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Archiv "Hygiene und Öffentliche Gesundheit: Plädoyer für eine bessere Verankerung in Universitäten" (10.12.2010)

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A 2444 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 49

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10. Dezember 2010

HYGIENE UND ÖFFENTLICHE GESUNDHEIT

Plädoyer für eine bessere Verankerung in Universitäten

Nur mit dem Ausbau eigenständiger Institute für Hygiene und öffentliche Gesundheit kann der herausragenden gesundheitspolitischen Bedeutung der Prävention Rechnung getragen werden.

D

ie aktuelle bundesweite Dis- kussion über Verbesserungen im Bereich der Krankenhaushygiene hat dieses Themenfeld erneut ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt.

Auf politischer Ebene werden der- zeit verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Die fachlich betroffenen Berufsverbände und Fachgesell- schaften schlagen gemeinsam als einen zentralen Reformansatz eine Änderung der medizinischen Aus- bildung vor: Hygiene und Öffentli- che Gesundheit sollte als eigenstän- diges universitäres Lehrfach etab- liert werden – anstelle der bisherigen Zusammenführung von Hygiene, Mikrobiologie und Virologie.

Der neuen Fachkombination

„Hygiene (einschließlich Kran - kenhaushygiene) und Öffentliche Gesundheit“ könnten die im Quer- schnittsbereich aufgeführten Dis- ziplinen Gesundheitsökonomie, Ge- sundheitssystemgestaltung, Öffent- liche Gesundheitspflege, klinische

Umweltmedizin sowie Prävention und Gesundheitsförderung zuge- wiesen werden, so dass auch diese Bereiche künftig kompetent durch eigenständige Institute in der Lehre und Forschung vertreten sein wür- den. Hierdurch würde der Forde- rung nach einer dringend benötig- ten Stärkung von Prävention, Ge- sundheitsschutz und Gesundheits- förderung in Forschung und Lehre wirksam und nachhaltig Rechnung getragen.

Hinzugewonnene Lebensjahre mit Lebensqualität füllen

Im 20. Jahrhundert konnte die Le- benserwartung der Bevölkerung in den Industrieländern um 30 bis 35 Lebensjahre verlängert werden, wo- bei schätzungsweise nur fünf der hinzugewonnenen Lebensjahre durch Erfolge der kurativen Medizin, 25 bis 30 Lebensjahre aber auf Erfol- ge der Verbesserung der Lebens - verhältnisse – maßgeblich gefördert

durch Hygiene und öffentliche Ge- sundheit – erzielt wurden.

Die große gesellschaftliche Her - ausforderung ist nunmehr, die hin- zugewonnenen Lebensjahre mit Le- bensqualität zu füllen. Es zeigt sich, dass mit der Steigerung der Zahl von Lebensjahren auch die Anzahl chronischer Erkrankungen ständig zunimmt. Hierdurch entstehen ins- besondere in den letzten beiden Le- bensjahren chronisch Kranker viel- fach sehr hohe Kosten im Gesund- heitswesen, die mittlerweile auch vom Gesundheitssystem reicher In- dustrieländer kaum mehr zu schul- tern sind. Gleichzeitig ist die Le- bensqualität der Betroffenen stark eingeschränkt. Vor diesem Hinter- grund kommt dem Ziel einer so - genannten Morbiditätskompression (Verschiebung des Beginns chroni- scher Erkrankungen in höhere Le- bensalter) durch Prävention, Hygie- ne, Gesundheitsschutz und Gesund- heitsförderung eine herausragende Auf Krankheits -

erreger werden diese Wasserproben in einem Hygiene -

institut im Ruhr - gebiet untersucht.

Foto: ddp

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10. Dezember 2010 A 2445 gesundheitspolitische Bedeutung

zu. Es wird keinesfalls ausreichend sein, die zu erwartenden Krank- heitslasten ausschließlich durch Verbesserung kurativer Maßnah- men bei Verzicht auf präventive Strategien auffangen zu wollen.

Die Geschichte der Infektions- krankheiten der letzten Jahre hat eindringlich gezeigt, dass diese nach wie vor eine große Bedeutung für unsere Gesellschaft haben.

Neue Erreger, Zunahme von Multi- resistenzen, Migration sowie Aus- wirkungen des Klimawandels tref- fen auf eine Gesellschaft, die durch die demografische Entwicklung mit einem steigenden Anteil an älteren Menschen gleichzeitig auch mehr Gefährdete für schwere Krankheits- verläufe haben wird.

Während individualmedizinische und kurative Leistungen in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker gefördert wurden, kam es zu einem dramatischen Abbau von eigenständigen Lehrstühlen für Hy- giene wie auch zu einer mangel - haften Förderung von Prävention und Gesundheitsförderung. Von den 1995 noch bestehenden 24 eigen- ständigen Lehrstühlen für Hygiene sind elf bereits aufgelöst oder als nichtselbstständige Abteilung in Institute anderer Fachdiziplinen eingegliedert worden.

