrichtungen vor. Je breiter und diffuser die Akteursstrukturen im Governance-Kontext werden, desto notwendiger wird es, daß Politik und Verwaltung für erweiterte Transparenz sorgen – und zwar nicht nur gegenüber den traditionellen Interessenten wie Parlament oder Rechnungshof, sondern auch gegenüber den zahlreichen Partnern im Governance- Netzwerk sowie den Bürgern, der Wirtschaft und dem Dritten Sektor20. Dazu kann ein erweitertes Finanz- und Rechnungswesen sowie entsprechendes Reporting

beitragen.

Eine besondere Notwendigkeit zur Schaffung von wirksamen Corporate Governance- Strukturen besteht im Bereich der Öffentlichen Unternehmen. Aufgrund anhaltender Verselbständigungsprozesse hat sich – trotz aller Privatisierungsbestrebungen - die Zahl der öffentlichen Unternehmen bzw. unternehmensähnlichen Einrichtungen deutlich erhöht. Seit langem wird geklagt, daß es gegenüber den verselbständigten Einrichtungen erhebliche Aussensteuerungsprobleme und Kontrolldefizite gäbe (der Skandal der Berliner Bankgesellschaft ist ein aktueller Beleg für derartige Probleme).

Weder die politische Steuerung über die Wahrnehmung von Aufsichtsmandaten noch das Beteiligungsmanagement funktionieren – z.B. auf kommunaler Ebene –

zufriedenstellend. In der aktuellen Corporate Governance-Debatte werden die öffentlichen Unternehmen fast völlig ausgeblendet21. Dabei kann im Hinblick auf die Wahl geeigneter Rechtsformen, Satzungsregelungen, Überwachungsstrukturen (Boardmodelle) und Codes of Conduct eine Menge aus der privatwirtschaftlichen Debatte gelernt werden. Allerdings können Strukturen nicht 1:1 auf den öffentlichen Sektor übertragen werden, vielmehr sind Anpassungen nötig, bspw. im Hinblick auf die nötige Balance zwischen Politik und Management, die erforderliche Trennung zwischen Leistungsbesteller und Eigentümer sowie die Regelung der

Mitbestimmung22.

Am Rande sei angemerkt, daß die Corporate Governance-Debatte auch für die Nonprofitorganisationen von Bedeutung ist, die sich im Governance-Kontext als Partner in öffentliche Leistungsnetzwerke einordnen und die ebenfalls wirksamer Steuerungs- und Überwachungsstrukturen bedürfen, wie manche Skandale in deutschen Wohlfahrtsverbänden in der jüngeren Zeit erkennen liessen23. 8 Forschungsstand und Perspektiven

18 Einen Eindruck vermittelt etwa das Papier des Public Sector Committees der IFAC (2000) zur Corporate Governance im öffentlichen Sektor.

19 Vgl. i.e. IFAC 2000

20 Vgl. Löffler (2001), S. 125.

21 Vgl. hierzu Schwintowski (2001), S. 131, Siekmann (1996), S. 283.

22 Vgl. Schedler (2002)

23 Vgl. hierzu: Siebart/Reichard (2002)

(12)

Im Bereich der öffentlichen Betriebswirtschafts- und Managementlehre hat sich in den letzten 10 Jahren das Paradigma des New Public Management (NPM)

herausgebildet. Dessen Konzeptionalisierung und z.T. empirische Fundierung ist Gegenstand umfassender wissenschaftlicher Publikationen gewesen. Immer mehr haben sich in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit NPM verschiedene Engführungen des Ansatzes und die fehlende Zusammenführung von NPM mit den Ansätzen der Public Policy-Forschung sowie mit der bisherigen

(politikwissenschaftlich geprägten) Governance-Forschung als problematisch erwiesen.

Die staatstheoretische und verwaltungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Ansatz des Gewährleistungsstaates (s.o.) ist bislang sehr zurückhaltend geführt worden. Im angelsächsischen Sprachraum hat es unter dem Begriff des „Enabling State“ verschiedene Arbeiten dazu gegeben, in Deutschland wird das Thema vor allem unter dem Blickwinkel der Verantwortungsdifferenzierung behandelt24. Hier besteht sowohl unter rechtlichen wie verwaltungswissenschaftlichen Aspekten erheblicher Analysebedarf.

Auch die Fragestellung des „Aktivierenden Staates“ ist bislang noch kaum

Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung gewesen25. Die Querbezüge zwischen den Funktionen der Gewährleistung, Ermöglichung und Bürgeraktivierung sind noch nicht hinreichend untersucht worden. Hier besteht insbesondere mit Blick auf die aktuelle Praxisdebatte um „Bürgergesellschaft“, „Bürgerkommune“ usw.

erheblicher Analysebedarf.

Themen der Markt- und Wettbewerbs-Stärkung im öffentlichen Sektor werden primär ordnungspolitisch diskutiert, nicht zuletzt mit Blick auf Privatisierungspotentiale. Die leistungsfördernde Wirkung von Wettbewerb wird zwar im angelsächsischen NPM- Diskurs breit angesprochen, hat aber bisher in der deutschen Reformdebatte nur eine geringe Rolle gespielt.

Zum Problem der Leistungstiefenpolitik und Institutionenwahl im öffentlichen Sektor liegen bislang vor allem einige konzeptionelle Arbeiten vor, die z.T. auf der breiten Theorieentwicklung der neueren Institutionenökonomie fußen26. Der Transfer von Principal-Agent-Modellen und von Befunden der Transaktionskostenanalyse in den öffentlichen Sektor ist bisher allerdings nur recht punktuell geschehen.

Im Hinblick auf die Steuerung von öffentlichen Leistungsnetzen ist auf die vorliegenden - eher binnenstrukturell angelegten – Arbeiten zu

Steuerungsinstrumenten im Rahmen der Debatte um das „Neue Steuerungsmodell“

zu verweisen. Inwieweit diese Instrumente auch im neuen Kontext breiterer und loserer Governancestrukturen einsetzbar sind, bedarf indes vertiefter Analysen. Im übrigen ist hier auf die Arbeiten zur Netzwerktheorie zu verweisen27.

Fragen der Corporate Governance werden seit einigen Jahren in Rechts- und Wirtschaftswissenschaft mit Blick auf private Unternehmungen vermehrt diskutiert;

24 Vgl. vor allem Schuppert (1999)

25 vgl. u.a. Blanke/v.Bandemer (1999), Lamping u.a. (2002) sowie Reichard (1999)

26 vgl. vor allem Naschold u.a. (1996)

27 Vgl. z.B. Sydow/Windeler (1994)

(13)

der Transfer auf den öffentlichen Sektor hat bislang jedoch nur sehr partiell stattgefunden.

Insgesamt ist festzustellen, daß es im hier geschilderten Forschungsfeld der Public Governance teilweise erhebliche Forschungslücken gibt, die sowohl theoretisch- analytischer Art sind (Integration von Management und Governance,

Gewährleistungsstaat, Markt und Wettbewerb, Leistungstiefenpolitik,

Bürgergesellschaft, Corporate Governance), als auch empirischer Natur sind (Analyse der Umsetzung von Konzepten der geschilderten Art sowie der daraus resultierenden Folgewirkungen). Die Desiderate vervielfachen sich mit Blick auf den Bedarf an international-komparativen Studien.

Zukünftig wird sich die Public Sector-Forschung vermehrt mit Strukturfragen der Public Governance auseinandersetzen müssen, weil in der Realität komplexe, plurale Leistungsnetzwerke vorkommen werden. Dazu müssen die entsprechenden Analyse- und Gestaltungskonzepte und –instrumente entwickelt und bereitgestellt werden.

Obwohl partiell auf vorhandene Wissensbestände und Erfahrungen im Public Management zurückgegriffen werden kann, gibt es doch noch breite „weisse Flecken“ im Forschungsfeld der Public Governance.

Literatur

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Blanke, B., Schridde, H. (1999), Bürgerengagement und Aktivierender Staat.

Ergebnisse einer Bürgerbefragunz zur Staatsmodernisierung in Niedersachsen. In:

Aus Politik und Zeitgeschichte B 24-25, 1999, S. 3-12.

Budäus, D. (2002), Neue Kooperationsformen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben.

Charakterisierung, Funktionsweise und Systematisierung von Public Private Partnership. In: Reichard, C., J. Harms (Hrsg), Ökonomisierung des öffentlichen Sektors. Baden-Baden 2002 (im Erscheinen).

Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestages (2002), Bürgerschaftliches Engagement: Auf dem Weg in eine

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