Eine Vielzahl öffentlicher Ein- richtungen benötigen kompetente eigenständige Hygieneinstitute zur Risikoerkennung, Risikocharakte- risierung, zum Risikomanagement und zur Entwicklung von Konzep- ten zur Risikoregulierung. Bundes- institutionen, wie das Robert-Koch- Institut, das Umweltbundesamt und das Bundesinstitut für Risikobe- wertung, können den Forschungs- bedarf auf dem Gebiet der Hygiene nur zu einem geringen Teil selbst decken.

Hygieniker mit eigenständigen Hygieneinstituten haben neue Ar- beits- und Forschungsgebiete auf- gebaut und erschlossen. Beispiel- haft seien genannt:

Krankenhaushygiene

Überwachung nosokomialer Infektionen

Prüfung von Desinfektions- und Sterilisationsverfahren

Regularien für Medizinpro- dukte

technische Hygiene

Umwelthygiene (Trinkwasser- hygiene, Badewasserhygiene)

Etablierung des Biomonitorings für umweltbedingte Schadstoffe und Erreger

Umweltmedizin

moderne Infektionshygiene

Kriterien für die Aufdeckung und Expositionsabschätzung um- weltbedingter Risiken

Ableitung und Formulierung alters- und zielgruppenspezifischer Präventionskonzepte in den jeweili- gen Settings.

Unzureichende Ausbildung in moderner Hygiene

Durch einen weiteren Abbau eigen- ständiger Hygieneinstitute wird zum einen die wissenschaftliche For- schung und Lehre und damit die Ausbildung der künftigen Ärzte und Ärztinnen sowie des wissenschaftli- chen Nachwuchses gefährdet. Ande- rerseits ist die Kompetenz für die Beratung von Bundesinstitutionen und Ministerien auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitsdienstes auf wissenschaftlich-ärztlicher Basis nicht mehr gewährleistet. Das Fach Hygiene hat auch an denjenigen me- dizinischen Fakultäten, die diesem Fach einen besonderen Stellenwert zuerkennen, mit 14 Stunden nur ei- nen Anteil von 0,9 Prozent an der nach der Approbationsordnung fest- gelegten Gesamtstundenzahl von 1 498 Stunden für das gesamte Me- dizinstudium. Bereits heute lässt sich ein Großteil der Probleme auf dem Gebiet der modernen Kranken- haushygiene und der Kontrolle anti- biotikaresistenter Mikroorganismen auf eine unzureichende Ausbildung von Ärzten in der modernen Hygie- ne zurückführen.

Der öffentliche Gesundheits- dienst benötigt moderne Erkennt- nisse im Bereich der Hygiene und die Ko operation mit Hygieneinsti- tuten, da er vom Gesetzgeber ent- scheidende Aufgaben bei der Um- setzung von moderner Umwelt- und Infektionshygiene zum Gesund- heitsschutz und zur Gesundheitsför- derung der Bevölkerung zugewie- sen bekommen hat. Die Verlage-

rung dieser Aufgaben auf nichtärzt- liche Berufsgruppen ist inadäquat, da bei fehlendem ärztlichem Hinter- grund die Bewertungskompetenz und Folgenabschätzung für die Ge- sundheit nicht mehr gewährleistet sind und es häufig zu einer Fehl-, Über- oder Unterschätzung von ent- sprechenden Risiken mit erhebli- chen Fehlinvestitionen kommt.

Der Berufsverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesund- heitswesens und die betroffenen Fachgesellschaften fordern daher den Erhalt beziehungsweise Ausbau eigener Lehrstühle für Hygiene und öffentliche Gesundheit an den Uni- versitäten, wie dies bereits 1957 von der Weltgesundheitsorganisation vor- geschlagen wurde. Hygiene und Öffentliche Gesundheit müssen als eigenständige Disziplin an den Uni- versitäten etabliert werden. Die Er- fahrung zeigt, dass bei einer Integra- tion in bestehende Lehrstühle ande- rer Fachdisziplinen – wie dies der- zeit vielfach an Universitäten geübte Praxis ist – Hygiene und Öffentliche Gesundheit sich weder als eigen- ständige präventivmedizinische Dis- ziplin in der Patientenversorgung, in der Lehre und Forschung noch in der Weiterbildung entfalten können.

Entsprechenden eigenständigen Instituten für Hygiene und Öffent - liche Gesundheit an den Universi - täten sollten Referenzfunktionen für Hygiene, Krankenhaushygiene, Infektionshygiene, Umwelthygiene (Wasser-, Boden-, Lufthygiene), technische Hygiene, Störfall- und Ausbruchmanagement sowie zur epidemiologischen Überwachung zugewiesen werden. Hierdurch kann der öffentliche Gesundheits- dienst deutlich gestärkt werden. Ei- ne derartige Struktur hatte sich in der Vergangenheit in Deutschland bewährt und wird heute mit Erfolg in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Großbritannien

praktiziert. ■

Dr. med. Ute Teichert-Barthel Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V.

Prof. Dr. med. Thomas Eikmann Präsident der Gesellschaft für Hygiene,

Umweltmedizin und Präventivmedizin Prof. Dr. med. Martin Exner Präsident der Deutschen Gesellschaft

für Krankenhaushygiene e.V.

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